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BSG - Entscheidung vom 22.01.2024

B 8 SO 5/23 BH

Normen:
SGG § 160 Abs. 2

BSG, Beschluss vom 22.01.2024 - Aktenzeichen B 8 SO 5/23 BH

DRsp Nr. 2024/4760

Nichtzulassung der Revision in einem Verfahren eines Schwerbehinderten auf Gewährung von Leistungen der Eingliederungshilfe

PKH ist im sozialgerichtlichen Verfahren gemäß § 73a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 114 ZPO lediglich dann zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Dies ist nur dann zu bejahen, wenn einer der drei in § 160 Abs. 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten mit Erfolg geltend gemacht werden könnte. Es ist höchstrichterlich bereits hinreichend geklärt, dass ein auf den Regelungen des sechsten Kapitels des SGB XII begründetes Rechtsverhältnis zum 31.12.2019 endet und es bei einer begehrten Feststellung bezogen auf einen Zeitraum in der Vergangenheit regelmäßig an der anhaltenden Wirkung für die Folgezeit nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen fehlt, da das künftige Rechtsverhältnis auf Grundlage von Teil 2 des SGB IX dem Grunde bzw. der Höhe nach nicht ausreichend konkretisiert ist.

Tenor

Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 20. Dezember 2022 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwältin S, K, beizuordnen, wird abgelehnt.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem bezeichneten Urteil wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 ;

Gründe

I

Im Streit steht zwischen den Beteiligten die Gewährung von Leistungen der Eingliederungshilfe.

Der Kläger ist schwerbehindert (Grad der Behinderung <GdB> von 100 unter Zuerkennung des Merkzeichens "G"). Seine wiederholten, in den Jahren 2018 und 2019 gestellten Anträge auf verschiedene Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - ( SGB XII ) lehnte der Beklagte ab (Bescheid vom 8.11.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.3.2020; Bescheid vom 13.9.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.3.2020; Bescheid vom 13.9.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.3.2020). Im Jahr 2020 beantragte der Kläger bei dem Beklagten erfolglos die Gewährung von Leistungen der Eingliederungshilfe, Rehabilitation und Teilhabeleistungen nach dem Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen - ( SGB IX ; Bescheid vom 5.3.2020; Widerspruchsbescheid vom 22.9.2021); hiergegen hat er gesondert Klage erhoben.

Die Klage gegen die Bescheide aus dem Jahr 2019 in Gestalt der jeweiligen Widerspruchsbescheide hat keinen Erfolg gehabt (Gerichtsbescheid des Sozialgerichts <SG> Berlin vom 15.11.2021; Urteil des Landessozialgericht <LSG> Berlin-Brandenburg vom Urteil vom 20.12.2022). Das LSG hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die im März 2020 erhobene kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gerichtet auf Leistungen nach dem zum 31.12.2019 außer Kraft getretenen Sechsten Kapitel des SGB XII sei unzulässig. Das auf diesen Regelungen begründete Rechtsverhältnis habe zum 31.12.2019 geendet. Der Kläger könne im vorliegenden Rechtsstreit nicht zulässig die Verurteilung des Beklagten zur Leistungsgewährung nach dem SGB IX verlangen, weil sich die angegriffenen Verwaltungsakte auf die Eingliederungshilfe als Leistungen der Sozialhilfe nach dem bis 31.12.2019 geltenden Recht beschränkten. Nachfolgende Bescheide des Beklagten seien auch nicht nach § 96 Sozialgerichtsgesetz ( SGG ) Gegenstand des Rechtsstreits geworden. Soweit der Kläger im Wege einer Fortsetzungsfeststellungsklage die Feststellung der Rechtswidrigkeit der streitgegenständlichen Bescheide festgestellt wissen wolle, sei eine solche Klage ebenfalls unzulässig. Soweit der Kläger einen Kostenerstattungsersatzanspruch für selbst beschaffte Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII aF verfolge, sei die Klage jedenfalls offensichtlich unbegründet. Der Kläger habe schon keine entstandenen Kosten für selbst beschaffte Leistungen dargelegt.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem bezeichneten Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde und beantragt zugleich die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung einer Rechtsanwältin.

II

PKH kann dem Kläger nicht bewilligt werden. PKH ist nur zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Zivilprozessordnung <ZPO>); daran fehlt es hier. Hinreichende Aussicht auf Erfolg wäre nur zu bejahen, wenn einer der drei in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten 73 Abs 4 SGG ) mit Erfolg geltend gemacht werden könnte, denn nur diese Gründe können zur Zulassung der Revision führen. Dies ist vorliegend nicht der Fall.

Der Rechtssache kommt nach Aktenlage keine grundsätzliche Bedeutung zu 160 Abs 2 Nr 1 SGG ). Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Wie vom LSG ausgeführt, ist in der Rechtsprechung des Senats aber geklärt, dass ein auf den Regelungen des Sechsten Kapitels des SGB XII begründetes Rechtsverhältnis zum 31.12.2019 endet und es bei einer begehrten Feststellung bezogen auf einen Zeitraum in der Vergangenheit regelmäßig an der anhaltenden Wirkung für die Folgezeit nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz <BTHG> vom 23.12.2016, BGBl I 3234) fehlt, weil das künftige Rechtsverhältnis auf Grundlage von Teil 2 des SGB IX dem Grunde und/oder der Höhe nach nicht ausreichend konkretisiert ist ( BSG vom 28.1.2021 - B 8 SO 9/19 R - BSGE 131, 246 = SozR 4-3500 § 57 Nr 1, RdNr 19 ff). Nach dem Vorstehenden ist auch nicht erkennbar, dass eine Divergenzrüge 160 Abs 2 Nr 2 SGG ) mit Aussicht auf Erfolg geltend gemacht werden könnte.

Es ist schließlich auch nicht erkennbar, dass ein Verfahrensmangel 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG ) mit Aussicht auf Erfolg geltend gemacht werden könnte. Das LSG durfte in Abwesenheit des Klägers aufgrund mündlicher Verhandlung entscheiden, da er ordnungsgemäß in der Terminsmitteilung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden war. Es ist deshalb auch nicht erkennbar, dass ein zugelassener Prozessbevollmächtigter mit Erfolg eine Verletzung rechtlichen Gehörs (Art 103 Abs 1 Grundgesetz <GG>; § 62 SGG ) rügen könnte; denn der Kläger hatte nach Aktenlage Gelegenheit, sich in der mündlichen Verhandlung ausreichend rechtliches Gehör zu verschaffen. Zulässigerweise hat das LSG durch den Vorsitzenden mit ehrenamtlichen Richtern gemäß § 153 Abs 5 SGG entschieden. Gesetzlicher Richter für die Entscheidung von Verfahren vor dem LSG ist grundsätzlich ein Senat in der Besetzung mit dem Vorsitzenden, zwei weiteren Berufsrichtern und zwei ehrenamtlichen Richtern 33 Abs 1 Satz 1 SGG ). Hiervon macht ua § 153 Abs 5 SGG (eingefügt durch das Gesetz zur Änderung des SGG und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26.3.2008, BGBl I 444) eine Ausnahme. Danach kann das LSG nach seinem Ermessen in den Fällen einer Entscheidung des SG durch Gerichtsbescheid 105 SGG ) durch Beschluss der berufsrichterlichen Mitglieder des Senats die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet. Hiervon hat das LSG Gebrauch gemacht und dem Kläger zuvor ordnungsgemäß Gelegenheit gegeben, zur beabsichtigen Vorgehensweise Stellung zu nehmen (zur Anhörungspflicht BSG vom 21.9.2017 - B 8 SO 3/16 R - SozR 4-1500 § 153 Nr 16 RdNr 16).

Es ist schließlich nicht erkennbar, dass das LSG verfahrensfehlerhaft die Klage zum überwiegenden Teil als unzulässig angesehen hat; diese Konsequenz folgt - wie von LSG im Einzelnen dargestellt - aus der oben zitierten Rechtsprechung des Senats ( BSG vom 28.1.2021 - B 8 SO 9/19 R - BSGE 131, 246 = SozR 4-3500 § 57 Nr 1). Soweit der Kläger eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht nach § 103 SGG behauptet, ist nicht ersichtlich, welche Tatsachen dem LSG - ausgehend von seiner Rechtsauffassung - als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen

Mit der Ablehnung von PKH entfällt auch die Beiordnung eines Prozessbevollmächtigten im Rahmen der PKH 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO ).

Die vom Kläger selbst eingelegte Beschwerde entspricht nicht den zwingenden gesetzlichen Vorschriften. Der Kläger muss sich vor dem BSG gemäß § 73 Abs 4 SGG durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Er kann eine Prozesshandlung rechtswirksam nicht vornehmen, folglich auch nicht selbst Beschwerde einlegen. Schon die Beschwerdeschrift muss von einem nach § 73 Abs 4 SGG zugelassenen Prozessbevollmächtigten unterzeichnet sein. Hierauf wurde der Kläger ausdrücklich hingewiesen. Die nicht formgerecht eingelegte Beschwerde ist schon deshalb nach § 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 Satz 3 SGG ohne Beteiligung der ehrenamtlichen Richter als unzulässig zu verwerfen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG .

Vorinstanz: SG Berlin, vom 15.11.2021 - Vorinstanzaktenzeichen S 47 SO 388/20
Vorinstanz: LSG Berlin-Brandenburg, vom 20.12.2022 - Vorinstanzaktenzeichen L 23 SO 259/21