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BSG - Entscheidung vom 14.02.2024

B 1 KR 78/22 B

Normen:
SGG § 160a Abs. 4 S. 1 Hs. 2
SGG § 169 S. 3

BSG, Beschluss vom 14.02.2024 - Aktenzeichen B 1 KR 78/22 B

DRsp Nr. 2024/3364

Kostenübernahme für eine in einer Privatklinik durchgeführte regionale Chemotherapie (RTC)

1. Ist ein Urteil des Landessozialgerichts nebeneinader auf mehrere Begründungen gestützt, so kann eine Nichtzulassungsbeschwerde nur dann zur Zulassung der Revision führen, wenn im Hinblick auf jede dieser Begründungen ein Zulassungsgrund vorliegt und formgerecht gerügt wird. 2. Die gesetzliche Krankenkasse muss nicht die Kosten einer regionalen Chemotherapie in einer Privatklinik übernehmen, wenn die begehrte Behandlung auch in einem Vertragskrankenhaus hätte durchgeführt werden können.

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 5. April 2022 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160a Abs. 4 S. 1 Hs. 2; SGG § 169 S. 3;

Gründe

I

Die Klägerin begehrt von der beklagten Krankenkasse (KK) Kostenübernahme für eine in der M Klinik B, einer Privatklinik, durchgeführte regionale Chemotherapie (RTC) in Höhe von 46 144,02 Euro.

Die 1956 geborene Klägerin hatte zur Behandlung ihrer erstmals 2002 diagnostizierten Brustkrebserkrankung bereits mehrere, zT palliative Behandlungen in Anspruch genommen und teilweise wegen Unverträglichkeit wieder abgebrochen. Am 20.2.2014 reichte sie bei der KK einen Kostenvoranschlag der M Klinik sowie einen Arztbrief von R ein: Aufgrund des lokal rasch progredienten Verlaufs mit erheblicher Schmerzsymptomatik sei frühzeitig eine leitlinienkonforme Therapie mit verschiedenen endokrinen Therapien, systemischer Zytostase und Antikörpertherapie sowie Bestrahlung durchgeführt worden. Damit seien alle Leitlinientherapien ausgeschöpft. Deshalb werde nun die lokoregionale Zytostase zur Symptomkontrolle des Lokalbefundes dringend empfohlen. Es handele sich um ein seit Jahrzehnten etabliertes Therapieverfahren in der Onkologie zur Beherrschung von Lokalbefunden ohne die erheblichen Nebenwirkungen der systemischen Chemotherapie. Die erste stationäre Behandlung fand vom 18. bis 28.2.2014 statt. Weitere drei folgten ab dem 18.3.2014. Die Beklagte lehnte eine Kostenbeteiligung ab, da es sich um eine Privatklinik handele und die RTC nicht dem anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspreche (Bescheid vom 27.2.2014). Widerspruch, Klage und Berufung blieben erfolglos. Das LSG führte zur Begründung seiner Entscheidung aus: In Bezug auf den ersten stationären Aufenthalt fehle es bereits an dem nach § 13 Abs 3 Satz 1 Fall 2 SGB V erforderlichen Kausalzusammenhang zwischen Kostenentstehung und ablehnender Leistungsentscheidung der KK. Im Übrigen fehle es jedenfalls an einem Primäranspruch auf die begehrte Leistung. Dies folge bereits daraus, dass die RTC in jeder Universitätsklinik durchgeführt werden könne und daher kein Systemversagen vorliege, das zu einem Anspruch auf Behandlung in einer Privatklinik führen könnte. Außerdem fehle es an der Alternativlosigkeit der selbstbeschafften Behandlung, bei der es sich zudem um ein experimentelles Verfahren handele (Urteil vom 5.4.2022).

Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil.

II

Die Beschwerde ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 i.V.m. § 169 Satz 2 und 3 SGG zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung der Revisionszulassungsgründe.

1. Wer sich auf den Zulassungsgrund der Divergenz 160 Abs 2 Nr 2 SGG ) beruft, muss entscheidungstragende abstrakte Rechtssätze im Urteil des Berufungsgerichts einerseits und in einem Urteil des BSG , des GmSOGB oder des BVerfG andererseits gegenüberstellen und Ausführungen dazu machen, weshalb beide miteinander unvereinbar sein sollen und das Berufungsurteil auf dieser Divergenz beruht (vgl zB BSG vom 19.9.2007 - B 1 KR 52/07 B - juris RdNr 6; BSG vom 9.5.2018 - B 1 KR 55/17 B - juris RdNr 8; zur Verfassungsmäßigkeit dieser Darlegungsanforderungen vgl BVerfG <Dreierausschuss> vom 8.9.1982 - 2 BvR 676/81 - juris RdNr 8). Erforderlich ist, dass das LSG bewusst einen Rechtssatz, der von höchstrichterlicher Rspr abweicht, aufgestellt und nicht etwa lediglich fehlerhaft das Recht angewendet hat; dies hat der Beschwerdeführer schlüssig darzulegen (vgl zB BSG vom 19.11.2019 - B 1 KR 72/18 B - juris RdNr 8). Daran fehlt es.

Die Beschwerde stellt zwar mehreren angeblich vom LSG in Bezug auf wissenschaftlich anerkannte Behandlungsoptionen und zu den Erfolgsaussichten der verschiedenen Behandlungsansätze als Voraussetzungen eines Leistungsanspruchs nach § 2 Abs 1a SGB V aufgestellten Rechtssätzen Aussagen des BVerfG in dessen Entscheidungen vom 6.12.2005 - 1 BvR 347/98 - und vom 26.2.2013 - 1 BvR 2045/12 - gegenüber. Es kann offenbleiben, ob die Klägerin insoweit divergierende Rechtssätze des LSG und des BVerfG tatsächlich schlüssig herausarbeitet. Denn die Beschwerde legt jedenfalls nicht hinreichend dar, dass die angefochtene Entscheidung auf der geltend gemachten Divergenz beruht, die Divergenzfrage also für das BSG in einem Revisionsverfahren entscheidungserheblich wird (zum Beruhen vgl nur Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl 2010, RdNr 395 mwN). Dazu ist erforderlich, dass die Entscheidung des Berufungsgerichts - ausgehend von dessen Rechtsauffassung - anders hätte ausfallen müssen (vgl BSG vom 16.7.2020 - B 1 KR 43/19 B - juris RdNr 6 mwN). Ist ein Urteil nebeneinander auf mehrere Begründungen gestützt, so kann eine Nichtzulassungsbeschwerde nur dann zur Zulassung der Revision führen, wenn im Hinblick auf jede dieser Begründungen ein Zulassungsgrund vorliegt und formgerecht gerügt wird (stRspr; vgl BSG vom 3.3.2021 - B 1 KR 89/20 B - juris RdNr 6; BSG vom 24.9.1980 - 11 BLw 4/80 - SozR 1500 § 160a Nr 38 S 55; BSG vom 18.1.2012 - B 8 SO 36/11 B - juris RdNr 5; BSG vom 10.3.2016 - B 4 AS 699/15 B, B 4 AS 700/15 B - juris RdNr 9; BAG vom 23.7.1996 - 1 ABN 18/96 - juris RdNr 9 = NZA 1997, 281 ). Daran fehlt es.

Das LSG hat seine Entscheidung - neben der Verneinung der Anspruchsvoraussetzungen des § 2 Abs 1a SGB V - auch darauf gestützt, dass die begehrte Behandlung jedenfalls auch in einem Vertragskrankenhaus hätte durchgeführt werden können, daher kein Systemversagen gegeben sei und folglich kein Grund für die Inanspruchnahme einer Privatklinik bestanden habe. Diese Begründung hat die Beschwerde nicht mit Revisionszulassungsgründen angegriffen.

2. Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG und § 128 Abs 1 Satz 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Um einen Verfahrensmangel in diesem Sinne geltend zu machen, müssen die Umstände bezeichnet werden, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (vgl zB BSG vom 18.2.1980 - 10 BV 109/79 - SozR 1500 § 160a Nr 36 mwN; BSG vom 31.7.2017 - B 1 KR 47/16 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 30 RdNr 16 mwN). Daran fehlt es.

Die Beschwerde bezeichnet bereits keinen in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG gestellten oder bis zuletzt aufrechterhaltenen konkreten Beweisantrag (vgl zu den Darlegungsanforderungen insoweit ua BSG vom 14.6.2005 - B 1 KR 38/04 B - juris RdNr 5; BSG vom 15.9.2023 - B 1 KR 21/22 B - juris RdNr 10; jeweils mwN). Und sie legt aus den oben (RdNr 8) dargestellten Gründen auch nicht hinreichend dar, dass die angefochtene Entscheidung auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel beruht.

3. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von § 193 SGG .

Vorinstanz: SG Augsburg, vom 27.11.2018 - Vorinstanzaktenzeichen S 12 KR 103/15
Vorinstanz: LSG Bayern, vom 05.04.2022 - Vorinstanzaktenzeichen L 5 KR 342/19