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BSG - Entscheidung vom 16.01.2024

B 5 R 37/23 BH

Normen:
SGG § 73a Abs. 1 S. 1
ZPO § 114 Abs. 1 S. 1
SGB VI § 61 Abs. 3

BSG, Beschluss vom 16.01.2024 - Aktenzeichen B 5 R 37/23 BH

DRsp Nr. 2024/5815

Höhere Rente wegen Erwerbsminderung unter Berücksichtigung auch des Monats Juli 2005 als Beitragszeit aufgrund einer Beschäftigung mit ständigen Arbeiten unter Tage

Tenor

Der Antrag des Klägers, ihm für ein Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 23. Mai 2023 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwalt E beizuordnen, wird abgelehnt.

Normenkette:

SGG § 73a Abs. 1 S. 1; ZPO § 114 Abs. 1 S. 1; SGB VI § 61 Abs. 3 ;

Gründe

I

Der 1978 geborene Kläger begehrt im zugrunde liegenden Rechtsstreit eine höhere Rente wegen Erwerbsminderung unter Berücksichtigung auch des Monats Juli 2005 als Beitragszeit aufgrund einer Beschäftigung mit ständigen Arbeiten unter Tage.

Der Kläger war als Bergmann beschäftigt. Die Beklagte gewährte ihm ab Juni 2018 eine zunächst befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung. Sie erkannte insgesamt 131 Monate Beitragszeiten aufgrund Beschäftigung mit ständigen Arbeiten unter Tage an. Eine entsprechende Berücksichtigung auch des streitbefangenen Monats lehnte sie ab (Bescheid vom 3.5.2019; Widerspruchsbescheid vom 17.12.2019). Während des Klageverfahrens hat die Beklagte die Rente des Klägers neu berechnet (Bescheid vom 28.5.2020). Das SG hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 25.6.2020). Die hiergegen vom Kläger eingelegte Berufung hat das LSG mit Urteil vom 23.5.2023 zurückgewiesen. Der Kläger habe im Juli 2005 keine Arbeiten unter Tage ausgeübt. Er sei wegen einer seinerzeit vom Arbeitgeber ausgesprochenen und später zurückgenommenen Kündigung nur für Besprechungen mit dem Belegschaftsbetreuer auf dem Betriebsgelände anwesend gewesen. Die Schichten würden auch nicht gemäß § 61 Abs 3 SGB VI als überwiegend unter Tage verfahren gelten. Eine weitergehende Anwendung der Vorschrift scheide aus.

Das Berufungsurteil ist dem Kläger am 25.9.2023 zugestellt worden. Am 23.10.2023 hat er beim BSG die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) und sinngemäß auch die Beiordnung des Rechtsanwalts E beantragt. Eine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse liegt vor.

II

Der PKH-Antrag des Klägers ist abzulehnen. Nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 Abs 1 Satz 1 Zivilprozessordnung ( ZPO ) kann einem Beteiligten, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Dies ist hier nicht der Fall. Die angestrebte Nichtzulassungsbeschwerde verspricht keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Es ist nicht zu erkennen, dass ein vor dem BSG zugelassener Prozessbevollmächtigter 73 Abs 4 SGG ) zur erfolgreichen Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde in der Lage wäre. Nach § 160 Abs 2 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), die angegriffene Entscheidung von einer Entscheidung des BSG , des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder wenn ein bestimmter Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3). Ein solcher Zulassungsgrund ist nach summarischer Prüfung des Streitstoffs anhand der beigezogenen Verfahrensakten auch unter Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers nicht ersichtlich. Damit entfällt zugleich die Möglichkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der PKH (vgl § 73a Abs 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 121 Abs 1 ZPO ).

1. Dass dem Verfahren eine grundsätzliche Bedeutung iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG zukommt, ist nicht zu erkennen. Es stellt sich keine Rechtsfrage, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer weiteren Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Die Voraussetzungen einer Gleichstellung ausgefallener Schichten ergeben sich unmittelbar aus § 61 Abs 3 SGB VI (vgl dazu sowie zur Vorgängerregelung in § 2 Gleichstellungsverordnung BSG Beschluss vom 4.7.2023 - B 5 R 171/22 B - juris RdNr 13 mwN). Der hier zugrunde liegende Rechtsstreit wirft keine weitergehenden Fragen auf.

2. Das LSG ist im angefochtenen Urteil nicht iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG in entscheidungserheblicher Weise von höchstrichterlicher Rechtsprechung abgewichen.

3. Es ist kein rügefähiger Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG , auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann, ersichtlich. Insbesondere könnte nicht mit Erfolg gerügt werden, das LSG habe seine Pflicht zur Ermittlung des Sachverhalts von Amts wegen 103 Halbsatz 1 SGG ) verletzt, indem es nach Vorlage eines ärztlichen Attests vom 18.7.2005 nicht weiter zur Arbeitsunfähigkeit des Klägers im Juli 2005 ermittelt habe. Zur Erhebung einer Sachaufklärungsrüge muss die Beschwerdebegründung ua einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren prozessordnungsgemäßen, bis zuletzt aufrechterhaltenen Beweisantrag bezeichnen, dem das Berufungsgericht nicht gefolgt ist (stRspr; vgl hierzu und zu den weiteren Anforderungen zB BSG Beschluss vom 3.5.2023 - B 5 R 52/23 B - juris RdNr 5; BSG Beschluss vom 22.6.2023 - B 5 R 40/23 B - juris RdNr 5; BSG Beschluss vom 14.4.2020 - B 5 RS 13/19 B - juris RdNr 11). Es ist schon nicht zu erkennen, dass der Kläger im Zusammenhang mit dem Attest vom 18.7.2005 einen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag gestellt hat. Er hat die Bescheinigung erstmals mit Schriftsatz vom 30.1.2023 vorgelegt. Weder aus diesem Schriftsatz noch aus seinem späteren Vorbringen ergibt sich hinreichend deutlich, über welche im Einzelnen bezeichneten Punkte (vgl § 118 Abs 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 403 bzw § 373 ZPO ) und mit welchem Ziel im Berufungsverfahren Beweis erhoben werden sollte und dass es sich dem Inhalt nach nicht um eine bloße Beweisanregung handle (vgl zB BSG Beschluss vom 26.11.2019 - B 13 R 159/18 B - juris RdNr 8 mwN). Ungeachtet dessen lässt sich weder dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 23.5.2023 noch dem Berufungsurteil entnehmen, dass der Kläger einen (unterstellten) Beweisantrag zu seiner Arbeitsunfähigkeit im Juli 2005 bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung vor dem LSG aufrechterhalten hat.

Ebenso wenig ließe sich mit Erfolg rügen, das LSG habe den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör 62 SGG , Art 103 Abs 1 GG ) verletzt, indem es das Vorbringen im Schriftsatz vom 30.1.2023 zur Arbeitsunfähigkeit nicht ausreichend zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen habe (vgl zu den diesbezüglichen Anforderungen zB BSG Beschluss vom 22.8.2023 - B 1 KR 22/23 B - juris RdNr 15 ff mwN). Ausweislich der beigezogenen Verfahrensakte ist im Berufungsverfahren an verschiedenen Stellen erörtert worden, aus welchen Gründen der Kläger im streitbefangenen Monat keine Untertageschichten verfahren habe. Der Vorsitzende des LSG-Senats hat in der mündlichen Verhandlung vom 13.12.2022 darauf hingewiesen, dass nach (vorläufiger) Auffassung der Kläger in dieser Zeit nicht arbeitsunfähig gewesen sei. Nach Vorlage des Attests vom 18.7.2005 hat er den Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 23.5.2023 zur Situation im Juli 2005 befragt. Der Kläger ist dabei nicht auf eine erneute Arbeitsunfähigkeit zu sprechen gekommen, sondern nur auf die seinerzeit ausgesprochene Kündigung. Ausweislich des Tatbestands des Berufungsurteils ist das LSG zum Schluss gekommen, dass die Arbeitsunfähigkeit am 8.5.2005 geendet habe.

Mit seinem Vorbringen im PKH-Verfahren wendet der Kläger sich im Kern gegen die Würdigung seiner Angaben und der vorgelegten Unterlagen im Einzelfall. Die Beweiswürdigung der Vorinstanz ist einer Rüge im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde jedoch ausdrücklich entzogen 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG ).

Vorinstanz: SG Gelsenkirchen, vom 25.06.2020 - Vorinstanzaktenzeichen 24 R 43/20
Vorinstanz: LSG Nordrhein-Westfalen, vom 23.05.2023 - Vorinstanzaktenzeichen 18 R 666/20