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BSG - Entscheidung vom 29.01.2024

B 1 KR 76/23 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3

BSG, Beschluss vom 29.01.2024 - Aktenzeichen B 1 KR 76/23 B

DRsp Nr. 2024/4449

Erstattung der Kosten für eine Laserinduzierte Interstitielle Thermotherapie (LITT)

Bei den im Rahmen der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 3 SGG geltend zu machenden Verfahrensmangel, auf welchem die angefochtene Entscheidung beruhen kann, ist zu berücksichtigen, dass ein solcher lediglich dann auf eine Verletzung des § 109 SGG , des Grundsatzes der freien richterlichen Beweiswürdigung gemäß § 128 Abs. 1 S. 1 SGG sowie auf eine Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes nach § 103 SGG gestützt werden, soweit dieser sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Um einen solchen Verfahrensmangel geltend zu machen, sind diejenigen Umstände hinreichend zu bezeichnen, die zu dem entscheidungserheblichen Mangel geführt haben sollen.

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 11. September 2023 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3 ;

Gründe

I

Die Beteiligten streiten über die Erstattung der Kosten für eine Laserinduzierte Interstitielle Thermotherapie (LITT).

Bei der 1977 geborenen und bei der beklagten Krankenkasse versicherten Klägerin wurde im Jahr 2013 ein Mammakarzinom diagnostiziert und behandelt. In der Folgezeit traten Lebermetastasen auf, deren Rückgang im Verlaufe einer durchgeführten Chemotherapie stagnierte. Mit E-Mail vom 6.5.2019 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Kostenübernahme für eine lokale Therapie der Lebermetastasen ua mittels ambulanter transarterieller Chemoembolisationen (TACE) / transarterieller Chemoperfusionen (TACP). Die Beklagte lehnte den Antrag ab; die Klägerin ließ die TACE/TACP-Behandlungen auf eigene Rechnung durchführen (siehe dazu das Parallelverfahren ). Mit E-Mail vom 22.8.2019 und einem beigefügten ärztlichen Schreiben teilten die Klägerin und ihr behandelnder Arzt der Beklagten mit, der Tumor habe sich unter der erfolgten TACE-Behandlung erheblich reduziert und es seien nun die Voraussetzungen für eine thermische Ablation der Restmetastase gegeben. Es werde um entsprechende Kostenübernahme gebeten. Die Beklagte lehnte die Kostenübernahme für eine LITT ab und wies den hiergegen gerichteten Widerspruch der Klägerin zurück (Bescheid vom 26.8.2019; Widerspruchsbescheid vom 4.3.2020). Die Klägerin ließ die LITT auf eigene Rechnung durchführen. Mit ihrer auf Erstattung der Behandlungskosten in Höhe von 5084,55 Euro gerichteten Klage hatte sie in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Das LSG hat zur Begründung ausgeführt, die Voraussetzungen für einen Kostenerstattungsanspruch lägen nicht vor. Es könne dahinstehen, ob ein Ursachenzusammenhang für das Abweichen vom Sachleistungsgrundsatz zwischen der Ablehnung der Leistung und der Kostenlast der Klägerin im Hinblick auf die LITT vorgelegen habe. Jedenfalls habe die Beklagte die beantragte Leistung nicht zu Unrecht abgelehnt. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf eine ambulante LITT gehabt. Diese Behandlungsmethode sei vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) aus der vertragsärztlichen Versorgung ausgeschlossen worden. Ein Ausnahmefall, in dem es keiner positiven Empfehlung des G-BA bedürfe, habe nicht vorgelegen. Ein Anspruch habe auch nicht nach § 2 Abs 1a SGB V bestanden. Für die Behandlung habe eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung zur Verfügung gestanden. Die LITT hätte als Sachleistung in stationärer Form in der Universitätsklinik der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) durchgeführt werden können (Urteil des LSG vom 11.9.2023).

Die Klägerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil.

II

Die Beschwerde ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 i.V.m. § 169 Satz 3 SGG zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung des allein geltend gemachten Revisionszulassungsgrundes des Verfahrensmangels.

1. Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG und § 128 Abs 1 Satz 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Um einen Verfahrensmangel in diesem Sinne geltend zu machen, müssen die Umstände bezeichnet werden, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (vgl zB BSG vom 18.2.1980 - 10 BV 109/79 - SozR 1500 § 160a Nr 36 mwN; BSG vom 31.7.2017 - B 1 KR 47/16 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 30 RdNr 16 mwN).

Wer sich - wie die Klägerin - auf eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht nach § 103 SGG stützt, muss ua einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrag bezeichnen, die Rechtsauffassung des LSG wiedergeben, aufgrund der bestimmte Tatsachen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen und die von dem betreffenden Beweisantrag berührten Tatumstände darlegen, die zu weiterer Sachaufklärung Anlass gegeben hätten (stRspr; vgl zB BSG vom 20.7.2010 - B 1 KR 29/10 B - RdNr 5 mwN; BSG vom 1.3.2011 - B 1 KR 112/10 B - juris RdNr 3 mwN; BSG vom 14.10.2016 - B 1 KR 59/16 B - juris RdNr 5).

Hierzu gehört die Darlegung, dass ein anwaltlich vertretener Beteiligter einen Beweisantrag bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt und noch zumindest hilfsweise aufrechterhalten hat (vgl zB BSG vom 14.6.2005 - B 1 KR 38/04 B - juris RdNr 5; BSG vom 29.3.2007 - B 9a VJ 5/06 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11 mwN). Der Tatsacheninstanz soll dadurch vor Augen geführt werden, dass der Betroffene die gerichtliche Sachaufklärungspflicht noch nicht als erfüllt ansieht. Der Beweisantrag hat Warnfunktion (vgl BSG vom 24.11.1988 - 9 BV 39/88 - SozR 1500 § 160 Nr 67; BSG vom 10.4.2006 - B 1 KR 47/05 B - juris RdNr 9 mwN; BSG vom 1.2.2013 - B 1 KR 111/12 B - BeckRS 2013, 66873 RdNr 8). Die Warnfunktion des Beweisantrags entfällt, wenn Beweisantritte lediglich in der Berufungsschrift oder sonstigen Schriftsätzen enthalten sind (vgl BSG vom 17.12.2020 - B 1 KR 84/19 B - juris RdNr 5; BSG vom 26.4.2021 - B 1 KR 52/20 B - juris RdNr 5).

Diesen Darlegungsanforderungen wird das Beschwerdevorbringen nicht gerecht.

Die Klägerin macht geltend, das LSG hätte weiter ermitteln und die Frage klären müssen, ob weitere Mittel zur Verfügung standen. Es habe sich auf eine Entscheidung des BSG aus dem Jahr 2006 bezogen. Seither sei die Forschung zur laserinduzierten Therapie jedoch vorangeschritten. Die Klägerin bezeichnet jedoch bereits keinen von ihr gestellten und bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung zumindest hilfsweise aufrechterhaltenen Beweisantrag. Darüber hinaus legt sie auch nicht dar, inwiefern es nach der Rechtsauffassung des LSG auf die von ihr aufgeworfene medizinische Frage überhaupt ankam. Anlass hierzu hätte schon deshalb bestanden, weil das LSG nicht eine medizinische Indikation für die LITT allgemein in Abrede gestellt, sondern lediglich aus rechtlichen Gründen - wegen des fortbestehenden Ausschlusses durch den G-BA - einen Anspruch auf die ambulante Durchführung verneint und dabei auf die bestehende Möglichkeit einer stationären Durchführung der LITT in der LMU verwiesen hat. Dabei hat es lediglich ergänzend auf medizinische Bedenken gegen eine ambulante Durchführung hingewiesen.

2. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG .

Vorinstanz: SG Würzburg, vom 02.08.2022 - Vorinstanzaktenzeichen S 6 KR 147/20
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