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BSG - Entscheidung vom 02.01.2024

B 5 R 138/23 B

Normen:
SGB V § 8 Abs. 1 S. 1 Nr. 4

BSG, Beschluss vom 02.01.2024 - Aktenzeichen B 5 R 138/23 B

DRsp Nr. 2024/5787

Befreiung von der Versicherungspflicht als Rentner in der gesetzlichen Krankenversicherung

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 3. August 2023 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.

Normenkette:

SGB V § 8 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 ;

Gründe

I

Der 1945 geborene Kläger bezieht seit Oktober 2010 Regelaltersrente von der Beklagten. Er war noch bis zum 31.3.2019 bei seinem bisherigen Arbeitgeber beschäftigt und freiwillig in der gesetzlichen Krankversicherung versichert. Die Beklage gewährte ihm hierzu einen Zuschuss. Nach Ende dieser Beschäftigung berechnete die Beklagte seine Rente ab dem 1.4.2019 neu. Ein Zuschuss zur Krankenversicherung wurde nicht länger gewährt, der (anteilige) Beitrag des Klägers zur Kranken- und Pflegeversicherung der Rentner wurde von seiner Rente einbehalten (Bescheid vom 2.4.2019; Widerspruchsbescheid vom 17.9.2019).

Klage und Berufung des Klägers sind erfolglos geblieben (Gerichtsbescheid vom 29.9.2022; Urteil vom 3.8.2023). Das LSG hat zur Begründung ausgeführt, seit dem 1.4.2019 bestehe für den Kläger Versicherungspflicht in der Krankenversicherung der Rentner. Der Kläger habe den hälftigen Krankenversicherungsbeitrag und den vollen Beitrag zur sozialen Pflegeversicherung zu tragen. Die von der Beklagten einbehaltenen Beträge seien auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG mitgeteilt habe, weitere Beiträge an seine Krankenkasse zu zahlen, sei dies nicht Gegenstand des angefochtenen Bescheids und könne in diesem Verfahren nicht überprüft werden. Zudem habe er sein Vorbringen nicht weiter substantiiert.

Der Kläger hat gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung Beschwerde zum BSG eingelegt, die er mit Schriftsatz vom 13.11.2023 begründet hat.

II

1. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 i.V.m. § 169 Satz 2 und 3 SGG ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter zu verwerfen. Sie ist nicht in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Form begründet.

a) Der Kläger legt die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) nicht hinreichend dar. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde auf diesen Zulassungsgrund gestützt, muss dargetan werden, dass die Rechtssache eine Rechtsfrage zu revisiblem Recht 162 SGG ) aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Zur ordnungsgemäßen Bezeichnung dieses Revisionszulassungsgrundes muss der Beschwerdeführer daher eine Rechtsfrage benennen und zudem deren (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen. Daran fehlt es hier.

Der Kläger bringt vor, er werde zu Unrecht mehrfach zur Beitragszahlung herangezogen. Er sei über den 31.3.2019 hinaus und bis heute bei einem weiteren Arbeitgeber beschäftigt, der für ihn Beiträge zur Kranken- und Pflegversicherung abführe. Es handle sich um "ein- und dieselben" Beiträge. Das LSG habe entschieden, dass die Beiträge von seiner Rente abzuziehen seien. Die "Rechtsfrage" lasse sich aber ebenso dahin beantworten, dass die Beiträge (nur) von seinem Arbeitsentgelt in Abzug zu bringen seien. Damit formuliert der Kläger schon keine Rechtsfrage iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG , zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkret bezeichneten revisiblen Rechtsvorschrift mit höherrangigem Recht.

Falls der Kläger eine Rechtsfrage zur Auslegung von § 8 Abs 1 Satz 1 Nr 4 SGB V stellen will, wäre die (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit einer solchen (unterstellten) Rechtsfrage nicht anforderungsgerecht dargetan. Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, wenn die Antwort nicht außer Zweifel steht, sich zB nicht unmittelbar und ohne Weiteres aus dem Gesetz beantworten lässt oder nicht bereits höchstrichterlich entschieden ist. In der Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde muss deshalb unter Auswertung der Rechtsprechung des BSG bzw des BVerfG zu dem Problemkreis substantiiert vorgebracht werden, dass zu diesem Fragenbereich noch keine Entscheidung getroffen wurde oder durch die schon vorliegenden Urteile und Beschlüsse die nunmehr maßgebende Frage von grundsätzlicher Bedeutung noch nicht beantwortet worden ist (vgl zB BSG Beschluss vom 28.4.2022 - B 5 R 29/22 B - juris RdNr 9 mwN). Daran fehlt es hier. Der Kläger geht in keiner Weise auf die Regelung in § 8 Abs 1 Satz 1 Nr 4 SGB V zur Befreiung von der Versicherungspflicht als Rentner in der gesetzlichen Krankenversicherung ein. Ebenso wenig setzt er sich mit der hierzu bereits vorliegenden höchstrichterlichen Rechtsprechung auseinander (vgl zB BSG Urteil vom 27.4.2016 - B 12 KR 24/14 R - SozR 4-2500 § 8 Nr 4 RdNr 15). Sein pauschales Vorbringen, die - unterstellte - Frage sei weder vom BSG noch den Tatsacheninstanzen der Sozialgerichtsbarkeit entschieden und ergebe sich auch nicht zweifelsfrei aus dem Gesetz, genügt nicht. Gleiches gilt, sofern der Kläger eine Rechtsfrage zur Auslegung von § 249b Satz 1 SGB V aufwerfen will, wonach bei geringfügiger Beschäftigung der Arbeitgeber (abgesenkte) Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung trägt. Insofern fehlt es zudem an Ausführungen dazu, inwiefern eine solche Frage im zugrunde liegenden Rechtsstreit mit dem Rentenversicherungsträger zu klären sein könnte.

b) Ebenso wenig ist ein Verfahrensmangel, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Zulassungsgrund nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ), anforderungsgerecht dargetan. Zur Bezeichnung eines entscheidungserheblichen Verfahrensmangels sind zunächst die den Verfahrensfehler (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert darzutun. Darüber hinaus ist es erforderlich darzulegen, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Die Beschwerdebegründung wird den daraus abgeleiteten Anforderungen nicht gerecht.

Ausdrücklich bezeichnet der Kläger keinen Verfahrensmangel. Sinngemäß rügt er eine Verletzung der Pflicht zur Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts von Amts wegen 103 Halbsatz 1 SGG ), indem das LSG nicht zu der (vermeintlich) doppelten Beitragszahlung ermittelt habe. Wird eine solche Sachaufklärungsrüge erhoben, muss die Beschwerdebegründung ua einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren prozessordnungsgemäßen, bis zuletzt aufrechterhaltenen Beweisantrag bezeichnen, dem das Berufungsgericht nicht gefolgt ist (stRspr; vgl hierzu und zu den weiteren Anforderungen zB BSG Beschluss vom 14.4.2020 - B 5 RS 13/19 B - juris RdNr 11). Das ist mit der Beschwerde nicht dargetan. Der Kläger trägt schon nicht vor, einen Beweisantrag gestellt zu haben.

Falls der Kläger mit dem Vorbringen, es sei nicht unerheblich für den angefochten Rentenbescheid, dass Beiträge doppelt abgeführt würden, rügen will, das LSG habe wegen einer Verkennung des Streitgegenstands sein Recht auf Entscheidung über die erhobenen Ansprüche 123 SGG ) verletzt, wäre auch ein solcher Verfahrensmangel nicht anforderungsgerecht bezeichnet (vgl zu den diesbezüglichen Darlegungsanforderung zB BSG Beschluss vom 24.11.2022 - B 5 R 146/22 B - juris RdNr 13 ff). Es fehlt bereits an einer näheren Auseinandersetzung mit den Erklärungen der Beteiligten, die den Streitgegenstand bestimmen, sowie den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils.

Von einer weiteren Begründung wird abgesehen 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ).

2. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 183 Satz 1, § 193 Abs 1 und 4 SGG .

Vorinstanz: SG München, vom 29.09.2022 - Vorinstanzaktenzeichen 6 R 1280/19
Vorinstanz: LSG Bayern, vom 03.08.2023 - Vorinstanzaktenzeichen 14 R 530/22