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BSG - Entscheidung vom 16.01.2024

B 4 AS 168/23 BH

Normen:
SGG § 160 Abs. 2

BSG, Beschluss vom 16.01.2024 - Aktenzeichen B 4 AS 168/23 BH

DRsp Nr. 2024/5940

Ablehnung eines Antrags auf Beiordnung eines RA für eine Nichtzulassungsbeschwerde

Tenor

Der Antrag des Klägers, ihm zur Durchführung des Verfahrens der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 4. Mai 2023 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwältin S, D, beizuordnen, wird abgelehnt.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 ;

Gründe

Nach § 73a SGG i.V.m. § 114 ZPO kann einem Beteiligten für das Verfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet; das ist hier nicht der Fall. Es ist nicht zu erkennen, dass ein zugelassener Prozessbevollmächtigter 73 Abs 4 SGG ) in der Lage wäre, eine Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers erfolgreich zu begründen. Da kein Anspruch auf Bewilligung von PKH besteht, ist auch der Antrag auf Beiordnung einer Rechtsanwältin abzulehnen 73a Abs 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 121 ZPO ).

Nach § 160 Abs 2 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), das Urteil des LSG von einer Entscheidung des BSG , des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3). Solche Zulassungsgründe sind nach summarischer Prüfung des Streitstoffs auf der Grundlage des Inhalts der Gerichtsakten nicht erkennbar.

Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) ist nur anzunehmen, wenn eine Rechtsfrage aufgeworfen wird, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Dies ist hier nicht der Fall. Der Kläger hat vor dem LSG höhere Leistungen für das Jahr 2021 aufgrund der Covid-19-Pandemie begehrt, um sich FFP3-Masken anschaffen zu können bzw deren bereits erfolgte Anschaffung zu finanzieren. Das LSG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen, weil der geltend gemachte Anspruch nicht unabweisbar sei. Dies wirft Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung nicht auf. Das BSG hat bereits wiederholt entschieden, wann von einem unabweisbaren Bedarf iS von § 21 Abs 6 SGB II auszugehen ist (zusammenfassend BSG vom 12.5.2021 - B 4 AS 88/20 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 35 RdNr 20 mwN). Es ist nicht zu beanstanden, dass das LSG für die Frage, ob die Verwendung von FFP3-Masken - ohne Berücksichtigung besonderer Umstände - unabweisbar war, darauf abgestellt hat, ob deren Tragen rechtlich verpflichtend oder medizinisch empfohlen war. Es hat jedenfalls implizit auch den rechtlichen Obersatz aufgestellt, es sei im Einzelfall nicht ausgeschlossen, dass unter Berücksichtigung besonderer Umstände ein Anspruch bestehen könne. Die Frage, ob die Voraussetzung der Unabweisbarkeit im Einzelfall (gleichwohl) vorliegt, ist eine Frage der tatrichterlichen Subsumtion, die nicht zur Zulassung der Revision führen kann (vgl BSG vom 5.7.2023 - B 4 AS 36/23 B - juris RdNr 4; BSG vom 30.10.2023 - B 4 AS 186/22 BH - juris RdNr 4).

Es ist auch nicht erkennbar, dass die Entscheidung des LSG von einer Entscheidung des BSG , des GmSOGB oder des BVerfG abweicht, weshalb eine Divergenzrüge keine Aussicht auf Erfolg verspricht 160 Abs 2 Nr 2 SGG ).

Nach Aktenlage ist schließlich nicht ersichtlich, dass ein Verfahrensmangel geltend gemacht werden könnte, auf dem die angefochtene Entscheidung des LSG beruhen kann 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG ). Insbesondere ist nicht zu beanstanden, dass das LSG unausgesprochen davon ausgegangen ist, dass der Bescheid vom 7.5.2021 über die Gewährung einer Einmalzahlung von 150 Euro gemäß § 70 SGB II in der ab dem 1.4.2021 geltenden Fassung nicht Gegenstand des Rechtsstreits geworden ist; bei einer solchen Einmalzahlung handelt es sich um eine eigenständige einmalige Leistung eigener Art (Groth in Schlegel/Voelzke, jurisPK- SGB II , 5. Aufl 2020, § 70 RdNr 14 [1. Überarbeitung]; Voelzke in Hauck/Noftz, SGB II , § 70 RdNr 11, Stand Oktober 2023) und schon deswegen um einen abtrennbaren Streitgegenstand (Blüggel in Luik/Harich, SGB II , 6. Aufl 2024, § RdNr 27).

Soweit das LSG selbst die vom Kläger benannten medizinischen Befunde im Rahmen der vorgenannten Einzelfallprüfung ohne Berücksichtigung einzelfallbezogener medizinischer Sachkunde, nur gestützt auf sonstige antizipierende allgemeine Äußerungen einer sachverständigen Stelle - hier des Robert-Koch-Instituts - bewertet hat, dürfte der Kläger mit einer auf die Verletzung der Amtsermittlungspflicht 103 SGG ) gestützten Aufklärungsrüge erfolglos bleiben. Der jedenfalls in der letzten mündlichen Verhandlung vor dem LSG anwaltlich vertretene Kläger hat bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem LSG einen sich hierauf beziehenden Beweisantrag weder gestellt noch aufrechterhalten (vgl zu den Anforderungen an die Verletzung der richterlichen Sachaufklärungspflicht nur BSG vom 14.9.2009 - B 5 R 206/08 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 18 RdNr 8; stRspr).

Nur unter besonderen Umständen kann in einer - hier nur unterstellten - fehlerhaften Aufklärung des Sachverhalts zugleich eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör 62 SGG , Art 103 Abs 1 GG ; vgl auch Art 47 Abs 2 Charta der Grundrechte der EU, Art 6 Abs 1 EMRK ) liegen. Dies ist dann der Fall, wenn die Nichtberücksichtigung von Beweisangeboten zu entscheidungserheblichen Tatsachen im Prozessrecht keine Stütze mehr findet. Auch insoweit dürfte der Kläger einen Verfahrensverstoß nicht erfolgreich darzulegen vermögen.

Im Rahmen einer auf einen wie hier vorliegenden Sachverhalt gestützten Gehörsrüge sind im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren Darlegungen erforderlich, dass der Beschwerdeführer alles getan hat, um sich mit seinen Beweisanträgen zur weiteren Sachaufklärung in der Tatsacheninstanz Gehör zu verschaffen. Dazu gehört - in gleicher Weise wie bei der Rüge einer Verletzung der richterlichen Sachaufklärungspflicht - die Darlegung, dass bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung ein Beweisantrag zu Protokoll aufrechterhalten bzw ein solcher im Urteil des LSG wiedergegeben worden ist. Auf diese Weise wird verhindert, dass die besonderen gesetzlichen Anforderungen an die Rüge einer Verletzung der Sachaufklärungspflicht nach § 103 SGG im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde durch ein Ausweichen auf die Rüge einer Verletzung des rechtlichen Gehörs umgangen werden können (vgl zum Ganzen BSG vom 8.7.2010 - B 13 R 475/09 B - juris RdNr 17 mwN).

Angesichts der an den Kläger selbst adressierten Ermittlungsbemühungen des LSG zu seinem Gesundheitszustand (Schreiben vom 23.3.2023) liegt auch die Annahme völlig fern, dass der Kläger erfolgreich eine Verletzung des rechtlichen Gehörs unter dem Gesichtspunkt einer Überraschungsentscheidung geltend machen könnte (vgl dazu nur BSG vom 4.1.2022 - B 1 KR 20/21 B - juris RdNr 13 mwN; stRspr).

Vorinstanz: SG Gelsenkirchen, vom 05.10.2021 - Vorinstanzaktenzeichen 47 AS 1331/21
Vorinstanz: LSG Nordrhein-Westfalen, vom 04.05.2023 - Vorinstanzaktenzeichen 7 AS 1775/21