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BVerfG - Entscheidung vom 06.12.2023

1 BvR 605/23

Normen:
BVerfGG § 34a Abs. 3
BVerfGG § 34a Abs. 3
RVG § 14 Abs. 1
RVG § 37 Abs. 2 S. 2

BVerfG, Beschluss vom 06.12.2023 - Aktenzeichen 1 BvR 605/23

DRsp Nr. 2024/421

Entscheidung nach Billigkeit über die Auslagenerstattung nach der Erledigungserklärung der Verfassungsbeschwerde

Tenor

1. Das Land Berlin hat der Beschwerdeführerin die notwendigen Auslagen im Verfahren über die Verfassungsbeschwerde zu erstatten.

2. Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit wird für das Verfahren über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auf 25.000 Euro (in Worten: fünfundzwanzigtausend Euro), für das Verfahren der Verfassungsbeschwerde auf 5.000 Euro (in Worten: fünftausend Euro) festgesetzt.

Normenkette:

BVerfGG § 34a Abs. 3 ;

Gründe

1. Im vorliegenden Verfahren hat die Kammer am 24. Mai 2023 im Wege der einstweiligen Anordnung die Wirksamkeit der einstweiligen Verfügung des Landgerichts Berlin vom 28. März 2023 ausgesetzt, mit der es der Beschwerdeführerin untersagt worden war, über Vorwürfe sexualisierter Gewalt zu berichten, die gegen den Frontsänger einer Band erhoben wurden (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 24. Mai 2023 - 1 BvR 605/23 -).

Im Hinblick hierauf erklärte die Beschwerdeführerin durch Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 13. November 2023 die Verfassungsbeschwerde für erledigt, nachdem die mündliche Verhandlung in dieser Sache vor dem Landgericht stattgefunden habe, und beantragte, dem Land Berlin auch insoweit die Erstattung ihrer notwendigen Auslagen aufzuerlegen sowie die Gegenstandswerte für das Verfahren über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und für das Verfassungsbeschwerdeverfahren festzusetzen.

2. Nach der Erledigungserklärung der Beschwerdeführerin ist gemäß § 34a Absatz 3 BVerfGG nach Billigkeit über die Auslagenerstattung zu entscheiden. Eine Auslagenerstattung entspricht der Billigkeit, soweit ausnahmsweise die Erfolgsaussichten im Verfassungsbeschwerdeverfahren unterstellt werden können, weil die verfassungsrechtliche Lage insoweit schon geklärt ist (vgl. BVerfGE 133, 37 <38 f. Rn. 2>; BVerfG, Beschlüsse der 2. Kammer des Ersten Senats vom 7. Juli 2021 - 1 BvR 249/21 -, Rn. 3; vom 6. Dezember 2021 - 1 BvR 1246/20 -, Rn. 3 und - 1 BvR 1380/20 -, Rn. 3).

Nach diesem Maßstab entspricht im vorliegenden Fall die vollständige Auslagenerstattung der Billigkeit. Eine Klärung der verfassungsrechtlichen Lage, aufgrund derer ein Obsiegen der Beschwerdeführerin im Verfassungsbeschwerdeverfahren unterstellt werden kann, ist hinsichtlich des mit Beschluss der Kammer vom 24. Mai 2023 außer Vollzug gesetzten Beschlusses des Landgerichts gegeben. Denn die Kammer hat ihren Beschluss gerade mit Blick auf die insoweit offenkundigen Erfolgsaussichten der gleichzeitig eingelegten Verfassungsbeschwerde erlassen (vgl. BVerfG, Beschlüsse der 2. Kammer des Ersten Senats vom 7. Juli 2021 - 1 BvR 249/21 -, Rn. 4; vom 6. Dezember 2021 - 1 BvR 1246/20 -, Rn. 4 und - 1 BvR 1380/20 -, Rn. 4).

3. Die Festsetzung des Gegenstandswerts hat gesondert für die Verfahren der einstweiligen Anordnung und der Verfassungsbeschwerde zu erfolgen, wobei jeweils mindestens 5.000 Euro anzusetzen sind. Dabei ist der Gegenstandswert des Verfassungsbeschwerdeverfahrens grundsätzlich höher als derjenige der einstweiligen Anordnung zu bemessen. Anders liegt es jedoch, wenn das Verfahren der einstweiligen Anordnung die Hauptsache im Wesentlichen ersetzt und vorweggenommen hat (vgl. BVerfG, Beschlüsse der 2. Kammer des Ersten Senats vom 7. Juli 2021 - 1 BvR 249/21 -, Rn. 5; vom 6. Dezember 2021 - 1 BvR 1246/20 -, Rn. 5 und - 1 BvR 1380/20 -, Rn. 5).

Um einen solchen Fall handelt es sich hier, da die einstweilige Verfügung des Landgerichts aufgrund des offensichtlichen Verstoßes gegen die prozessuale Waffengleichheit im einstweiligen Verfügungsverfahren außer Wirksamkeit gesetzt wurde. Bereits im Verfahren der einstweiligen Anordnung hatte die Kammer die in dem Verfassungsbeschwerdeverfahren zu klärenden Tatsachen- und Rechtsfragen verfassungsgerichtlich zu beurteilen. Das Verfahren der einstweiligen Anordnung ist somit im Wesentlichen an die Stelle des Verfassungsbeschwerdeverfahrens getreten, so dass sich sein Gegenstandswert dem Wert einer stattgebenden Kammerentscheidung im Verfassungsbeschwerdeverfahren annähert. Im Gegenzug war das für erledigt erklärte Verfassungsbeschwerdeverfahren nur mit dem Mindestwert von 5.000 Euro zu veranschlagen (vgl. BVerfG, Beschlüsse der 2. Kammer des Ersten Senats vom 7. Juli 2021 - 1 BvR 249/21 -, Rn. 6; vom 6. Dezember 2021 - 1 BvR 1246/20 -, Rn. 6 und - 1 BvR 1380/20 -, Rn. 6).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Vorinstanz: LG Berlin, vom 28.03.2023 - Vorinstanzaktenzeichen 27 O 160/23