BGH, Beschluss vom 21.02.2013 - Aktenzeichen V ZB 15/12
Möglichkeit des Grundbuchamts zum Anzweifeln der Verfügungsbefugnis im Falle des Verfügens eines im gesetzlichen Güterstand lebenden Grundstückseigentümers über ein ihm gehörendes Grundstück ohne Zustimmung des Ehegatten
Hat ein im gesetzlichen Güterstand lebender Grundstückseigentümer über ein ihm gehörendes Grundstück ohne Zustimmung des Ehegatten verfügt, darf das Grundbuchamt seine Verfügungsbefugnis nur anzweifeln, wenn konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen sowohl der objektiven als auch der subjektiven Voraussetzungen des § 1365 Abs. 1 BGB bestehen (Bestätigung von BGHZ 35, 135 ).
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 3. Januar 2012 wird zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 100.000 €.
Gründe
I.
Der Beteiligte zu 2 ist der gemeinsame Sohn des Beteiligten zu 1 und dessen Ehefrau. Diese war als Eigentümerin des eingangs bezeichneten Grundstücks sowie als Miteigentümerin zu 1/2 eines weiteren, gemeinsam mit ihrem Ehemann bewohnten Grundstücks im Grundbuch eingetragen. Der Beteiligte zu 1 und seine Ehefrau leben im gesetzlichen Güterstand. Mit notariellem Erbvertrag vom 8. Juni 2006 setzte die Ehefrau den Beteiligten zu 2 zu ihrem alleinigen Erben ein. Darüber hinaus erklärte sie in der notariellen Urkunde, sie beabsichtige ihren Grundbesitz schon zu Lebzeiten auf ihn zu übertragen. Für den Fall, dass die beabsichtigte Grundstücksübertragung nicht bis zum 30. Juni 2010 zu notariellem Protokoll erklärt worden sei, erteilte sie dem Beteiligten zu 2 die unwiderrufliche Vollmacht, unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB den Grundbesitz auf sich zu übertragen und aufzulassen.
Nachdem der Beteiligte zu 2 dem Beteiligten zu 1 im Mai 2010 mitgeteilt hatte, dass er die Übertragung des eingangs bezeichneten Grundstücks auf sich in die Wege leiten werde, wies dieser mit Schreiben vom 17. Juni 2010 das Grundbuchamt darauf hin, dass die geplante Übertragung des Grundstücks gemäß § 1365 BGB seiner Zustimmung bedürfe. Zur Begründung führte er an, dass das Grundstück nahezu das gesamte Vermögen seiner Ehefrau darstelle. Dessen Wert belaufe sich auf ca. 2.500.000 € bis 4.000.000 €, den Wert des hälftigen Miteigentumsanteil seiner Ehefrau an der gemeinsam bewohnten Immobilie schätze er auf 135.000 € bis 160.000 €, ihr übriges Vermögen betrage etwa 100.000 €.
Mit notarieller Urkunde vom 6. Juli 2010 erklärte der Beteiligte zu 2 im Namen seiner Mutter, dass er das eingangs bezeichnete Grundstück unentgeltlich auf sich übertrage und erklärte zugleich die Auflassung. Nachdem der Notar die Eigentumsumschreibung beantragt hatte, teilte er auf Aufforderung des Grundbuchamtes mit, die Vertragsparteien hätten ihm plausibel dargelegt, dass § 1365 BGB nicht zur Anwendung komme. Der Beteiligte zu 2 wurde als Eigentümer des übertragenen Grundstücks in das Grundbuch eingetragen.
Den Antrag des Beteiligten zu 1 auf Eintragung eines Amtswiderspruchs hat das Grundbuchamt abgelehnt. Die dagegen gerichtete Beschwerde ist erfolglos geblieben. Mit der von dem Oberlandesgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Beteiligte zu 1 seinen Beschwerdeantrag weiter.
II.
Nach Ansicht des Beschwerdegerichts liegen die Voraussetzungen für die Eintragung eines Amtswiderspruchs nicht vor. Dem Grundbuchamt hätten im Zeitpunkt der Entscheidung über die Eigentumsumschreibung auf den Beteiligten zu 2 konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 1365 Abs. 1 BGB nicht vorgelegen. Die von dem Beteiligten zu 1 in dem Schreiben vom 17. Juni 2010 genannten Wertangaben seien ohne nähere Substantiierung und Glaubhaftmachung durch Steuerunterlagen oder Gutachten erfolgt. Die positive Kenntnis des Beklagten zu 2 von den Vermögensverhältnissen seiner Mutter werde lediglich aus seiner Stellung als deren einziges Kind hergeleitet.
III.
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 78 Abs. 1 GBO ) und auch im Übrigen zulässig (§ 78 Abs. 3 GBO i.V.m. § 71 FamFG ). Sie ist jedoch unbegründet. Zu Recht lehnt das Beschwerdegericht es ab, das Grundbuchamt zur Eintragung eines Widerspruchs anzuweisen (vgl. § 71 Abs. 2 Satz 2 GBO ).
Die Eintragung eines Widerspruchs setzt nach § 53 Abs. 1 Satz 1 GBO voraus, dass das Grundbuchamt unter Verletzung gesetzlicher Vorschriften eine Eintragung vorgenommen hat, durch die das Grundbuch unrichtig geworden ist. Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Das Grundbuchamt hat durch die Eintragung des Beteiligten zu 2 keine gesetzlichen Vorschriften verletzt.
1. a) Nach § 19 GBO erfolgt eine Eintragung, wenn derjenige sie bewilligt, dessen Recht von ihr betroffen wird. Da sich die verfahrensrechtliche Bewilligungsbefugnis von der Befugnis zur sachenrechtlichen Verfügung über das Recht bzw. über das Eigentum ableitet (vgl. Demharter, GBO , 28. Aufl., § 19 Rn. 56), hat das Grundbuchamt von Amts wegen zu prüfen, ob der Bewilligende Verfügungsbeschränkungen unterliegt (Senat, Beschluss vom 28. April 1961 V ZB 17/60, BGHZ 35, 135 , 139). Eine solche Beschränkung enthält die Vorschrift des § 1365 Abs. 1 BGB (vgl. Senat, Urteil vom 13. November 1963 V ZR 56/62, BGHZ 40, 218 ). Danach kann sich ein im Güterstand der Zugewinngemeinschaft lebender Ehegatte nur mit Zustimmung des anderen Ehegatten verpflichten, über sein Vermögen im Ganzen zu verfügen; hat er sich ohne Zustimmung des anderen Ehegatten verpflichtet, so kann er diese Verpflichtung nur erfüllen, wenn der andere Ehegatte einwilligt. Zustimmungsbedürftig sind nicht nur Rechtsgeschäfte über das Gesamtvermögen als solches. Vielmehr können auch Rechtsgeschäfte über einen einzelnen Gegenstand § 1365 BGB unterfallen, wenn dieser Gegenstand das ganze oder nahezu das ganze Vermögen ausmacht. Letzteres ist bei größeren Vermögen in der Regel anzunehmen, wenn dem verfügenden Ehegatten Werte von weniger als 10% seines ursprünglichen Gesamtvermögens verbleiben (Senat, Urteil vom 7. Oktober 2011 V ZR 78/11, NJW 2011, 3783 , 3784; BGH, Urteil vom 13. März 1991 XII ZR 79/90, NJW 1991, 1739 ).
Weitere Voraussetzung ist, dass der Vertragspartner weiß, dass es sich bei dem in Frage stehenden Gegenstand um das ganze oder nahezu ganze Vermögen des Ehegatten handelt, oder wenn der Erwerber zumindest die Verhältnisse kennt, aus denen sich dies ergibt (Senat, Urteil vom 26. Februar 1965 V ZR 227/62, BGHZ 43, 174 , 177; Urteil vom 25. Juni 1993 V ZR 7/92, BGHZ 123, 93 , 95).
b) Da das Zustimmungserfordernis jedoch eine Ausnahme von der freien Verfügungsbefugnis des Ehegatten (§ 1364 BGB ) darstellt, kann das Grundbuchamt grundsätzlich davon ausgehen, dass ein Rechtsgeschäft über ein Grundstück auch bei im gesetzlichen Güterstand lebenden Eheleuten nicht eine Verfügung über das Vermögen im Ganzen darstellt, dass also der Ausnahmefall des § 1365 Abs. 1 BGB nicht vorliegt. Das Grundbuchamt ist nur dann zu einer Beanstandung gemäß § 18 GBO berechtigt und verpflichtet, wenn es von dem Vorliegen der Voraussetzungen des § 1365 Abs. 1 BGB Kenntnis hat oder wenn aus den Eintragungsunterlagen oder aufgrund bekannter bzw. nach der Lebenserfahrung naheliegender Umstände begründeter Anlass zu einer solchen Annahme besteht. Nur wenn konkrete Anhaltspunkte sowohl für das Vorliegen des objektiven als auch für das Vorliegen des subjektiven Tatbestandes des § 1365 Abs. 1 BGB gegeben sind, darf das Grundbuchamt die Zustimmung des anderen Ehegatten oder den Nachweis weiteren Vermögens verlangen (vgl. Senat, Beschluss vom 28. April 1961 V ZB 17/60, BGHZ 35, 135 , 139 ff.; BayObLGZ 67, 87, 90 f.; BayOblG, MittBayNot 2000, 439 ; OLG Celle, NJW-RR 2000, 384 ; OLG Zweibrücken, FGPrax 2003, 249 ; OLG Schleswig, MittBayNot 2006, 38 ).
2. Gemessen daran ist es rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Grundbuchamt den Beteiligten zu 2 als Eigentümer des ihm von der Ehefrau des Beteiligten zu 1 übertragenen Grundstücks eingetragen hat, ohne die Zustimmung des Beteiligten zu 1 oder den Nachweis weiteren Vermögens zu verlangen.
a) Die dem Grundbuchamt vorgelegte notarielle Urkunde vom 8. Juni 2006, in welcher die Ehefrau des Beteiligten zu 1 ihre Absicht erklärte, dem Beteiligten zu 2 noch zu ihren Lebzeiten ihren gesamten Grundbesitz zu überlassen, und ihm eine unwiderrufliche Vollmacht zur Übertragung des Grundbesitzes erteilte, gab keinen Anlass, die Verfügungsbefugnis der Ehefrau in Zweifel zu ziehen.
Zwar liegen ausreichende konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 1365 Abs. 1 BGB dann vor, wenn sich der dem Grundbuchamt vorgelegten Urkunde über das Grundstücksgeschäft entnehmen lässt, dass sich das Rechtsgeschäft auf den gesamten Grundbesitz eines Ehegatten bezieht. Die notarielle Urkunde vom 8. Juni 2006 beinhaltet aber kein zustimmungsbedürftiges Rechtsgeschäft im Sinne des § 1365 Abs. 1 BGB . Mit der bloßen Absichtserklärung, ihren Grundbesitz noch zu ihren Lebzeiten auf den Beteiligten zu 2 zu übertragen, hat sich die Ehefrau des Beteiligten zu 1 nicht zu einer Verfügung über die Grundstücke verpflichtet.
Der Umstand, dass sie dem Beteiligten zu 2 für den Fall, dass die beabsichtigte Grundstücksübertragung nicht binnen vier Jahren vorgenommen sein sollte, die unwiderrufliche Vollmacht erteilt hat, die Grundstücke auf sich zu übertragen, führt zu keiner anderen Beurteilung. In der bloßen Vollmachtserteilung liegt keine Verpflichtung zur Übereignung des Grundbesitzes. Die Vollmachterteilung selbst bedarf auch wenn sie unwiderruflich ist und unter Befreiung von den Beschränkungen nach § 181 BGB erteilt wird nicht nach § 1365 BGB der Einwilligung des anderen Ehegatten. § 1365 BGB knüpft allein an das Verpflichtungsgeschäft bzw. an die Verfügung selbst an. Daher bedarf erst das von dem Vertreter ausgeführte Geschäft, wie wenn der Ehegatte es selbst vorgenommen hätte, der Zustimmung nach § 1365 Abs. 1 BGB (vgl. Staudinger/Thiele, BGB [2007], § 1365 Rn. 12; MünchKomm-BGB/Koch, 5. Aufl., § 1365 Rn. 49).
b) Das dem Grundbuchamt vorgelegte Schreiben des Beteiligten zu 1 vom 17. Juni 2010 enthält ebenfalls keine konkreten Anhaltspunkte für die Annahme, dass es sich bei dem mit notariellem Vertrag vom 6. Juli 2010 übertragenen Grundstück nahezu um das gesamte Vermögen seiner Ehefrau handelte.
Die Angaben des Beteiligten zu 1 zum Vorliegen des objektiven Tatbestandes des § 1365 Abs. 1 BGB erschöpften sich darin, dass er den Wert des übertragenen Grundstücks auf ca. 2.500.000 € bis 4.000.000 €, den des hälftigen Miteigentumsanteils an der gemeinsam bewohnten Immobilie auf 135.000 € bis 160.000 € und den Wert des übrigen Vermögens seiner Ehefrau auf ca. 100.000 € schätzte. Diese pauschalen, nicht erkennbar auf nachvollziehbare Bewertungsgrundlagen gestützten Behauptungen begründen keine konkreten Anhaltspunkte für eine Zustimmungspflicht nach § 1365 Abs. 1 BGB . Solche Anhaltspunkte liegen nur dann vor, wenn der dem Grundbuchamt unterbreitete Sachverhalt so plausibel ist, dass sich ohne die Anstellung von Ermittlungen berechtigte Bedenken an der Verfügungsbefugnis des Ehegatten aufdrängen; dies erfordert den Vortrag konkreter, durch entsprechende Nachweise hinreichend belegter Tatsachen zu den Voraussetzungen des § 1365 Abs. 1 BGB . Bloße Wertangaben zum Grundbesitz des verfügenden Ehegatten reichen hierzu nicht aus.
Darüber hinaus muss bei einem Rechtsgeschäft über einen Einzelgegenstand der dem Grundbuchamt unterbreitete Sachverhalt konkrete Anhaltspunkte auch dafür geben, dass der Erwerber positive Kenntnis vom Vorliegen eines Gesamtvermögensgeschäfts hatte oder zumindest die Verhältnisse kannte, aus denen sich ergab, dass das übertragene Grundstück nahezu das gesamte Vermögen des verfügenden Ehegatten ausmachte. Da es sich insoweit um eine innere Tatsache handelt, kann sie nur aus äußeren Tatsachen gefolgert werden. Im Hinblick darauf, dass das Schreiben des Beteiligten zu 1 bereits keine konkreten Anhaltspunkte für das Vorliegen des objektiven Tatbestandes des § 1365 Abs. 1 BGB enthielt, kann dahingestellt bleiben, ob es auch wie das Beschwerdegericht meint an Anhaltspunkten für die erforderliche Kenntnis des Beteiligten zu 2 von den Vermögensverhältnissen seiner Mutter fehlt. Allerdings liegt bei engen Verwandten, sofern sie in Kontakt miteinander stehen, eine entsprechende Kenntnis nahe (OLG Celle, FamRZ 1987, 942 , 944; MünchKommBGB/Koch, 5. Aufl., § 1365 Rn. 33; Bauer, MittBayNot 2006, 39 , 41).
IV.
Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 131 Abs. 4 , § 30 Abs. 2 Satz 1 KostO .