BVerfG, Beschluss vom 11.07.2007 - Aktenzeichen 1 BvR 1025/07
Abtretung von Darlehensforderungen durch eine Bank
Es verstößt nicht gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, wenn die Zivilgerichte die Abtretung der Darlehensforderung einer Bank gegen ihren Kunden als zulässig ansehen.
Gründe:
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen ein zivilgerichtliches Revisionsurteil, mit dem eine Verurteilung zur Rückzahlung eines Darlehens bestätigt wurde. Sie wirft die Frage auf, ob und inwieweit das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG ) der Abtretung einer Darlehensforderung entgegenstehen kann.
I. 1. Die Beschwerdeführer schlossen mit einer Bank einen Darlehensvertrag. Die Bank kündigte das Darlehen und forderte die Rückzahlung. Später trat sie ihre Forderungen gegen die Beschwerdeführer an die Klägerin des Ausgangsverfahrens (im Folgenden: Klägerin) ab.
2. Die Klägerin erhob Klage auf Zahlung eines Teilbetrags der Darlehenssumme.
Das Landgericht wies die Klage ab. Die Klägerin sei nicht aktivlegitimiert, da die Abtretung unwirksam sei. Auf die Berufung der Klägerin änderte das Oberlandesgericht das Urteil des Landgerichts ab und gab der Klage statt. Entgegen der Ansicht des Landgerichts sei nicht von einem stillschweigend vereinbarten Abtretungsverbot auszugehen.
Die Beschwerdeführer legten gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Revision ein, die der Bundesgerichtshof mit dem angegriffenen Urteil zurückwies. Der Wirksamkeit der Abtretung stehe weder ein vertragliches noch ein gesetzliches Abtretungsverbot entgegen.
Für einen vertraglichen Ausschluss der Abtretung fehle es an der erforderlichen Vereinbarung. Ein Abtretungsausschluss widerspreche den berechtigten Interessen der Bank, die an einer freien Abtretbarkeit der Kreditforderung zur Refinanzierung oder zur Risiko- und Eigenkapitalentlastung interessiert sei. Ein vertraglicher Abtretungsausschluss ergebe sich auch nicht aus dem Bankgeheimnis. Zwar könne die aus dem Bankgeheimnis folgende Verschwiegenheitspflicht mit der Auskunftspflicht des Zedenten nach § 402 BGB in Konflikt geraten. Ein Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht könne jedoch lediglich auf schuldrechtlicher Ebene einen Schadensersatzanspruch auslösen, nicht dagegen auf der dinglichen Ebene die Wirksamkeit der Abtretung berühren. Zudem enthalte § 402 BGB keine zwingende Regelung und könne abbedungen oder beschränkt werden.
Die Abtretung verstoße auch nicht gegen ein gesetzliches Abtretungsverbot. Das Strafgesetzbuch sehe für die Verletzung des Bankgeheimnisses durch Vorstandsmitglieder oder Angestellte eines Kreditinstituts keine Sanktion vor. Ein Abtretungsverbot sei weiter nicht Bestandteil des Bankgeheimnisses, soweit dieses als Gewohnheitsrecht eingeordnet werde. Auch dem Bundesdatenschutzgesetz lasse sich kein Abtretungsverbot entnehmen, selbst wenn ein Verstoß gegen dessen Bestimmungen zu bejahen sei. Das Datenschutzrecht habe im Verhältnis zum Bankgeheimnis lediglich eine Auffangfunktion. Die Herleitung eines gesetzlichen Abtretungsverbots aus dem Bundesdatenschutzgesetz würde zudem zu einem untragbaren Wertungswiderspruch führen, da dieses Gesetz lediglich die Daten natürlicher Personen erfasse. Gegen die Nichtigkeit der Abtretung aufgrund von Datenschutzbestimmungen spreche weiter, dass ansonsten in weiten Bereichen die vom Gesetzgeber gewollte grundsätzliche Abtretbarkeit von Geldforderungen ausgehebelt würde.
3. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügen die Beschwerdeführer eine Verletzung ihres Rechts auf informationelle Selbstbestimmung. Das Bundesdatenschutzgesetz konkretisiere dieses Grundrecht. Gerade in dem sensiblen Bereich von darlehensbezogenen Daten könne es nicht auf eine Auffangfunktion beschränkt werden. Ein effektiver Grundrechtsschutz könne nur dadurch gewährleistet werden, dass die Abtretung unwirksam sei.
II. Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, da Annahmegründe nach § 93 a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Die Verfassungsbeschwerde hat keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung. Ihre Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der Grundrechte der Beschwerdeführer angezeigt. Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg, da das angegriffene Urteil des Bundesgerichtshofs das Recht der Beschwerdeführer auf informationelle Selbstbestimmung nicht verletzt.
1. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst die Befugnis des Einzelnen, über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten selbst zu bestimmen (vgl. BVerfGE 65, 1 [43]). Dieses Recht auf informationelle Selbstbestimmung entfaltet als Norm des objektiven Rechts seinen Rechtsgehalt auch im Privatrecht. Verfehlt der Richter, der eine privatrechtliche Streitigkeit entscheidet, den Schutzgehalt dieses Rechts, so verletzt er durch sein Urteil das Grundrecht des Bürgers in seiner Funktion als Schutznorm (vgl. BVerfGE 84, 192 [194 f.]).
Das allgemeine Persönlichkeitsrecht gewährt nicht ein Recht im Sinne einer absoluten, uneinschränkbaren Herrschaft über bestimmte Informationen. Der Einzelne ist vielmehr eine sich innerhalb der sozialen Gemeinschaft entfaltende, auf Kommunikation angewiesene Persönlichkeit (vgl. BVerfGE 65, 1 [43 f.]). Auch der Rechtsverkehr ist auf den Austausch von Informationen angewiesen. Dies bedingt Rücksichtnahmen auf die Kommunikationsinteressen anderer.
Grundsätzlich obliegt es dem Einzelnen selbst, seine Kommunikationsbeziehungen zu gestalten. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht stellt jedoch sicher, dass in der Rechtsordnung gegebenenfalls die Bedingungen geschaffen und erhalten werden, unter denen der Einzelne selbstbestimmt an Kommunikationsprozessen teilnehmen und so seine Persönlichkeit entfalten kann. Daraus folgt eine staatliche Verantwortung, die Voraussetzungen selbstbestimmter Kommunikationsteilhabe zu gewährleisten (vgl. BVerfG, 1. Kammer des Ersten Senats, Beschluss vom 23. Oktober 2006 - 1 BvR 2027/02 -, www.bundesverfassungsgericht.de).
Dem grundrechtlichen Gewährleistungsauftrag kann es insbesondere widersprechen, wenn die Rechtsordnung im Privatrechtsverkehr eine Pflicht zur Übermittlung persönlichkeitsrelevanter Informationen über Dritte vorsieht, zugleich aber den Betroffenen die Möglichkeit versagt, auf den Informationsfluss einzuwirken. Eine derartige rechtliche Gestaltung ist jedoch verfassungsrechtlich zulässig, wenn sie hinreichend gewichtigen Belangen des Gemeinwohls dient und die Vorenthaltung wirkungsvollen informationellen Selbstschutzes um dieser Belange willen angemessen ist.
2. Nach diesem Maßstab bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Annahme des Bundesgerichtshofs, die Abtretung einer Darlehensforderung durch ein Kreditinstitut sei ungeachtet einer möglichen Verletzung vertraglicher oder datenschutzrechtlicher Regelungen wirksam.
a) Durch eine Forderungsabtretung kann das Interesse des Schuldners, über die Preisgabe persönlicher Informationen selbst zu entscheiden, mittelbar berührt werden. Die gesetzlichen Regelungen, die dieses Interesse grundsätzlich nicht schützen, sind jedoch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Nach § 402 BGB ist der Zedent verpflichtet, dem Zessionar die zur Geltendmachung der Forderung nötige Auskunft zu erteilen und ihm die zum Beweis der Forderung dienenden Urkunden auszuliefern. Diese umfassende Auskunftspflicht kann dazu führen, dass der Zedent Auskunft über Umstände zu erteilen hat, die ein grundrechtlich geschütztes Geheimhaltungsinteresse des Schuldners berühren. In vielen Fällen hat der Schuldner praktisch keine Möglichkeit, eine Beeinträchtigung dieses Interesses zu verhindern. Die Abtretung bedarf keiner Mitwirkung des Schuldners. Die in §§ 404 ff. BGB enthaltenen Schuldnerschutzvorschriften dienen nicht möglichen Geheimhaltungsinteressen. Einen vertraglichen Abtretungsausschluss (§ 399 Alt. 2 BGB ) werden viele Schuldner faktisch nicht aushandeln können.
Die Wertung des Gesetzes, dass die Abtretung ungeachtet einer persönlichkeitsrechtlichen Relevanz der nach § 402 BGB zu erteilenden Auskünfte wirksam ist, begegnet gleichwohl grundsätzlich keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Sie dient der Verkehrsfähigkeit von Forderungen und damit einem für die Privatrechtsordnung wesentlichen Allgemeinbelang. Auch die Beschwerdeführer erheben gegen sie keine generellen Einwände.
Verfassungsrechtlich ist auch nicht etwa zu fordern, dass die Wirksamkeit einer Abtretung von einer einzelfallbezogenen Abwägung zwischen dem Geheimhaltungsinteresse des Schuldners und dem Interesse an der Verkehrsfähigkeit der Forderung abhängig gemacht wird. Die gleichfalls wesentlichen Belange der Rechtssicherheit und des Verkehrsschutzes rechtfertigen insoweit eine generalisierende Regelung. Wenn im Einzelfall das Geheimhaltungsinteresse des Schuldners überwiegt, kann dies allerdings in dem schuldrechtlichen Verhältnis zwischen Schuldner und Zedent zu berücksichtigen sein (vgl. dazu Bütter/Tonner, ZBB 2005, S. 165 [171]; Nobbe, WM 2005, 1537 [1545 ff.]).
b) Der weitgehende Ausschluss eines wirkungsvollen informationellen Selbstschutzes im Recht der Forderungsabtretung kann allerdings auf verfassungsrechtliche Bedenken stoßen, soweit sich - ohne Rücksicht auf die Umstände des jeweiligen Einzelfalls - bestimmte Arten von Forderungen angeben lassen, durch deren Abtretung typischerweise Geheimhaltungsinteressen des Schuldners derart schwerwiegend beeinträchtigt werden, dass das Interesse an der Verkehrsfähigkeit zurückstehen muss. In einem solchen Fall sind die Zivilgerichte berufen, der grundrechtlichen Gewährleistung der informationellen Selbstbestimmung des Schuldners bei der Auslegung und Anwendung des Zivilrechts Rechnung zu tragen. Welche verfassungsrechtlichen Anforderungen insoweit bestehen, bedarf vorliegend jedoch keiner Entscheidung. Für die Abtretung einer Darlehensforderung durch ein Kreditinstitut, wie sie Gegenstand des Ausgangsverfahrens war, lässt sich bei typisierender Betrachtung nicht feststellen, dass dem Geheimhaltungsinteresse des Schuldners der Vorzug zu geben ist.
Darlehensverhältnisse weisen nicht generell einen gesteigerten Persönlichkeitsbezug auf. Dies gilt dementsprechend auch für die Informationen, die erforderlich sind, um einen Anspruch auf Rückzahlung eines Darlehens geltend zu machen. Die Darlehensunterlagen werden nur im Ausnahmefall Auskünfte über vertrauliche oder gar intime Umstände enthalten (vgl. Cahn, WM 2004, S. 2041 [2044]). Ein typischer besonderer informationeller Schutzbedarf des Schuldners, der über das bei Geldforderungen übliche Maß deutlich hinausginge, ist nicht ersichtlich.
Hieran ändert sich grundsätzlich nichts, wenn Darlehensgeber ein Kreditinstitut ist. Zwar können angesichts des Umstands, dass nach den gegenwärtigen Gepflogenheiten die meisten Zahlungsvorgänge, die über Bargeschäfte des täglichen Lebens hinausgehen, über Banken abgewickelt werden, Informationen über die Bankgeschäfte einer Person deren grundrechtlich geschütztes Geheimhaltungsinteresse durchaus erheblich berühren. Hierfür kommt es jedoch maßgeblich darauf an, wie weitgehend Dritten durch eine Preisgabe solcher Informationen ein Einblick in die Vermögensverhältnisse und sozialen Kontakte des Betroffenen verschafft wird. Eine erhebliche Beeinträchtigung der Interessen des Betroffenen droht insbesondere dann, wenn Informationen über Kontoinhalte und Kontobewegungen gezielt zusammengetragen werden (vgl. zu staatlichen Ermittlungsmaßnahmen BVerfG, Beschluss vom 13. Juni 2007 - 1 BvR 1550/03 u.a. -, unter C I 1 b). Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass dem Zessionar einer Bankforderung typischerweise ein derart umfassender Überblick über die Verhältnisse des Schuldners verschafft wird, wenn im Zusammenhang mit der Abtretung die Auskunftspflicht des § 402 BGB erfüllt wird.
Soweit in der Literatur vorgebracht wird, die Abtretung einer Bankforderung belaste den Schuldner in erster Linie nicht wegen eines Geheimhaltungsinteresses, sondern weil er wegen der erheblichen wirtschaftlichen Bedeutung und der langen Laufzeit eines Darlehens in besonderer Weise darauf angewiesen sei, dass sein Forderungsgläubiger ihm erhalten bleibe (vgl. Roth, in: Münchener Kommentar zum BGB , 5. Aufl., 2007, § 399 Rn. 29 a), handelt es sich um ein Interesse des Schuldners, das nicht unter das Recht auf informationelle Selbstbestimmung fällt und von Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG nicht geschützt wird.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.