Leitlinien des OLG Hamm zum Unterhaltsrecht (Stand: 01.01.2021)
Vorbemerkung
Die Leitlinien sind von den Familiensenaten des Oberlandesgerichts Hamm erarbeitet worden, um eine möglichst einheitliche Rechtsprechung im gesamten OLG-Bezirk zu erzielen. Sie stellen keine verbindlichen Regeln dar – das verbietet sich schon mit Rücksicht auf die richterliche Unabhängigkeit – und sollen dazu beitragen, angemessene Lösungen zu finden, ohne den Spielraum einzuengen, der erforderlich ist, um den jeweiligen Besonderheiten des Einzelfalls gerecht zu werden. Änderungen zum Vorjahr ergeben sich nicht; lediglich die neue Düsseldorfer Tabelle wurde eingearbeitet und die Rechenbeispiele angepasst.
Unterhaltsrechtliches Einkommen
1. Geldeinnahmen
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2. Sozialleistungen
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3. Kindergeld/Kindergeldanrechnung (1) Das staatliche Kindergeld zählt nicht zum bedarfsprägenden Einkommen der Eltern. Es mindert den Barbedarf des Kindes in voller Höhe bzw. in Höhe der Hälfte des Kindergeldbetrages, wenn ein Elternteil seine Unterhaltspflicht gegenüber einem minderjährigen Kind durch Betreuung erfüllt – § 1612b Abs.1 BGB (siehe dazu die Kindergeldanrechnungstabelle in Anhang II). Von der Anrechnung auf den Bedarf des Kindes ausgenommen ist der sogenannte Zählkindervorteil (§ 1612b Abs. 2 BGB). Das volljährige Kind hat im Fall des § 1612b Abs. 1 Nr. 2 BGB gegen den Empfänger des Kindergeldes Anspruch auf Auszahlung, soweit dies nicht zur Deckung seines Bedarfs verwendet wird. (2) Kinderzulagen und Kinderzuschüsse zur Rente sind, wenn die Gewährung des staatlichen Kindergeldes entfällt, in Höhe des fiktiven Kindergeldes wie Kindergeld zu behandeln (§ 4 BKGG, § 65 EStG, § 270 SGB VI, § 1612c BGB). |
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4. Geldwerte Zuwendungen des Arbeitgebers Geldwerte Zuwendungen des Arbeitgebers aller Art, z.B. Firmenwagen oder freie Kost und Logis, sind Einkommen, soweit sie entsprechende Aufwendungen ersparen. Die hierfür steuerlich in Ansatz gebrachten Beträge bieten einen Anhaltspunkt für die Bewertung des geldwerten Vorteils. |
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5. Wohnwert
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6. Haushaltsführung/Zusammenleben |
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7. Einkommen aus überobligatorischer (unzumutbarer) Erwerbstätigkeit Einkommen aus überobligatorischer Erwerbstätigkeit kann nach Billigkeit ganz oder teilweise unberücksichtigt bleiben. Vgl. im Übrigen Nr. 1.3, Nr. 10.3 sowie Nr. 17.3. |
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8. Freiwillige Leistungen Dritter Freiwillige Leistungen Dritter (z.B. Geldleistungen, Wohnungsgewährung) sind regelmäßig nicht als Einkommen zu berücksichtigen, es sei denn, die Berücksichtigung entspricht dem Willen des zuwendenden Dritten. Im Mangelfall kann jedoch bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit bzw. Bedürftigkeit eine Anrechnung derartiger Leistungen auch gegen den Willen des Zuwendenden erwogen werden. |
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9. Einkommensfiktion Zum Einkommen können auch Einkünfte zu rechnen sein, die aufgrund einer unterhaltsrechtlichen Obliegenheit erzielt werden müssten, aber tatsächlich nicht erzielt werden. |
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10. Bereinigung des Einkommens
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10.5 Zurzeit nicht besetzt. |
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10.6 Vermögenswirksame Leistungen vermindern das Einkommen nicht, soweit sie nicht im Rahmen zulässiger sekundärer Altersvorsorge berücksichtigungsfähig sind (Nr. 10.1). Jedoch sind dem Pflichtigen bzw. Berechtigten in jedem Fall etwaige Zusatzleistungen des Arbeitgebers für die vermögenswirksame Anlage (mit dem Nettobetrag) sowie die staatliche Sparzulage voll zu belassen. |
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10.7 Notwendige Kosten des Umgangs mit Kindern können das Einkommen mindern, wenn ansonsten der notwendige Selbstbehalt unterschritten würde. |
Kindesunterhalt
11. Bemessungsgrundlage Der Unterhaltsbedarf minderjähriger sowie noch im Haushalt eines Elternteils lebender volljähriger unverheirateter Kinder ist der Unterhaltstabelle (Düsseldorfer Tabelle) zu entnehmen (siehe Anhang I).
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12. Minderjährige Kinder
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13. Volljährige Kinder
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14. Zur Anrechnung des Kindergeldes siehe Nr. 3. |
Ehegattenunterhalt
15. Unterhaltsbedarf
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16. Zurzeit nicht besetzt |
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17. Erwerbsobliegenheit/Betreuungsunterhalt/überobligatorisches Einkommen
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Weitere Unterhaltsansprüche
Der Bedarf der Mutter und des Vaters eines nichtehelichen Kindes (§ 1615l BGB) richtet sich nach der Lebensstellung des betreuenden Elternteils; er beträgt aber i.d.R. monatlich mindestens 960 € (ohne Kranken- und Pflegeversicherungskosten, die zusätzlicher Bedarf sein können). Die Inanspruchnahme des Pflichtigen ist durch den Halbteilungsgrundsatz begrenzt. Die Erwerbsobliegenheit des betreuenden Elternteils richtet sich – sinngemäß – nach Nr. 17.1.1. |
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19. Elternunterhalt Schulden sind beim Elternunterhalt i.d.R. großzügiger zu berücksichtigen als beim Ehegatten- oder Kindesunterhalt (siehe Nr. 10.4). Für ihre Anerkennung spricht es, wenn die Verbindlichkeit eingegangen wurde, bevor eine gegenüber den Eltern eintretende Unterhaltsverpflichtung ersichtlich war. Die dem Pflichtigen zu belassende Vermögensreserve ist gegenüber den Eltern deutlich höher zu bemessen als beim Kindes- und Ehegattenunterhalt. Zum Selbstbehalt des Pflichtigen siehe Nr. 21.3.2. |
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20. Im Rahmen der Prüfung der Leistungsfähigkeit für den Elternunterhalt ist der vom Unterhaltsschuldner an sein minderjähriges Kind geleistete Betreuungsunterhalt nicht zu monetarisieren. Die Leistungsfähigkeit ist jedoch um dasjenige gemindert, was der Unterhaltsschuldner an sein minderjähriges Kind neben der Betreuungsleistung als Barunterhalt in der Form von Naturalunterhalt erbringt. Dieser errechnet sich nach dem Tabellenunterhalt aus dem gemeinsamen Einkommen beider Elternteile unter Abzug des halben Kindergelds und des vom anderen Elternteil geleisteten Barunterhalts. Das dem betreuenden Elternteil zustehende hälftige Kindergeld ist nicht zu berücksichtigen. |
Leistungsfähigkeit und Mangelfall
21. Selbstbehalt des Pflichtigen
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22. Bedarf des mit dem Pflichtigen zusammenlebenden Ehegatten
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23. Bedarf des vom Pflichtigen getrennt lebenden oder geschiedenen Ehegatten |
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24. Mangelfall
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Sonstiges
25. Der Unterhaltsbetrag ist auf volle Euro zu runden. |
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26. Zusammentreffen von Ansprüchen mit bereits titulierten Ansprüchen: Soweit Unterhaltsansprüche anderer Berechtigter bereits tituliert sind, ist die Rechtslage i.d.R. wie bei gleichzeitiger Entscheidung über alle Unterhaltsansprüche zu beurteilen. Der Verpflichtete/Berechtigte ist auf einen Abänderungsantrag gem. §§ 238, 239 FamFG zu verweisen. Soweit eine Abänderung für die Vergangenheit nicht mehr verlangt werden kann, kann auf die geleisteten Beträge abgestellt werden. |
Anhang
I. Düsseldorfer Tabelle (alle Beträge in Euro)
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Einkommensgruppen Anrechenbares Einkommen des Pflichtigen |
Altersstufen |
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Bedarfskontrollbetrag Nr. 11.2.2 |
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0–5 (Geburt bis 6. Geburtstag) |
6–11 (6.–12. Geburtstag) |
12–17 (12.–18. Geburtstag) |
ab 18 |
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1 |
bis 1.900 |
393 |
451 |
528 |
564 |
100 % |
960/1.160 |
2 |
1.901–2.300 |
413 |
474 |
555 |
593 |
105 % |
1.400 |
3 |
2.301–2.700 |
433 |
497 |
581 |
621 |
110 % |
1.500 |
4 |
2.701–3.100 |
452 |
519 |
608 |
649 |
115 % |
1.600 |
5 |
3.101–3.500 |
472 |
542 |
634 |
677 |
120 % |
1.700 |
6 |
3.501–3.900 |
504 |
578 |
676 |
722 |
128 % |
1.800 |
7 |
3.901–4.300 |
535 |
614 |
719 |
768 |
136 % |
1.900 |
8 |
4.301–4.700 |
566 |
650 |
761 |
813 |
144 % |
2.000 |
9 |
4.701–5.100 |
598 |
686 |
803 |
858 |
152 % |
2.100 |
10 |
5.101–5.500 |
629 |
722 |
845 |
903 |
160 % |
2.200 |
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über 5.500: auf den Beschluss des BGH vom 16.09.2020 – XII ZB 499/19 wird hingewiesen. |
II. Kindergeldanrechnungstabelle
Die folgenden Tabellen enthalten die sich nach Abzug des jeweiligen Kindergeldanteils (hälftiges Kindergeld bei Minderjährigen, volles Kindergeld bei Volljährigen) ergebenden Zahlbeträge. Ab dem 01.01.2021 beträgt das Kindergeld für das erste und zweite Kind jeweils 219 €, für das dritte Kind 225 € und ab dem vierten Kind 250 €.
III. Rechenbeispiele
1. Differenzmethode/Additionsmethode
Mann (M): 3.500 € Nettoeinkommen; Frau (F): 700 € Nettoeinkommen 800 € Wohnvorteil des in der Ehewohnung verbliebenen M, 600 € berücksichtigungsfähige Hauslasten, von M getragen
Additionsmethode:
Differenzmethode:
3.500 € x 6/7 = |
3.000 € Einkommen M |
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+ 800 € Wohnvorteil |
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– 600 € Hauslasten |
700 € x 6/7 = |
– 600 € Einkommen F |
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2.600 € Differenz der Einkommen |
1/2 = |
1.300 € Anspruch F |
oder (3.500 € – 700 €) x 3/7 = 1.200 € + ([800 € – 600 €] x 1/2) = 1.300 €
2. Mangelfallberechnung:
a) mit gleichrangigen Unterhaltsberechtigten
Vater (V) 1.500 € Nettoeinkommen; Kind 19 Jahre (K1) besucht Gymnasium; Kind 16 Jahre (K2); Kind 11 Jahre (K3); die Mutter hat kein Einkommen und ist gegenüber K 1 nicht leistungsfähig
1. Stufe: Bedarfsermittlung und Prüfung, ob ein Mangelfall vorliegt (vgl. Nr. 24.2 HLL):
Gesamtbedarf :
Gesamtbedarf daher: 1.102 €
V verblieben (1.500 € – 1.102 €) 398 €. Da hiermit der notwendige Selbstbehalt des V von 1.160 € unterschritten wird, ist eine Mangelverteilung vorzunehmen.
2. Stufe: Mangelverteilung:
Bei der Mangelverteilung ist das den Selbstbehalt übersteigende Einkommen des V von 340 € (1.500 € – 1.160 €), die Verteilungsmasse, auf die Kinder im Verhältnis ihrer um das hälftige Kindergeld bzw. bei dem volljährigen privilegierten Kind (K1) um das volle Kindergeld gekürzten Einsatzbeträge zu verteilen (vgl. Nr. 24.3.1 HLL). Die Verteilungsquote beträgt 30,85 % (340 € Verteilungsmasse / 1.102 € Gesamtbedarf der Kinder).
Danach entfallen auf
K1: 345 € x 30,85 % = 106,44 € oder rd. 106 €
K2: 418,50 € x 30,85 % = 129,12 € oder rd. 129 €
K3: 338,50 € x 30,85 % = 104,4 € oder rd. 104 €
b) mit Unterhaltsberechtigten verschiedener Rangstufen nach § 1609 BGB
Vater (V) 2.000 € Nettoerwerbseinkommen; Mutter (M) kein Einkommen; Kind 7 Jahre (K1); Kind 4 Jahre (K2)
1. Stufe: Bedarfsermittlung und Prüfung, ob ein Mangelfall vorliegt (Nr. 24.2 HLL):
Gesamtbedarf (Herabstufung nach Nr. 11.2.1 HLL; wegen des Bedarfskontrollbetrags – Nr.11.2.2 HLL – ist auf den Bedarf der 1. Einkommensgruppe abzustellen):
K1: 451 € Tabellen-Bedarfssatz der 1. Einkommensgruppe/2. Altersstufe abzgl. 109,50 € Kindergeldanteil = 341,50 €
K2: 393 € Tabellen-Bedarfssatz der 1. Einkommensgruppe/1. Altersstufe abzgl. 109,50 € Kindergeldanteil = 283,50 €
M: 2.000 € anrechenbares Einkommen des V abzüglich 341,50 € Zahlbetrag K1 abzüglich 283,50 € Zahlbetrag K2 (vgl. jeweils Nr. 15.2.4 HLL) = 1.375 €; 3/7 hiervon ergeben einen eheangemessenen Bedarf der M von (gerundet) 589 €. Der Mindestbedarf (Nr. 15.1.(7)) beträgt jedoch 960 €.
Bei einem Gesamtbedarf von danach 1.585 € (341,50 € + 283,50 € + 960 €) ist die Leistungsfähigkeit des V eingeschränkt. Im ersten Rang, also gegenüber den vorrangigen Kindern, liegt aber kein Mangelfall vor, da der notwendige Selbstbehalt des V von 1.160 € gewahrt ist, wenn der Kindesunterhalt geleistet wird (2.000 € – 341,50 € – 283,50 € = 1.375 €).
2. Stufe: Mangelverteilung:
Im zweiten Rang dagegen, also gegenüber der nachrangigen M, liegt eine Mangelsituation vor. Die nach Abzug der Zahlbeträge für den Kindesunterhalt verbleibenden 1.375 € beschränken hinsichtlich des Ehegattenunterhalts der M unter Berücksichtigung des dem V insoweit zustehenden billigen Selbstbehalts (Nr. 21.4) von 1.280 € dessen Leistungsfähigkeit auf 95 €.
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