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Hanseatisches OLG Hamburg: Unterhaltsrechtliche Leitlinien (Stand: 01.01.2010)

Vorbemerkungen

Die Unterhaltsleitlinien des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg, Stand 01.01.2008, gelten – mit Ausnahme der Ziff. 11.2. (Zahl der Unterhaltsberechtigten), Ziff. 15.2. (Unterhaltsbedarf Ehegattenunterhalt) und Ziff. 22.1 (zusammenlebende Ehegatten) der Leitlinien und der Unterhaltsbeträge gemäß dem Anhang I – über den 01.01.2010 hinaus unverändert fort. Eine Neufassung der Leitlinien ist nach Abstimmung zwischen den Oberlandesgerichten für Mitte 2010 vorgesehen.

Der Anhang II der Leitlinien, Stand 01.01.2008, bleibt unverändert, da er allein dazu dient, die Umrechnung dynamischer Titel des bis zum 31.12.2007 geltenden Rechts zu verdeutlichen. Darauf, anhand welcher Tabellensätze dies geschieht, kommt es nicht an.

Die Familiensenate des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg verwenden diese Leitlinien als Orientierungshilfe für den Regelfall unter Beachtung der Rechtsprechung des BGH, wobei die Angemessenheit des Ergebnisses in jedem Fall zu überprüfen ist. 

Das Tabellenwerk der Düsseldorfer Tabelle  ist eingearbeitet. Die Erläuterungen werden durch nachfolgende Leitlinien ersetzt. 

Unterhaltsrechtliches Einkommen

Bei der Ermittlung und Zurechnung von Einkommen ist stets zu unterscheiden, ob es um Verwandten- oder Ehegattenunterhalt sowie ob es um Bedarfsbemessung einerseits oder Feststellung der Bedürftigkeit/Leistungsfähigkeit andererseits geht. Das unterhaltsrechtliche Einkommen ist nicht immer identisch mit dem steuer- und sozialrechtlichen Einkommen.

1. Geldeinnahmen

1.1 Auszugehen ist vom Bruttoeinkommen als Summe aller Einkünfte.

1.2 Soweit Leistungen nicht monatlich anfallen (z.B. Weihnachts- und Urlaubsgeld), werden sie auf ein Jahr umgelegt. Einmalige Zahlungen (z.B. Abfindungen) sind auf einen angemessenen Zeitraum (i.d.R. mehrere Jahre) zu verteilen.

1.3 Überstundenvergütungen werden dem Einkommen voll zugerechnet, soweit sie berufstypisch sind und das in diesem Beruf übliche Maß nicht überschreiten.

1.4 Ersatz für Spesen und Reisekosten sowie Auslösungen gelten i.d.R. als Einkommen. Damit zusammenhängende Aufwendungen, vermindert um häusliche Ersparnisse, sind jedoch abzuziehen. Bei Aufwendungspauschalen (außer Kilometergeld) kann i.d.R. 1/3 als Einkommen geschätzt werden.

1.5 Bei Selbständigen ist vom durchschnittlichen Gewinn während eines längeren Zeitraums von i.d.R. mindestens drei aufeinanderfolgenden Jahren, möglichst den letzten drei Jahren, auszugehen. Anstatt auf den Gewinn kann ausnahmsweise auf die Entnahmen abzüglich der Einlagen abgestellt werden, wenn eine zuverlässige Gewinnermittlung nicht möglich oder der Betriebsinhaber unterhaltsrechtlich zur Verwertung seines Vermögens verpflichtet ist. Lineare Abschreibungen werden i.d.R. anerkannt.

1.6 Einkommen aus Vermietung und Verpachtung sowie aus Kapitalvermögen ist der Überschuss der Bruttoeinkünfte über die Werbungskosten. Für Gebäude ist keine AfA anzusetzen.

1.7 Steuerzahlungen oder Erstattungen sind i.d.R. im Kalenderjahr der tatsächlichen Leistung zu berücksichtigen.

1.8 Sonstige Einnahmen, z.B. Einkünfte aus sogenannten „1-€-Jobs“, Taschengeldanspruch und Trinkgelder.

2. Sozialleistungen

2.1 Arbeitslosengeld und Krankengeld

2.2 Arbeitslosengeld II (§§ 1932 SGB II) beim Verpflichteten. Beim Berechtigten sind Leistungen nach dem SGB II kein Einkommen (Ausnahme: befristeter Zuschlag nach Bezug von Arbeitslosengeld gem. § 24 SGB II), es sei denn, der Anspruch kann nach § 33 Abs. 2 Satz 1 SGB II nicht übergeleitet werden bzw. die Nichtberücksichtigung der Leistungen ist in Ausnahmefällen treuwidrig (vgl. BGH, FamRZ 1999, 843 bzw. 2001, 619).

2.3 Wohngeld, soweit es nicht erhöhte Wohnkosten deckt.

2.4 BAföG-Leistungen, auch soweit sie als Darlehen gewährt werden, mit Ausnahme von Vorausleistungen nach §§ 36, 37 BAföG.

2.5 Erziehungsgeld nur in den Ausnahmefällen des § 9 Satz 2 BErzGG, Elterngeld nach Maßgabe des § 11 BEEG.

2.6 Unfallrenten.

2.7 Leistungen aus der Pflegeversicherung, Blindengeld, Versorgungsrenten, Schwerbeschädigten- und Pflegezulagen nach Abzug eines Betrags für tatsächliche Mehraufwendungen; § 1610a BGB ist zu beachten.

2.8 Der Anteil des Pflegegeldes bei der Pflegeperson, durch den ihre Bemühungen abgegolten werden; bei Pflegegeld aus der Pflegeversicherung gilt dies nach Maßgabe des § 13 Abs. 6 SGB XI.

2.9 In der Regel Leistungen nach §§ 4143 SGB XII (Grundsicherung) beim Verwandtenunterhalt, nicht aber beim Ehegattenunterhalt.

2.10/11 Kein Einkommen sind Sozialhilfe und Leistungen nach dem UVG. Die Unterhaltsforderung eines Empfängers dieser Leistungen kann in Ausnahmefällen treuwidrig sein (BGH, FamRZ 1999, 843 bzw. 2001, 619).

3. Kindergeld

Kindergeld wird nicht zum Einkommen gerechnet (vgl. Nr. 14).

4. Geldwerte Zuwendungen

Geldwerte Zuwendungen aller Art des Arbeitgebers, z.B. Firmenwagen oder freie Kost und Logis, sind Einkommen, soweit sie entsprechende Eigenaufwendungen ersparen.

5. Wohnwert

Der Wohnvorteil durch mietfreies Wohnen im eigenen Heim ist als wirtschaftliche Nutzung des Vermögens unterhaltsrechtlich wie Einkommen zu behandeln. Neben dem Wohnwert sind auch Zahlungen nach dem Eigenheimzulagengesetz anzusetzen. Ein Wohnvorteil liegt nur vor, soweit der Wohnwert den berücksichtigungsfähigen Schuldendienst, erforderliche Instandhaltungskosten und die verbrauchsunabhängigen Kosten, mit denen ein Mieter üblicherweise nicht belastet wird, übersteigt. Auszugehen ist vom vollen Mietwert. Wenn es nicht möglich oder nicht zumutbar ist, die Wohnung aufzugeben und das Objekt zu vermieten oder zu veräußern, kann statt dessen die ersparte Miete angesetzt werden, die angesichts der wirtschaftlichen Verhältnisse angemessen wäre. Dies kommt insbesondere für die Zeit bis zur Scheidung in Betracht, wenn ein Ehegatte das Eigenheim allein bewohnt.

6. Haushaltsführung

Führt jemand einem leistungsfähigen Dritten den Haushalt, so kann hierfür ein Einkommen anzusetzen sein.

7. Einkommen aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit

Einkommen aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit kann nach Billigkeit ganz oder teilweise unberücksichtigt bleiben (§ 1577 Abs. 2 BGB).

8. Freiwillige Zuwendungen Dritter

Freiwillige Zuwendungen Dritter (z.B. Geldleistungen, kostenloses Wohnen) sind als Einkommen nur zu berücksichtigen, wenn dies dem Willen des Dritten entspricht.

9. Erwerbsobliegenheit und fiktives Einkommen

9.1 Einkommen können auch aufgrund einer unterhaltsrechtlichen Obliegenheit erzielbare Einkünfte sein.

9.1.1 Bei Arbeitslosigkeit sind über eine Meldung beim Arbeitsamt oder telefonische Nachfragen hinausgehende eigenständige Erwerbsbemühungen im Einzelnen darzulegen und zu belegen.

9.1.2 Der Hinweis auf die Arbeitsmarktlage macht den Nachweis von Bemühungen  nur im Ausnahmefall entbehrlich.

9.2 Bei unzureichenden Bemühungen um einen Arbeitsplatz können fiktive Einkünfte nach den Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung von Beruf, Alter und des zuletzt erzielten Verdienstes zugrunde gelegt werden.

9.3 Neben dem Bezug von Leistungen der Arbeitsverwaltung kann die Aufnahme einer geringfügigen Beschäftigung (§ 141 SGB III) in Betracht kommen.

9.4 Dem wiederverheirateten Elternteil obliegt es ungeachtet seiner Pflichten aus der neuen Ehe durch Aufnahme einer Teilzeitarbeit zum Unterhalt der Kinder aus einer früheren Ehe beizutragen.

10. Bereinigung des Einkommens

10.1 Vom Bruttoeinkommen sind Steuern und Vorsorgeaufwendungen abzusetzen (Nettoeinkommen).

10.1.1 Es besteht die Obliegenheit, mögliche Steuervorteile – insbesondere als  außergewöhnliche Belastung (§ 33a Abs. 1 EStG) bzw. aus dem begrenzten  Realsplitting (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG) – in Anspruch zu nehmen (z.B. Eintragung eines Freibetrags bei Fahrtkosten, für unstreitigen oder titulierten Unterhalt).

10.1.2  Zu den Vorsorgeaufwendungen gehören die Aufwendungen für die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung, Rentenversicherung und Arbeitslosenversicherung und/oder die angemessene private Kranken-, Pflege- und  Altersvorsorge. Zu den angemessenen Vorsorgeaufwendungen kann auch eine  zusätzliche Altersvorsorge i.H.v. 4 % des Jahresbruttoeinkommens beim Kindes-  und Ehegattenunterhalt (BGH, FamRZ 2005, 1817) und  5 % beim Elternunterhalt (BGH, FamRZ 2006, 1511) zählen, soweit kein Mangelfall vorliegt.

10.2 Die Tabelle weist den Unterhaltsbedarf aus, bezogen auf zwei Unterhaltsberechtigte ohne Rücksicht auf den Rang, soweit für den Nachrangigen Mittel vorhanden sind. Der Bedarf ist nicht identisch mit dem Zahlbetrag. Letzterer ergibt sich nach Abzug des jeweiligen Kindergeldanteils (hälftiges Kindergeld bei Minderjährigen, volles Kindergeld bei Volljährigen) von dem Bedarfsbetrag. Bei einer größeren oder geringeren Anzahl Unterhaltsberechtigter können Ab- oder Zuschläge durch Einstufung in niedrigere oder höhere Einkommensgruppen angemessen sein. In jedem Fall wird – gegebenenfalls auch unter Heranziehung der Bedarfskontrollbeträge – darauf zu achten sein, dass der Kindesunterhalt in einem angemessenen Verhältnis zu dem Betrag steht, der dem Unterhaltspflichtigen für den eigenen Bedarf zu verbleiben hat.

10.2.1 Eine Pauschale wird i.d.R. nicht gewährt, sondern die berufsbedingten Aufwendungen sind im Einzelnen darzulegen.

10.2.2 Für die Kosten der notwendigen berufsbedingten Nutzung eines Kraftfahrzeugs kann der nach den Sätzen des § 5 Abs. 2 Nr. 2 JVEG anzuwendende Betrag (derzeit 0,30 €) pro gefahrenen Kilometer angesetzt werden. Damit sind i.d.R. Anschaffungskosten erfasst. Bei langen Fahrtstrecken kann nach unten abgewichen werden (regelmäßig 0,20 €).

10.2.3 Bei einem Auszubildenden ist ausbildungsbedingter Aufwand konkret darzulegen.

10.2.1 Eine Pauschale wird i.d.R. nicht gewährt, sondern die berufsbedingten Aufwendungen sind im Einzelnen darzulegen.

10.2.2 Für die Kosten der notwendigen berufsbedingten Nutzung eines Kraftfahrzeugs kann der nach den Sätzen des § 5 Abs. 2 Nr. 2 JVEG anzuwendende Betrag (derzeit 0,30 €) pro gefahrenen Kilometer angesetzt werden. Damit sind i.d.R. Anschaffungskosten erfasst. Bei langen Fahrtstrecken kann nach unten abgewichen werden (regelmäßig 0,20 €).

10.2.3 Bei einem Auszubildenden ist ausbildungsbedingter Aufwand konkret darzulegen.

10.3 Kinderbetreuungskosten sind abzugsfähig, soweit die Betreuung durch Dritte infolge der Berufstätigkeit erforderlich ist. Außerdem kann ein Kinderbetreuungsbonus angesetzt werden.

10.4 Schulden (Zins und Tilgung) sind bei tatsächlicher Zahlung im Rahmen eines vernünftigen Tilgungsplanes mit angemessenen Raten zu berücksichtigen.

Bei der Bedarfsermittlung für den Ehegattenunterhalt sind grundsätzlich nur eheprägende Verbindlichkeiten abzusetzen. Beim Verwandtenunterhalt sowie bei Leistungsfähigkeit/Bedürftigkeit für den Ehegattenunterhalt erfolgt eine Abwägung nach den Umständen des Einzelfalls. Bei der Zumutbarkeitsabwägung sind Interessen des Unterhaltsschuldners, des Drittgläubigers und des Unterhaltsgläubigers, vor allem minderjähriger Kinder, mit zu berücksichtigen.

10.5 Unterhaltsleistungen an vorrangig Berechtigte sind vorweg abzuziehen.

10.6 Die vermögenswirksame Leistung des Arbeitgebers und die Arbeitnehmersparzulage gehören nicht zum Einkommen. Der vermögenswirksam gesparte Betrag mindert nicht das anrechenbare Einkommen.

Kindesunterhalt

11. Bemessungsgrundlage (Tabellenunterhalt)

Der Barunterhalt minderjähriger und noch im elterlichen Haushalt lebender volljähriger unverheirateter Kinder bestimmt sich nach den Sätzen der Düsseldorfer Tabelle (Anlage 1). Bei minderjährigen Kindern kann er als Festbetrag oder als Vomhundertsatz des jeweiligen Mindestunterhalts geltend gemacht werden.

11.1 Die Tabellensätze der Düsseldorfer Tabelle enthalten keine Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge für das Kind, wenn dieses nicht in einer gesetzlichen Familienversicherung mitversichert ist. Das Nettoeinkommen des Verpflichteten ist um solche zusätzlich zu zahlenden Versicherungskosten zu bereinigen.

11.2 Die Tabelle weist den Unterhaltsbedarf aus, bezogen auf zwei Unterhaltsberechtigte ohne Rücksicht auf den Rang, soweit für den Nachrangigen Mittel vorhanden sind. Der Bedarf ist nicht identisch mit dem Zahlbetrag. Letzterer ergibt sich nach Abzug des jeweiligen Kindergeldanteils (hälftiges Kindergeld bei Minderjährigen, volles Kindergeld bei Volljährigen) von dem Bedarfsbetrag. Bei einer größeren oder geringeren Anzahl Unterhaltsberechtigter können Ab- oder Zuschläge durch Einstufung in niedrigere oder höhere Einkommensgruppen angemessen sein. In jedem Fall wird – gegebenenfalls auch unter Heranziehung der Bedarfskontrollbeträge – darauf zu achten sein, dass der Kindesunterhalt in einem angemessenen Verhältnis zu dem Betrag steht, der dem Unterhaltspflichtigen für den eigenen Bedarf zu verbleiben hat.

12. Minderjährige Kinder

12.1 Der Betreuungsunterhalt i.S.d. § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB entspricht wertmäßig i.d.R. dem vollen Barunterhalt.

12.2 Eigenes Einkommen des Kindes ist auf den Barbedarf zur Hälfte anzurechnen.

12.3 Der betreuende Elternteil braucht neben dem anderen Elternteil i.d.R. keinen Barunterhalt zu leisten (Ausnahmen: z.B. bei § 1603 Abs. 2 Satz 3 BGB).

Sind beide Eltern zur Zahlung von Barunterhalt verpflichtet, z.B. bei auswärtiger Unterbringung, haften sie anteilig nach § 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB für den Gesamtbedarf (vgl. Nr. 13.3). Der Verteilungsschlüssel kann unter Berücksichtigung des Betreuungsaufwands wertend verändert werden.

12.4 Bei Zusatzbedarf (Prozesskostenvorschuss, Mehrbedarf, Sonderbedarf) gilt § 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB.

13. Volljährige Kinder

13.1 Bedarf

Beim Bedarf volljähriger Kinder ist zu unterscheiden, ob sie noch im Haushalt der Eltern/eines Elternteils leben oder einen eigenen Hausstand haben.

13.1.1 Für volljährige, unverheiratete Kinder, die noch im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils wohnen, gilt die Altersstufe 4 der Düsseldorfer Tabelle.

Sind beide Elternteile leistungsfähig, ist der Bedarf des Kindes i.d.R. nach dem zusammengerechneten Einkommen (ohne Anwendung von Nr. 11.2) zu bemessen. Für die Haftungsquote gilt Nr. 13.3. Ein Elternteil hat jedoch höchstens den Unterhalt zu leisten, der sich allein aus seinem Einkommen aus der Düsseldorfer Tabelle ergibt.

13.1.2 Der angemessene Bedarf eines volljährigen Kindes mit eigenem Hausstand beträgt i.d.R. monatlich 640 € (darin sind enthalten Kosten für Unterkunft und Heizung [Warmmiete] bis zu 270 €), ohne Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung sowie ohne Studiengebühren und vergleichbare Aufwendungen. Von diesem Betrag kann bei erhöhtem Bedarf oder mit Rücksicht auf die Lebensstellung der Eltern abgewichen werden.

13.2 Auf den Unterhaltsbedarf werden Einkünfte des Kindes, auch BAföG-Darlehen und Ausbildungsbeihilfen (gekürzt um ausbildungsbedingte Aufwendungen) angerechnet. Bei Einkünften aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit gilt § 1577 Abs. 2 BGB entsprechend.

13.3 Bei anteiliger Barunterhaltspflicht ist vor Berechnung des Haftungsanteils nach § 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB das bereinigte Nettoeinkommen jedes Elternteils gem. Nr. 10 zu ermitteln. Außerdem ist vom Restbetrag ein Sockelbetrag in Höhe des angemessenen Selbstbehalts (1.100 €) abzuziehen. Der Haftungsanteil nach § 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB errechnet sich nach der Formel:

Bereinigtes Nettoeinkommen eines Elternteils (N1 oder N2) abzüglich 1.100 € mal (Rest-)Bedarf (R), geteilt durch die Summe der bereinigten Nettoeinkommen beider Eltern (N1 + N2) abzüglich 2.200 (= 1.100 + 1.100) €.

Haftungsanteil 1 = (N1 – 1.100) x R : (N1 + N2 – 2.200).

Der so ermittelte Haftungsanteil ist auf seine Angemessenheit zu überprüfen und kann bei Vorliegen besonderer Umstände (z.B. behindertes Kind) wertend verändert werden.

Bei volljährigen Schülern, die in § 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB minderjährigen Kindern gleichgestellt sind, wird der Sockelbetrag bis zum notwendigen Selbstbehalt (770 €/900 €) herabgesetzt, wenn der Bedarf der Kinder andernfalls nicht gedeckt werden kann.

14. Verrechnung des Kindergeldes

Das Kindergeld mindert im Umfang des § 1612b BGB den Bedarf des minderjährigen und volljährigen Kindes.

Ehegattenunterhalt

15. Unterhaltsbedarf

15.1 Bei der Bedarfsbemessung darf nur eheprägendes Einkommen berücksichtigt werden. Bei Aufnahme oder Erweiterung einer Erwerbstätigkeit nach Trennung/Scheidung gilt das (Mehr-)Einkommen als prägendes Surrogat für die Haushaltsführung (BGH, FamRZ 2001, 986).

15.2 Es gilt grundsätzlich der Halbteilungsgrundsatz, wobei jedoch Erwerbseinkünfte nur zu 6/7 zu berücksichtigen sind (Abzug von 1/7 Erwerbstätigenbonus vom bereinigten Nettoeinkommen). Leistet ein Ehegatte auch Unterhalt für ein Kind, so wird sein Einkommen vor Ermittlung des Erwerbstätigenbonus um den Zahlbetrag (i.d.R. Tabellenbetrag abzüglich des bedarfsmindernd anzurechnenden Kindergeldes) bereinigt. Erbringt der Verpflichtete sowohl Bar- als auch Betreuungsunterhalt, so gilt Nr. 10.3 (BGH, FamRZ 2001, 350). Bei der Berechnung des Unterhaltsbedarfs des geschiedenen Ehegatten bei Wiederverheiratung des Unterhaltsverpflichteten ist die Rechtsprechung des BGH zur sogenannten Drittelmethode zu berücksichtigen (BGH FamRZ 2008, 1911; BGH FamRZ 2009, 23; zuletzt BGH Urteil vom 18.11.2009 – Az. XII ZR 65/09).

15.3 Bei sehr guten Einkommensverhältnissen des Pflichtigen kommt eine konkrete Bedarfsberechnung in Betracht.

15.4 Werden Altervorsorge-, Kranken- und Pflegeversicherungskosten vom Berechtigten gesondert geltend gemacht oder vom Verpflichteten bezahlt, sind diese vom dem Einkommen des Pflichtigen vorweg abzuziehen. Altersvorsorgeunterhalt wird nur geschuldet, soweit der Elementarunterhalt gedeckt ist. Der Vorwegabzug unterbleibt, soweit nicht verteilte Mittel zur Verfügung stehen, z.B. durch Anrechnung nicht prägenden Einkommens des Berechtigten auf seinen Bedarf.

15.5 Trennungsbedingter Mehrbedarf kann – ggf. im Wege der Schätzung nach § 287 ZPO – hinzugerechnet werden, sofern die tatsächlichen Voraussetzungen konkret dargelegt werden.

16. Bedürftigkeit

Eigene Einkünfte des Berechtigten sind auf den Bedarf anzurechnen, wobei das bereinigte Nettoerwerbseinkommen um den Erwerbstätigenbonus von 1/7 zu vermindern ist.

17. Erwerbsobliegenheit

17.1 Das bisher von der Rechtsprechung entwickelte Altsersstufenmodell ist in dieser Form nicht mehr anzuwenden (vgl. BT-Drucks. 16/6980, FamRZ 2007, 1947).

Der Anspruch auf Betreuungsunterhalt richtet sich beim nichtehelichen Kind nach denselben Grundsätzen wie beim ehelichen Kind.

17.2 In der Regel besteht für den Berechtigten im ersten Jahr nach der Trennung keine Obliegenheit zur Aufnahme oder Ausweitung einer Erwerbstätigkeit.

Weitere Unterhaltsansprüche

18. Ansprüche nach § 1615l BGB

Der Bedarf nach § 1615l BGB bemisst sich nach der Lebensstellung des betreuenden Elternteils. Er beträgt mindestens 770 €, bei Erwerbstätigkeit mindestens 900 €.

19. Elternunterhalt

Beim Bedarf der Eltern sind Leistungen zur Grundsicherung nach §§ 41 ff. SGB XII zu berücksichtigen (vgl. Nr. 2.9).

20. Lebenspartnerschaft

Bei Getrenntleben oder Aufhebung der Lebenspartnerschaft gelten §§ 12, 16 LPartG.

Leistungsfähigkeit und Mangelfall

21. Selbstbehalt des Verpflichteten

21.1 Es ist zu unterscheiden zwischen dem notwendigen (§ 1603 Abs. 2 BGB), dem angemessenen (§ 1603 Abs. 1 BGB) und dem billigen Selbstbehalt (§ 1581 BGB).

21.2 Für Eltern gegenüber minderjährigen Kindern und diesen nach § 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB gleichgestellten Kindern („privilegierte Volljährige”) gilt im Allgemeinen der notwendige Selbstbehalt als unterste Grenze für die Inanspruchnahme.

Er beträgt

-

beim dauerhaft Nichterwerbstätigen 770 €,

-

beim Erwerbstätigen 900 €.

Hierin sind Kosten für Unterkunft und Heizung (Warmmiete) i.H.v. 360 € enthalten.

21.3 Im Übrigen gilt beim Verwandtenunterhalt der angemessene Selbstbehalt.

21.3.1 Er beträgt gegenüber volljährigen Kindern 1.100 €. Hierin sind Kosten für Unterkunft und Heizung (Warmmiete) i.H.v. 450 € enthalten.

21.3.2 Gegenüber Anspruchsberechtigten nach § 1615l BGB beträgt er i.d.R. für den Erwerbstätigen und für den Nichterwerbstätigen 1.000 €.

21.3.3 Gegenüber Eltern beträgt er mindestens 1.400 €, wobei die Hälfte des diesen Mindestbetrag übersteigenden Einkommens zusätzlich anrechnungsfrei bleibt. Im Selbstbehalt sind Kosten für Unterkunft und Heizung (Warmmiete) i.H.v. 450 € enthalten.

21.3.4 Gegenüber Enkeln beträgt er mindestens 1.400 € (BGH, FamRZ 2006, 26; BGH, FamRZ 2007, 375), wobei bei volljährigen Enkeln die Hälfte des diesen Mindestbetrag übersteigenden Einkommens zusätzlich anrechnungsfrei verbleibt. Im Selbstbehalt sind die Kosten für Unterkunft und Warmmiete i.H.v. 450 € enthalten. Der angemessene Unterhalt des mit dem Unterhaltspflichtigen zusammenlebenden Ehegatten beträgt mindestens 1.050 €.

21.4 Gegenüber Ehegatten und geschiedenen Ehegatten gilt grundsätzlich der billige Selbstbehalt (§§ 1361, 1581 BGB). Im Regelfall beträgt dieser für den Nichterwerbstätigen und Erwerbstätigen 1.000 € (BGH, FamRZ 2006, 683). Er ist nach unten durch den notwendigen Selbstbehalt (900 €) und nach oben durch den angemessenen Selbstbehalt (1.100 €) begrenzt.

21.5 Der Selbstbehalt kann im Einzelfall angemessen abgesenkt oder erhöht werden. Letzteres kommt insbesondere in Betracht, wenn die Warmmiete den in dem jeweiligen Selbstbehalt enthaltenen Betrag erheblich überschreitet und dies nicht vermeidbar ist.

22. Bedarf des mit dem Pflichtigen zusammenlebenden Ehegatten

22.1 – derzeit nicht belegt –

22.2 Ist bei Unterhaltsansprüchen von volljährigen Kindern oder nach § 1615 l Abs. 1 und 2 BGB der Unterhaltspflichtige verheiratet, werden für den mit ihm zusammenlebenden nicht erwerbstätigen oder erwerbstätigen Ehegatten mindestens 800 € angesetzt.

22.3 Ist bei Unterhaltsansprüchen der Eltern das unterhaltspflichtige Kind verheiratet, werden für den mit ihm zusammenlebenden Ehegatten mindestens 1.050 € angesetzt. Im gemeinsamen Bedarf des Ehepaares von 2.450 € (1.400 + 1.050 €) sind Kosten für Unterkunft und Heizung (Warmmiete) i.H.v. 800 € enthalten.

23. Mangelfall

23.1 Ein absoluter Mangelfall liegt vor, wenn das Einkommen des Verpflichteten zur Deckung seines notwendigen Selbstbehalts und der gleichrangigen Unterhaltsansprüche nicht ausreicht. Zur Feststellung des Mangelfalls entspricht der einzusetzende Bedarf für minderjährige und diesen nach § 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB gleichgestellten Kindern dem Zahlbetrag (z.B. Tabellenbetrag abzüglich des bedarfsmindernd anzurechnenden Kindergeldes).

23.2 Die Einsatzbeträge im Mangelfall belaufen sich

– bei minderjährigen und diesen nach § 1603 Abs. 3 Satz 2 BGB gleichgestellten Kindern auf den Zahlbetrag nach der jeweiligen Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle,

– für den zum Barunterhalt verpflichteten Elternteil bei Nichterwerbstätigen auf 770 €, bei Erwerbstätigen auf 900 €. Anrechenbares Einkommen des Unterhaltsberechtigten ist vom Einsatzbetrag abzuziehen.

23.3 Die nach Abzug des Selbstbehalts des Unterhaltspflichtigen verbleibende Verteilungsmasse ist anteilig auf alle gleichrangigen Unterhaltsberechtigten im Verhältnis ihrer Unterhaltsansprüche zu verteilen.

Die prozentuale Kürzung berechnet sich nach der Formel:

K = V : S x 100

K = prozentuale Kürzung

S = Summe der Einsatzbeträge aller Berechtigten

V = Verteilungsmasse (Einkommen des Verpflichteten abzüglich Selbstbehalt)

Der proportional gekürzte Unterhalt ergibt sich aus der Multiplikation mit dem Einsatzbetrag.

23.4 Für die Kindergeldverrechnung gilt § 1612b BGB.

23.5 Das im Rahmen der Mangelfallberechnung gewonnene Ergebnis ist auf seine Angemessenheit zu überprüfen.

Sonstiges

24. Rundung

Der Unterhaltsbetrag ist auf volle Euro aufzurunden.

25. Ost-West-Fälle

Bei sogenannten Ost-West-Fällen richtet sich der Bedarf des Kindes nach der an seinem Wohnsitz geltenden Unterhaltstabelle, der Selbstbehalt des Pflichtigen nach den an dessen Wohnsitz geltenden Selbstbehaltssätzen.

Anhang

I. a: Düsseldorfer Tabelle (Stand: 01.01.2010)

Nettoeinkommen des Barunterhaltspflichtigen (Anm. 3, 4)

Altersstufen in Jahren (§ 1612a Abs. 1 BGB)

Prozentsatz

Bedarfskontrollbetrag (Anm. 6)

0–5

6–11

12–17

ab 18

Alle Beträge in Euro

1.

bis 1.500

317

364

426

488

100

770/900

2.

1.501

1.900

333

383

448

513

105

1.000

3.

1.901

2.300

349

401

469

537

110

1.100

4.

2.301

2.700

365

419

490

562

115

1.200

5.

2.701

3.100

381

437

512

586

120

1.300

6.

3.101

3.500

406

466

546

625

128

1.400

7.

3.501

3.900

432

496

580

664

136

1.500

8.

3.901

4.300

457

525

614

703

144

1.600

9.

4.301

4.700

482

554

648

742

152

1.700

10.

4.701

5.100

508

583

682

781

160

1.800

 

ab 5.101

nach den Umständen des Falls

I. b: Zahlbetragstabellen (Stand: 01.01.2010)

Die nachfolgenden Zahlbetragstabellen sind für die Zeit ab 01.01.2010 an die geänderten Tabellensätze und das erhöhte Kindergeld angepasst. Die folgenden Tabellen enthalten die sich nach Abzug des jeweiligen Kindergeldanteils (hälftiges Kindergeld bei Minderjährigen, volles Kindergeld bei Volljährigen) ergebenden Zahlbeträge. Für das 1. und 2. Kind beträgt das Kindergeld ab dem 01.01.2010 184 €, für das 3. Kind 190 €, ab dem 4. Kind 215 €.

1. und 2. Kind

0–5

6–11

12–17

ab 18

%

1.

bis 1.500

225

272

334

304

100

2.

1.501

1.900

241

291

356

329

105

3.

1.901

2.300

257

309

377

353

110

4.

2.301

2.700

273

327

398

378

115

5.

2.701

3.100

289

345

420

402

120

6.

3.101

3.500

314

374

454

441

128

7.

3.501

3.900

340

404

488

480

136

8.

3.901

4.300

365

433

522

519

144

9.

4.301

4.700

390

462

556

558

152

10.

4.701

5.100

146

491

590

597

160

3. Kind

0–5

6–11

12–17

ab 18

%

1.

bis 1.500

222

269

331

298

100

2.

1.501

1.900

238

288

353

323

105

3.

1.901

2.300

254

306

374

347

110

4.

2.301

2.700

270

324

395

372

115

5.

2.701

3.100

286

342

417

396

120

6.

3.101

3.500

311

371

451

435

128

7.

3.501

3.900

337

401

485

474

136

8.

3.901

4.300

362

430

519

513

144

9.

4.301

4.700

387

459

553

552

152

10.

4.701

5.100

413

488

587

591

160

Ab 4. Kind

0–5

6–11

12–17

ab 18

%

1.

bis 1.500

209,50

256,50

318,50

273

100

2.

1.501

1.900

225,50

275,50

340,50

298

105

3.

1.901

2.300

241,50

293,50

361,50

322

110

4.

2.301

2.700

257,50

311,50

382,50

347

115

5.

2.701

3.100

273,50

329.50

404,50

371

120

6.

3.101

3.500

298,50

358,50

438,50

410

128

7.

3.501

3.900

324,50

388,50

472,50

449

136

8.

3.901

4.300

349,50

417,50

506,50

488

144

9.

4.301

4.700

374,50

446,50

540,50

527566

152

10.

4.701

5.100

400,50

475,50

574,50

566

160

II. Umrechnung dynamischer Titel nach § 36 Nr. 3 EGZPO

Die Umrechnung dynamischer Titel über Kindesunterhalt nach § 36 Nr. 3 EGZPO erfolgt gemäß der Anmerkung E (Übergangsregelung) zur Düsseldorfer Tabelle, Stand 01.01.2008.