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Brandenburgisches OLG: Unterhaltsleitlinien (Stand: 01.01.2010)

Vorbemerkungen

Die Unterhaltsleitlinien des Brandenburgischen Oberlandesgerichts, Stand 01.01.2008, gelten über den 01.01.2010 hinaus unverändert fort. Soweit darin auf die Tabelle in Anlage I verwiesen wird, handelt es sich um die ab 01.01.2010 veränderte Tabelle, deren Tabellensätze identisch sind mit den ab 01.01.2010 geltenden Tabellensätzen der Düsseldorfer Tabelle.

In Abweichung von Nr. 11.2 der Unterhaltsleitlinien des Brandenburgischen Oberlandesgerichts erfassen die Tabellensätze ab 01.01.2010 nicht mehr Fälle, in denen eine Unterhaltspflicht gegenüber drei Unterhaltsberechtigten besteht, sondern weisen den monatlichen Unterhaltsbedarf, bezogen auf zwei Unterhaltsberechtigte, aus.

Die Zahlbetragstabelle in Anlage II ist für die Zeit ab 01.01.2010 an die geänderten Tabellensätze und das erhöhte Kindergeld angepasst. Anlage III bleibt unverändert, weil sie allein dazu dient, die Umrechnung dynamischer Titel des bis zum 31.12.2007 geltenden Rechts zu verdeutlichen. Darauf, anhand welcher Tabellensätze das geschieht, kommt es nicht an.

Unterhaltsrechtlich maßgebendes Einkommen

1. Geldeinnahmen 1.1 Regelmäßiges Bruttoeinkommen einschl. Renten und Pensionen

Zum Bruttoeinkommen gehören alle Einkünfte und geldwerten Vorteile, zum Beispiel Arbeitsverdienst (inklusive anteiligen Urlaubs- und Weihnachtsgeldes sowie sonstiger Einmalleistungen, anteilig auf den Monat umgelegt), Renten und Pensionen.

1.2 Unregelmäßiges Einkommen

Höhere einmalige Zahlungen (z.B. Jubiläumszuwendungen) können auf einen längeren Zeitraum als ein Jahr verteilt werden. Abfindungen sind zur Wahrung der bisherigen Lebensverhältnisse in der Regel auf einen angemessenen Zeitraum umzulegen.

1.3 Überstunden

Überstundenvergütungen werden dem Einkommen zugerechnet, soweit sie in geringem Umfang anfallen oder berufsüblich sind.

In Mangelfällen erfolgt die Zurechnung unabhängig von Umfang und Berufsüblichkeit. Im Übrigen ist die Zurechnung unter Berücksichtigung des Einzelfalles nach Treu und Glauben zu beurteilen.

Diese Grundsätze gelten auch für Einkünfte aus einer Nebentätigkeit.

1.4 Spesen und Auslösungen

Spesen und Auslösungen werden dem Einkommen zugerechnet, soweit dadurch eine Ersparnis eintritt oder Überschüsse verbleiben. Im Zweifel kann davon ausgegangen werden, dass eine Ersparnis eintritt oder Überschüsse verbleiben, die mit einem Drittel der Nettobeträge zu bewerten und insoweit dem Einkommen zuzurechnen sind.

1.5 Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit

Bei Ermittlung des Einkommens eines Selbstständigen ist in der Regel von dem Gewinn dreier aufeinanderfolgender Geschäftsjahre auszugehen.

1.6 Einkommen aus Vermietung und Verpachtung sowie Kapitalvermögen

Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung sowie Kapitalvermögen sind nach Abzug der zur Erzielung dieser Einnahmen notwendigen Ausgaben als Einkommen zu berücksichtigen. Bei schwankenden Einnahmen ist auf den Durchschnitt mehrerer Jahre abzustellen.

1.7 Steuererstattungen

Steuererstattungen finden in der Regel in dem Jahr, in dem sie anfallen, Berücksichtigung, ebenso Steuernachzahlungen. Sie können für die nachfolgenden Jahre fortgeschrieben werden, wenn die Bemessungsgrundlagen im Wesentlichen unverändert geblieben sind.

Nach Auffassung des 3. Familiensenats sind Steuererstattungen oder -nachzahlungen stets in dem Jahr zu berücksichtigen, das dem Steuerjahr folgt. Bei Selbstständigen setzt der 3. Familiensenat in der Regel die für die Geschäftsjahre geschuldeten Steuern an, die der Unterhaltsberechnung zu Grunde gelegt werden.

2. Sozialleistungen

2.1 Arbeitslosengeld und Krankengeld

Arbeitslosengeld gemäß § 117 SGB III ist ebenso Einkommen wie Krankengeld.

2.2 Leistungen nach dem SGB II

Arbeitslosengeld II nach dem SGB II ist auf Seiten des Unterhaltspflichtigen Einkommen. Beim Unterhaltsberechtigten sind Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach §§ 19 ff. SGB II kein Einkommen. Jedoch kann seine Unterhaltsforderung bei Nichtberücksichtigung solcher Leistungen in Ausnahmefällen treuwidrig sein (BGH, FamRZ 1999, 843; FamRZ 2001, 619). Nicht subsidiäre Leistungen nach dem SGB II sind Einkommen.

2.3 Wohngeld

Wohngeld ist Einkommen, soweit es nicht erhöhte Wohnkosten deckt (vgl. BGH, FamRZ 1982, 587).

2.4 BAföG

BAföG-Leistungen sind mit Ausnahme von Vorausleistungen nach §§ 36, 37 BAföG als Einkommen anzusehen, auch soweit sie als Darlehen gewährt werden.

2.5 Erziehungs- und Elterngeld

Erziehungsgeld ist nur in den Fällen von § 9 Satz 2 BErzGG Einkommen.

Elterngeld ist nach Maßgabe des § 11 BEEG Einkommen.

2.6 Unfall- und Versorgungsrenten

Unfall- und Versorgungsrenten sind nach Abzug eines Betrages für tatsächliche Mehraufwendungen unterhaltsrechtlich als Einkommen heranzuziehen. § 1610a BGB ist zu beachten.

2.7 Leistungen aus der Pflegeversicherung, Blindengeld u.Ä.

Leistungen aus der Pflegeversicherung, Blindengeld, Schwerbeschädigten- und Pflegezulagen sind nach Abzug eines Betrags für tatsächliche Mehraufwendungen unterhaltsrechtlich als Einkommen heranzuziehen. § 1610a BGB ist zu beachten.

2.8 Pflegegeld

Der Anteil des Pflegegeldes, durch den ihre Bemühungen abgegolten werden, ist Einkommen der Pflegeperson. Bei Pflegegeld aus der Pflegeversicherung gilt dies nach Maßgabe von § 13 Abs. 6 SGB XI (vgl. BGH, FamRZ 2006, 846).

2.9 Grundsicherung beim Verwandtenunterhalt

Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, §§ 4143 SGB XII, sind auf Seiten des Unterhaltsberechtigten nur gegenüber Eltern und Kindern Einkommen.

2.10 Sozialhilfe

Sozialhilfe nach dem SGB XII ist kein Einkommen. Bezieht der Unterhaltsberechtigte eine solche Sozialhilfe, kann seine Unterhaltsforderung in Ausnahmefällen treuwidrig sein (vgl. BGH, FamRZ 1999, 843; FamRZ 2001, 619).

2.11 Unterhaltsvorschuss

Leistungen nach dem UVG sind kein Einkommen. Bezieht der Unterhaltsberechtigte Unterhaltsvorschuss, kann seine Unterhaltsforderung in Ausnahmefällen treuwidrig sein (vgl. BGH, FamRZ 1999, 843; FamRZ 2001, 619).

3. Kindergeld

Kindergeld ist kein Einkommen der Eltern (vgl. auch Nr. 14).

4. Geldwerte Zuwendungen des Arbeitgebers

Geldwerte Zuwendungen des Arbeitgebers, z.B. Firmenwagen, freie Kost, kostenlose oder verbilligte Wohnung, sind Einkommen, soweit dadurch entsprechende Eigenaufwendungen erspart werden.

5. Wohnwert

Wohnt der Unterhaltsberechtigte oder der Unterhaltspflichtige im eigenen Haus oder in der ihm gehörenden Eigentumswohnung, so stellt der Wohnwert Einkommen dar. Neben dem Wohnwert sind auch Zahlungen nach dem Eigenheimzulagengesetz anzusetzen. Der Wohnwert errechnet sich regelmäßig unter Zugrundelegung des üblichen Entgelts für ein vergleichbares Objekt. Er kann im Einzelfall auch darunter liegen (vgl. BGH, FamRZ 1998, 899; FamRZ 2000, 950). Kosten, mit denen ein Mieter üblicherweise nicht belastet wird, sind abzusetzen.

6. Haushaltsführung

Führt jemand einem leistungsfähigen Dritten den Haushalt, so ist hierfür ein Einkommen anzusetzen.

7. Einkommen aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit

Einkommen aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit kann nach Billigkeit ganz oder teilweise unberücksichtigt bleiben.

8. Freiwillige Zuwendungen Dritter

Freiwillige Zuwendungen Dritter sind nur Einkommen, wenn dies dem Willen des Dritten entspricht.

9. Erwerbsobliegenheit und Einkommensfiktion

Wird die Erwerbsobliegenheit verletzt, sind fiktive Einkünfte anzurechnen, die nach Alter, Vorbildung und beruflichem Werdegang erzielt werden können.

10. Bereinigung des Einkommens

10.1 Steuern und Vorsorgeaufwendungen

Vom Bruttoeinkommen sind Steuern und Vorsorgeaufwendungen abzuziehen. Zu diesen zählen Aufwendungen für die gesetzliche Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung oder die angemessene private Kranken- und Altersvorsorge sowie die Vorsorge für den Fall der Pflegebedürftigkeit.

Grundsätzlich darf eine zusätzliche Altersversorgung betrieben werden, die unterhaltsrechtlich beim Elternunterhalt bis zu 5 % des Bruttoeinkommens (BGH, FamRZ 2006, 1511) und im Übrigen bis zu 4 % des Bruttoeinkommens (BGH, FamRZ 2005, 1817) betragen kann. Voraussetzung ist stets, dass solche Aufwendungen für die eigene Altersvorsorge tatsächlich geleistet werden (BGH, FamRZ 2007, 793).

10.2 Berufsbedingte Aufwendungen

10.2.1 Pauschale/Konkrete Aufwendungen

Berufsbedingte Aufwendungen sind im Rahmen des Angemessenen vom Arbeitseinkommen abzuziehen. Sie können in der Regel mit einem Anteil von 5 % des Nettoeinkommens angesetzt werden, wenn hinreichende Anhaltspunkte für eine Schätzung bestehen. Werden höhere Aufwendungen geltend gemacht oder liegt ein Mangelfall vor, so sind sämtliche Aufwendungen im Einzelnen darzulegen und nachzuweisen.

10.2.2 Fahrtkosten

Für berufsbedingte Fahrten, insbesondere für Fahrten zum Arbeitsplatz (Hin- und Rückfahrt), werden die Kosten einer anzuerkennenden Pkw-Benutzung mit einer Kilometerpauschale von 0,25 € berücksichtigt.

10.2.3 Ausbildungsaufwand

Ausbildungsvergütungen sind vorbehaltlich Nr. 13.1 Abs. 3 um ausbildungsbedingte Kosten zu kürzen. Die Höhe der ausbildungsbedingten Kosten bestimmt sich nach den Verhältnissen des Einzelfalles. Sie kann, wenn hinreichende Anhaltspunkte für eine Schätzung bestehen, mit 90 € monatlich angenommen werden.

10.3 Kinderbetreuung

Leben im Haushalt des Unterhaltspflichtigen oder des Unterhaltsberechtigten minderjährige Kinder, so kann sich das Einkommen um Betreuungskosten (vor allem Kosten für eine notwendige Fremdbetreuung) mindern. In Betracht kommen kann auch, dass auf überobligationsmäßiger Tätigkeit beruhendes Mehreinkommen ganz oder teilweise anrechnungsfrei bleibt, wenn keine konkreten Betreuungskosten anfallen (vgl. BGH, FamRZ 2005, 1154).

Abweichend hiervon setzt der 3. Familiensenat in der Regel vom Erwerbseinkommen einen Betreuungsbonus ab, dessen Höhe bei voller Erwerbstätigkeit dem Barunterhalt entspricht, den der zugleich betreuende Elternteil zu zahlen hätte, wenn das Kind bei dem anderen Elternteil leben würde.

10.4 Schulden

Zinsen und Tilgungsraten auf Schulden, die aus der Zeit vor Eheschließung herrühren oder während des ehelichen Zusammenlebens begründet worden sind, können, soweit angemessen, einkommensmindernd berücksichtigt werden. Den Interessen minderjähriger Kinder und volljähriger unverheirateter Kinder bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres, die im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils leben und sich in der allgemeinen Schulausbildung befinden, ist stets besonders Rechnung zu tragen.

10.5 Unterhaltsleistungen

Bei der Prüfung, ob Unterhaltsleistungen vorweg vom Einkommen abzuziehen sind, ist zwischen Bedarfsermittlung und Leistungsfähigkeit zu unterscheiden.

10.6 Vermögensbildung

Anlagen nach den Vermögensbildungsgesetzen sind nicht vom Einkommen abzuziehen. Andererseits erhöhen vermögenswirksame Leistungen des Arbeitgebers und Sparzulagen das Einkommen nicht.

Kindesunterhalt

11. Bemessungsgrundlage (Tabellenunterhalt)

Der Barunterhalt minderjähriger unverheirateter Kinder bestimmt sich nach den Altersstufen 1 bis 3 der Tabelle in Anlage I. Die Tabellensätze sind identisch mit den ab 01.01.2010 geltenden Tabellensätzen der Düsseldorfer Tabelle. Wegen des Bedarfs volljähriger Kinder vgl. Nr. 13.1.

11.1 Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge

In den Unterhaltsbeträgen (Tabellensätzen) sind keine Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge enthalten. Soweit das Kind nicht in einer Familienversicherung mitversichert ist, hat es zusätzlich Anspruch auf Zahlung der Versicherungsbeiträge. Das Nettoeinkommen des Unterhaltspflichtigen ist in diesen Fällen vor Einstufung in die entsprechende Einkommensgruppe vorweg um diese Beiträge zu bereinigen.

11.2 Eingruppierung

Die Tabellensätze erfassen die Fälle, in denen eine Unterhaltspflicht gegenüber zwei Unterhaltsberechtigten besteht. Bei einer geringeren Anzahl von Unterhaltsberechtigten kann eine Höhergruppierung auch um mehr als eine Einkommensgruppe in Betracht kommen.

Bei einer größeren Anzahl von Unterhaltsberechtigten kann eine Korrektur an Hand des Bedarfskontrollbetrags erfolgen. Der Bedarfskontrollbetrag ist nicht identisch mit dem Selbstbehalt des Unterhaltspflichtigen. Er soll eine ausgewogene Verteilung des Einkommens zwischen dem Unterhaltspflichtigen und dem Unterhaltsberechtigten gewährleisten. Erreicht das dem Unterhaltspflichtigen nach Abzug aller Unterhaltslasten verbleibende bereinigte Einkommen nicht den für die Einkommensgruppe ausgewiesenen Bedarfskontrollbetrag, ist ggf. soweit herabzustufen, bis dem Unterhaltspflichtigen der entsprechende Kontrollbetrag verbleibt.

12. Minderjährige Kinder

12.1 Betreuungs-/Barunterhalt

Der Betreuungsunterhalt für ein minderjähriges Kind entspricht in der Regel dem Barunterhalt, sodass der betreuende Elternteil regelmäßig keinen Barunterhalt zu leisten braucht.

12.2 Einkommen des Kindes

Einkommen des minderjährigen Kindes, das nach Abzug ausbildungsbedingter Kosten (vgl. Nr. 10.2.3) verbleibt, ist zur Hälfte auf den Barunterhalt anzurechnen. Die andere Hälfte kommt dem betreuenden Elternteil zugute.

12.3 Beiderseitige Barunterhaltspflicht/Haftungsanteil

Sind ausnahmsweise beide Elternteile gegenüber dem minderjährigen Kind barunterhaltspflichtig, bestimmt sich ihr Haftungsanteil nach dem Verhältnis ihrer den jeweiligen Selbstbehalt übersteigenden Einkommen. Nr. 13.3 gilt entsprechend.

12.4 Zusatzbedarf

Erhöhter Bedarf und Sonderbedarf sind in den Unterhaltsbeträgen nicht enthalten.

13. Volljährige Kinder

13.1 Bedarf

Der Barunterhalt volljähriger Schüler, Studenten und Auszubildender, die noch im Haushalt eines Elternteils leben, bestimmt sich nach Altersstufe 4 der Tabelle in Anlage I. Der Tabellenbetrag richtet sich nach dem zusammengerechneten Einkommen beider Elternteile. Ein Elternteil hat jedoch höchstens den Unterhalt zu leisten, der sich allein nach seinem Einkommen ergibt.

Dem 3. Familiensenat dient die Altersstufe 4 der Tabelle lediglich als Orientierung.

Der Bedarf nicht im Haushalt eines Elternteils lebender Kinder beträgt regelmäßig 640 € monatlich. Kosten für eine Ausbildung im üblichen Rahmen sind darin ebenso enthalten wie ein Mietanteil (Warmmiete) von bis zu 270 €. Bei guten wirtschaftlichen Verhältnissen kann eine Erhöhung des regelmäßigen Bedarfs gerechtfertigt sein, im Allgemeinen aber nicht über den doppelten Betrag hinaus.

In den Unterhaltsbeträgen sind keine Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge sowei Studiengebühren enthalten.

13.2 Einkommen des Kindes

Einkommen des volljährigen unterhaltsberechtigten Kindes, das nach Abzug ausbildungsbedingter Kosten (vgl. Nr. 10.2.3) verbleibt, ist auf seinen Bedarf voll anzurechnen.

13.3 Beiderseitige Barunterhaltspflicht/Haftungsanteil

Gegenüber volljährigen Kindern sind beide Elternteile barunterhaltspflichtig. Ihr Haftungsanteil bestimmt sich nach dem Verhältnis ihrer den jeweiligen Selbstbehalt übersteigenden Einkommen.

14. Verrechnung des Kindergeldes

Das Kindergeld ist nach Maßgabe des § 1612b BGB zur Deckung des Barbedarfs des Kindes zu verwenden (vgl. auch Nr. 3).

Ehegattenunterhalt

15. Unterhaltsbedarf

15.1 Bedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen

Der Unterhaltsanspruch des Ehegatten wird bestimmt und begrenzt durch den Bedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen, in den Fällen nachehelichen Unterhalts nach denjenigen bei der Scheidung. Leistet ein Ehegatte Unterhalt für ein Kind und hat dies bereits die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt, wird das Einkommen vorab um den Kindesunterhalt, das ist der Zahlbetrag, also der Tabellenunterhalt nach Abzug von Kindergeld, gemindert, soweit sich daraus nicht ein Missverhältnis zum wechselseitigen Lebensbedarf der Beteiligten ergibt (vgl. BGH, FamRZ 1999, 367; FamRZ 2003, 363).

Wegen der Behandlung von Erwerbseinkünften des unterhaltsberechtigten Ehegatten aus einer nach Trennung oder Scheidung aufgenommenen oder ausgeweiteten Tätigkeit wird auf das Urteil des BGH vom 13.06.2001 (FamRZ 2001, 986) verwiesen.

15.2 Halbteilung und Erwerbstätigenbonus

Der Unterhaltsbedarf des getrenntlebenden und geschiedenen Ehegatten beläuft sich grundsätzlich auf die Hälfte des zusammengerechneten eheprägenden bereinigten Einkommens beider Ehegatten.

Erwerbseinkünfte sind um einen Erwerbstätigenbonus von 1/7 als Anreiz zu kürzen.

Nach Auffassung des 3. Familiensenats beträgt der Erwerbstätigenbonus 1/10 vor Verminderung der Einkünfte um Kindesunterhalt, berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten usw., insoweit anders als im Urteil des BGH vom 16.04.1997 (FamRZ 1997, 806).

Sind die eheprägenden bereinigten Einkünfte ausschließlich Erwerbseinkünfte, so führt es zu demselben rechnerischen Ergebnis, wenn der Unterhalt als Quote der Differenz der beiderseitigen bereinigten Einkünfte ermittelt wird, wegen des Erwerbstätigenbonus mit 3/7 der Differenz, nach Auffassung des 3. Familiensenats mit 45 % abzüglich der Hälfte des Kindesunterhalts sowie berücksichtigungsfähiger Verbindlichkeiten usw.

15.3 Konkrete Bedarfsbemessung

Haben außergewöhnlich hohe Einkommen die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt, kann eine konkrete Bedarfsbemessung in Betracht kommen.

15.4 Vorsorgebedarf

Werden Altersvorsorge-, Kranken- und Pflegeversicherungskosten vom Unterhaltsberechtigten gesondert geltend gemacht oder vom Unterhaltspflichtigen gezahlt, sind diese von dem Einkommen des Pflichtigen vorweg abzuziehen.

15.5 nicht belegt

15.6 Trennungsbedingter Mehrbedarf

Trennungsbedingter Mehrbedarf kann zusätzlich berücksichtigt werden.

16. Bedürftigkeit

Bedürftigkeit besteht nur, soweit der Bedarf nicht durch eigene Einkünfte des Unterhaltsberechtigten, ggf. vermindert um den Erwerbstätigenbonus (vgl. Nr. 15.2), gedeckt ist.

17. Erwerbsobliegenheit

17.1 bei Kindesbetreuung

Die Zumutbarkeit von Erwerbstätigkeit neben Kinderbetreuung richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles.

17.2 bei Trennungsunterhalt

Inwieweit in der Trennungszeit eine Erwerbsobliegenheit besteht, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls.

Weitere Unterhaltsansprüche

18. Ansprüche aus § 1615l BGB

Der Bedarf nach § 1615l BGB bemisst sich nach der Lebensstellung des betreuenden Elternteils.

19. Elternunterhalt

Haben Eltern Unterhaltsansprüche gegen ihre Kinder, so sind auch Pflegebedarf und Heimkosten Teile des Unterhaltsbedarfs.

20. Lebenspartnerschaft

Der Bedarf gemäß §§ 5, 12, 16 LPartG bemisst sich nach den partnerschaftlichen Lebensverhältnissen.

Leistungsfähigkeit und Mangelfall

21. Selbstbehalt

21.1 Grundsatz

Leistungsfähigkeit ist in dem Umfang gegeben, in welchem das bereinigte Einkommen, hier ohne Abzug eines Erwerbstätigenbonus, den Selbstbehalt, der dem Unterhaltspflichtigen zur Bestreitung seines eigenen Unterhalts bleiben muss, übersteigt.

21.2 Notwendiger Selbstbehalt

Der notwendige Selbstbehalt des Unterhaltspflichtigen beträgt gegenüber minderjährigen Kindern sowie gegenüber volljährigen unverheirateten Kindern bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres, die im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils leben und sich in der allgemeinen Schulausbildung befinden, 900 €. Darin ist ein Mietanteil (Warmmiete) von etwa 360 € enthalten. Sind die Einkünfte des Unterhaltspflichtigen insgesamt oder im Wesentlichen keine Erwerbseinkünfte, beträgt der Selbstbehalt 770 €.

21.3 Angemessener Selbstbehalt

21.3.1 Volljähriges Kind

Gegenüber anderen volljährigen Kindern beträgt der angemessene Selbstbehalt 1.100 €. Darin ist ein Mietanteil (Warmmiete) von etwa 450 € enthalten.

21.3.2 Elternunterhalt

Der angemessene Selbstbehalt beträgt gegenüber den Eltern des Unterhaltspflichtigen 1.400 € zuzüglich der Hälfte des darüber hinausgehenden bereinigten Einkommens. Darin ist ein Mietanteil (Warmmiete) von etwa 450 € enthalten.

21.4 Eheangemessener Selbstbehalt und Ansprüche aus § 1615 l BGB

Der Selbstbehalt gegenüber dem getrennt lebenden und geschiedenen Ehegatten (vgl. dazu BGH, FamRZ 2006, 683), beträgt in der Regel 1.000 € (billiger Selbstbehalt). Dieser Betrag gilt auch in den Fällen des § 1615 l BGB (BGH, FamRZ 2005, 354).

21.5 Anpassung des Selbstbehalts

Der Selbstbehalt kann unterschritten werden, wenn der eigene Unterhalt des Pflichtigen ganz oder teilweise durch den Ehegatten gedeckt ist.

22. Bedarf des mit dem Unterhaltspflichtigen zusammenlebenden Ehegatten

Ist der Unterhaltspflichtige verheiratet, so richtet sich der Bedarf des mit ihm zusammenlebenden Ehegatten nach den ehelichen Lebensverhältnissen. Der Bedarf kann mit Rücksicht auf das Zusammenleben niedriger anzusetzen sein.

23. Mangelfall

23.1 Grundsatz

Reicht der Betrag, der zur Erfüllung mehrerer Unterhaltsansprüche zur Verfügung steht (Verteilungsmasse), nicht aus, um den Unterhaltsbedarf aller Unterhaltsberechtigten zu decken, so ist der den Selbstbehalt übersteigende Betrag auf die Berechtigten unter Beachtung der Rangverhältnisse zu verteilen.

23.2 Einsatzbeträge

Die Einsatzbeträge für minderjährige unverheiratete und ihnen gleichgestellte volljährige Kinder entsprechen den Tabellenbeträgen der ersten Einkommengruppe der Tabelle in Anlage I abzüglich des nach § 1612b BGB zur Bedarfsdeckung zu verwendenden Kindergeldes.

23.3 Berechnung

Bei der Mangelverteilung errechnet sich der gekürzte Unterhaltsanspruch aller gleichrangigen Unterhaltsberechtigten aus dem Quotienten von Verteilungsmasse und Summe der Einsatzbeträge, multipliziert mit dem jeweiligen Einsatzbetrag.

Sonstiges

24. Rundung

Der Unterhaltsbetrag kann auf volle Euro gerundet werden.

25. Ost-West-Fälle

In sogenannten Ost-West-Fällen richtet sich bis zum 31.12.2007 der Bedarf nach dem Wohnort des Unterhaltsberechtigten, die Leistungsfähigkeit (Selbstbehalt) nach dem Wohnort des Unterhaltspflichtigen.

Ab 01.01.2008 stehen alle an einem Unterhaltsrechtsverhältnis Beteiligten einander gleich, ungeachtet des Wohnorts von Unterhaltsberechtigtem und -pflichtigem.

Anlagen

i)

Unterhaltstabelle

ii)

Zahlbetragstabelle

iii)

Umrechnung dynamisierter Titel alten Rechts gemäß § 36 Nr. 3 EGZPO

Anlage I: Unterhaltstabelle (Stand: 01.01.2010)

Altersstufe

1

2

3

4

Prozentsatz

Bedarfskontrollbetrag

0–5

6–11

12–17

ab 18

bereinigtes Einkommen des Barunterhaltspflichtigen

1.

 

bis

1.500

317

364

426

488

100

770/900

2.

1.501

1.900

333

383

448

513

105

1.000

3.

1.901

2.300

349

401

469

537

110

1.100

4.

2.301

2.700

365

419

490

562

115

1.200

5.

2.701

3.100

381

437

512

586

120

1.300

6.

3.101

3.500

406

466

546

625

128

1.400

7.

3.501

3.900

432

496

580

664

136

1.500

8.

3.901

4.300

457

525

614

703

144

1.600

9.

4.301

4.700

482

554

648

742

152

1.700

10.

4.701

5.100

508

583

682

781

160

1.800

 

 

über

5.100

nach den Umständen des Falls

120 %-Grenze, § 249 Abs. 1 FamFG

381

437

512

 

 

 

Anlage II: Zahlbetragstabelle (Stand: 01.01.2010)

1. Anrechnung des (hälftigen) Kindergeldes für das 1. bis 2. Kind von je 92 €/184 €

Einkommensgruppe

0–5

6–11

12–17

ab 18

1.

bis 1.500

317–92 = 225

364–92 = 272

426–92 = 272

488–184 = 304

2.

1.501 – 1.900

333–92 = 241

383–92 = 291

448–92 = 356

513–184 = 329

3.

1.901 – 2.300

349–92 = 257

401–92 = 309

469–92 = 377

537–184 = 353

4.

2.301 – 2.700

365–92 = 273

419–92 = 327

490–92 = 398

562–184 = 378

5.

2.701 – 3.100

381–92 = 289

437–92 = 345

512–92 = 420

586–184 = 402

6.

3.101 – 3.500

406–92 = 314

466–92 = 374

546–92 = 454

625–184 = 441

7.

3.501 – 3.900

432–92 = 340

496–92 = 404

580–92 = 488

664–184 = 480

8.

3.901 – 4.300

457–92 = 365

525–92 = 433

614–92 = 522

703–184 = 519

9.

4.301 – 4.700

482–92 = 390

554–92 = 462

648–92 = 556

742–184 = 558

10.

4.701 – 5.100

508–92 = 416

583–92 = 491

682–92 = 590

781–184 = 597

2. Anrechnung des (hälftigen) Kindergeldes für das 3. Kind von je 95 €/190 €

Einkommensgruppe

0–5

6–11

12–17

ab 18

1.

bis 1.500

317–95 = 222

364–95 = 269

426–95 = 331

488–190 = 298

2.

1.501 – 1.900

333–95 = 238

383–95 = 288

448–95 = 353

513–190 = 323

3.

1.901 – 2.300

349–95 = 254

401–95 = 306

469–95 = 374

537–190 = 347

4.

2.301 – 2.700

365–95 = 270

419–95 = 324

490–95 = 395

562–190 = 372

5.

2.701 – 3.100

381–95 = 286

437–95 = 342

512–95 = 417

586–190 = 396

6.

3.101 – 3.500

406–95 = 311

466–95 = 371

546–95 = 451

625–190 = 435

7.

3.501 – 3.900

432–95 = 337

496–95 = 401

580–95 = 485

664–190 = 474

8.

3.901 – 4.300

457–95 = 362

525–95 = 430

614–95 = 519

703–190 = 513

9.

4.301 – 4.700

482–95 = 387

554–95 = 459

648–95 = 553

742–190 = 552

10.

4.701 – 5.100

508–95 = 413

583–95 = 488

682–95 = 587

781–190 = 591

3. Anrechnung des (hälftigen) Kindergeldes ab dem 4. Kind von je 107,50 €/215 €

Einkommensgruppe

0–5

6–11

12–17

ab 18

1.

bis 1.500

317–107,50 = 209,50

364–107,50 = 256,50

426–107,50 = 318,50

488–215 = 273

2.

1.501 – 1.900

333–107,50 = 225,50

383–107,50 = 275,50

448–107,50 = 340,50

513–215 = 298

3.

1.901 – 2.300

349–107,50 = 241,50

401–107,50 = 293,50

469–107,50 = 361,50

537–215 = 322

4.

2.301 – 2.700

365–107,50 = 257,50

419–107,50 = 311,50

490–107,50 = 382,50

562–215 = 347

5.

2.701 – 3.100

381–107,50 = 273,50

437–107,50 = 329,50

512–107,50 = 404,50

586–215 = 371

6.

3.101 – 3.500

406–107,50 = 298,50

466–107,50 = 358,50

546–107,50 = 438,50

625–215 = 410

7.

3.501 – 3.900

432–107,50 = 324,50

496–107,50 = 388,50

580–107,50 = 472,50

664–215 = 449

8.

3.901 – 4.300

457–107,50 = 349,50

525–107,50 = 417,50

614–107,50 = 506,50

703–215 = 488

9.

4.301 – 4.700

482–107,50 = 374,50

554–107,50 = 446,50

648–107,50 = 540,50

742–215 = 527

10.

4.701 – 5.100

508–107,50 = 400,50

583–107,50 = 475,50

682–107,50 = 574,50

781–215 = 566

Anlage III: Umrechnung dynamisierter Titel alten Rechts gem. § 36 Nr. 3 EGZPO

Ist Kindesunterhalt als Prozentsatz des jeweiligen Regelbetrags zu leisten, bleibt der Titel bestehen. Eine Abänderung ist nicht erforderlich. An die Stelle des bisherigen Prozentsatzes vom Regelbetrag tritt ein neuer Prozentsatz vom Mindestunterhalt. Dieser ist für die jeweils maßgebliche Altersstufe gesondert zu bestimmen und auf eine Stelle nach dem Komma zu begrenzen (§ 36 Nr. 3 EGZPO). Der Bedarf ergibt sich aus der Multiplikation des neuen Prozentsatzes mit dem Mindestunterhalt der jeweiligen Altersstufe und ist auf volle Euro aufzurunden (§ 1612a Abs. 2 Satz 2 BGB). Der Zahlbetrag ergibt sich aus dem um das jeweils anteilige Kindergeld verminderten bzw. erhöhten Bedarf.

Es sind vier Fallgestaltungen zu unterscheiden:

a)

Der Titel sieht die Anrechnung des hälftigen Kindergeldes oder eine teilweise Anrechnung des Kindergeldes vor.

Zahlbetrag + 1/2 Kindergeld

x 100 = Prozentsatz neu

Mindestunterhalt der jeweiligen Altersstufe

Beispiel 1. Altersstufe

(196 € + 77 €)

x 100 = 97,8 %

279 € x 97,8 % = 272,86 €, ger. 273 €

279 €

Zahlbetrag: 273 € – 77 € = 196 €

b)

Der Titel sieht die Hinzuziehung des hälftigen Kindergeldes vor.

Zahlbetrag – 1/2 Kindergeld

x 100 = Prozentsatz neu

Mindestunterhalt der jeweiligen Altersstufe

Beispiel 1. Altersstufe

(273 € – 77 €)

x 100 = 70,2 %

279 € x 70,2 % = 195,85 €, ger. 196 €

279 €

Zahlbetrag: 196 € + 77 € = 273 €

c)

Der Titel sieht die Anrechnung des vollen Kindergeldes vor.

Zahlbetrag + 1/1 Kindergeld

x 100 = Prozentsatz neu

Mindestunterhalt der jeweiligen Altersstufe

Beispiel 2. Altersstufe

(177 € + 154 €)

x 100 = 102,7 %

322 € x 102,7 % = 330,69 €, ger. 331€

322 €

Zahlbetrag: 331 € – 154 € = 177 €

d)

Der Titel sieht weder eine Anrechnung noch eine Hinzurechnung des Kindergeldes vor.

Zahlbetrag + 1/2 Kindergeld

x 100 = Prozentsatz neu

Mindestunterhalt der jeweiligen Altersstufe

Beispiel 3. Altersstufe

(329 € + 77 €)

x 100 = 111,2 %

365 € x 111,2 % = 405,88 €, aufgerundet 406 €

365 €

Zahlbetrag: 406 € – 77 € = 329 €