OLG Bremen: Unterhaltsrechtliche Leitlinien
Vorbemerkung
Die Familiensenate des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen gehen davon aus, dass die infolge der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28.02.2007 noch nicht verabschiedete Unterhaltsreform nach Überarbeitung innerhalb der nächsten Monate beschlossen und in Kraft treten wird. Die unterhaltsrechtlichen Leitlinien werden bei Inkrafttreten der Reform in wesentlichen Punkten abzuändern sein. Im Hinblick darauf sehen die Familiensenate des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen davon ab, zum 01.07.2007 neue Unterhaltsleitlinien herauszugeben, die voraussichtlich nur Interimsleitlinien wären. Es bleibt vielmehr bis zum Inkrafttreten der Reform bei den Leitlinien vom 01.07.2005.
Jedoch ist auf folgende Änderungen hinzuweisen:
(1) Ab 01.07.2007 wenden die Familiensenate des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen die neue Düsseldorfer Tabelle, Stand 01.07.2007, sowie die dazu gehörigen Kindergeldanrechnungstabellen (Anlage zu Teil A Anm. 10 der Düsseldorfer Tabelle) an. Das gilt insbesondere auch hinsichtlich der Sätze der 4. Altersstufe (ab Vollendung des 18. Lebensjahres), die im Hinblick auf die Entscheidung des BGH vom 17.01.2007 (FamRZ 2007, 542) deutlich anzuheben waren.
(2) Der notwendige Selbstbehalt gegenüber unverheirateten minderjährigen und privilegierten volljährigen Kindern beträgt ab 01.07.2007 bei Erwerbstätigkeit 900 € (bisher 890 €). Der bisherige Betrag von 890 € wird auch dort, wo er in anderem rechtlichen Zusammenhang in den Leitlinien vom 01.07.2005 genannt wird, durch den Betrag von 900 € ersetzt (betroffen sind Nr. 13.3, 18, 21.2, 21.4 und 23.2.2).
(3) Der Selbstbehalt sowohl des Erwerbstätigen als auch des nicht Erwerbstätigen gegenüber dem getrennt lebenden und dem geschiedenen Ehegatten beträgt – als Folge der geänderten Rechtsprechung des BGH (FamRZ 2006, 683) - in der Regel 1.000 €.
Darüber hinaus ist die seit Abfassung der Leitlinien vom 01.07.2005 weiter entwickelte Rechtsprechung des BGH zu berücksichtigen. Ihr folgen die Familiensenate des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen insbesondere bzgl. der Kindergeldanrechnung beim Volljährigenunterhalt (BGH, FamRZ 2006, 99 und 2007, 542; betrifft Leitlinien Nr. 3, 14 und 23.4).
Unterhaltsrechtliche Leitlinien der Familiensenate des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen (Stand: 01.07.2005)
Die Familiensenate des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen verwenden die Unterhaltsrechtlichen Leitlinien als Orientierungshilfe für den Regelfall unter Beachtung der Rechtsprechung des BGH. Sie beruhen auf für typische Sachverhalte geltenden Erfahrungswerten und sollen zu einer möglichst einheitlichen Rechtsprechung beitragen. Sie haben jedoch keine bindende Wirkung, können insbesondere die Prüfung des Einzelfalles nicht ersetzen.
Das Tabellenwerk der Düsseldorfer Tabelle ist angefügt. Die Erläuterungen werden durch die nachfolgenden Leitlinien ersetzt.
Unterhaltsrechtlich maßgebliches Einkommen
Bei der Ermittlung und Zurechnung von Einkommen ist stets zu unterscheiden, ob es um Verwandten- oder Ehegattenunterhalt sowie ob es um Bedarfsbemessung einerseits oder Feststellung der Bedürftigkeit/Leistungsfähigkeit andererseits geht. Das unterhaltsrechtliche Einkommen ist nicht immer identisch mit dem steuerrechtlichen Einkommen.
1. Geldeinnahmen
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2. Sozialleistungen
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3. Kindergeld Kindergeld wird nicht als Einkommen angerechnet. |
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4. Geldwerte Zuwendungen Geldwerte Zuwendungen aller Art des Arbeitgebers, z.B. Firmenwagen, kostenlose oder verbilligte Wohnung, unentgeltliche Verpflegung, sind Einkommen, soweit sie – ggf. nach § 287 ZPO zu schätzende - entsprechende Eigenaufwendungen ersparen. |
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5. Wohnwert Der Wohnvorteil durch mietfreies Wohnen im eigenen Heim ist als wirtschaftliche Nutzung des Vermögens wie Einkommen zu behandeln. Neben dem Wohnwert sind auch Zahlungen nach dem Eigenheimzulagengesetz anzusetzen. Ein Wohnvorteil liegt nur vor, soweit der Wohnwert den berücksichtigungsfähigen Schuldendienst, erforderliche Instandsetzungskosten und die verbrauchsunabhängigen Kosten, mit denen ein Mieter üblicherweise nicht belastet wird, übersteigt. Auszugehen ist von der vollen Marktmiete. Ist eine Fremdvermietung oder Veräußerung nicht möglich oder nicht zumutbar, kann stattdessen die ersparte Miete angesetzt werden, die angesichts der wirtschaftlichen Verhältnisse angemessen wäre. Dies kommt insbesondere für die Zeit bis zum Ablauf des Trennungsjahres, vielfach bis zur Scheidung in Betracht, wenn ein Ehegatte das Eigenheim allein bewohnt. |
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6. Haushaltsführung Führt ein nicht voll Erwerbstätiger den Haushalt eines leistungsfähigen Dritten, kann hierfür ein Entgelt (von je nach den Umständen zwischen 200 € und 550 €) anzusetzen sein. |
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7. Einkommen aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit Einkommen aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit kann nach Billigkeit ganz oder teilweise unberücksichtigt bleiben. |
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8. Freiwillige Zuwendungen Dritter Freiwillige Zuwendungen Dritter (z.B. Geldleistungen, kostenloses Wohnen) sind in der Regel nur dann als Einkommen zu berücksichtigen, wenn dies dem Willen des Dritten entspricht. |
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9. Erwerbsobliegenheit und Einkommensfiktion
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10. Bereinigung des Einkommens
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Kindesunterhalt
11. Bemessungsgrundlage (Tabellenunterhalt) Der Barunterhalt minderjähriger und noch im elterlichen Haushalt lebender volljähriger unverheirateter Kinder bestimmt sich nach den Sätzen der Düsseldorfer Tabelle (Anlage 1). Bei minderjährigen Kindern kann er als Festbetrag oder als Vomhundertsatz des Regelbetrages geltend gemacht werden.
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12. Minderjährige Kinder
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13. Volljährige Kinder
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14. Verrechnung des Kindergeldes Das Kindergeld wird nach § 1612b BGB ausgeglichen. Zur Verrechnung des Kindergeldes bei minderjährigen Kindern nach § 1612b Abs. 5 BGB siehe Verrechnungstabelle Anhang 2. |
Ehegattenunterhalt
15. Unterhaltsbedarf
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16. Bedürftigkeit Nicht eheprägendes Einkommen des Berechtigten ist - ggf. vermindert um den Erwerbstätigenbonus - auf den Unterhaltsanspruch anzurechnen. |
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17. Erwerbsobliegenheit Bei nachehelichem Unterhalt besteht dann keine Verpflichtung zu einer Erwerbstätigkeit, wenn und soweit der geschiedene Ehegatte durch Kindesbetreuung, Krankheit oder Alter an der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit gehindert ist.
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Weitere Unterhaltsansprüche
18. Ansprüche nach § 1615 l BGB Der Bedarf nach § 1615 l BGB bemisst sich nach der Lebensstellung des betreuenden Elternteils und beträgt mindestens 770 €, bei Erwerbstätigkeit 890 €. Vgl. im Übrigen BGH, FamRZ 2005, 442. Wegen des Selbstbehalts vgl. 21.3.2. |
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19. Elternunterhalt Der Bedarf ist konkret dazulegen. Leistungen nach §§ 41–43 SGB XII (Grundsicherung) sind anzurechnen (vgl. Nr. 2.9). Wegen des Selbstbehalts vgl. 21.3.3. |
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20. Lebenspartnerschaft Bei Getrenntleben oder Aufhebung der Lebenspartnerschaft gelten §§ 12, 16 LPartG. |
Leistungsfähigkeit und Mangelfall
21. Selbstbehalt des Verpflichteten
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22. Bedarf des mit dem Pflichtigen zusammenlebenden Ehegatten
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23. Mangelfall
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Sonstiges
24. Rundung Der Unterhaltsbetrag ist auf volle Euro aufzurunden. |
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25. Ost-West-Fälle Bei sog. Ost-West-Fällen richtet sich der Bedarf des Kindes nach der für seinen Wohnsitz geltenden Unterhaltstabelle, der Selbstbehalt des Pflichtigen nach den an seinem Wohnsitz geltenden Selbstbehaltssätzen. |
1. Düsseldorfer Tabelle (Stand: 01.07.2007)
Nettoeinkommen des Barunterhaltspflichtigen (Anm. 3, 4) |
Vomhundertsatz der Regelbeträge |
Bedarfskontrollbetrag (Anm. 6) |
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0–5 |
6–11 |
12–17 |
ab 18 |
||||||
1. |
|
bis |
1300 |
202 |
245 |
288 |
389 |
100 |
770/900 |
2. |
1300 |
– |
1500 |
217 |
263 |
309 |
389 |
107 |
950 |
3. |
1500 |
– |
1700 |
231 |
280 |
329 |
389 |
114 |
1000 |
4. |
1700 |
– |
1900 |
245 |
297 |
349 |
401 |
121 |
1050 |
5. |
1900 |
– |
2100 |
259 |
314 |
369 |
424 |
128 |
1100 |
6. |
2100 |
– |
2300 |
273 |
331 |
389 |
447 |
135 |
1150 |
7. |
2300 |
– |
2500 |
287 |
348 |
409 |
471 |
142 |
1200 |
8. |
2500 |
– |
2800 |
303 |
368 |
432 |
497 |
150 |
1250 |
9. |
2800 |
– |
3200 |
324 |
392 |
461 |
530 |
160 |
1350 |
10. |
3200 |
– |
3600 |
344 |
417 |
490 |
563 |
170 |
1450 |
11. |
3600 |
– |
4000 |
364 |
441 |
519 |
596 |
180 |
1550 |
12. |
4000 |
– |
4400 |
384 |
466 |
548 |
629 |
190 |
1650 |
13. |
4400 |
– |
4800 |
404 |
490 |
576 |
662 |
200 |
1750 |
|
|
über |
4800 |
nach den Umständen des Falles |
2. Kindergeldverrechnungstabelle, § 1612b Abs. 5 BGB (Stand: 01.07.2007)
Kind |
Gruppe der DT |
1. Altersstufe |
2. Altersstufe |
3. Altersstufe |
||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
1. bis 3. Kind |
1 [bis 1.300] |
202 – |
6 |
= 196 |
245 – |
0 |
= 245 |
288 – |
0 |
= 288 |
ab 4. Kind |
1 [bis 1.300] |
202 – |
18,50 |
= 183,50 |
245 – |
3,50 |
=241,50 |
288 – |
0 |
= 288 |
1. bis 3. Kind |
2 [1.300 – 1.500] |
217 – |
21 |
= 196 |
263 – |
9 |
= 254 |
309 – |
0 |
= 309 |
ab 4. Kind |
2 [1.300 – 1.500] |
217 – |
33,50 |
= 183,50 |
263 – |
21,50 |
= 241,50 |
309 – |
9,50 |
= 299,50 |
1. bis 3. Kind |
3 [1.500 – 1.700] |
231 – |
35 |
= 196 |
280 – |
26 |
= 254 |
329 – |
17 |
= 312 |
ab 4. Kind |
3 [1.500 – 1.700] |
231 – |
47,50 |
= 183,50 |
280 – |
38,50 |
= 241,50 |
329 – |
29,50 |
= 299,50 |
1. bis 3. Kind |
4 [1.700 – 1.900] |
245 – |
49 |
= 196 |
297 – |
43 |
= 254 |
349 – |
37 |
= 312 |
ab 4. Kind |
4 [1.700 – 1.900] |
245 – |
61,50 |
= 183,50 |
297 – |
55,50 |
= 241,50 |
349 – |
49,50 |
= 299,50 |
1. bis 3. Kind |
5 [1.900 – 2.100] |
259 – |
63 |
= 196 |
314 – |
60 |
= 254 |
369 – |
57 |
= 312 |
ab 4. Kind |
5 [1.900 – 2.100] |
259 – |
75,50 |
= 183,50 |
314 – |
72,50 |
= 241,50 |
369 – |
69,50 |
= 299,50 |
1. bis 3. Kind |
6 [2.100 – 2.300] |
273 – |
77 |
= 196 |
331 – |
77 |
= 254 |
389 – |
77 |
= 312 |
ab 4. Kind |
6 [2.100 – 2.300] |
273 – |
89,50 |
= 183,50 |
331 – |
89,50 |
= 241,50 |
389 – |
89,50 |
= 299,50 |
3. Selbstbehaltssätze
|
|
bei mangelnder Erwerbstätigkeit |
bei Erwerbstätigkeit |
---|---|---|---|
1. |
notwendiger Selbstbehalt gegenüber unverheirateten minderjährigen und privilegierten volljährigen Kindern sowie getrenntlebenden Ehegatten |
770 |
900 |
2. |
angemessener Selbstbehalt: |
|
|
|
gegenüber sonstigen volljährigen Kindern und Enkeln |
1.100 |
1.100 |
|
gegenüber Mutter/Vater eines nichtehelichen Kindes i.d.R. |
1.000 |
1.000 |
3. |
Selbstbehalt gegenüber geschiedenen Ehegatten |
vgl. Leitlinien Ziff. 21.4 |
vgl. Leitlinien Ziff. 21.4 |
4. |
Selbstbehalt gegenüber Eltern |
mindestens 1.400 vgl. im Übrigen Leitlinien Ziff. 21.3.3 |
mindestens 1.400 vgl. im Übrigen Leitlinien Ziff. 21.3.3 |
5. |
Selbstbehalt für mit dem Unterhaltsverpflichteten zusammenlebenden neuen Ehegatten |
vgl. Leitlinien Ziff. 22. |
vgl. Leitlinien Ziff. 22 |
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