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Unterhaltsrechtliche Leitlinien des Schleswig-Holsteinischen OLG

(Stand: 01.01.2024)

Die unterhaltsrechtlichen Leitlinien der Familiensenate des Schleswig-Holsteinischen OLG dienen nur als Hilfsmittel zur Bestimmung des angemessenen Unterhalts. Sie beruhen auf Erfahrungswerten, gewonnen aus typischen Sachverhalten, und sollen zur Vereinheitlichung des Unterhaltsrechts beitragen. Sie haben keine bindende Wirkung und können eine auf den Einzelfall bezogene Gesamtschau nicht ersetzen.

Unterhaltsrechtlich maßgebendes Einkommen

Bei der Ermittlung und Zurechnung von Einkommen ist stets zu unterscheiden, ob es um Verwandten- oder Ehegattenunterhalt sowie ob es um Bedarfsbemessung einerseits oder Feststellung der Leistungsfähigkeit andererseits geht. Das unterhaltsrechtliche Einkommen ist nicht immer identisch mit dem steuerrechtlichen Einkommen. Einkommen können auch aufgrund einer unterhaltsrechtlichen Obliegenheit erzielbare Einkünfte sein (fiktives Einkommen).

1. Geldeinnahmen

1.1 Auszugehen ist vom Bruttoeinkommen als Summe aller Einkünfte einschließlich Weihnachts-, Urlaubsgeld, Tantiemen und Gewinnbeteiligungen sowie anderer Zulagen.

1.2 Leistungen, die nicht monatlich anfallen, werden auf ein Jahr umgelegt. Einmalige Zahlungen sind auf einen angemessenen Zeitraum (i.d.R. mehrere Jahre) zu verteilen. Grundsätzlich sind Abfindungen bei der Aufnahme einer neuen Arbeitsstelle mit dauerhaft geringerem Einkommen bis zur Höchstgrenze des Bedarfs aufgrund des früheren Einkommens sowohl beim Kindes- als auch beim Ehegattenunterhalt für den Unterhalt zu verwenden; ob eine Aufstockung bis zum bisherigen Einkommen unter vollständiger Aufrechterhaltung des bisherigen Lebensstandards geboten ist, beurteilt sich nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere der beim Pflichtigen zu erwartenden weiteren Einkommensentwicklung.

1.3 Überstundenvergütungen werden dem Einkommen voll zugerechnet, soweit sie berufstypisch sind und das in diesem Beruf übliche Maß nicht überschreiten.

1.4 Ersatz für Spesen, Reisekosten und Auslösungen gelten i.d.R. als Einkommen. Damit zusammenhängende Aufwendungen, vermindert um häusliche Ersparnis, sind jedoch abzuziehen. Die Ersparnis wird i.d.R. mit einem Drittel bewertet und (außer Fahrtkostenersatz) insoweit dem Einkommen hinzugerechnet.

1.5 Bei Selbständigen (insbesondere Unternehmer, freiberuflich Tätige) wird das Einkommen nach Wirtschaftsjahren ermittelt. Steuerliche Belastungen werden grundsätzlich nur in dem tatsächlich entrichteten Umfang abgezogen, und zwar unabhängig davon, für welches Veranlagungsjahr sie angefallen sind. Für die Bemessung von zukünftigem Unterhalt ist grundsätzlich auf das Durchschnittseinkommen von drei Wirtschaftsjahren abzustellen, wobei dieser Zeitraum von dem letzten Jahr an zurückgerechnet wird, für welches ausreichende Einkommensunterlagen vorliegen; für in der Vergangenheit liegende Unterhaltszeiträume ist auf das in dieser Zeit erzielte Einkommen abzustellen (Jahresdurchschnitt). Bei erheblich schwankenden Einkünften kann auch ein anderer Zeitraum zugrunde gelegt werden.

Abschreibungen auf betriebliche Wirtschaftsgüter (Absetzung für Abnutzung: AfA) stehen i.d.R. entsprechende Ausgaben für Betriebsmittel gegenüber; sie sind deshalb grundsätzlich gewinnmindernd abzusetzen. Soweit die zulässigen steuerlichen Absetzungsbeträge erheblich über das tatsächliche Ausmaß der Wertminderung hinausgehen (etwa bei Gebäuden), können sie in diesem Umfang unterhaltsrechtlich nicht berücksichtigt werden.

Für das Einkommen eines Selbständigen ist grundsätzlich sein Gewinn maßgebend. Ausnahmsweise kann auf seine Privatentnahmen abgestellt werden, soweit sie Ausdruck eines nicht durch Verschuldung finanzierten Lebensstandards sind.

1.6 Zum Einkommen zählen auch Einkünfte aus Vermietung, Verpachtung sowie aus Kapitalvermögen, wobei die Einkünfte grundsätzlich auf das Jahr umgelegt werden.

1.7 Steuererstattungen und Steuernachzahlungen sind i.d.R. in dem Jahr, in dem sie anfallen, zu berücksichtigen und auf die einzelnen Monate umzulegen. Soweit Erstattungen auf Aufwendungen beruhen, die unterhaltsrechtlich nicht zu berücksichtigen sind, bleiben auch die Steuererstattungen außer Betracht.

1.8 Zum Einkommen zählen auch sonstige Einnahmen (z.B. Trinkgelder).

2. Sozialleistungen gehören wie folgt zum Einkommen:

2.1 Arbeitslosengeld (§ 136 SGB III) und Krankengeld.

2.2 Arbeitslosengeld II (§§ 1930 SGB II) beim Verpflichteten; beim Unterhaltsberechtigten ist das Arbeitslosengeld II subsidiär (§ 33 SGB II).

2.3 Wohngeld, soweit es nicht erhöhte Wohnkosten deckt.

2.4 BAföG-Leistungen, auch soweit sie als Darlehen gewährt werden, mit Ausnahme von Vorausleistungen nach §§ 36, 37 BAföG.

2.5 Elterngeld ist Einkommen, soweit es über den Sockelbetrag von 300 € bzw. 150 € bei verlängertem Bezug hinausgeht. Der Sockelbetrag des Elterngeldes sowie Betreuungsgeld nach § 4a BEEG sind nur dann Einkommen, wenn einer der Ausnahmefälle des § 11 BEEG vorliegt.

2.6 Leistungen aus Unfall- und Versorgungsrenten nach Abzug eines Betrags für tatsächliche Mehraufwendungen; §§ 1610a, 1578a BGB sind zu beachten.

2.7 Leistungen aus der Pflegeversicherung, Blindengeld, Schwerbeschädigten- und Pflegezulagen nach Abzug eines Betrags für tatsächliche Mehraufwendungen; §§ 1610a, 1578a BGB sind zu beachten.

2.8 Der Anteil des Pflegegeldes bei der Pflegeperson, durch den ihre Bemühungen abgegolten werden. Bei Pflegegeld aus der Pflegeversicherung gilt dies nach Maßgabe des § 13 Abs. 6 SGB XI.

2.9 Beim Verwandtenunterhalt i.d.R. Leistungen zur Grundsicherung (§§ 4143 SGB XII).

2.10 Sonstige Sozialhilfe nach SGB XII zählt nicht zum Einkommen.

2.11 Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz zählen nicht zum Einkommen.

3. Kindergeld

Kindergeld mindert den Unterhaltsbedarf der Kinder nach Maßgabe des § 1612b BGB und unterstützt den betreuenden Elternteil bei der Erbringung der Betreuungsleistungen. Es stellt kein Einkommen des Bezugsberechtigten dar.

4. Geldwerte Zuwendungen des Arbeitgebers

Geldwerte Zuwendungen aller Art des Arbeitgebers, z.B. Firmenwagen oder freie Kost und Logis, sind Einkommen, soweit sie entsprechende Eigenaufwendungen ersparen. Die für Firmenwagen steuerlich in Ansatz gebrachten, am Neuwert orientierten Beträge (1-%-Regelung) bieten einen Anhaltspunkt für die Bewertung des geldwerten Vorteils.

5. Wohnvorteil

5.1 Der Wohnvorteil durch mietfreies Wohnen im eigenen Heim ist als wirtschaftliche Nutzung des Vermögens unterhaltsrechtlich wie Einkommen zu behandeln. Neben dem Wohnvorteil sind auch Zahlungen nach dem Eigenheimzulagengesetz anzusetzen.

Zur Ermittlung des Wohnvorteils sind dem Wohnwert der berücksichtigungsfähige Schuldendienst, erforderliche Instandhaltungskosten und jene verbrauchsunabhängigen Kosten, mit denen ein Mieter üblicherweise nicht belastet wird, als Abzugsposten gegenüberzustellen.

5.2 Als Wohnwert ist während des Getrenntlebens zunächst regelmäßig die ersparte Miete anzusetzen, die angesichts der wirtschaftlichen Verhältnisse angemessen wäre. Ist eine Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht mehr zu erwarten, ist regelmäßig der objektive Mietwert anzusetzen; Ausnahmen hiervon sind nur gerechtfertigt, wenn eine Verwertung durch Vermietung nicht möglich (z.B. mangelnde Einigung bei Miteigentum) oder nicht zumutbar (z.B. bei zeitlich begrenztem Aufstockungsunterhalt) ist.

Beim Kindesunterhalt ist grundsätzlich auf den objektiven Mietwert abzustellen (BGH FamRZ 2014, 923)

5.3 Zinsen und Tilgungsleistungen sind absetzbar. Dienen die Tilgungsleistungen ausschließlich der eigenen Vermögensbildung, sind die Tilgungsleistungen nach Vorabzug der Zinsen nur bis zur Höhe des Wohnwerts zu berücksichtigen; darüber hinausgehende Tilgungsleistungen können im Rahmen der zusätzlichen Altersvorsorge (Nr. 10.1.2) berücksichtigt werden (BGH, FamRZ 2017, 519; BGH, FamRZ 2018, 1506).

Auch beim Kindesunterhalt können Zinsen und Tilgungsleistungen grundsätzlich bis zur Höhe des Wohnwerts berücksichtigt werden. Ist jedoch der Mindestunterhalt minderjähriger Kinder gefährdet, kann ausnahmsweise eine Obliegenheit zur Tilgungsstreckung bestehen (vgl. BGH, FamRZ 2022, 781).

Im Rahmen des § 1603 Abs. 1 BGB gilt ein großzügigerer, im Anwendungsbereich des § 1603 Abs. 2 BGB hingegen ein strengerer Maßstab für die Berücksichtigung von Tilgungsleistungen.

6. Haushaltsführung

Führt jemand unentgeltlich für einen in häuslicher Gemeinschaft lebenden Partner den Haushalt, so ist hierbei ein Einkommen anzusetzen. Voraussetzung ist jedoch, dass der Partner hinreichend leistungsfähig ist.

7. Einkommen aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit

Einkommen aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit kann nach Billigkeit ganz oder teilweise unberücksichtigt bleiben (vgl. BGH, FamRZ 2006, 846).

8. Freiwillige Zuwendungen Dritter

Freiwillige Zuwendungen Dritter (z.B. Geldleistungen, Wohnungsgewährung) sind regelmäßig nicht als Einkommen zu berücksichtigen, es sei denn, die Berücksichtigung entspricht dem Willen des zuwendenden Dritten. Beim Mindestkindesunterhalt sind auch freiwillige Leistungen Dritter einzusetzen (BGH, FamRZ 2019, 1415).

9. Erwerbsobliegenheit und Einkommensfiktion

Wer unter leichtfertigem Verstoß gegen eine unterhaltsrechtliche Verpflichtung bzw. Obliegenheit eine Erwerbsquelle nicht in zumutbarem Umfang nutzt, muss sich das erzielbare Einkommen zurechnen lassen.

Begibt sich jemand einer Einkommensquelle, insbesondere seines Arbeitsplatzes, aus unterhaltsrechtlich vorwerfbaren Gründen, so ist ihm das bisherige Einkommen bis zu dem Zeitpunkt fiktiv zuzurechnen, zu dem er aus anderem, nicht vorwerfbaren Grund die Arbeitsstelle verloren hätte (BGH, NJW 2008, 1525 ff.).

Bei der Zurechnung von fiktiven Einkünften können fiktive berufsbedingte Aufwendungen (z.B. Fahrtkosten) berücksichtigt werden.

Im Rahmen der gesteigerten Unterhaltspflicht ist vom Unterhaltsschuldner im Hinblick auf den nicht gesicherten Mindestunterhalt seines Kindes auch zu verlangen, dass er neben einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit eine ihm mögliche und zumutbare Nebentätigkeit ausübt. Dies gilt auch bei der Zurechnung eines lediglich fiktiven Einkommens aus einer vollschichtigen Haupttätigkeit (BGH, FamRZ 2014, 1992).

10. Bereinigung des Einkommens

10.1 Vom Bruttoeinkommen sind Steuern, Sozialabgaben und angemessene Vorsorgeaufwendungen abzusetzen (Nettoeinkommen).

10.1.1 Es besteht die Obliegenheit, Steuervorteile in Anspruch zu nehmen (z.B. Eintragung eines Freibetrags bei Fahrtkosten, Realsplitting für unstreitigen oder rechtskräftig titulierten Unterhalt).

10.1.2 Für eine zusätzliche (keine fiktive) Altersvorsorge können beim Ehegatten- und Kindesunterhalt bis zu 4 %, beim Elternunterhalt bis zu 5 % des Bruttoeinkommens eingesetzt werden. Die zusätzliche Altersvorsorge kommt jedoch im Regelfall nicht in Betracht, soweit der Mindestunterhalt/das Existenzminimum nicht gesichert sind.

Personen, die der gesetzlichen Rentenversicherung nicht unterliegen, können für ihre primäre Altersversorgung Beträge entsprechend dem Aufwand eines Nichtselbständigen aufwenden. Eine zusätzliche Altersvorsorge ist wie bei gesetzlich Rentenversicherten absetzbar.

10.2 Berufsbedingte Aufwendungen

10.2.1 Notwendige berufsbedingte Aufwendungen werden vom Einkommen nur abgezogen, soweit sie konkret nachgewiesen sind. Eine Pauschale wird nicht gewährt.

10.2.2 Für Fahrten zum Arbeitsplatz werden die Kosten einer Pkw-Benutzung mit einer Kilometerpauschale von 0,42 € (§ 5 Abs. 2 Nr. 2 JVEG) für die ersten 30 Entfernungskilometer, für die weiteren Entfernungskilometer mit 0,28 € berücksichtigt.

Berechnungsbeispiel:

Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsplatz: 50 km.

Berechnung:

30 km x 2 x 0,42 € x 220 Arbeitstage: 12 Monate = 462,00 € +

20 km x 2 x 0,28 € x 220 Arbeitstage: 12 Monate = 205,33 €

Gesamtkosten: 667,33 €

Überschreiten die Fahrtkosten 15 % des Nettoeinkommens, muss dargelegt werden, weshalb die Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln nicht zumutbar ist.

Neben der Kilometerpauschale können Finanzierungskosten für die Anschaffung des Pkw regelmäßig nicht angesetzt werden.

10.2.3 Bei Auszubildenden wird auf die Ausbildungsvergütung ein Abzug eines Pauschalbetrags von 100 € angerechnet. Diese Pauschale deckt i.d.R. den allgemeinen und ausbildungsbedingten Mehrbedarf mit Ausnahme von Fahrtkosten.

10.3 Kinderbetreuungskosten sind als berufsbedingte Aufwendungen des betreuenden Elternteils abzugsfähig, soweit die Betreuung durch Dritte allein infolge der Berufstätigkeit erforderlich ist. Aufwendungen für die Betreuung eines Kindes, die über den Umfang der von dem betreuenden Elternteil ohnehin geschuldeten Betreuung hinausgehen oder pädagogisch veranlasst sind, wie etwa in Kindergärten, Kindertagesstätten, Schulen, Horten oder vergleichbaren Einrichtungen, mindern das Einkommen nicht; es handelt sich um Mehrbedarf (vgl. Nr. 12.4) des Kindes (BGH, FamRZ 2018, 23; BGH, FamRZ 2009, 962).

10.4 Angemessene Tilgungsraten auf Schulden, die auf das eheliche Zusammenleben zurückzuführen sind oder die durch die Auflösung der Ehe unabwendbar entstanden sind, werden i.d.R. einkommensmindernd berücksichtigt. Unverhältnismäßig hohe Kosten für die Ehewohnung (auch Einfamilienhaus) sind nur für eine Übergangszeit nach der Trennung abzusetzen.

Soweit der Mindestbedarf der Unterhaltsberechtigten nicht gewahrt ist, hat der Schuldendienst so weit wie möglich und zumutbar zurückzustehen. Für minderjährige Kinder soll möglichst der Mindestunterhalt gesichert bleiben. Im Einzelfall sind in eine umfassende Interessenabwägung unter Billigkeitsgrundsätzen die Belange der Unterhaltsberechtigten, des Unterhaltsschuldners (insbesondere sein Interesse an der Verhinderung einer wachsenden Verschuldung) wie auch der Fremdgläubiger einzubeziehen.

Den Unterhaltsschuldner trifft grundsätzlich eine Verpflichtung zur Einleitung einer Verbraucherinsolvenz, wenn dieses Verfahren zulässig und geeignet ist, den laufenden Unterhalt eines minderjährigen Kindes sicherzustellen (vgl. BGH, NJW 2005, 1279 ff.).

Sind einkommensmindernd anzusetzende Schulden bereits Gegenstand einer Auseinandersetzung über einen Gesamtschuldnerausgleich nach § 426 BGB, sind sie für die Unterhaltsbemessung nicht zu berücksichtigen.

10.5 Barunterhaltsleistungen (Zahlbetrag oder restlicher Barunterhalt in Form von Naturalunterhalt) (vgl. BGH, FamRZ 2021, 1965) an vorrangig Berechtigte sind vorweg abzuziehen.

10.6 Die vermögenswirksame Leistung des Arbeitgebers und die Arbeitnehmersparzulage gehören nicht zum Einkommen. Der vermögenswirksam gesparte Betrag mindert nicht das anrechenbare Einkommen, es sei denn, er ist als angemessene Vorsorgeaufwendung (Nr. 10.1.2) anzuerkennen.

10.7 Umgangskosten

10.7.1 Die notwendigen Kosten für ein im üblichen Rahmen ausgeübtes Umgangsrecht sind grundsätzlich vom Umgangsberechtigten zu tragen, wenn ihm nach Abzug dieser Kosten der notwendige Selbstbehalt verbleibt. In diesen Fällen stellen die Umgangskosten keine Abzugsposition vom Einkommen des Umgangsberechtigten dar (BGH, FamRZ 2014, 917, 920; FamRZ 2006, 1015, 1018). Ist der notwendige Selbstbehalt des Umgangsberechtigten nicht gewahrt, können die notwendigen Umgangskosten durch einen – teilweisen – Abzug vom Einkommen oder eine Erhöhung des Selbstbehalts berücksichtigt werden (BGH, NJW 2009, 2592).

10.7.2 Bei einem über das übliche Maß hinausgehenden Umgangsrecht können dadurch bedingte hohe Mehraufwendungen (z.B. Fahrt- und Unterbringungskosten) zu einer Herabstufung um eine oder mehrere Einkommensgruppen der Düsseldorfer Tabelle oder zum Absehen von einer erforderlichen Höherstufung führen.

Reicht das Einkommen des umgangsberechtigten Elternteils nur zur Zahlung des Mindestunterhalts aus, kann der Mehraufwand bei der Einkommensermittlung oder durch Erhöhung des Selbstbehalts berücksichtigt werden.

Ferner kann der Unterhaltsbedarf des Kindes dadurch teilweise erfüllt sein, dass der umgangsberechtigte Elternteil dem Kind im Zuge seines erweiterten Umgangsrechts Leistungen erbringt, mit denen er den Unterhaltsbedarf des Kindes auf andere Weise als durch Zahlung einer Geldrente teilweise deckt.

Kindesunterhalt

11. Bemessungsgrundlage (Tabellenunterhalt)

Der Barunterhalt minderjähriger und noch im elterlichen Haushalt lebender volljähriger unverheirateter Kinder bestimmt sich nach den Sätzen der Düsseldorfer Tabelle (Anhang I.).

11.1 Die Tabellensätze der Düsseldorfer Tabelle enthalten keine Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge für das Kind, wenn dieses nicht in einer gesetzlichen Familienversicherung mitversichert ist. Das Nettoeinkommen des Verpflichteten ist um solche zusätzlich zu zahlenden Versicherungskosten zu bereinigen.

11.2 Die Tabellensätze sind auf den Fall zugeschnitten, dass der Unterhaltspflichtige zwei Unterhaltsberechtigten Unterhalt zu gewähren hat. Bei einer geringeren oder größeren Zahl von Unterhaltsberechtigten ist i.d.R. um eine Stufe herauf- oder herabzustufen.

In den oberen Gruppen kann im Einzelfall insbesondere aus kindgerechten Gründen eine Bedarfsbegrenzung angezeigt sein.

Erreicht das dem Unterhaltspflichtigen nach Abzug aller Unterhaltslasten verbleibende Einkommen nicht den für die Tabellengruppe ausgewiesenen Bedarfskontrollbetrag, so kann so weit herabgestuft werden, dass dem Unterhaltsschuldner der entsprechende Kontrollbetrag verbleibt.

12. Minderjährige Kinder

12.1 Der Bedarf minderjähriger Kinder bemisst sich nach den zusammengerechneten Einkünften beider Elternteile. Die Unterhaltspflicht des barunterhaltspflichtigen Elternteils ist jedoch auf den Betrag begrenzt, den der Unterhaltspflichtige bei alleiniger Unterhaltshaftung auf Grundlage seines Einkommens zu zahlen hätte (BGH, FamRZ 2022, 1366; BGH, FamRZ 2021, 28; BGH, FamRZ 2017, 711; BGH, FamRZ 2017, 437).

12.2 Eigenes Einkommen des minderjährigen Kindes wird auf den Barunterhaltsanspruch des Kindes mit Rücksicht auf die Betreuungslast des anderen Elternteils nach i.d.R. hälftig angerechnet.

Arbeitseinkünfte geringen Umfangs (z.B. Ferienjobs) oder aus unterhaltsrechtlich nicht gebotener Tätigkeit bleiben unberücksichtigt.

12.3 Ausnahmsweise kann der betreuende Elternteil zur Barunterhaltsleistung entlastend herangezogen werden, wenn sein Einkommen das des anderen Elternteils wesentlich übersteigt. Die Entlastung wird dann nach den Umständen des Einzelfalls bemessen.

12.4 Zusätzlichen Bedarf eines minderjährigen Kindes (z.B. Verfahrens-/Prozesskostenvorschuss, Mehrbedarf, Sonderbedarf) haben beide Eltern entsprechend ihren Erwerbs- und Vermögensverhältnissen unter Wahrung ihres Selbstbehalts (vgl. Nr. 13.3) zu decken (§ 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB).

13. Volljährige Kinder

13.1 Für den Unterhalt volljähriger Kinder gilt Folgendes:

Lebt das volljährige Kind im Haushalt eines Elternteils, so ist sein Bedarf grundsätzlich der Unterhaltstabelle zu entnehmen.

Lebt das Kind nicht mehr im Haushalt eines Elternteils, so ist zu unterscheiden:

-

Für die Vorjahre wird auf die von der Düsseldorfer Tabelle aufgeführten Beträge verwiesen. Der Unterhaltsbedarf Studierender beträgt i.d.R. monatlich 930 €. Hierin sind bis 410 € für Unterkunft einschließlich umlagefähiger Nebenkosten und Heizung (Warmmiete) enthalten. In den jeweiligen Bedarfsbeträgen sind keine Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung sowie keine Studiengebühren enthalten.

-

Für andere Kinder kann bei eigenem Haushalt derselbe Betrag zugrunde gelegt werden; dann entfallen der Freibetrag (siehe oben Nr. 10.2.3) und andere Absetzungen für berufsbedingte Aufwendungen (einschließlich Fahrtkosten).

Für die Vorjahre wird auf die vorangegangenen Düsseldorfer Tabellen verwiesen.

13.2 Sämtliche Einkünfte (auch BAföG-Darlehen) werden auf den Bedarf volljähriger Kinder angerechnet. Überobligationsmäßig erzielte Einkünfte bleiben entsprechend § 1577 Abs. 2 BGB ganz oder teilweise unberücksichtigt.

13.3 Verfügen beide Eltern über Einkommen, ergibt sich der Bedarf volljähriger Kinder, soweit dafür die Tabelle maßgebend ist, grundsätzlich nach dem zusammengerechneten Einkommen beider Eltern, jedoch ist wegen doppelter Haushaltsführung i.d.R. um eine Stufe herabzustufen.

Den offenen Bedarf haben die Eltern anteilig zu decken, und zwar grundsätzlich im Verhältnis ihrer Einkommen zueinander. Dabei werden nur die Einkommensteile zueinander ins Verhältnis gesetzt, die jeweils über dem angemessenen Selbstbehalt liegen, und zwar nach Abzug vorrangiger Unterhaltspflichten.

Bei sogenannten privilegiert volljährigen Kindern sind grundsätzlich die bereinigten Einkünfte oberhalb des angemessenen Selbstbehalts maßgebend. Lediglich im Mangelfall ist auf die bereinigten Einkünfte oberhalb des notwendigen Selbstbehalts abzustellen (BGH, FamRZ 2011, 454).

Ein Elternteil hat jedoch höchstens den Unterhalt zu leisten, der sich allein aus seinem Einkommen gemäß der Unterhaltstabelle ergibt.

14. Verrechnung des Kindergeldes

Das Kindergeld wird nach § 1612b BGB angerechnet.

Ehegattenunterhalt

15. Unterhaltsbedarf

15.1 Der Bedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen i.S.v. § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB wird grundsätzlich durch die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Ehegatten bestimmt, die bis zur Rechtskraft der Ehescheidung eingetreten sind.

Nacheheliche Entwicklungen wirken sich auf die Bedarfsbemessung nach den ehelichen Lebensverhältnissen aus, wenn sie auch bei fortbestehender Ehe eingetreten wären oder in anderer Weise in der Ehe angelegt und mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten waren (BGH, FamRZ 2012, 281).

Unerwartete, nicht in der Ehe angelegte Steigerungen des Einkommens des Verpflichteten (insbesondere aufgrund eines Karrieresprungs) oder auf Wiederverheiratung beruhende Steuervorteile bleiben bei der Bedarfsbemessung unberücksichtigt. Eine Einkommensreduzierung ist dann unbeachtlich, wenn sie auf einem unterhaltsrechtlich vorwerfbaren Verhalten beruht.

Die Unterhaltspflichten für neue Ehegatten sowie für nachehelich geborene Kinder und den dadurch bedingten Betreuungsunterhalt nach § 1615l BGB sind bei der Bemessung des Unterhaltsbedarfs eines geschiedenen Ehegatten nach § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht zu berücksichtigen.

15.2 Der Bedarf des unterhaltsberechtigten Ehegatten bestimmt sich – unter Berücksichtigung eines Erwerbstätigenbonus von 1/10 – zu 45 % des bereinigten Arbeitseinkommens des Unterhaltsverpflichteten, falls der Unterhaltsberechtigte kein eigenes Einkommen erzielt, oder zu 45% des Unterschiedsbetrags der bereinigten Arbeitseinkommen des Verpflichteten und des Berechtigten (Differenzmethode).

Es ist von einem Mindestbedarf auszugehen, der nicht unter dem Existenzminimum für Nichterwerbstätige liegen darf (Nr. 21.2).

Sonstiges Einkommen (z.B. Renten, Abfindungen und Kapitalerträge) ist hälftig zu teilen, falls nicht eine Herabsetzung dieser hälftigen Beteiligung durch besondere Gründe gerechtfertigt erscheint. Erträge aus ererbtem Vermögen prägen die ehelichen Lebensverhältnisse nur, soweit sie bereits zum Unterhalt der Familie zur Verfügung standen, also den Familienunterhalt nach §§ 1360, 1360a BGB beeinflussten (vgl. BGH, FamRZ 2006, 387, 390).

Leistet ein Ehegatte Unterhalt für ein unterhaltsberechtigtes Kind, wird sein Einkommen vor Ermittlung des Erwerbstätigenbonus um diesen Unterhalt (Zahlbetrag) bereinigt. Von den Einkünften des betreuenden Elternteils ist der Barunterhaltsbedarf des Kindes nach den gemeinsamen Einkünften der Eltern abzüglich des hälftigen auf den Barunterhalt entfallenden Kindergeldes und abzüglich des vom anderen Elternteil geleisteten Barunterhalts abzusetzen. In dieser Höhe leistet der betreuende Elternteil neben dem Betreuungsunterhalt restlichen Barunterhalt in Form von Naturalunterhalt (BGH, FamRZ 2021, 1965; BGH, FamRZ 2017, 711).

Unterhalt für nachrangige volljährige Kinder ist abzusetzen, wenn der Kindesunterhalt die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt hat und den Eheleuten ein angemessener Unterhalt verbleibt.

15.3 Bei sehr guten Einkommensverhältnissen des Pflichtigen kommt eine konkrete Bedarfsberechnung in Betracht. Es besteht eine tatsächliche Vermutung für den vollständigen Verbrauch des Familieneinkommens, wenn dieses den höchsten Einkommensbetrag der Düsseldorfer Tabelle nicht übersteigt. Soweit das Familieneinkommen über den höchsten Einkommensbetrag der Düsseldorfer Tabelle hinausgeht, hat der Unterhaltsberechtigte mithin, wenn er dennoch Unterhalt nach der Quotenmethode begehrt, die vollständige Verwendung des Einkommens für den Lebensbedarf darzulegen und im Bestreitensfall in vollem Umfang zu beweisen (vgl. BGH, FamRZ 2018, 260). Im Fall der konkreten Bedarfsberechnung sind Einkünfte des Berechtigten ohne Erwerbstätigenbonus auf den Bedarf anzurechnen.

15.4 Vom Einkommen des Unterhaltspflichtigen sind wie die eigenen Aufwendungen für angemessene Vorsorge grundsätzlich auch solche abzusetzen, die er für den Berechtigten und gemeinsame Kinder aufbringt.

Der Elementarunterhalt hat bis zur Höhe des Mindestbedarfs Vorrang vor dem Altersvorsorgeunterhalt.

Die Kosten für die angemessene Vorsorge für Alter, Erwerbs- und Berufsunfähigkeit errechnen sich in folgenden Stufen:

a)

Der an sich geschuldete Elementarunterhalt wird mit Hilfe der sogenannten Bremer Tabelle auf ein fiktives Bruttoeinkommen hochgerechnet.

b)

Danach bemessen sich unter Anwendung des Beitragssatzes, der jeweils für die gesetzliche Rentenversicherung gilt, die Vorsorgekosten.

c)

Sie werden von dem Einkommen des Unterhaltspflichtigen vorweg abgesetzt. Danach wird der Elementarunterhalt endgültig festgesetzt.

15.5 nicht belegt

15.6 nicht belegt

15.7 Für die Befristung des nachehelichen Unterhalts ist bei der Billigkeitsprüfung nach § 1578b BGB vorrangig zu berücksichtigen, ob ehebedingte Nachteile eingetreten sind. Diese stehen schon deswegen einer Befristung des nachehelichen Unterhalts regelmäßig entgegen, weil der Unterhaltsberechtigte dann seinen eigenen angemessenen Unterhalt nicht selbst erzielen kann.

Sind ehebedingte Nachteile vorhanden, die aus tatsächlichen Gründen nicht mehr ausgeglichen werden können, kommt im Regelfall nach einer Übergangszeit eine Herabsetzung des nachehelichen Unterhalts nur insoweit in Betracht, als dem berechtigten Ehegatten unter Berücksichtigung eigener und eventuell auch fiktiver Einkünfte jedenfalls der Betrag zur Verfügung stehen muss, den er ohne einen ehebedingten Nachteil zur Verfügung hätte.

Fehlt es an ehebedingten Nachteilen, oder sind diese bereits ausgeglichen, ist im Rahmen der umfassenden Billigkeitsabwägung bei der Entscheidung über eine Befristung oder Herabsetzung des nachehelichen Unterhalts eine – über die Kompensation ehelicher Nachteile hinausgehende – nacheheliche Solidarität zu berücksichtigen. Dabei sind neben den weiteren relevanten Umständen des Einzelfalls die Dauer der Pflege und Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes, die Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe sowie die Dauer der Ehe maßgeblich. Die Ehedauer gewinnt durch eine wirtschaftliche Verflechtung an Gewicht, die insbesondere durch Aufgabe einer eigenen Erwerbstätigkeit wegen Kinderbetreuung oder Haushaltsführung eintritt (BGH, FamRZ 2010, 1971).

Ist Unterhalt wegen Krankheit geschuldet, ist für die Billigkeitsentscheidung besonders dem Gedanken der nachehelichen Solidarität Rechnung zu tragen. Der Betreuungsunterhalt ist nicht nach § 1578b BGB zu befristen.

Die Darlegungs- und Beweislast für die Umstände, aus denen die Unbilligkeit der Fortzahlung des Unterhalts resultiert, trägt der Unterhaltsverpflichtete. Dem Unterhaltsverpflichteten obliegt es, im Rahmen seiner primären Darlegungslast das Fehlen von ehebedingten Nachteilen substantiiert zu behaupten. Sodann obliegt es dem Unterhaltsberechtigten, diese Behauptung substantiiert zu bestreiten und positiv konkrete ehebedingte Nachteile darzutun. Konkret vorgetragene ehebedingte Nachteile muss der Unterhaltsverpflichtete widerlegen (BGH, FamRZ 2012, 93).

16. nicht belegt

17. Erwerbsobliegenheit

17.1 Die nach Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes grundsätzlich einsetzende Erwerbsobliegenheit des betreuenden Elternteils ist hinsichtlich Art und Umfang an den Belangen des Kindes auszurichten.

Die Billigkeitsprüfung nach § 1570 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 BGB ist zumindest anhand folgender Kriterien vorzunehmen:

Kindbezogene Gründe:

1.

Betreuungsbedürftigkeit aufgrund der individuellen Entwicklung des Kindes

2.

Fehlende kindgerechte Betreuungsmöglichkeiten

3.

Krankheiten, die durch die Betreuung in einer Einrichtung nicht aufgefangen werden können und damit die Betreuung durch einen Elternteil erfordern.

Elternbezogene Gründe:

1.

Vertrauen in die vereinbarte oder praktizierte Rollenverteilung und Ausgestaltung der Kinderbetreuung. Zu berücksichtigen ist dabei auch die Aufgabe einer Erwerbstätigkeit wegen Kindererziehung und die Dauer der Ehe.

2.

Umfang der Betreuungsbedürftigkeit des Kindes im Anschluss an die Betreuung in einer Betreuungseinrichtung.

Eine überobligationsmäßige Belastung des betreuenden Elternteils durch Berufstätigkeit, Kinderbetreuung und Haushaltsführung ist zu vermeiden.

17.2 In der Regel besteht für den Berechtigten im ersten Jahr nach der Trennung keine Obliegenheit zur Aufnahme oder Ausweitung einer Erwerbstätigkeit.

Weitere Unterhaltsansprüche

18. Ansprüche nach § 1615l BGB

Der Bedarf nach § 1615l BGB bemisst sich nach der Lebensstellung des unterhaltsberechtigten Elternteils. Er ist auch dann nicht nach dem Einkommen des Pflichtigen zu bemessen, wenn dieser mit dem unterhaltsberechtigten Elternteil zusammengelebt hat. Die Lebensstellung des unterhaltsberechtigten Elternteils richtet sich danach, welche Einkünfte er ohne die Geburt und die Betreuung des gemeinsamen Kindes hätte (BGH, FamRZ 2015, 1369).

Der Bedarf darf das Existenzminimum für Nichterwerbstätige (derzeit 1.200 €; Nr. 21.2) nicht unterschreiten.

Die Inanspruchnahme ist durch den Halbteilungsgrundsatz begrenzt.

19. Elternunterhalt

Beim Bedarf der Eltern sind Leistungen zur Grundsicherung nach §§ 41 ff. SGB XII zu berücksichtigen (vgl. Nr. 2.9).

20. Lebenspartnerschaft

Bei Getrenntleben oder Aufheben der Lebenspartnerschaft gelten §§ 12, 16 LPartG.

Leistungsfähigkeit und Mangelfall

21. Selbstbehalt

21.1 Ausgangspunkt ist das anrechenbare Einkommen des Unterhaltspflichtigen. Gegenüber minderjährigen und privilegiert volljährigen Kindern ist der angemessene Selbstbehalt (Nr. 21.3.1) zu wahren. Im Mangelfall (Nr. 24.1) ist als unterste Grenze der Inanspruchnahme der notwendige Selbstbehalt maßgeblich. Gegenüber Ehegatten ist dem Unterhaltspflichtigen der eheangemessene Selbstbehalt gem. § 1581 Satz 1 BGB und gegenüber volljährigen Kindern der angemessene Selbstbehalt gem. § 1603 Abs. 1 BGB zu belassen.

21.2 Der notwendige Selbstbehalt beträgt

bei Nichterwerbstätigen 1.200 €,

bei Erwerbstätigen 1.450 €.

Hierin sind bis zu 520 € für Unterkunft einschließlich umlagefähiger Nebenkosten und Heizung (Warmmiete) enthalten.

21.3 Im Übrigen gilt beim Verwandtenunterhalt der angemessene Selbstbehalt.

21.3.1 Gegenüber nicht privilegierten volljährigen Kindern beträgt der angemessene Selbstbehalt 1.750 €. Hierin sind bis zu 650 € für Unterkunft einschließlich umlagefähiger Nebenkosten und Heizung (Warmmiete) enthalten.

21.3.2 Gegenüber Ansprüchen aus § 1615l BGB gilt der eheangemessene Selbstbehalt.

21.3.3 Gegenüber den Eltern ist dem Unterhaltspflichtigen der angemessene Eigenbedarf zu belassen.

Gegenüber Eltern beträgt der Selbstbehalt mindestens 2.650 € zuzüglich der Hälfte des darüberhinausgehenden Einkommens (bei Vorteilen des Zusammenlebens i.d.R. 45 % des darüberhinausgehenden Einkommens). Hierin sind bis zu 1.000 € für Unterkunft einschließlich umlagefähiger Nebenkosten und Heizung (Warmmiete) enthalten. Unabhängig vom Selbstbehalt wird die Inanspruchnahme auf Elternunterhalt bei übergegangenen Ansprüchen begrenzt durch die Regelungen im Gesetz zur Entlastung unterhaltspflichtiger Angehöriger in der Sozialhilfe und in der Eingliederungshilfe (Angehörigen-Entlastungsgesetz v. 10.12.2019; BGBl I, 2135).

21.3.4. Für den Selbstbehalt gegenüber Enkeln gilt Nr. 21.3.3 entsprechend.

21.4 Ehegattenunterhalt ist nur aus dem Einkommen oberhalb des eheangemessenen Selbstbehalts zu leisten.

Der eheangemessene Selbstbehalt beträgt für Erwerbstätige 1.600 € und für Nichterwerbstätige 1.475 €. Hierin sind bis zu 580 € für Unterkunft einschließlich umlagefähiger Nebenkosten und Heizung (Warmmiete) enthalten.

Im Rahmen der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen nach § 1581 BGB ist außerdem ein individueller Selbstbehalt zu berücksichtigen. Bei diesem ist der Halbteilungsgrundsatz zu beachten, was zu einem relativen Mangelfall führen kann, wenn dem Unterhaltspflichtigen für den eigenen Unterhalt weniger verbliebe, als der Unterhaltsberechtigte mit dem Unterhalt zur Verfügung hätte. Sonstige Verpflichtungen gegenüber anderen Unterhaltsberechtigten, die nicht bereits den Bedarf des Unterhaltsberechtigten beeinflusst haben, sind entsprechend ihrem Rang zu berücksichtigen (BGH, FamRZ 2012, 281). Bei der Prüfung der Leistungsfähigkeit ist kein Erwerbstätigenbonus zu berücksichtigen (BGH, FamRZ 2013, 1366).

21.5 Wird konkret eine erhebliche und nach den Umständen nicht vermeidbare Überschreitung der in den einzelnen Selbstbehalten enthaltenen angeführten Wohnkosten dargelegt, erhöht sich der Selbstbehalt.

Bei einem Zusammenleben mit einem leistungsfähigen Partner kann der Selbstbehalt wegen ersparter Aufwendungen herabgesetzt werden, wobei die Ersparnis des Unterhaltspflichtigen im Regelfall und höchstens mit 10 % seines Selbstbehalts angesetzt werden kann.

22. Bedarf des mit dem Pflichtigen zusammenlebenden Ehegatten

22.1 Der Mindestbedarf des mit dem Pflichtigen zusammenlebenden Ehegatten beträgt bei Unterhaltsansprüchen des nachrangigen, geschiedenen Ehegatten 1.280 €, für den nicht erwerbstätigen Ehegatten werden 1.180 € angesetzt.

22.2 Der Mindestbedarf des mit dem Pflichtigen zusammenlebenden Ehegatten beträgt bei Unterhaltsansprüchen nicht privilegierter volljähriger Kinder 1.400 €.

22.3 Ist bei Unterhaltsansprüchen der Eltern oder von Enkeln der Pflichtige verheiratet, wird für den mit ihm zusammenlebenden Ehegatten ein Betrag von mindestens 2.120 € angesetzt. Im Familienmindestbedarf von 4.770 € (2.120 € + 2.650 €) sind 1.300 € für Unterkunft einschließlich umlagefähiger Nebenkosten und Heizung (Warmmiete) enthalten.

23. Bedarf des vom Pflichtigen getrenntlebenden oder geschiedenen Ehegatten

Der monatliche notwendige Eigenbedarf des von dem Unterhaltspflichtigen getrenntlebenden oder geschiedenen Ehegatten beträgt, unabhängig davon, ob er erwerbstätig ist oder nicht:

23.1 Gegenüber einem nachrangigen geschiedenen Ehegatten 1.600 €, für den nicht erwerbstätigen Ehegatten werden 1.475 € angesetzt;

23.2 gegenüber nicht privilegierten volljährigen Kindern 1.750 €

23.3 gegenüber Eltern und Enkeln des Unterhaltspflichtigen 2.650 €.

24. Mangelfall

24.1 Ein Mangelfall liegt vor, wenn das Einkommen bei Wahrung des jeweils angemessenen Selbstbehalts nicht genügt, um den Bedarf aller gleichrangigen Unterhaltsberechtigten zu decken. Eine gesteigerte Unterhaltspflicht besteht, soweit das Einkommen nicht zur Deckung des notwendigen Unterhalts minderjähriger und ihnen gleichgestellter volljähriger Kinder genügt.

Reicht das Einkommen zur Deckung des Bedarfs aller gleichrangigen Unterhaltsberechtigten und zur Deckung des Selbstbehalts nicht aus, ist der nach Abzug des Eigenbedarfs des Unterhaltspflichtigen verbleibende Betrag auf die Unterhaltsberechtigten im Verhältnis ihrer jeweiligen Einsatzbeträge zu verteilen.

24.2 Die Einsatzbeträge im Mangelfall belaufen sich

24.2.1 bei minderjährigen und diesen nach § 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB gleichgestellten Kindern nach den jeweiligen Zahlbeträgen der Einkommensgruppe 1 der Düsseldorfer Tabelle,

24.2.2 bei getrenntlebenden oder geschiedenen Ehegatten und bei mit dem Pflichtigen im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegatten sowie bei nach § 1615l BGB Unterhaltsberechtigten nach ihren jeweiligen ungedeckten Bedarfsbeträgen.

24.3 Die prozentuale Kürzung berechnet sich nach der Formel:

K = V : S x 100

K = prozentuale Kürzung

S = Summe der Einsatzbeträge aller Berechtigten

V = Verteilungsmasse (Einkommen des Verpflichteten abzüglich Selbstbehalts)

24.4 nicht belegt

Sonstiges

25. Rundung

Der Unterhaltsbetrag ist auf volle Euro aufzurunden.

Anhang:

I. Düsseldorfer Tabelle:

Kindesunterhalt (Alle Beträge in Euro)

 

Nettoeinkommen des/der Barunterhaltspflichtigen (Anm. 3, 4)

Altersstufen in Jahren (§ 1612a Abs. 1 BGB)

Prozentsatz

Bedarfskontrollbetrag (Anm. 6)

 

 

0–5

6–11

12–17

ab 18

 

 

Alle Beträge in Euro

1.

bis 2.100

480

551

645

689

100

1.220/1.450

2.

2.101

2.500

504

579

678

724

105

1.750

3.

2.501

2.900

528

607

710

758

110

1.850

4.

2.901

3.300

552

634

742

793

115

1.950

5.

3.301

3.700

576

662

774

827

120

2.050

6.

3.701

4.100

615

706

826

882

128

2.150

7.

4.101

4.500

653

750

878

938

136

2.250

8.

4.501

4.900

692

794

929

993

144

2.350

9.

4.901

5.300

730

838

981

1.048

152

2.450

10.

5.301

5.700

768

882

1.032

1.103

160

2.550

11.

5.701

6.400

807

926

1.084

1.158

168

2.850

12.

6.401

7.200

845

970

1.136

1.213

176

3.250

13.

7.201

8.200

884

1.014

1.187

1.268

184

3.750

14.

8.201

9.700

922

1.058

1.239

1.323

192

4.350

15.

9.701

11.200

960

1.102

1.290

1.378

200

5.050

II. Tabelle Zahlbeträge (Alle Beträge in Euro)

Die folgende Tabelle enthält die sich nach Abzug des jeweiligen Kindergeldanteils (hälftiges Kindergeld bei Minderjährigen, volles Kindergeld bei Volljährigen) ergebenden Zahlbeträge auf der Grundlage eines Kindergeldbetrags von einheitlich 250 € je Kind im Jahr 2024.

Kindergeld 250 €

0–5

6–11

12–17

ab 18

%

1.

bis 2.100

355

426

520

439

100

2.

2.101–

2.500

379

454

553

474

105

3.

2.501–

2.900

403

482

585

508

110

4.

2.901–

3.300

427

509

617

543

115

5.

3.301–

3.700

451

537

649

577

120

6.

3.701–

4.100

490

581

701

632

128

7.

4.101–

4.500

528

625

753

688

136

8.

4.501–

4.900

567

669

804

743

144

9.

4.901–

5.300

605

713

856

798

152

10.

5.301–

5.700

643

757

907

853

160

11.

5.701–

6.400

682

801

959

908

168

12.

6.401–

7.200

720

845

1.011

963

176

13.

7.201–

8.200

759

889

1.062

1.018

184

14.

8.201–

9.700

797

933

1.114

1.073

192

15.

9.701–

11.200

835

977

1.165

1.128

200

III. Umrechnung nach früherem Recht erstellter dynamischer Unterhaltstitel über Kindesunterhalt nach § 36 Nr. 3 EGZPO:

Ist Kindesunterhalt als Prozentsatz des jeweiligen Regelbetrags zu leisten, bleibt der Titel bestehen. Eine Abänderung ist nicht erforderlich. An die Stelle des bisherigen Prozentsatzes vom Regelbetrag tritt ein neuer Prozentsatz vom Mindestunterhalt (Stand: 01.01.2008). Dieser richtet sich einheitlich nach der am 01.01.2008 gültigen Altersstufe und ist auf eine Stelle nach dem Komma zu begrenzen (§ 36 Nr. 3 EGZPO). Der Bedarf ergibt sich aus der Multiplikation des neuen Prozentsatzes mit dem Mindestunterhalt der jeweiligen Altersstufe und ist auf volle Euro aufzurunden (§ 1612a Abs. 2 Satz 2 BGB). Der Zahlbetrag ergibt sich aus dem um das jeweils anteilige Kindergeld verminderten bzw. erhöhten Bedarf.

Es sind vier Fallgestaltungen zu unterscheiden:

a) Der Titel sieht die Anrechnung des hälftigen Kindergeldes oder eine teilweise Anrechnung des Kindergeldes vor.

Zahlbetrag + 1/2 Kindergeld

x 100 = Prozentsatz neu

Mindestunterhalt der jeweiligen Altersstufe

Beispiel 1. Altersstufe

Kontrollberechnung

(196 € + 77 €)

x 100 = 97,8 %

279 € x 97,8 % = 272,86 €, gerundet 273 €

279 €

Zahlbetrag 273 € – 77 € = 196 €

b) Der Titel sieht die Hinzurechnung des hälftigen Kindergeldes vor.

Zahlbetrag – 1/2 Kindergeld

x 100 = Prozentsatz neu

Mindestunterhalt der jeweiligen Altersstufe

Beispiel 1. Altersstufe

Kontrollberechnung

(273 € – 77 €)

x 100 = 70,2 %

279 € x 70,2 % = 195,85 €, gerundet 196 €

279 €

Zahlbetrag 196 € + 77 € = 273 €

c) Der Titel sieht die Anrechnung des vollen Kindergeldes vor

Zahlbetrag + 1/1 Kindergeld

x 100 = Prozentsatz neu

Mindestunterhalt der jeweiligen Altersstufe

Beispiel 2. Altersstufe

Kontrollberechnung

(177 € + 154 €)

x 100 = 102,7 %

322 € x 102,7 % = 330,69 €, gerundet 331 €

322 €

Zahlbetrag 331 € – 154 € = 177 €

d) Der Titel sieht weder eine Anrechnung noch eine Hinzurechnung des Kindergeldes vor.

Zahlbetrag + 1/2 Kindergeld

x 100 = Prozentsatz neu

Mindestunterhalt der jeweiligen Altersstufe

Beispiel 3. Altersstufe

Kontrollberechnung

(329 € + 77 €)

x 100 = 111,2 %

365 € x 111,2 % = 405,88 €, gerundet 406 €

365 €

Zahlbetrag 406 € – 77 € = 329 €