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BGH - Entscheidung vom 17.01.2024

IV ZR 309/22

Normen:
VVG § 203 Abs. 5

BGH, Beschluss vom 17.01.2024 - Aktenzeichen IV ZR 309/22

DRsp Nr. 2024/3078

Wirksamkeit von Beitragserhöhungen in der privaten Krankenversicherung; Anforderungen an die Begründung einer Prämienanpassung gemäß § 203 Abs. 5 VVG

Die Mitteilung der maßgeblichen Gründe für die Neufestsetzung der Prämie erfordert die Angabe der Rechnungsgrundlage, deren nicht nur vorübergehende Veränderung die Neufestsetzung nach § 203 Abs. 2 S. 1 VVG veranlasst hat. Dagegen muss der Versicherer nicht mitteilen, in welcher Höhe sich diese Rechnungsgrundlage verändert hat.

Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberlandesgerichts München - 14. Zivilsenat - vom 4. August 2022 gemäß § 552a Satz 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Parteien erhalten Gelegenheit, hierzu binnen

eines Monats

Stellung zu nehmen.

Normenkette:

VVG § 203 Abs. 5 ;

Gründe

I. Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von Beitragserhöhungen in der privaten Krankenversicherung des Klägers.

Der Kläger ist bei dem Beklagten krankenversichert. Der Beklagte informierte ihn unter anderem über folgende Beitragserhöhungen:

- zum 1. Januar 2013 im Tarif MK um 10,20 €

- zum 1. Januar 2016 im Tarif MA um 35 €

- zum 1. Januar 2017 im Tarif MA um 40 €

- zum 1. Januar 2018 im Tarif MK um 3,68 € und im Tarif MA um 3,19 €

- zum 1. Januar 2019 im Tarif MA um 40,83 €

In dem Mitteilungsschreiben des Beklagten vom 24. November 2017 betreffend die Beitragserhöhungen zum 1. Januar 2018 hieß es unter anderem:

"im Krankheitsfall können Sie sich auf die Leistungen verlassen, die Ihnen zustehen. Das sichern wir Ihnen vertraglich zu. Deshalb vergleichen wir für jeden Tarif die berechneten und die tatsächlichen Ausgaben.

Dieser Vergleich ergab, dass die Ausgaben für Gesundheitsleistungen innerhalb der Versichertengemeinschaft in Ihren Tarifen insgesamt höher ausfielen als ursprünglich berechnet. Daher erhöht sich Ihr Beitrag ab Januar 2018."

In der Anlage "Informationen zur rechtlichen Seite der Beitragsanpassung" hieß es auszugsweise:

"Beitragsanpassungen sind vertraglich in § 8b der Allgemeinen Versicherungsbedingungen genau geregelt: Demnach können Beiträge in der privaten Krankenversicherung nur dann angepasst werden, wenn die Leistungsausgaben eines Tarifs auf Dauer höher oder niedriger ausfallen als bisher. Jeder Änderung muss vorab ein unabhängiger mathematischer Treuhänder zustimmen; selbstverständlich ist das auch diesmal geschehen."

Die beigefügte "Kundeninformation" enthielt im Abschnitt "Information zur Beitragsanpassung in der Krankenversicherung" unter der Überschrift "Wie funktioniert die Beitragsanpassung in der privaten Krankenversicherung (PKV)?" unter anderem folgende Angaben:

"Wir überprüfen regelmäßig, ob die Beiträge und Ausgaben für Gesundheitsleistungen im Gleichgewicht sind. Weichen die Ausgaben mehr als 5 % vom ursprünglich errechneten Wert ab, wird die Kalkulation auf den aktuellen Stand gebracht. Auch eine gestiegene Lebenserwartung oder ein niedrigerer Zinssatz wird hier berücksichtigt. Ein unabhängiger Treuhänder überprüft die neue Kalkulation: Nur wenn er zustimmt, können die Beiträge angepasst werden."

Soweit für die Revision noch von Interesse, hat der Kläger mit seiner Klage zuletzt die Rückzahlung der auf die genannten und weitere Beitragserhöhungen gezahlten Prämienanteile in Höhe von 10.100,40 € nebst Zinsen sowie die Feststellung begehrt, dass die Neufestsetzungen der Prämien unwirksam gewesen seien und er nicht zur Zahlung des jeweiligen Differenzbetrages verpflichtet gewesen sei.

Das Landgericht hat den Beklagten unter Abweisung der weitergehenden Klage zur Zahlung von 4.127,88 € nebst Zinsen verurteilt und festgestellt, dass die genannten und weitere Beitragserhöhungen unwirksam waren und der Kläger nicht zur Zahlung des jeweiligen Erhöhungsbetrages verpflichtet war. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht das Urteil dahingehend abgeändert, dass die Zahlungsverurteilung sowie die Feststellung, dass die Erhöhungen des Beitrags zum 1. Januar 2018 im Tarif MK und im Tarif MA sowie zum 1. Januar 2019 im Tarif MA unwirksam waren und der Kläger nicht zur Zahlung des jeweiligen Differenzbetrages verpflichtet war, aufgehoben wurden und die Klage auch insoweit abgewiesen wurde.

Mit der Revision beantragt der Kläger,

den Beklagten zur Zahlung von 1.263,40 € nebst Zinsen zu verurteilen und den Anträgen auf Feststellung der Unwirksamkeit der Beitragserhöhung und der Verpflichtung zur Herausgabe der Nutzungen hinsichtlich der Beitragserhöhung zum 1. Januar 2018 stattzugeben.

II. Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist die Beitragserhöhung zum 1. Januar 2018 hinreichend begründet worden und deswegen zu diesem Datum wirksam geworden. Die Klage sei daher bezüglich aller nach dem 1. Januar 2018 erfolgten Zahlungen unbegründet, unabhängig davon, ob auch die früher in diesem Tarif erfolgten Erhöhungen wirksam gewesen seien oder nicht. In der Berufung würden nur noch die 2018 und 2019 erfolgten Zahlungen zurückgefordert. Der Beklagte habe deutlich gemacht, dass eine Veränderung der Rechnungsgrundlage Leistungsausgaben über einem vorab bestimmten Schwellenwert die Beitragserhöhung aufgrund gesetzlicher Regelungen veranlasst habe.

III. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision im Sinne von § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO liegen nicht vor und das Rechtsmittel hat auch keine Aussicht auf Erfolg (§ 552a Satz 1 ZPO ).

1. Die Zulassung der Revision ist weder wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO ) noch zur Fortbildung des Rechts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 1 ZPO ) oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO ) erforderlich. Die Anforderungen an die Begründung einer Prämienanpassung gemäß § 203 Abs. 5 VVG sind durch das Senatsurteil vom 16. Dezember 2020 ( IV ZR 294/19, BGHZ 228, 56 ) geklärt.

Das Berufungsgericht hat die Revision mit der Begründung zugelassen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die Rechtsprechung als Ganzes eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordere. Hinsichtlich der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Beitragserhöhung des Beklagten zum 1. Januar 2018 sei entweder die vorliegende oder die davon abweichende Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln vom 6. Mai 2022 ( 20 U 149/21, juris) rechtsfehlerhaft. Diese Begründung macht eine Zulassung der Revision jedoch nicht erforderlich. Ob die Mitteilung einer Prämienanpassung den gesetzlichen Anforderungen des § 203 Abs. 5 VVG genügt, hat der Tatrichter im jeweiligen Einzelfall zu entscheiden (vgl. Senatsurteil vom 16. Dezember 2020 - IV ZR 294/19, BGHZ 228, 56 Rn. 38). Soweit diese Entscheidung keine revisionsrechtlich relevanten Fehler aufweist, hat sie unabhängig davon Bestand, ob andere Gerichte dieselbe Mitteilung auf die gleiche Weise beurteilt haben.

2. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg.

a) Die beschränkt eingelegte Revision ist zulässig. Der Kläger erstrebt mit dem Rechtsmittel nur die Feststellung der Unwirksamkeit und fehlenden Zahlungspflicht hinsichtlich der Beitragserhöhungen zum 1. Januar 2018 in den Tarifen MK und MA sowie die Rückzahlung von Prämienanteilen, die der Kläger vom 1. Januar 2018 bis zum 31. Dezember 2018 im Tarif MA und bis zum 31. Dezember 2019 im Tarif MK auf diese Beitragserhöhungen sowie auf die früheren unwirksamen Erhöhungen in denselben Tarifen gezahlt hat. Die Revision kann insoweit beschränkt werden, wenn die Anträge in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unabhängig von dem übrigen Prozessstoff beurteilt werden können (vgl. BGH, Urteil vom 27. September 1984 - IX ZR 53/83, BGHZ 92, 194 [juris Rn. 7]). Dies kann für diesen Zeitraum unabhängig davon beurteilt werden, ob die spätere Erhöhung im Tarif MA , deren Wirksamkeit von der Revision nicht umfasst ist, wirksam war.

b) Die Revision ist aber nicht begründet. Das Berufungsgericht hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise angenommen, dass die Begründung der Beitragserhöhungen zum 1. Januar 2018 den Anforderungen aus § 203 Abs. 5 VVG entspricht.

aa) Die Mitteilung der maßgeblichen Gründe für die Neufestsetzung der Prämie erfordert die Angabe der Rechnungsgrundlage, deren nicht nur vorübergehende Veränderung die Neufestsetzung nach § 203 Abs. 2 Satz 1 VVG veranlasst hat. Dagegen muss der Versicherer nicht mitteilen, in welcher Höhe sich diese Rechnungsgrundlage verändert hat (Senatsurteil vom 16. Dezember 2020 - IV ZR 294/19, BGHZ 228, 56 Rn. 26). Nach § 203 Abs. 5 VVG müssen nicht alle Gründe der Beitragserhöhung genannt werden, sondern nur die für die Prämienanpassung entscheidenden Umstände (Senatsurteil vom 16. Dezember 2020 aaO Rn. 29). In diesem Sinne entscheidend ist nur, ob eine Veränderung der erforderlichen gegenüber den kalkulierten Versicherungsleistungen oder Sterbewahrscheinlichkeiten die in § 155 Abs. 3 und 4 Versicherungsaufsichtsgesetz ( VAG ) oder in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen geregelten Schwellenwerte überschreitet oder nicht (Senatsurteil vom 16. Dezember 2020 aaO).

bb) Unter Anwendung dieses Maßstabs hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei entschieden, dass die streitgegenständliche Begründung, wie sie im Mitteilungsschreiben des Beklagten in Verbindung mit beiden anliegenden Informationsblättern enthalten ist, die für die Prämienanpassung entscheidenden Umstände wiedergibt. Es hat den "Informationen zur Beitragsanpassung" und der Kundeninformation die Erklärung entnommen, dass der Versicherer regelmäßig die erforderlichen mit den kalkulierten Ausgaben für Gesundheitsleistungen - die Rechnungsgrundlage Versicherungsleistungen - vergleichen und bei einer Abweichung von mehr als 5 % - dem festgelegten Schwellenwert - die Prämie überprüfen muss. Die Mitteilung, dass das Ergebnis dieses Vergleichs für die Tarife des Klägers eine Überschreitung des Schwellenwertes war, kann der Versicherungsnehmer nach der aus Rechtsgründen nicht zu beanstandenden Beurteilung des Berufungsgerichts dem Anschreiben des Beklagten entnehmen, das zusammen mit den "Informationen zur Beitragsanpassung" und der Kundeninformation betrachtet wird. Die dortige Mitteilung, der Vergleich habe ergeben, dass die Ausgaben für Gesundheitsleistungen in den Tarifen des Klägers höher ausfielen als berechnet und sich daher sein Beitrag erhöhe, verweist damit auf die Überschreitung des Schwellenwerts.

Hinweis: Das Revisionsverfahren ist durch Rücknahme der Revision erledigt worden.

Vorinstanz: LG Kempten, vom 14.01.2022 - Vorinstanzaktenzeichen 32 O 1438/21
Vorinstanz: OLG München, vom 04.08.2022 - Vorinstanzaktenzeichen 14 U 870/22