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BGH - Entscheidung vom 17.11.2021

IV ZR 109/20

Normen:
VVG § 203 Abs. 2
GVG § 172 Nr. 2
GVG § 174 Abs. 3

BGH, Urteil vom 17.11.2021 - Aktenzeichen IV ZR 109/20

DRsp Nr. 2021/18376

Revision eines privat Krankenversicherten gegen die Beitragerhöhung des Krankenversicherers; Ausschluss der Öffentlichkeit im Falle von Fragen zu krankversicherungsrechtlichen Beitragserhöhung als Abhilfe der zu erfolgenden Geheimhaltungspflicht

1. Bei einer Prämienanpassung nach § 203 Abs. 2 VVG wird erst durch die Mitteilung einer den Anforderungen des § 203 Abs. 5 VVG genügenden Begründung die für die Wirksamkeit der Neufestsetzung der Prämie angeordnete Frist in Lauf gesetzt.2. Unabhängig davon, ob ein Versicherungsnehmer die Prämienanpassungen auch in materieller Hinsicht angreift, steht § 242 BGB einer Wahrnehmung seiner Informationsrechte und des daraus folgenden Rückzahlungsanspruchs nicht entgegen.3. Im Rahmen der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung kommt eine Anrechnung des genossenen Versicherungsschutzes nicht in Betracht, wenn sich bei einem wirksamen Versicherungsvertrag als Rechtsgrund der erbrachten Leistungen nur eine Prämienerhöhung als unwirksam erweist.4. Im Falle eines noch nicht entschiedenen Meinungsstreits ist dem Gläubiger die Erhebung einer Klage jedenfalls dann nicht unzumutbar, wenn er gleichwohl bereits vor einer höchstrichterlichen Entscheidung seinen Anspruch gegenüber dem Schuldner geltend macht und dadurch selbst zu erkennen gibt, vom Bestehen des Anspruchs auszugehen.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin und unter Zurückweisung ihrer weitergehenden Revision wird das Urteil des Landgerichts Berlin - 4. Zivilkammer - vom 7. April 2020 insoweit aufgehoben, als die Berufung der Klägerin gegen die Abweisung der Klage auf Feststellung der Pflicht zur Verzinsung der herauszugebenen Nutzungen ab dem 22. November 2017 zurückgewiesen worden ist.

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Neukölln vom 14. Juni 2018 insoweit abgeändert, als die Klage auf Feststellung der Pflicht zur Verzinsung der herauszugebenden Nutzungen ab dem 22. November 2017 abgewiesen worden ist.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte die herauszugebenden Nutzungen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 22. November 2017 zu verzinsen hat.

Die Revision der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens tragen die Klägerin zu 31 % und die Beklagte zu 69 %.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 2.068,56 € festgesetzt.

Normenkette:

VVG § 203 Abs. 2 ; GVG § 172 Nr. 2 ; GVG § 174 Abs. 3 ;

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von Beitragserhöhungen in der privaten Krankenversicherung der Klägerin.

Die Klägerin ist bei der Beklagten unter anderem in den Tarifen 5 ... und 3... krankenversichert. Mit einem Nachtrag zum Versicherungsschein vom November 2010 erhöhte die Beklagte den Beitrag im Tarif 3... zum 1. Januar 2011 um 17,98 €. Dem Nachtrag lagen eine mit "Änderungsgründe" überschriebene Mitteilung sowie "Informationen zu den Beitragsänderungen zum 01.01.2011" bei, in denen es zur Frage "Welche Leistungen werden im Risikoanteil eines Tarifbeitrags berücksichtigt? " auszugsweise hieß:

"Deshalb sind alle privaten Krankenversicherer verpflichtet, einmal jährlich die kalkulierten Leistungsausgaben mit den zukünftig erforderlichen zu vergleichen. Dies erfolgt für jeden Tarif separat und getrennt nach Alter und Geschlecht. Weichen die Zahlen um 10 % oder mehr voneinander ab, sind wir gesetzlich verpflichtet, die Beiträge anzupasse n. Nur so können wir dauerhaft das Ihnen gegebene Leistungsversprechen halten."

Mit einem Nachtrag zum Versicherungsschein vom November 2013 erhöhte die Beklagte den Beitrag im Tarif 5... zum 1. Januar 2014 um 11,63 €. Dem Nachtrag lagen eine mit "Änderungsgründe" überschriebene Mitteilung sowie "Informationen zur Beitragsanpassung zum 01.01.2014" bei, in denen es zur Frage "Was sind die Gründe für die Beitragsanpassung?" auszugsweise hieß:

"Damit wir unser Leistungsversprechen dauerhaft einhalten können, müssen wir wie alle privaten Krankenversicherer einmal jährlich alle Beiträge überprüfen. Dies erfolgt in der Kranken-, Krankentagegeld- und Pflegeergänzungsversicherung für jeden einzelnen Tarif, getrennt nach Alter und Geschlecht.

Bei der Überprüfung vergleichen wir die kalkulierten Leistungsausgaben mit den zukünftig erforderlichen. Weichen die Zahlen um den in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen festgelegten Prozentsatz nach oben oder unten voneinander ab, müssen die Beiträge angepasst werden. Hierzu sind wir gesetzlich verpflichtet."

Die Beklagte zog die Erhöhungsbeträge bis einschließlich Dezember 2017 ein.

Die Klägerin hält die Beitragserhöhungen für unrechtmäßig. Mit vor dem 1. November 2017 zugegangenem Anwaltsschreiben machte sie darauf gestützte Ansprüche geltend. Die Beklagte erwiderte darauf mit Schreiben vom 21. November 2017.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin, soweit für die Revision noch von Interesse, die Feststellung begehrt, dass die Beitragserhöhungen unwirksam seien, und die Rückzahlung der darauf gezahlten Prämienanteile in Höhe von 2.068,56 € nebst Zinsen ab dem 1. November 2017 sowie die Feststellung verlangt, dass die Beklagte zur Herausgabe der Nutzungen, die sie vor dem 1. November 2017 aus den Zahlungen auf die Beitragserhöhungen gezogen hat, verpflichtet ist und diese ab dem 1. November 2017 zu verzinsen hat.

Das Amtsgericht hat der Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit der Beitragserhöhungen in vollem Umfang sowie der Zahlungsklage in Höhe von 1.421,28 € nebst Zinsen stattgegeben und die weitergehende Klage abgewiesen. Nach Berufungen beider Parteien hat das Landgericht das amtsgerichtliche Urteil teilweise abgeändert und unter Aufrechterhaltung des Zahlungsausspruchs die Unwirksamkeit der Beitragserhöhungen nur bis zum 31. Dezember 2017 sowie die Pflicht der Beklagten zur Herausgabe der Nutzungen, die sie vor dem 1. November 2017 aus den ab 1. Januar 2014 gezahlten Erhöhungsbeträgen gezogen hat, festgestellt.

Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihre Berufungsanträge auf Zahlung weiterer 647,28 € nebst Zinsen, auf Feststellung der Pflicht zur Herausgabe der Nutzungen, die aus den bis zum 31. Dezember 2013 gezahlten Erhöhungsbeträgen vor dem 1. November 2017 gezogen wurden, sowie auf Feststellung der Pflicht zur Verzinsung der herauszugebenden Nutzungen weiter. Die Beklagte verlangt mit ihrer Revision weiterhin die Klageabweisung. Beide Parteien haben vorsorglich für den Fall, dass de r Senat von einer wirksamen Beschränkung der Revisionszulassung ausgehen sollte, zudem auch Anschlussrevision eingelegt.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin hat nur zu einem geringen Teil Erfolg, während die Revision der Beklagten insgesamt zurückzuweisen ist.

I. Nach Ansicht des Berufungsgerichts sind die Prämienanpassungen nicht wirksam geworden, da die Beklagte nicht die maßgeblichen Gründe im Sinne des § 203 Abs. 5 VVG mitgeteilt habe. Es werde ganz überwiegend zumindest die Angabe der maßgeblichen Rechnungsgrundlage im Sinne des § 203 Abs. 2 Satz 3 VVG gefordert und gegebenenfalls noch anderer, die sich entscheidend in der Prämienkalkulation niedergeschlagen hätten. Diesen Anforderungen würden die Änderungsmitteilungen nicht gerecht. In beiden Erhöhungsschreiben habe die Beklagte allgemein dazu ausgeführt, dass eine Verbesserung der medizinischen Versorgung mit einer Erhöhung der Versicherungsbeiträge einhergehe; daraus ließen sich allenfalls mittelbar höhere Leistungsausgaben als Grund ableiten. In den Informationen zu der Änderungsmitteilung zum 1. Januar 2014 habe die Beklagte zusätzlich ausgeführt, sie sei bei einer Änderung der Leistungsausgaben "um den in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen festgelegten Prozentsatz" zu einer Beitragsanpassung verpflichtet. Abgesehen davon, dass bereits diese allgemein gehaltene Formulierung nicht mit hinreichender Deutlichkeit erkennen lasse, welcher Prozentsatz maßgeblich sein solle, lasse der Passus nicht erkennen, ob es in dem konkreten Fall eine solche Erhöhung oder Verringerung der Leistungsausgaben tatsächlich gegeben habe.

Der Beklagten könne nicht darin gefolgt werden, dass die Klägerin einen Vorteil durch die Erhöhung ihrer Altersrückstellung erlangt habe. Denn von einer Rückabwicklung der Beitragserhöhung werde auch die Altersrückstellung erfasst, aus der die entsprechenden Anteile der Sparprämie im Zweifel herauszurechnen seien. Dass dies nicht möglich sei, mache die Beklagte nicht geltend. Für den Risikoanteil gelte, d ass er durch den nach wie vor wirksamen Versicherungsvertrag abgedeckt sei und gerade nicht rückabgewickelt werde. Ebenso wenig könne sich die Beklagte auf Entreicherung berufen. Grundsätzlich reiche die Bedienung von Verbindlichkeiten aus dem Erlangten gerade nicht für eine Entreicherung aus.

Ein Anspruch auf Rückgewähr der Zahlungen, die die Klägerin auf die Beitragserhöhung von Januar 2011 bis Dezember 2013 geleistet habe, sei verjährt. Mit dem Zugang der Änderungsmitteilungen habe die Klägerin die erforderliche Kenntnis in Bezug auf die Mängel der Mitteilung gehabt, da sie deren Inhalt mit dem Erhalt gekannt habe.

Die Beklagte sei verpflichtet, die Nutzungen herauszugeben, die sie aus den von Januar 2014 an gezahlten Erhöhungsbeträgen gezogen habe. Zinsen könne die Klägerin jedoch nicht verlangen. Sie habe in ihrem anwaltlichen Schreiben die Nutzungen nicht beziffert, was für eine Leistun gsaufforderung nicht ausreiche.

II. Das hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis ganz überwiegendstand.

1. Die Revisionen der Parteien sind zulässig, insbesondere gemäß § 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO aufgrund der Zulassung durch das Berufungsgericht insgesamt statthaft. Eine Beschränkung der Revisionszulassung lässt sich dem Berufungsurteil nicht entnehmen. Soweit das Berufungsgericht in den Entscheidungsgründen ausgeführt hat, dass die Frage, welche Anforderungen an die mitzuteilenden Gründe zu stellen seien, von grundsätzlicher Bedeutung sei, liegt darin lediglich eine Begründung für die Zulassung der Revision.

2. Die Revision der Beklagten ist unbegründet.

a) Das Berufungsgericht geht zu Recht davon aus, dass bei einer Prämienanpassung nach § 203 Abs. 2 VVG erst durch die Mitteilung einer den Anforderungen des § 203 Abs. 5 VVG genügenden Begründung die für die Wirksamkeit der Neufestsetzung der Prämie angeordnete Frist in Lauf gesetzt wird (vgl. Senatsurteile vom 16. Dezember 2020 - IV ZR 294/19, BGHZ 228, 56 Rn. 21 ff.; vom 19. Dezember 2018 - IV ZR 255/17, BGHZ 220, 297 Rn. 66).

b) Das Berufungsgericht hat den erforderlichen Inhalt der nach § 203 Abs. 5 VVG mitzuteilenden maßgeblichen Gründe im Wesentlichen zutreffend bestimmt. Wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils mit Urteil vom 16. Dezember 2020 ( IV ZR 294/19, BGHZ 228, 56 ) entschieden und im Einzelnen begründet hat, erfordert die Mitteilung der maßgeblichen Gründe für die Neufestsetzung der Prämie nach § 203 Abs. 5 VVG die Angabe der Rechnungsgrundlage, deren nicht nur vorübergehende Veränderung die Neufestsetzung nach § 203 Abs. 2 Satz 1 VVG veranlasst hat. Dagegen muss der Versicherer nicht mitteilen, in welcher Höhe sich diese Rechnungsgrundlage verändert hat. Er hat auch nicht die Veränderung weiterer Faktoren, welche die Prämienhöhe beeinflusst haben, wie z.B. des Rechnungszinses, anzugeben (Senatsurteil vom 16. Dezember 2020 aaO Rn. 26). Soweit das Berufungsgericht in diesem letzten Punkt einer anderen Ansicht zuzuneigen scheint, war dies hier für die Beurteilung der mitgeteilten Gründe nicht entscheidungserheblich.

Wie der Senat in dem genannten Urteil weiter ausgeführt hat, steht der Anwendung von § 203 Abs. 5 VVG auch für den Zeitraum vor jener Entscheidung nicht entgegen, dass der Begriff der "maßgeblichen Gründe" der Auslegung bedurfte (vgl. aaO Rn. 37).

c) Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei entschieden, dass die von der Beklagten mitgeteilten Gründe für die Präm ienerhöhungen zum 1. Januar 2011 und zum 1. Januar 2014 diese Voraussetzungen einer nach § 203 Abs. 5 VVG erforderlichen Mitteilung nicht erfüllen. Ob die Mitteilung einer Prämienanpassung den gesetzlichen Anforderungen des § 203 Abs. 5 VVG genügt, hat der Tatrichter im jeweiligen Einzelfall zu entscheiden. Revisionsrechtlich relevante Fehler sind hier nicht zu erkennen.

Nach der aus Rechtsgründen nicht zu beanstandenden Beurteilung des Berufungsgerichts, das auch auf die Gründe des amtsgerichtlichen Urteils Bezug genommen hat, haben die jeweiligen Informationen zur Beitragsanpassung keinen Bezug zu der konkreten Erhöhung. Sie beschreiben nur allgemein das Verfahren der Prämienüberprüfung. Auch die zur Beitragsanpassung zum 1. Januar 2014 mitgeteilten Angaben lassen nach der rechtsfehlerfreien Annahme des Berufungsgerichts nicht erkennen, ob es in dem konkreten Fall tatsächlich eine entsprechende Steigerung der Leistungsausgaben gegeben hat. Entgegen der Ansicht der Revisi on ergibt sich aus den vergleichbaren Erklärungen, die in den Informationen zu den Beitragsänderungen zum 1. Januar 2011 unter "Welche Leistungen werden im Risikoanteil eines Tarifbeitrags berücksichtigt?" enthalten sind, nichts Anderes.

Schon wegen dieses Mangels der Mitteilungen konnten die Prämienerhöhungen noch keine Wirkung entfalten. Es kommt daher nicht mehr darauf an, dass das Berufungsgericht darüber hinaus auch das Fehlen der Angabe beanstandet hat, welcher Prozentsatz maßgeblich sein solle, und eine Erklärung vermisst hat, ob - was § 203 Abs. 2 VVG ausschließt - weitere von der Beklagten benannte Faktoren die Prämienanpassung ausgelöst haben könnten.

d) Entgegen der Ansicht der Revision war deren Vortrag zu einer Nachholung der erforderlichen Angaben in der Klageerwiderung ohne Bedeutung, so dass die dazu von der Revision gerügte Gehörsverletzung jedenfalls nicht entscheidungserheblich gewesen wäre. Eine spätere Mitteilung der Gründe der Prämienanpassungen kann nur zu einer Heilung ex nunc führen (vgl. Senatsurteil vom 16. Dezember 2020 - IV ZR 294/19, BGHZ 220, 297 Rn. 41 f.), so dass die noch anhängigen Feststellungs- und Zahlungsanträge der Klägerin, die allein den Zeitraum vor Klageerhebung betreffen, davon nicht berührt werden.

e) Zu Unrecht nimmt die Revision der Beklagten an, dass in der Geltendmachung des bereicherungsrechtlichen Anspruchs du rch die Klägerin eine unzulässige Rechtsausübung liege. Wie der Senat bereits entschieden hat, steht unabhängig davon, ob ein Versicherungsnehmer die streitgegenständlichen Prämienanpassungen auch in materieller Hinsicht angreift, § 242 BGB einer Wahrnehmung seiner Informationsrechte und des daraus folgenden Rückzahlungsanspruchs nicht entgegen (vgl. Senatsurteil vom 16. Dezember 2020 - IV ZR 294/19, BGHZ 228, 56 Rn. 44). Soweit die Revision als Gehörsverletzung rügt, dass sich das Berufungsgericht mit diesem Einwand der Beklagten nicht befasst habe, wäre dies jedenfalls nicht entscheidungserheblich gewesen.

f) Das Berufungsgericht ist auch zutreffend davon ausgegangen, dass der Rückgewähranspruch der Klägerin aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB die Erhöhungsbeträge, die sie ohne wirksame Prämienanpassungserklärung gezahlt hat, der Höhe nach uneingeschränkt umfasst.

aa) Entgegen der Ansicht der Revision kommt im Rahmen der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung eine Anrechnung des genossenen Versicherungsschutzes nicht in Betracht, wenn sich bei einem wirksamen Versicherungsvertrag als Rechtsgrund der erbrachten Leistungen nur eine Prämienerhöhung als unwirksam erweist (vgl. Senatsurteil vom 16. Dezember 2020 - IV ZR 294/19, BGHZ 228, 56 Rn. 46). Auch soweit die Revision geltend macht, der Wert des vertraglichen Leistungsanspruchs der Klägerin sei durch den der Risikoprämie zuzuordnenden Teil des Erhöhungsbetrages gestiegen, ohne dass sie die zur Kostendeckung benötigte höhere Prämie erbracht habe, verlangt sie ohne Erfolg die Anrechnung eines Vermögensvorteils. Dasselbe gilt für den Sicherheitszuschlag gemäß § 7 Krankenversicherungsaufsichtsverordnung (KVAV) und die sonstigen Zuschläge gemäß § 8 KVAV oder die Mindestzuführung zur Rückstellung für erfolgsabhängige Beitragsrückerstattungen gemäß § 22 KVAV, soweit sie bei einer Erhöhung der Prämie ebenfalls anzupassen sind. Solange die Prämie nicht in dem nach § 203 Abs. 2 und 5 VVG vorgeschriebenen Verfahren wirksam angepasst wurde, ist ein gegebenenfalls materiell erhöhter Wert des Versicherungsschutzes nicht zu berücksichtigen (vgl. Senatsurteil vom 16. Dezember 2020 - IV ZR 294/19, BGHZ 228, 56 Rn. 47). Gerade die Vorschriften zur Prämienanpassung bezwecken es, die Einhaltung des Äquivalenzprinzips und die dauerhafte Erfüllbarkeit der Versicherungsleistungen zu gewährleisten (vgl. Senatsurteil vom 19. Dezember 2018 - IV ZR 255/17, BGHZ 220, 297 Rn. 49). Die Anrechnung eines ggf. erhöhten Wertes der Versicherungsleistungen oder eines gestiegenen Kostenaufwands des Versicherers liefe auf eine Umkehr dieser gesetzlichen Wertung hinaus.

Entgegen der Ansicht der Revision ist auch eine erhöhte Alterungsrückstellung nicht auf den Anspruch der Klägerin anzurechnen. Falls die Beklagte, wie die Revision einwendet, die Alterungsrückstellung aufgrund gesetzlicher Vorgaben unabhängig von der Wirksamkeit der Prämienanpassungen nach geänderten Rechnungsgrundlagen berechnet hat, kann dies gerade kein Vermögensvorteil sein, der auf der Prämienanpassung und der rückabzuwickelnden Prämienzahlung der Klägerin beruht.

bb) Die Beklagte kann sich auch nicht auf einen Wegfall der Bereicherung berufen.

Es fehlt an einem dauerhaften Vermögensverlust, soweit die Beklagte die erhöhten Prämienzahlungen nach ihrem Vortrag zur Bildung von Rückstellungen verwendet haben will. Zahlungen des Versicherungsnehmers, die ohne wirksame Prämienerhöhung erfolgten, sind nicht nach den für Prämien geltenden Vorschriften zu verwenden (vgl. Senatsurteil vom 16. Dezember 2020 - IV ZR 294/19, BGHZ 228, 56 Rn. 51). Ob das Berufungsgericht den Beklagtenvortrag zu einer entsprechenden Verwendung der Beiträge - wie die Revision geltend macht - nicht ausreichend berücksichtigt hat, ist dafür ohne Bedeutung. Eine dazu von der Revision gerügte Gehörsverletzung wäre danach jedenfalls nicht entscheidungserheblich gewesen.

Falls die Beklagte aus den Zahlungen der Klägerin ohne gesetzliche Grundlage Rückstellungen gebildet haben sollte, kommt es - wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat - für die Entreicherung auf die Möglichkeiten einer Rückbuchung oder späteren Verrechnung gegenüber der Klägerin an. Eine Bereicherung ist nicht weggefallen, soweit der Bereicherte seine eigene Verfügung über den empfangenen Vermögensvorteil wieder rückgängig machen kann (Senatsurteil vom 16. Dezember 2020 - IV ZR 294/19, BGHZ 228, 56 Rn. 52). Dass dies nicht möglich wäre, hat die für den Wegfall der Bereicherung darlegungs- und beweisbelastete Beklagte nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht geltend gemacht.

3. Die Revision der Klägerin hat nur zu einem geringen Teil Erfolg.

a) Im Ergebnis zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass ein Anspruch auf Rückgewähr der Erhöhungsbeträge, die die Klägerin von Januar 2011 bis Dezember 2013 geleistet hat, sowie auf Herausgabe der daraus gezogenen Nutzungen (§ 217 BGB ) vor Klageerhebung verjährt war.

aa) Die regelmäßige dreijährige Verjährungsfrist (§ 195 BGB ) begann jeweils mit dem Schluss des Jahres, in dem die Prämienanteile gezahlt wurden, so dass die Frist für die letzten hier in Rede stehenden Zahlungen Ende 2016 ablief.

(1) Die Regelverjährung beginnt gemäß § 199 Abs. 1 BGB grundsätzlich mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Die Rückzahlungsansprüche entstanden hier jeweils mit der Einziehung der Erhöhungsbeträge durch die Beklagte.

(2) Zu diesem Zeitpunkt hatte die Klägerin auch bereits im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners.

(a) Der Verjährungsbeginn setzt gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB aus Gründen der Rechtssicherheit und Billigkeit grundsätzlich nur die Kenntnis der den Anspruch begründenden Umstände voraus. Nicht erforderlich ist in der Regel, dass der Gläubiger aus den ihm bekannten Tatsachen die zutreffenden rechtlichen Schlüsse zieht. Ausnahmsweise kann die Rechtsunkenntnis des Gläubigers den Verjährungsbeginn aber hinausschieben, wenn eine unsichere und zweifelhafte Rechtslage vorliegt, die selbst ein rechtskundiger Dritter nicht zuverlässig einzuschätzen vermag. In diesen Fällen fehlt es an der Zumutbarkeit der Klageerhebung als übergreifender Voraussetzung für den Verjährungsbeginn (Senatsurteil vom 21. Februar 2018 - IV ZR 304/16, VersR 2018, 403 Rn. 15 m.w.N.).

(b) Der Klägerin war eine Geltendmachung ihrer Ansprüche möglich, wie das Berufungsgericht im Ergebnis zu Recht angenommen hat. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Klägerin, wie das Berufungsgericht meint, auch gestützt auf materielle Einwände gegen die Wirksamkeit der Beitragserhöhungen hätte Klage erheben können. Die Erhebung einer Klage, mit der die formelle Unwirksamkeit der Beitragserhöhungen aufgrund einer unzureichenden Begründung geltend gemacht wird, war jedenfalls nicht wegen einer unsicheren und zweifelhaften Rechtslage unzumutbar. Entgegen der Auffassung der Revision war der V erjährungsbeginn nicht bis zur Klärung durch den Senat (siehe dazu mittlerweile Senatsurteil vom 16. Dezember 2020 - IV ZR 294/19, BGHZ 228, 56 ) hinausgeschoben.

Für eine Unzumutbarkeit der Klageerhebung genügte es nicht, dass es zu den Anforderungen an die nach § 203 Abs. 5 VVG mitzuteilenden Gründe einer Prämienanpassung einen Meinungsstreit gab, der - soweit er in den Jahren 2011 bis 2013 überhaupt schon bestand - jedenfalls zu diesem Zeitpunkt noch nicht geklärt war. Eine Rechtslage ist nicht schon dann im Sinne der genannten Rechtsprechung unsicher und zweifelhaft, wenn eine Rechtsfrage umstritten und noch nicht höchstrichterlich entschieden ist (Senatsurteil vom 21. Februar 2018 - IV ZR 304/16, VersR 2018, 403 Rn. 17 m.w.N.). Bei einer solchen Konstellation ist dem Gläubiger die Erhebung einer Klage jedenfalls dann nicht unzumutbar, wenn er gleichwohl bereits vor einer höchstrichterlichen Entscheidung seinen Anspruch gegenüber dem Schuldner geltend macht und dadurch selbst zu erkennen gibt, vom Bestehen des Anspruchs auszugehen (Senatsurteil vom 21. Februar 2018 aaO m.w.N.). So liegt es hier. Die Klägerin sah sich ihrer Behauptung zufolge nach anwaltlicher Beratung im Jahr 2017 zur Geltendmachung von Rückzahlungsansprüchen veranlasst. Ungeachtet des damals ungeklärten Meinungsstreits ging sie von der Unwirksamkeit der Prämienerhöhungen aus. Umstrittener als zu diesem Zeitpunkt war der Inhalt des § 203 Abs. 5 VVG jedoch in den Jahren 2011 bis 2013 nicht, so dass der Klägerin die Klageerhebung auch damals nicht unzumutbar war.

Eine entgegenstehende höchstrichterliche Rechtsprechung, die ausnahmsweise den kenntnisabhängigen Beginn der Verjährungsfrist hinausschieben könnte (vgl. Senatsurteil vom 21. Februar 2018 - IV ZR 304/16, VersR 2018, 403 Rn. 18 m.w.N.), gab es nicht.

(c) Es kann offenbleiben, ob die Klägerin, wie das Berufungsgericht angenommen hat, mit Zugang der Änderungsmitteilungen auch Kenntnis von den Tatsachen hatte, aus denen die von ihr ebenfalls geltend gemachte materielle Unwirksamkeit der Beitragserhöhungen fol gen könnte. Für den Beginn der Verjährungsfrist ist dies ohne Bedeutung. Der Gläubiger eines Bereicherungsanspruchs aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB hat Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen, wenn er von der Leistung und den Tatsachen weiß, aus denen sich das Fehlen des Rechtsgrundes ergibt (Senatsurteil vom 21. Februar 2018 - IV ZR 385/16, VersR 2018, 404 Rn. 15). Maßgeblich ist daher das Fehlen des Rechtsgrundes, das der Klägerin mit Erhalt der Änderungsmitteilungen jedenfalls aufgrund deren formaler Mängel bereits bekannt war. Eine erneute Kenntnisnahme vom Fehlen desselben Rechtsgrundes aus weiteren Gründen setzt keine neue Verjährungsfrist in Gang. Anders als bei Schadensersatzansprüchen gehört ein pflichtwidriges Verhalten der Beklagten, e twa bei der Neufestsetzung der Prämie oder deren Mitteilung, nicht zu den Voraussetzungen des Bereicherungsanspruchs. Entgegen der Ansicht der Revision ist daher die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Verjährung bei mehreren eigenständigen Beratungs- oder Aufklärungsfehlern in der Anlageberatung (vgl. BGH, Urteil vom 18. Juni 2015 - III ZR 198/14, BGHZ 206, 41 Rn. 14 m.w.N.) auf den vorliegenden Sachverhalt nicht übertragbar.

bb) Entgegen der Ansicht der Revision ist die Beklagte auch nicht gemäß § 242 BGB gehindert, sich auf Verjährung zu berufen. Der Erhebung der Verjährungseinrede kann der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegengesetzt werden, wenn besondere Umstände vorliegen, die die Einrede als groben Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen (Senatsurteil vom 13. November 2019 - IV ZR 317/17, BGHZ 224, 40 Rn. 37 m.w.N.). Dies kommt insbesondere in Betracht, wenn der Schuldner den Gläubiger durch sein Verhalten von der rechtzeitigen Klageerhebung abhält (vgl. BGH, Urteil vom 21. Juni 2001 - IX ZR 73/00, VersR 2002, 275 unter A II 1 d [juris Rn. 22] m.w.N. [in BGHZ 148, 156 insoweit nicht abgedruckt]). Der Beklagtenvortrag in diesem Rechtsstreit wäre dagegen, selbst wenn er - wie die Klägerin meint - eigene Zweifel der Beklagten hinsichtlich der Anforderungen an eine Mitteilung nach § 203 Abs. 5 VVG aufzeigte, ohne Bedeutung für das Verhalten der Klägerin und nicht geeignet, einen groben Verstoß gegen Treu und G lauben zu begründen.

b) Zu Unrecht hat das Berufungsgericht dagegen der Klägerin einen Anspruch auf Verzugszinsen aus den gezogenen Nutzungen abgesprochen, soweit dies den Zeitraum ab 22. November 2017 betrifft.

aa) Aus Rechtsgründen allerdings nicht zu beanstanden ist die Ansicht des Berufungsgerichts, dass die Klägerin die Beklagte noch nicht durch ihr Anwaltsschreiben vom 18. Oktober 2017 in Verzug gesetzt hat, da es mangels Bezifferung der darin geforderten Nutzungen nicht die erforderliche Bestimmtheit einer Mahnung aufwies. Entgegen der Ansicht der Revision bedurfte es auch keiner gerichtlichen Feststellung, für welche Jahre die Beklagte zu diesem Zeitpunkt bereits ihre Geschäftszahlen, auf die das Berufungsgericht als Grundlage für eine Bezifferung der Nutzungen verwiesen hat, veröffentlicht hatte. Ein Versicherungsnehmer, der vom beklagten Versicherer die Herausgabe von Nutzungen aus rechtsgrundlos geleisteten Beitragszahlungen verlangt, ist für Anfall und Höhe tatsächlich gezogener Nutzungen darlegungs- und beweisbelastet (Senatsurteil vom 29. April 2020 - IV ZR 5/19, VersR 2020, 836 Rn. 16). Diese Darlegungslast der Klägerin hat das Berufungsgericht in nicht zu beanstandender Weise auch für das Mahnschreiben zugrunde gelegt.

bb) Zu Unrecht hat sich das Berufungsgericht jedoch - worauf die Klägerin zutreffend hinweist - nicht mit dem Schreiben der Beklagten vom 21. November 2017 befasst, in dem diese die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert hat, so dass sie auch ohne Mahnung in Verzug geraten ist, § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB . In diesem Schreiben hat die Beklagte die geltend gemachten Rückzahlungsansprüche - und damit auch die Herausgabe jeglicher aus den Prämienanteilen gezogener Nutzungen - bestimmt und ohne Einschränkung zurückgewiesen. Der Senat kann die Auslegung des Schreibens selbst vornehmen, da weitere Feststellungen nicht zu treffen sind.

4. Da die Parteien ihre Anschlussrevisionen nur vorsorglich für den Fall erhoben haben, dass der Senat - wie nicht - von einer wirksamen Beschränkung der Zulassung ihrer Revision ausgegangen wäre, sind diese Rechtsmittel gegenstandslos.

Von Rechts wegen

Verkündet am: 17. November 2021

Vorinstanz: AG Berlin-Neukölln, vom 14.06.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 7 C 14/18
Vorinstanz: LG Berlin, vom 07.04.2020 - Vorinstanzaktenzeichen 4 S 19/18