BGH, Urteil vom 12.09.2018 - Aktenzeichen IV ZR 17/17
Rückzahlunganspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung wegen geleisteter Versicherungsbeiträge einer fondsgebundenen Lebensversicherung i.R.d. Widerspruchsrechts
Der Versicherungsnehmer muss sich bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung einer fondsgebundenen Lebensversicherung nach Widerspruch auch erhebliche oder vollständige Fondsverluste bereicherungsmindernd anrechnen lassen.
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das Urteil der 4. Zivilkammer des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena vom 22. Dezember 2016 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Beklagte zur Zahlung von mehr als 47.281,83 € verurteilt worden ist.
Die Revision der Klägerin wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin zu 60 % und die Beklagte zu 40 %. Die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens tragen die Klägerin zu 83 % und die Beklagte zu 17 %.
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 63.799 € festgesetzt (Revision der Beklagten: 18.886,88 €, Revision der Klägerin: 44.912,12 €).
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von der Beklagten aus ungerechtfertigter B ereicherung Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge einer fondsgebundenen Lebensversicherung.
Diese wurde mit Versicherungsbeginn zum 1. September 2005 nach dem so genannten Policenmodell des § 5a VVG in der seinerzeit gültigen Fassung (im Folgenden: § 5a VVG a.F.) abgeschlossen. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts erhielt die Klägerin keine ordnungsgemäße Belehrung über das Widerspruchsrecht gemäß § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F.
Die Klägerin kündigte den Vertrag mit Schreiben vom 24. Juli 2013 und erklärte unter dem 21. Juli 2014 den Widerspruch gemäß § 5a VVG a.F.
Mit der Klage hat sie, soweit für die Revisionsinstanz noch von Bedeutung, Rückzahlung der auf den Vertrag geleisteten Einmalprämie in Höhe von 100.000 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 12. März 2014 Zug um Zug gegen Abtretung aller Rechte aus dem Versicherungsvertrag verlangt.
Das Landgericht hat der Klage insoweit durch Schlussurteil stattgegeben.
Mit der Berufung hat die Beklagte die Aufhebung des Schlussurteils begehrt, soweit dessen Tenor über einen Betrag von 36.201 € hinausgeht. Das Oberlandesgericht hat unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung das erstinstanzliche Schlussurteil abgeändert und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 55.087,88 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 12. März 2014 Zug um Zug gegen Abtretung aller Rechte aus dem Versicherungsvertrag zu zahlen, und die Klage im Übrigen abgewiesen.
Mit der Revision begehrt die Beklagte weiterhin die Klageabweisung, soweit sie zur Zahlung von mehr als 36.201 € verurteilt worden ist. Die Klägerin erstrebt mit ihrer Revision die Aufhebung des Berufungsurteils und die Wiederherstellung des Schlussurteils, soweit der Berufung der Beklagten stattgegeben worden ist.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten führt zur Aufhebung des Berufungsurteils, soweit das Berufungsgericht der Klage in Höhe von mehr als 47.281,83 € nebst Zinsen stattgegeben hat. Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg.
I. Nach Auffassung des Berufungsgerichts kann die Klägerin Prämienrückzahlung aus ungerechtfertigter Bereicherung verlangen. Nicht abzuziehen sei der Wert des Risikoanteils, weil die Beklagte hierfür keinen Beweis angeboten habe. Auch die Abschluss-, Vermittlungs- und Verwaltungskosten seien nicht in Abzug zu bringen. Die Beklagte könne sich zumindest teilweise auf Entreicherung berufen, weil die Fonds, in denen der Sparanteil der Prämie in Höhe von 89.824,24 € angelegt worden sei, zur Zeit des Widerspruchs nur noch einen Wert von 37.106,07 € gehabt hätten. Der Entreicherungseinwand sei auf 50 % des Sparanteils (44.912,12 €) zu begrenzen, so dass der Klägerin ein Zahlungsanspruch in Höhe von 55.087,88 € zustehe.
II. Hiergegen wendet sich die Beklagte zu Recht, soweit das Berufungsgericht die Fondsverluste nur teilweise bereicherungsmindernd berücksichtigt hat.
Die Klägerin - deren Widerspruchsrecht mangels ordnungsgemäßer Belehrung ungeachtet des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. fortbestand (vgl. Senatsurteil vom 7. Mai 2014 - IV ZR 76/11, BGHZ 201, 101 Rn. 17-34) - hat gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB einen Prämienrückzahlungsanspruch. Dieser ist - anders als die Beklagte gemeint hat - allerdings nicht auf den von ihr mit 36.201 € angegebenen Depotstand zur Zeit der Berufungsbegründung begrenzt. Vielmehr ist die Beklagte in Höhe von 47.281,83 € zur Rückzahlung verpflichtet, weil von der zu erstattenden Einmalprämie in Höhe von 100.000 € nur die Fondsverluste in Höhe von 52.718,17 € bereicherungsmindernd abzuziehen sind. Die Verluste ergeben sich aus der Differenz zwischen dem vom Berufungsgericht zugrunde gelegten Sparanteil in Höhe von 89.824,24 € (Einmalprämie von 100.000 € abzüglich Abschluss- und Verwaltungskosten in Höhe von 10.175,76 €) und dem Depotwert zur Zeit des Widerspruchs in Höhe von 37.106,07 €.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts greift der von der Beklagten erhobene Einwand der Entreicherung gemäß § 818 Abs. 3 BGB hinsichtlich der Fondsverluste vollständig durch und kann nicht auf die Hälfte des Sparanteils beschränkt werden. Wie der Senat mit dem nach Erlass des Berufungsurteils ergangenen Urteil vom 21. März 2018 ( IV ZR 353/16, VersR 2018, 535 Rn. 13 ff.), dem im Wesentlichen ein vergleichbarer Sachverhalt wie hier zugrunde lag, entschieden und im Einzelnen begründet hat, muss sich der Versicherungsnehmer bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung einer fondsgebundenen Lebensversicherung nach Widerspruch gemäß § 5a VVG a.F. auch erhebliche oder vollständige Fondsverluste bereicherungsmindernd anrechnen lassen. Die dortigen Ausf ührungen gelten im Streitfall - auch unter B erücksichtigung des Vorbringens der Parteien im Revisionsrechtszug - entsprechend.
Weitere Abzüge des Risikoanteils in Höhe von 37,45 € sowie der Abschluss- und Verwaltungskosten in Höhe von 10.175,76 € hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei und von der Beklagten unbeanstandet abgelehnt.
III. Die Revision der Klägerin ist nach dem Vorstehenden unbegründet. Ihr steht nach Abzug der Fondsverluste nur ein Bereicherungsanspruch in der oben genannten Höhe zu.
Von Rechts wegen
Verkündet am: 12. September 2018