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BGH - Entscheidung vom 12.12.2016

IV ZR 107/16

Normen:
VVG § 5a Abs. 1 S. 1
VVG § 5a Abs. 2 S. 1
VAG § 10a Abs. 2 S. 2

BGH, Beschluss vom 12.12.2016 - Aktenzeichen IV ZR 107/16

DRsp Nr. 2017/1854

Anspruch eines Versicherungsnehmers auf Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge einer Kapitallebensversicherung

Ein Anspruch auf Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge einer Kapitallebensversicherung im Falle eines Widerspruchs durch den Versicherungsnehmer besteht nicht, wenn der Versicherungsnehmer mit dem Versicherungsschein die Versicherungsbedingungen sowie eine Verbraucherinformation erhielt sowie ordnungsgemäß über sein Widerspruchsrecht belehrt wurde und dennoch bis zum Ablauf der Widerspruchsfrist keinen Widerspruch eingelegt hat, sondern vielmehr jahrelang die Prämien gezahlt hat.

Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Revision des Klägers gegen das Urteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 11. März 2016 gemäß § 552a Satz 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Parteien erhalten Gelegenheit, hierzu binnen

eines Monats

Stellung zu nehmen.

Normenkette:

VVG § 5a Abs. 1 S. 1; VVG § 5a Abs. 2 S. 1; VAG § 10a Abs. 2 S. 2;

Gründe

I. Die Klägerseite (Versicherungsnehmer: im Folgenden d. VN) begehrt von dem beklagten Versicherer (im Folgenden Versicherer) Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge einer Kapitallebensversicherung.

Diese wurde aufgrund Antrags d. VN mit Versicherungsbeginn zum 1. Februar 1997 nach dem so genannten Policenmodell des § 5a VVG in der seinerzeit gültigen Fassung (im Folgenden § 5a VVG a.F.) mit der Rechtsvorgängerin des Versicherers abgeschlossen. Am 17. Januar 1997 hatte d. VN bereits alle Ansprüche und Rechte aus dem Versicherungsvertrag zur Sicherung eines Darlehens abgetreten und dies der Rechtsvorgängerin angezeigt. In der Folge zahlte d. VN die Versicherungsprämien. Mit Schreiben vom Mai 2007 kündigte d. VN den Versicherungsvertrag. Der Versicherer zahlte daraufhin den Rückkaufswert aus. Im Januar 2011 erklärte d. VN den Widerspruch gemäß § 5a VVG a.F.

Mit der Klage verlangt er Rückzahlung aller auf den Vertrag geleisteten Beiträge nebst Zinsen abzüglich des bereits gezahlten Rückkaufswerts.

Nach Auffassung d. VN ist der Versicherungsvertrag nicht wirksam zustande gekommen, weil die Verbraucherinformation nach § 10a VAG a.F. nicht ordnungsgemäß erteilt worden und § 5a VVG a.F. mit den Lebensversicherungsrichtlinien der Europäischen Union nicht vereinbar sei.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Das Berufungsgericht hat einen Prämienrückerstattungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung verneint. D. VN sei ordnungsgemäß über das Widerspruchsrecht nach § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. belehrt worden. Die Übergabe einer gesonderten Verbraucherinformation sei auch unter Berücksichtigung von § 10a Abs. 2 Satz 2 VAG a.F. nicht erforderlich. D. VN hätte daher das Widerspruchsrecht innerhalb von 14 Tagen nach Zugang der Unterlagen ausüben müssen. Ob § 5a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. gegen europäisches Recht verstoße, bedürfe keiner Entscheidung, denn die Ausübung des Widerspruchsrechts sei hier treuwidrig, weil d. VN die ihm bekannt gemachte Widerspruchsfrist beim Vertragsschluss im Jahr 1997 ungenutzt habe verstreichen lassen und jahrelang die Prämien gezahlt habe.

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt d. VN das Klagebegehren weiter.

II. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision im Sinne von § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor, und das Rechtsmittel hat auch keine Aussicht auf Erfolg (§ 552a Satz 1 ZPO ).

1. Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen, weil es von der Entscheidung des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 31. Januar 2001 (VersR 2002, 1133 [...] Rn. 34) abweiche. Dieser Zulassungsgrund ist jedoch nicht mehr gegeben. W ie der Senat bereits mit Urteil vom 13. Juli 2016 ( IV ZR 541/15, [...] Rn. 11) entschieden hat, was die Revision nicht verkennt, liegt eine Abweichung nicht vor, denn bei der Entscheidung des Oberlandesgerichts Oldenburg handelte es sich nach dessen Feststellungen - anders als hier - nicht um eine Information in Textform, sondern um eine tabellarische Aufstellung.

2. Das Berufungsurteil hält rechtlicher Prüfung auch stand.

Die Voraussetzungen für ein Zustandekommen des Versicherungsvertrages sind hier erfüllt. Nach den für das Revisionsverfahren bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts erhielt d. VN mit dem Versicherungsschein die Versicherungsbedingungen sowie eine Verbraucherinformation und wurde ordnungsgemäß über sein Widerspruchsrecht belehrt (vgl. Senatsurteil vom 13. Juli 2016 - IV ZR 541/15, [...] Rn. 11 und bereits Senatsurteil vom 14. Oktober 2015 - IV ZR 359/13, r+s 2015, 596 Rn. 11). Bis zum Ablauf der damit in Gang gesetzten 14-tägigen Widerspruchsfrist erklärte d. VN den Widerspruch nicht.

Ob solchermaßen nach dem Policenmodell geschlossene Versicherungsverträge wegen Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des § 5a VVG a.F. Wirksamkeitszweifeln unterliegen (vgl. dazu Senatsurteil vom 16. Juli 2014 - IV ZR 73/13, BGHZ 202, 102 Rn. 16 ff.; BVerfG VersR 2015, 693 Rn. 30 ff.), kann im Streitfall dahinstehen. Die von der Revision begehrte Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union scheidet bereits deshalb aus, weil es auf die Frage, ob das Policenmodell mit den genannten Richtlinien unvereinbar ist, hier nicht entscheidungserheblich ankommt. D. VN ist es auch im Falle einer unterstellten Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des Policenmodells nach Treu und Glauben wegen widersprüchlicher Rechtsausübung verwehrt, sich nach jahrelanger Durchführung des Vertrages auf dessen angebliche Unwirksamkeit zu berufen und daraus Bereicherungsansprüche herzuleiten. Die Treuwidrigkeit liegt darin, dass d. VN nach ordnungsgemäßer Belehrung über die Möglichkeit, den Vertrag ohne Nachteile nicht zustande kommen zu lassen, diesen jahrelang unter regelmäßiger Prämienzahlung durchführte und erst dann von dem Versicherer, der auf den Bestand des Vertrages vertrauen durfte, unter Berufung auf die behauptete Unwirksamkeit des Vertrages Rückzahlung aller Prämien verlangte (vgl. im Einzelnen zu den Maßstäben Senatsurteil vom 16. Juli 2014 aaO Rn. 32-42; BVerfG aaO Rn. 42 ff.).

D. VN verhielt sich objektiv widersprüchlich. Die zumindest vertraglich eingeräumte und bekannt gemachte Widerspruchsfrist ließ er bei Vertragsschluss 1997 ungenutzt verstreichen. D. VN zahlte über Jahre die Versicherungsprämien, erklärte dann im Jahr 2007 die Kündigung des Versicherungsvertrages und erst im Jahr 2011 den Widerspruch. Die jahrelangen Prämienzahlungen des bereits 1997 über die Möglichkeit, den Vertrag nicht zustande kommen zu lassen, belehrten VN haben bei dem Versicherer ein schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand des Vertrages begründet. Diese vertrauensbegründende Wirkung war für d. VN auch erkennbar.

Die Frage einer möglichen Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union in einem Fall, in dem kein widersprüchliches Verhalten des Versicherungsnehmers festgestellt werden kann, stellt sich im Streitfall nicht.

Vorinstanz: LG Köln, vom 02.11.2015 - Vorinstanzaktenzeichen 26 O 83/15
Vorinstanz: OLG Köln, vom 11.03.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 20 U 213/15