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BSG - Entscheidung vom 31.10.2005

B 7a AL 14/05 B

Normen:
GG Art. 103 Abs. 1
SGG § 62 § 111 Abs. 1 S. 1
StVollzG § 36

BSG, Beschluß vom 31.10.2005 - Aktenzeichen B 7a AL 14/05 B

DRsp Nr. 2006/679

Anspruch Strafgefangener auf rechtliches Gehör im sozialgerichtlichen Verfahren

Der in Art. 103 GG verfassungsrechtlich verankerte Anspruch auf rechtliches Gehör wird durch einen Strafvollzug nicht ausgeschlossen. Der Strafgefangene hat jedoch darzulegen, dass er seinerseits durch entsprechende Anträge bei der Strafvollzugsbehörde alles Zumutbare getan hat, an der mündlichen Verhandlung teilnehmen zu können. [Nicht amtlich veröffentlichte Entscheidung]

Normenkette:

GG Art. 103 Abs. 1 ; SGG § 62 § 111 Abs. 1 S. 1 ; StVollzG § 36 ;

Gründe:

I

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Aufrechnung.

Mit Bescheiden vom 7. August 2001 setzte die Beklagte die Arbeitslosenhilfe (Alhi) für die Zeit vom 2. Oktober 1998 bis 11. November 1998 sowie vom 4. März 1999 bis 25. Februar 2001 neu fest. Den Nachzahlungsbetrag in Höhe von 4.697,44 DM rechnete sie mit einer bestandskräftigen Erstattungsforderung in Höhe von 9.864,30 DM auf. Das Landessozialgericht (LSG) hat in Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Bescheide der Beklagten insoweit aufgehoben, als die Beklagte gegen den Anspruch auf Nachzahlung der Alhi in Höhe eines Betrages von mehr als 2.348,72 DM (1.200,88 Euro) aufgerechnet hatte, und im Übrigen die Berufung zurückgewiesen.

Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision rügt der Kläger, der sich im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren in Strafhaft befand, eine Verletzung des rechtlichen Gehörs sowie der Amtsermittlungspflicht. Das LSG habe sein persönliches Erscheinen zur mündlichen Verhandlung verhindert, da es seinem Antrag, ein entsprechendes Vorführungsersuchen an die Justizvollzugsanstalt zu richten, nicht nachgekommen sei. Zudem sei das LSG seinem Beweisantrag, ihn wegen des Doppelbezugs von Leistungen, der daraus resultierenden Mitwirkungs- und Anzeigepflichten sowie wegen der unzureichenden Aufklärung durch die Beklagte zu hören, nicht nachgekommen.

II

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil der geltend gemachte Zulassungsgrund des Verfahrensfehlers nicht in der erforderlichen Weise bezeichnet ist (§ 160 Abs 2 Nr 3 Sozialgerichtsgesetz >SGG<). Der Senat konnte deshalb über die Beschwerde ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter gemäß § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG iVm § 169 SGG entscheiden.

Soweit der Kläger eine Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs rügt (§ 62 SGG , Art 103 Grundgesetz >GG<), hat er die den Verfahrensmangel vermeintlich begründenden Tatsachen nicht hinreichend dargelegt. Zwar steht auch einem der Strafvollstreckung unterliegenden Prozessbeteiligten das Recht zur Teilnahme an der mündlichen Verhandlung zu; der in Art 103 GG verfassungsrechtlich verankerte Anspruch auf rechtliches Gehör wird durch den Strafvollzug nicht ausgeschlossen (vgl BSGE 12, 9, 12); doch hätte der Beschwerdeführer darlegen müssen, dass er seinerseits durch entsprechende Anträge bei der Strafvollzugsbehörde alles Zumutbare getan hat, an der mündlichen Verhandlung teilnehmen zu können. Denn nach § 36 des Strafvollzugsgesetzes und den hierzu ergangenen Verwaltungsvorschriften ist es Sache des Gefangenen, die Teilnahme an einem gerichtlichen Termin zu beantragen (vgl BSG, Urteil vom 21. Juni 1983 - 4 RJ 3/83).

Soweit der Kläger der Ansicht ist, vorliegend habe sich das LSG nicht darauf beschränken dürfen, ihn nach § 110 SGG zum Termin zu laden, sondern sein persönliches Erscheinen anordnen müssen, hätte er darzulegen gehabt, warum das LSG insoweit von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (>BSG< aaO) hätte abweichen müssen, nach der das LSG zur Anordnung des persönlichen Erscheinens nicht verpflichtet ist.

Soweit der Kläger eine fehlerhafte Sachaufklärung rügt, sind seine Darlegungen ebenfalls unzureichend. Es ist schon zweifelhaft, ob er einen bestimmten Beweisantrag iS von §§ 373 , 403 Zivilprozessordnung iVm § 118 SGG bezeichnet hat oder ob sich sein Vortrag nicht nur auf eine in diesem Zusammenhang unerhebliche Anregung zu weiterer Beweiserhebung bezieht (vgl zu den Unterschieden BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 9). Erforderlich ist jedenfalls weiter die Darlegung, dass ein solcher Beweisantrag auch noch bei den Schlussanträgen in der mündlichen Verhandlung des Berufungsverfahrens aufrechterhalten, dh zumindest hilfsweise gestellt worden ist (vgl BSG SozR 3-1500 § 124 Nr 3; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 29). Zu solchem genaueren Vorbringen bestand hier Anlass, weil der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG durch einen anwaltlichen Prozessbevollmächtigten vertreten war; dieser hat trotz seiner noch kurz zuvor bei Gericht eingereichten schriftlichen Unterlagen in der mündlichen Verhandlung lediglich einen Sachantrag gestellt. Eine besondere Hinweispflicht des Gerichts besteht bei klar gefassten Anträgen rechtskundig vertretener Beteiligter regelmäßig nicht (vgl Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG , 8. Aufl 2005, § 106 , RdNr 5a mwN). Denn nach Sinn und Zweck des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG soll das Übergehen von Beweisanträgen die Revisionsinstanz nur dann eröffnen, wenn das Tatsachengericht vor seiner Entscheidung durch den Beweisantrag ausdrücklich darauf hingewiesen worden ist, dass der Beteiligte die Sachaufklärungspflicht des Gerichts (§ 103 SGG ) nicht als erfüllt ansieht (BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 9; SozR 3-1500 § 160 Nr 31).

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Rheinland-Pfalz, vom 25.11.2004 - Vorinstanzaktenzeichen L 1 AL 95/03
Vorinstanz: SG Koblenz - S 11 AL 374/01 - 26.06.200,