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BVerfG - Entscheidung vom 22.11.2022

1 BvQ 81/22

Normen:
BVerfGG § 19 Abs. 1
BVerfGG § 19 Abs. 2 S. 1
BVerfGG § 32 Abs. 1
SGB VIII § 42
BVerfGG § 19 Abs. 1
BVerfGG § 19 Abs. 2 S. 1
BVerfGG § 32 Abs. 1
SGB VIII § 42
BVerfGG § 19 Abs. 1

BVerfG, Beschluss vom 22.11.2022 - Aktenzeichen 1 BvQ 81/22

DRsp Nr. 2023/288

Verwerfung eines Ablehnungsgesuchs gegen Richter als unzulässig

Tenor

Das Ablehnungsgesuch gegen den Präsidenten Harbarth, die Richterin Britz und den Richter Radtke wird als unzulässig verworfen.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Normenkette:

BVerfGG § 19 Abs. 1 ;

[Gründe]

Die Antragstellenden lehnen den Präsidenten Harbarth, die Richterin Britz und den Richter Radtke wegen Vorbefassung in dem Verfahren 1 BvR 2105/20 ab. In der Sache wenden sie sich zum wiederholten Mal gegen das Tätigwerden von freien Trägern und nicht in einem Beamtenverhältnis stehenden Bediensteten im Bereich des § 42 Achten Buchs Sozialgesetzbuch ( SGB VIII ).

Sowohl das Ablehnungsgesuch als auch das wegen der Bezugnahme auf § 32 BVerfGG in der Antragsschrift als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu verstehende Sachanliegen der Antragstellenden bleiben ohne Erfolg.

I.

Das Ablehnungsgesuch ist insgesamt offensichtlich unzulässig. Es enthält lediglich Ausführungen, die zur Begründung der Besorgnis der Befangenheit gänzlich ungeeignet sind. In einem solchen Fall sind die abgelehnten Richter nicht von der Entscheidung über das offensichtlich unzulässige Ablehnungsgesuch ausgeschlossen; es bedarf dann auch keiner vorherigen Einholung von dienstlichen Stellungnahmen (vgl. BVerfGE 153, 72 <73 Rn. 3>; stRspr).

Soweit es sich gegen den Präsidenten Harbarth richtet, ist es offensichtlich unzulässig, weil der Abgelehnte nicht Mitglied der hier zur Entscheidung berufenen 3. Kammer des Ersten Senats und deswegen nicht zur Mitwirkung im hiesigen Verfahren berufen ist (vgl. BVerfGE 131, 239 <252>; 133, 377 <405 Rn. 67>; 142, 1 <4 f. Rn. 12>).

Das die Richterin Britz und den Richter Radtke betreffende Ablehnungsgesuch ist ebenfalls offensichtlich unzulässig. Die Antragstellenden stützen es allein auf solche Gründe, die zur Begründung der Besorgnis der Befangenheit von vornherein ungeeignet sind. Denn die Mitwirkung an einer Entscheidung in einem vorangegangenen Verfassungsbeschwerdeverfahren desselben Beschwerdeführers kann für sich die Besorgnis der Befangenheit im Sinne des § 19 BVerfGG offensichtlich nicht begründen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 22. April 2020 - 1 BvR 635/20 -, Rn. 5; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 15. Januar 2021 - 2 BvR 2263/20 -, juris, Rn. 5; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 12. August 2022 - 1 BvQ 54/22 -, Rn. 2; stRspr). Dass die Antragstellenden die unter Mitwirkung der von ihr abgelehnten Richterin und des abgelehnten Richters getroffenen Entscheidungen in früheren Verfahren für unzutreffend halten, ändert hieran nichts. Denn ansonsten liefe das Verfahren über die Richterablehnung auf eine Fehlerkontrolle hinaus. Diesem Zweck dient es jedoch nicht (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 22. April 2020 - 1 BvR 635/20 -, Rn. 5; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 15. Januar 2021 - 2 BvR 2263/20 -, juris, Rn. 5).

II.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, über den wegen der offensichtlichen Unzulässigkeit des Befangenheitsgesuchs gemeinsam mit der Entscheidung darüber befunden werden kann, ist ebenfalls unzulässig.

Er genügt den spezifischen Begründungsanforderungen eines auf den Erlass einer einstweiligen Anordnung (§ 32 Abs. 1 BVerfGG ) gerichteten Antrags schon deshalb nicht, weil er nicht erkennen lässt, ob eine in der Hauptsache zu erhebende Verfassungsbeschwerde weder unzulässig noch offensichtlich unbegründet wäre (vgl. BVerfG, Beschlüsse der 1. Kammer des Ersten Senats vom 28. September 2020 - 1 BvQ 106/20 -, Rn. 3 und vom 24. Februar 2022 - 1 BvQ 12/22 -, Rn. 3 jeweils m.w.N.). So fehlt es unter anderem an jeglicher Auseinandersetzung mit § 76 Abs. 1 SGB VIII , der ausdrücklich regelt, dass auch Träger der freien Jugendhilfe an den Aufgaben des Jugendamts nach § 42 SGB VIII beteiligt oder ihnen diese Aufgaben übertragen werden können, wobei nach § 76 Abs. 2 SGB VIII der Träger der öffentlichen Jugendhilfe für die Erfüllung der Aufgaben verantwortlich bleibt. Zudem geht die Antragsbegründung auch nicht darauf ein, dass das Bundesverfassungsgericht sich bereits mit der Inobhutnahme nach § 42 SGB VIII als hoheitliche Aufgabe der Staatsverwaltung durch das Jugendamt auseinandergesetzt und dabei keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Vorschrift geäußert hat (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 15. Dezember 2020 - 1 BvR 1395/19 -, Rn. 37). Ohne solche hier auf der Hand liegenden Erwägungen zu den von den Antragstellenden beanstandeten rechtlichen Regelungen und ihrer Anwendung in der Freien und Hansestadt Hamburg wäre eine dagegen gerichtete Verfassungsbeschwerde offensichtlich erfolglos.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.