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BSG - Entscheidung vom 29.12.2022

B 5 R 195/22 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3
SGG § 160a Abs. 2 S. 3
SGG § 103

BSG, Beschluss vom 29.12.2022 - Aktenzeichen B 5 R 195/22 B

DRsp Nr. 2023/1776

Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde im sozialgerichtlichen Verfahren Bezeichnung des Verfahrensmangels einer Verletzung der Amtsermittlungspflicht

Der Verfahrensmangel einer Verletzung der Amtsermittlungspflicht wird nicht ausreichend bezeichnet, wenn dem Vortrag schon nicht entnommen werden kann, dass vor dem LSG ein prozessordnungsgemäßer Beweisantrag gestellt und bis zuletzt aufrechterhalten worden ist.

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 5. Oktober 2022 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3 ; SGG § 160a Abs. 2 S. 3; SGG § 103 ;

Gründe

I

Die als Angehörige des Volks der Uiguren in China aufgewachsene, im Jahr 2001 nach Deutschland übergesiedelte Klägerin begehrt eine Rente wegen Erwerbsminderung ua aufgrund von psychischen Beeinträchtigungen, die sie auf Maßnahmen der chinesischen Behörden gegen ihre Familie im Jahr 1997 zurückführt. Ihr Rentenantrag vom Mai 2017 blieb ohne Erfolg (Bescheid vom 21.2.2018, Widerspruchsbescheid vom 10.8.2018, Gerichtsbescheid des SG vom 7.9.2020, LSG-Urteil vom 5.10.2022). Das LSG hat ausgeführt, dass es auf den aktuellen Gesundheitszustand der Klägerin aus Rechtsgründen nicht ankomme, weil sie seit November 2021 die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsminderung nicht mehr erfülle. Hinsichtlich der vor diesem Zeitpunkt liegenden Zeiträume habe das bereits im Verwaltungsverfahren eingeholte Gutachten des Facharztes für Physikalische und Rehabilitative Medizin K vom 14.2.2018 einleuchtend aufgezeigt, dass bei der Klägerin noch ein wenigstens sechsstündiges Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bestehe. Weitere Ermittlungen des Gerichts insbesondere zu den angegebenen traumatischen Erfahrungen in China seien nicht durchzuführen gewesen, zumal die Klägerin die Aufklärungsverfügung des Senats vom 14.2.2022 weitgehend unbeantwortet gelassen habe.

Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG hat die Klägerin Beschwerde beim BSG eingelegt. Sie rügt einen Verfahrensmangel.

II

Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig. Ihre Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen. Die Klägerin hat einen Verfahrensmangel nicht hinreichend bezeichnet. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.

Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde damit begründet, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne 160 Abs 2 Nr 3 SGG ), so müssen zur Bezeichnung des Verfahrensmangels 160a Abs 2 Satz 3 SGG ) zunächst die Umstände, aus denen sich der Verfahrensfehler ergeben soll, substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist es erforderlich darzulegen, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung der Klägerin nicht gerecht. Sie macht sinngemäß eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht (vgl § 103 SGG ) geltend. Das LSG habe ihre Beweisanträge auf Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens vom 25.10.2018 (noch vor dem SG ) und vom 28.9.2021 nicht umgesetzt, obwohl sie ihre gesundheitliche Lage dort substantiiert dargelegt habe. Das LSG-Urteil lasse auch erkennen, dass es auf eine aktuelle medizinische Beurteilung ihres Gesundheitszustands ankomme.

Diesem Vortrag der Klägerin (im Umfang von lediglich einer halben Seite) kann schon nicht entnommen werden, dass sie vor dem LSG einen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag gestellt und bis zuletzt aufrechterhalten habe (zu den Anforderungen an die formgerechte Rüge einer Verletzung der Sachaufklärungspflicht vgl zB BSG Beschluss vom 26.10.2022 - B 5 R 135/22 B - juris RdNr 7 f; Meßling in Krasney/Udsching/Groth/Meßling, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 8. Aufl 2022, Kap IX RdNr 132 ff). Überdies setzt sie sich mit den Gründen, die das LSG dafür angeführt hat, dass es keine weitere Sachaufklärung vorgenommen habe, nicht einmal ansatzweise auseinander.

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ).

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Niedersachsen-Bremen, vom 05.10.2022 - Vorinstanzaktenzeichen 2/12 R 130/20
Vorinstanz: SG Bremen, vom 07.09.2020 - Vorinstanzaktenzeichen 31 R 248/18