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BSG - Entscheidung vom 01.06.2021

B 14 AS 405/20 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3

BSG, Beschluss vom 01.06.2021 - Aktenzeichen B 14 AS 405/20 B

DRsp Nr. 2021/11311

Verfahrensrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren Schlüssige Bezeichnung eines Verfahrensmangels

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 24. September 2020 - L 8 AS 267/15 - wird als unzulässig verworfen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3 ;

Gründe

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der bezeichneten Entscheidung des LSG ist ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter als unzulässig zu verwerfen 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG ). Die geltend gemachten Zulassungsgründe des Verfahrensmangels und der grundsätzlichen Bedeutung hat der Kläger in der Begründung der Beschwerde nicht schlüssig bezeichnet bzw dargelegt 160a Abs 2 Satz 3 SGG ).

Der Begründung der Beschwerde mit dem Antrag, die Revision zuzulassen (vgl zur unschädlichen Falschbezeichnung beim Antrag "die Berufung zuzulassen" BSG vom 28.5.2013 - B 5 R 38/13 B) ist kein Verfahrensmangel zu entnehmen, auf dem iS des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG die angefochtene Entscheidung des LSG beruhen kann. Die schlüssige Bezeichnung eines Verfahrensmangels erfordert zumindest, dass in der Beschwerdebegründung die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden (vgl nur Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG , 13. Aufl 2020, § 160a RdNr 16). Daran fehlt es hier.

Der Kläger macht geltend, das LSG habe - dem SG folgend - gegen § 123 SGG (iVm § 106 Abs 1 SGG und Art 19 Abs 4 GG ) verstoßen, indem es sein Klagebegehren im Verfahren S 3 AS 475/09 auf höheres Alg II für die Monate September und November 2008 beschränkt gesehen habe. Daher habe das SG rechtswidrig nur über diese Monate entschieden. Das LSG habe diesen Fehler nicht durch eine sachgerechte Auslegung des von ihm - dem Kläger - Gewollten korrigiert.

Zwar kann ausnahmsweise auch ein Verfahrensmangel die Zulassung der Revision rechtfertigen, der dem SG unterlaufen ist, wenn dieser fortwirkt und insofern ebenfalls als Mangel des LSG anzusehen ist (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG , 13. Aufl 2020, § 160 RdNr 16a mwN). Aus der Beschwerdebegründung ergibt sich jedoch schon nicht, aufgrund welcher Umstände das SG wegen der Ausführungen des rechtskundig vertretenen Klägers im erstinstanzlichen Verfahren Anlass zur vom Vortrag abweichenden Würdigung des Klagebegehrens hätte haben müssen (vgl zur Auslegung von Prozesserklärungen von Rechtsanwälten oder vergleichbar qualifizierten Prozessbevollmächtigten BSG vom 12.12.2019 - B 10 EG 3/19 B - RdNr 9 mwN). Den Inhalt des eigenen Schriftsatzes vom 7.1.2010, dass der Klageantrag auf ein Leistungsbegehren für September und November 2008 korrigiert werde, gibt auch die Beschwerdebegründung wieder. Soweit der Kläger vorbringt, er habe im Berufungsverfahren vorgetragen, dass er dabei von einem falschen Sachverhalt ausgegangen sei, setzt sich im Weiteren aber nicht mit den engen Voraussetzungen des Widerrufs prozessualer Erklärungen auseinander (vgl Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG , 13. Aufl 2020, § 102 RdNr 7a mwN), was für die formgerechte Darlegung eines Verfahrensmangels erforderlich gewesen wäre. Soweit der Kläger vorbringt, in der mündlichen Verhandlung beim LSG sei sein zeitlich nicht beschränkter Antrag als zeitlich beschränkter Antrag (auf zwei Monate) ausgelegt worden und das LSG habe auch nur über diese zwei Monate entschieden, steht das Vorbringen in Widerspruch zur eigenen Wiedergabe des LSG-Urteils, wonach dem Klagebegehren für weitere Monate bestandskräftige Entscheidungen entgegenstünden, was dessen Unzulässigkeit zur Folge habe, vermag also einen Verfahrensmangel ebenfalls nicht schlüssig zu begründen.

Soweit der Kläger einen Verstoß gegen § 114 Abs 2 SGG damit begründet, schon das SG habe das Verfahren S 3 AS 475/09 aussetzen müssen, weil nach seiner Auffassung der Ablehnungsbescheid vom 9.2.2009 ein Gegenstandbescheid nach § 86 SGG geworden sei und der Beklagte über diesen Bescheid in dem der Klage S 3 AS 475/09 vorausgegangenen Widerspruchsverfahren noch nicht entschieden habe und dieser Verfahrensfehler habe sich beim LSG fortgesetzt, zeigt der von ihm zur näheren Begründung vorgetragene Verfahrensablauf einen solchen Verfahrensmangel nicht nachvollziehbar auf.

Der Kläger schildert zwar, er habe nach einem Hinweis des Berichterstatters beim LSG im Jahr 2020 zu einer Klagebeschränkung auf September und November 2008 und höhere Leistungsansprüche für diese Monate unter Berücksichtigung von jeweils 50 Euro Brennholzkosten sowie den Erlass entsprechender Änderungsbescheide darauf hingewiesen, dass das SG über einen Bescheid zur Ablehnung höherer Leistungen nach nachträglich angezeigten weiteren Bedarfen für Heizung nicht entschieden habe. Es fehlt aber an Ausführungen dazu, dass das LSG wegen des Gegenstands der erstinstanzlichen Urteils aus dem Jahr 2015, des Berufungsverfahrens bei Einlegung der Berufung und der eingetretenen Bestandskraft von Bescheiden für August, Oktober und Dezember 2008 sowie Januar 2009 bei seiner Entscheidung hätte davon ausgehen müssen, dass ein Vorverfahren nachzuholen gewesen wäre.

Auch der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache ist nicht hinreichend dargetan. Die Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) erfordert die Formulierung einer bestimmten abstrakten Rechtsfrage, der in dem Rechtsstreit eine grundsätzliche, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung beigemessen wird (vgl BSG vom 16.11.1987 - 5b BJ 118/87 - SozR 1500 § Nr 60). Die abstrakte Rechtsfrage ist klar zu formulieren, um an ihr die weiteren Voraussetzungen für die Revisionszulassung prüfen zu können (vgl Krasney in Krasney/Udsching, Hdb SGG , 7. Aufl 2016, IX. Kap, RdNr 181). Es ist aufzuzeigen, dass die Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse erforderlich (klärungsbedürftig) und die Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (klärungsfähig) ist (vgl BSG vom 16.12.1993 - 7 BAr 126/93 - SozR 3-1500 § Nr 16). Schließlich hat ein Beschwerdeführer zur Darlegung der Entscheidungserheblichkeit den nach seiner Auffassung vom Revisionsgericht einzuschlagenden Weg der Nachprüfung des angefochtenen Urteils und dabei insbesondere den Schritt darzustellen, der die Entscheidung der als grundsätzlich bezeichneten Rechtsfrage notwendig macht (vgl BSG vom 25.10.1978 - 8/3 BK 28/77 - SozR 1500 § Nr 31).

Diesen Darlegungsanforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Als grundsätzlich klärungsbedürftig erachtet sie die Frage: "Gilt das Vor[ver]fahren dann als vollständig durchgeführt, wenn der Gegenstandsbescheid von der Widerspruchsbehörde nicht als solcher erkannt wird, für diesen deshalb ein separates Vorverfahren durchgeführt und in diesem über ihn entschieden wird?". Angesichts des Verfahrensablaufs und der von dem Beklagten im Berufungsverfahren bewilligten weiteren Leistungen für September und November 2008 fehlen in der Beschwerdebegründung Ausführungen dazu, dass die Rechtsfrage entscheidungserheblich ist, weil es hierauf in einem Revisionsverfahren noch ankäme. Soweit der Kläger Ausführungen unter dem von ihm gewählten Stichwort der Entscheidungserheblichkeit vornimmt, handelt es sich um Vortrag zur Klärungsfähigkeit, der Vorbringen zur Entscheidungserheblichkeit nicht ersetzt.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183 , 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Mecklenburg-Vorpommern, vom 24.09.2020 - Vorinstanzaktenzeichen 8 AS 267/15
Vorinstanz: SG Neubrandenburg, vom 24.03.2015 - Vorinstanzaktenzeichen 3 AS 475/09