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BSG - Entscheidung vom 07.09.2021

B 5 R 128/21 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3
SGG § 103

BSG, Beschluss vom 07.09.2021 - Aktenzeichen B 5 R 128/21 B

DRsp Nr. 2021/15538

Rente wegen voller Erwerbsminderung Verfahrensrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 31. März 2021 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3 ; SGG § 103 ;

Gründe

I

Der Kläger begehrt eine Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung auf Dauer bereits ab dem 1.7.2010. Das SG hat die ablehnenden Entscheidungen der Beklagten aufgehoben und diese verpflichtet, dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 1.5.2012 bis zum 31.10.2016 zu gewähren (Urteil vom 18.3.2016). Auf die Berufung des Klägers hat das LSG diese Entscheidung geändert und die Beklagte verpflichtet, die Rente wegen voller Erwerbsminderung bereits ab dem 1.9.2011, aber ebenfalls befristet bis zum 31.10.2016 zu bewilligen (Urteil vom 31.3.2021).

Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG hat der Kläger beim BSG Beschwerde eingelegt. Er rügt Verfahrensmängel.

II

Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist. Der Kläger hat einen Verfahrensmangel (Revisionszulassungsgrund nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ) nach Maßgabe der Erfordernisse des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG nicht ausreichend bezeichnet. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.

Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne 160 Abs 2 Nr 3 SGG ), so müssen zur Bezeichnung des Verfahrensmangels 160a Abs 2 Satz 3 SGG ) zunächst die den Verfahrensfehler (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist es erforderlich darzulegen, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung des Klägers nicht gerecht.

a) Der Kläger beanstandet zunächst, die Berichterstatterin habe in unzulässiger Weise an dem Beschluss des LSG vom 1.3.2021 über das gegen sie angebrachte Ablehnungsgesuch im Parallelverfahren L 1 R 181/16 (hinsichtlich der Umdeutung eines Reha-Antrags in einen Antrag auf Erwerbsminderungsrente) mitgewirkt. Das LSG habe es versäumt zu klären, ob sich das Gesuch nur auf das dort genannte Verfahren oder auch auf die Parallelverfahren bezogen habe. Da insoweit ein separates Beschwerdeverfahren gemäß § 177 SGG ausgeschlossen sei, müsse das revisionsrechtlich gerügt werden.

Mit diesem Vorbringen ist ein Verfahrensmangel, auf dem die hier angegriffene Entscheidung des LSG im Verfahren L 1 R 180/16 beruhen kann, nicht schlüssig bezeichnet. Zwar hat der Kläger nachvollziehbar vorgetragen, dass die beglaubigte Abschrift des im Parallelverfahren L 1 R 181/16 am 1.3.2021 ergangenen Beschlusses durch die Wiedergabe der Unterschrift ("gez. M") den Eindruck erweckt, die Berichterstatterin des dortigen Verfahrens habe auch an der Entscheidung über ihre Ablehnung mitgewirkt, obwohl sie im Rubrum des Beschlusses nicht genannt sei. Es fehlen aber bereits Angaben dazu, ob die gebotenen Nachforschungen zur Aufklärung dieser Diskrepanz ergeben haben, dass die genannte Berichterstatterin den Beschluss tatsächlich unterzeichnet hat oder ob - was gleichfalls in Frage kommt - lediglich die beglaubigte Abschrift fehlerhaft unter Verwendung der ansonsten zutreffenden Besetzung des Senats angefertigt worden ist.

Ungeachtet dessen betrifft der vorgetragene Fehler den Beschluss vom 1.3.2021 im Verfahren L 1 R 181/16. Zu dem für die Nichtzulassungsbeschwerde allein bedeutsamen Verfahren L 1 R 180/16 ergibt sich aus dem Vortrag des Klägers lediglich, er sei der Meinung, dass sich sein Befangenheitsantrag "auf alle Verfahren bezog". Dem lässt sich bei wohlwollender Würdigung die Rüge entnehmen, das LSG habe im Verfahren L 1 R 180/16 in der Sache entschieden, ohne zuvor über einen zumindest sinngemäß auch in diesem Verfahren angebrachten Ablehnungsantrag gegen die Mitwirkung der genannten Richterin ausdrücklich zu befinden. Es fehlen aber schlüssige Darlegungen dazu, weshalb der Befangenheitsantrag vom 7.12.2020, der nach eigenem Vortrag des Klägers trotz mehrerer damals bereits vor dem LSG-Senat anhängiger Streitsachen ausdrücklich nur zum Aktenzeichen L 1 R 181/16 angebracht worden ist, auch im Verfahren L 1 R 180/16 als gestellt hätte angesehen werden müssen. Nähere Ausführungen hierzu wären schon deshalb angezeigt gewesen, weil einem erwähnten Antrag auf Verbindung der Verfahren vom 18.11.2018 offenbar nicht entsprochen und zudem das Verfahren L 1 R 180/16 - anders als die anderen beiden Verfahren - von einem Prozessbevollmächtigten betrieben wurde. Der Beschwerdebegründung kann auch nicht entnommen werden, ob der Kläger nach Erhalt des Beschlusses vom 1.3.2021 zum Ablehnungsgesuch im Verfahren L 1 R 181/16 bis zur Entscheidung in der mündlichen Verhandlung vom 31.3.2021 im Verfahren L 1 R 180/16 nochmals vorgetragen und darauf hingewiesen hat, dass auch hier noch über ein Ablehnungsgesuch zu entscheiden sei.

Die Beschwerdebegründung zeigt aber auch nicht auf, welche Gründe im Einzelnen für eine Besorgnis der Befangenheit der Richterin in diesem Verfahren vorlagen (zu den erforderlichen Darlegungen für eine solche Rüge vgl BSG Beschluss vom 27.6.2019 - B 5 R 1/19 B - juris RdNr 5 ff), insbesondere nachdem sich der Beschluss vom 1.3.2021 mit den im Ablehnungsgesuch vom 7.12.2020 vorgetragenen Gründen ausführlich befasst hatte. Soweit das Vorbringen so zu verstehen sein sollte, dass die Besorgnis der Befangenheit im Verfahren L 1 R 180/16 gerade aus einer unzulässigen Mitwirkung an dem Beschluss vom 1.3.2021 im Parallelverfahren L 1 R 181/16 herrührt, fehlen - wie bereits ausgeführt - schlüssige Angaben dazu, dass die Richterin tatsächlich an jenem Beschluss in verfahrensfehlerhafter Weise mitgewirkt hat.

b) Weiterhin rügt der Kläger eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht nach § 103 SGG . Hierzu muss die Beschwerdebegründung jeweils folgende Punkte enthalten: (1) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren, bis zum Schluss aufrechterhaltenen Beweisantrags, dem das LSG nicht gefolgt ist, (2) Wiedergabe der Rechtsauffassung des LSG, aufgrund derer bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen, (3) Darlegung der von dem betreffenden Beweisantrag berührten Tatumstände, die zu weiterer Sachaufklärung Anlass gegeben hätten, (4) Angabe des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme und (5) Schilderung, dass und warum die Entscheidung des LSG auf der angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das LSG mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der unterlassenen Beweisaufnahme von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis hätte gelangen können (stRspr; vgl BSG Beschluss vom 12.12.2003 - B 13 RJ 179/03 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 5 mwN; BSG Beschluss vom 3.4.2020 - B 9 SB 71/19 B - juris RdNr 8; BSG Beschluss vom 20.1.2021 - B 5 R 248/20 B - juris RdNr 7; Fichte in Fichte/Jüttner, SGG , 3. Aufl 2020, § 160a RdNr 56; Voelzke in jurisPK- SGG , § 160a RdNr 167, Stand 14.10.2020).

Der Kläger trägt vor, er habe in seinen Schriftsätzen vom 20.3.2017 und vom 14.10.2017 "die Anhörung der Fr. S vom MVZ" beantragt. Aus der Bezugnahme des LSG auf den Befundbericht von Sp vom 10.2.2011, der sich wiederum auf ein am 29.12.2010 angefertigtes MRT beziehe, ergebe sich, dass die volle Erwerbsminderung spätestens am 1.7.2011 eingetreten und die Bestimmung des Rentenbeginns im angefochtenen Urteil deshalb falsch sei. Aus diesen Darlegungen erschließt sich schon nicht, zu welchen Punkten S hätte angehört werden sollen und ob dieser Antrag aus dem Jahr 2017 bis zum Schluss des Berufungsverfahrens aufrechterhalten worden ist. Zudem bleibt unklar, weshalb die unterbliebene Anhörung von S ursächlich für die Entscheidung des LSG gewesen sein könnte. Das LSG hat eine volle Erwerbsminderung des Klägers bereits ab dem 10.2.2011 bejaht und deshalb die Beklagte zur Bewilligung der Rente ab dem 1.9.2011 verurteilt. Es hat dabei die Einschätzung von S, die eine Belastbarkeit des Klägers noch im Juli 2011 angenommen hatte, als "in Anbetracht des pathologischen psychischen Befundes nicht nachvollziehbar" zurückgewiesen. Im Übrigen würde die Ansicht des Klägers, die volle Erwerbsminderung sei bei ihm jedenfalls am 1.7.2011 eingetreten, gemäß § 101 Abs 1 SGB VI dazu führen, dass eine befristete Rente wegen Erwerbsminderung erst ab dem 1.2.2012 zu leisten wäre.

Soweit der Kläger mit seinem Vorbringen im Kern eine unzutreffende Auswertung des Befundberichts von Sp durch das LSG rügt, kann hierauf im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde ein Verfahrensmangel nicht gestützt werden (vgl § 160 Abs 2 Nr Teilsatz 2 iVm § 128 Abs 1 Satz 1 SGG ) .

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ).

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Sachsen-Anhalt, vom 31.03.2021 - Vorinstanzaktenzeichen 1 R 180/16
Vorinstanz: SG Dessau-Roßlau, vom 18.03.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 1 R 603/13