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BSG - Entscheidung vom 15.07.2021

B 5 R 82/21 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3

BSG, Beschluss vom 15.07.2021 - Aktenzeichen B 5 R 82/21 B

DRsp Nr. 2021/14248

Rente wegen Erwerbsminderung Fehlende versicherungsrechtliche Voraussetzungen Verfahrensrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 30. März 2021 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3 ;

Gründe

I

Die Klägerin begehrt im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB X die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Sie war von 1973 bis 1988 als ungelernte Arbeiterin beschäftigt und anschließend bis 1996 als selbstständige Fuhrunternehmerin tätig. Diese Tätigkeit musste sie aufgrund eines im September 1996 erlittenen schweren Verkehrsunfalls aufgeben. Im Zeitraum von November 1992 bis Dezember 2004 wurden für die Klägerin keine Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet. Auch bei der Agentur für Arbeit war sie von 1998 bis 2004 nicht gemeldet. Sie bezog jedoch ab 1.1.2005 bis zum 31.8.2009 Arbeitslosengeld II und weist deshalb in dieser Zeit Pflichtbeitragszeiten zur Rentenversicherung auf.

Den ursprünglich im September 2008 von der Klägerin gestellten Rentenantrag, den sie mit einer Erwerbsminderung seit dem Arbeitsunfall im Jahr 1996 begründete, lehnte die Beklagte wegen fehlender versicherungsrechtlicher Voraussetzungen ab. Eine teilweise Erwerbsminderung bestehe bereits seit dem 17.9.1996. Die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Erwerbsminderungsrente wären nur erfüllt, wenn der Versicherungsfall frühestens am 15.12.2007 eingetreten wäre, was jedoch nicht der Fall sei. Die hiergegen erhobenen Rechtsbehelfe blieben ohne Erfolg (zuletzt Beschluss des Senats vom 27.8.2015 - B 5 R 116/15 B). Auch dem im September 2016 gestellten und hier streitbefangenen Überprüfungsantrag blieb der Erfolg versagt. Das LSG hat im Urteil vom 30.3.2021 ausgeführt, es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass sich der Gesundheitszustand der Klägerin seit dem Vorliegen einer vollen Erwerbsminderung vor dem 15.12.2007 später wesentlich gebessert habe. Ihr Vortrag zu einer richtungsweisenden Verschlimmerung des Gesundheitszustands in den Jahren 2008 bzw 2009 sei deshalb nicht entscheidungserheblich.

Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG hat die Klägerin beim BSG Beschwerde eingelegt. Sie rügt ausschließlich Verfahrensmängel.

II

Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist. Die Klägerin hat einen Verfahrensmangel iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG bezeichnet. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.

Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde damit begründet, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne 160 Abs 2 Nr 3 SGG ), so müssen zur Bezeichnung des Verfahrensmangels 160a Abs 2 Satz 3 SGG ) zunächst die den Verfahrensfehler (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist es erforderlich darzulegen, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung der Klägerin, die ausschließlich eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht nach § 103 SGG rügt, nicht gerecht.

Wird ein Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht geltend gemacht, muss die Beschwerdebegründung hierzu jeweils folgende Punkte enthalten: (1) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren, bis zum Schluss aufrechterhaltenen Beweisantrags, dem das LSG nicht gefolgt ist, (2) Wiedergabe der Rechtsauffassung des LSG, aufgrund derer bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen, (3) Darlegung der von dem betreffenden Beweisantrag berührten Tatumstände, die zu weiterer Sachaufklärung Anlass gegeben hätten, (4) Angabe des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme und (5) Schilderung, dass und warum die Entscheidung des LSG auf der angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das LSG mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der unterlassenen Beweisaufnahme von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis hätte gelangen können (stRspr, vgl BSG Beschluss vom 12.12.2003 - B 13 RJ 179/03 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 5 mwN; BSG Beschluss vom 3.4.2020 - B 9 SB 71/19 B - juris RdNr 8; BSG Beschluss vom 20.1.2021 - B 5 R 248/20 B - juris RdNr 7; Fichte in Fichte/Jüttner, SGG , 3. Aufl 2020, § 160a RdNr 56).

a) Die Klägerin führt zunächst aus, sie habe bereits im erstinstanzlichen Verfahren die Beiziehung und Verwertung ihrer Schwerbehindertenakte zum Beweis dafür beantragt, dass aus der Erhöhung des bei ihr anerkannten Grades der Behinderung (GdB) auf 70 rückwirkend zum 6.11.2008 und den dazu eingeholten Befundberichten eine maßgebliche Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ab diesem Zeitpunkt deutlich werde. Dieses Begehren habe sie im Schriftsatz vom 6.11.2019 gegenüber dem LSG ausdrücklich wiederholt. Dennoch lasse der Tatbestand des LSG-Urteils nicht erkennen, dass die Akte beigezogen und berücksichtigt worden sei. Das ergebe sich auch nicht aus einer kurzen Erwähnung dieser Thematik am Schluss der Entscheidungsgründe.

Dieser Vortrag lässt schon nicht erkennen, dass das von der Klägerin im Schriftsatz vom 6.11.2019 geltend gemachte Begehren auf Beiziehung der Schwerbehindertenakte bis zum Schluss, dh im Falle einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung 124 Abs 2 SGG ) auch noch bei Erklärung des Einverständnisses mit dieser Verfahrensweise aufrechterhalten worden ist (vgl zu diesem Erfordernis BSG Beschluss vom 25.11.2013 - B 13 R 339/13 B - juris RdNr 6 mwN). In welcher Weise sich das Berufungsverfahren in den mehr als sechzehn Monaten nach Absendung dieses Schriftsatzes bis zur Entscheidung des LSG am 30.3.2021 entwickelte, wird aus der Beschwerdebegründung nicht ersichtlich. Unabhängig davon erschließt sich aus der Beschwerdebegründung nicht, inwiefern der Nachweis einer richtungsweisenden Verschlechterung des Gesundheitszustands der Klägerin ab dem 6.11.2008 (aufgrund eines operativen Eingriffs am Kniegelenk und einer Hüft-Total-Endoprothese) als Beleg dafür dienen könnte, dass die bei der Klägerin vor dem 15.12.2007 bereits bestehenden erheblichen Gesundheitsstörungen (ua chronisches Schmerzsyndrom nach Mehrfachoperationen) ihre Erwerbsfähigkeit noch nicht in einem rentenberechtigenden Ausmaß beeinträchtigt haben.

b) Entsprechendes gilt, soweit die Klägerin rügt, dass das LSG entgegen ihrem im Schriftsatz vom 6.11.2019 gestellten Antrag kein weiteres Sachverständigengutachten auf internistischem Fachgebiet zur Abklärung der Auswirkungen des im Jahr 2009 erlittenen Herzinfarkts eingeholt hat. Auch insoweit ist nicht vorgetragen, inwiefern eine weitere Verschlechterung des Gesundheitszustands im Jahr 2009 belegen könnte, dass Ende 2007 bei der Klägerin noch keine Erwerbsminderung bestand.

c) Schließlich sieht die Klägerin eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht darin begründet, dass das LSG ihr in unzulässiger Weise eine Beweisführungspflicht auferlegt habe. Diese Rüge entspricht schon nicht den Vorgaben in § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG , nach denen eine Verletzung des § 103 SGG nur darauf gestützt werden kann, dass das LSG einem Beweisantrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Ungeachtet dessen kann dem Vorbringen der Klägerin nicht entnommen werden, inwiefern das LSG seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, die Klägerin müsse eine etwaige zwischenzeitliche Verbesserung ihres Gesundheitszustands nachweisen. Aus den Ausführungen im Berufungsurteil, die Klägerin habe selbst keine nachhaltige Besserung ihres Gesundheitszustands ab dem 15.12.2007 behauptet und dies sei auch für den Senat nicht ersichtlich (Urteilsumdruck Seite 10 oben), kann eine Umkehrung der Beweislast nicht hergeleitet werden. Letztlich würde eine fehlerhafte Ansicht des LSG zur Beweislast ohnehin keinen Verfahrensmangel begründen, sondern allenfalls zur materiellen Unrichtigkeit der Entscheidung führen (vgl Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl 2010, RdNr 532; s auch BSG Beschluss vom 17.7.2015 - B 11 AL 32/15 B - juris RdNr 9 mwN). Auf eine Fehlerhaftigkeit der Entscheidung des LSG im Einzelfall kann eine Nichtzulassungsbeschwerde indes nicht gestützt werden (stRspr, vgl zB BSG Beschluss vom 25.3.2021 - B 5 R 288/20 B - juris RdNr 14 mwN).

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ).

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Baden-Württemberg, vom 30.03.2021 - Vorinstanzaktenzeichen 10 R 3403/19
Vorinstanz: SG Stuttgart, vom 03.09.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 5 R 4870/18