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BSG - Entscheidung vom 29.07.2021

B 5 R 16/21 BH

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1

BSG, Beschluss vom 29.07.2021 - Aktenzeichen B 5 R 16/21 BH

DRsp Nr. 2021/13735

Gewährung einer höheren Regelaltersrente unter Berücksichtigung weiterer rentenrechtlicher Zeiten Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren

Tenor

Der Antrag des Klägers, ihm für eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 21. Januar 2021 - L 1 R 221/20 - vor dem Bundessozialgericht Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wird abgelehnt.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ;

Gründe

I

Zwischen den Beteiligten ist streitig ein Anspruch des Klägers auf Gewährung einer höheren Regelaltersrente unter Berücksichtigung weiterer rentenrechtlicher Zeiten sowie die Höhe des Beitragszuschusses zur freiwilligen gesetzlichen Krankenversicherung.

Die Beklagte gewährt dem Kläger seit dem 1.6.2018 eine Regelaltersrente (Bescheid vom 18.12.2018). Der Kläger wandte sich mit seinem Widerspruch gegen die Höhe seiner Rentenbewilligung sowie des Zuschusses zur Krankenversicherung. Es seien bei der Rentenberechnung weitere Zeiten der Schul- und Hochschulausbildung, einer Ausbildung zum Schweißer sowie von Ausbildungen zum Werbekaufmann und zum Marketingfachkaufmann nicht berücksichtigt worden. Das SG Hildesheim lehnte einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach Erteilung des begehrten Rentenbescheides und der Rentenauszahlung mit Barscheck ab (Beschluss vom 25.2.2019). Im Widerspruchsverfahren erkannte die Beklagte die Schulzeit (2.11.1969 bis 13.5.1974) sowie die Hochschulausbildung an der G-Universität (ab Oktober 1997) an, die Berücksichtigung weiterer Zeiten lehnte sie wegen fehlender Nachweise ab (Widerspruchsbescheid vom 7.5.2019).

Im Klageverfahren hat der Kläger keine weiteren Angaben gemacht und ist zur mündlichen Verhandlung am 29.7.2020 nicht erschienen. Das SG Hildesheim hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 29.7.2020). Im Berufungsverfahren hat der Kläger unter Bezugnahme auf ein Schreiben im Verwaltungsverfahren erneut vorgetragen, "weitere 23 Jahre" und auch seine Zeit in der Justizvollzugsanstalt seien bei der Rentenberechnung gänzlich unberücksichtigt geblieben. Der Berichterstatter hat den Kläger mit Schreiben vom 1.9.2020 (dem Kläger förmlich zugestellt am 3.9.2020) ua darauf hingewiesen, dass Zeiten der Strafhaft nicht als Beitragszeiten berücksichtigt werden können, und in jeweils sechs konkreten Fragen um weitere Auskunft zu den geltend gemachten Ausbildungen als Werbekaufmann und Marketingfachkaufmann gebeten. Der Kläger hat darauf nicht geantwortet. Mit Schreiben vom 24.11.2020 hat das LSG die Beteiligten zu einer Entscheidung nach § 153 Abs 4 SGG angehört mit dem Hinweis, der Kläger habe auf die Aufklärungsverfügung nicht reagiert. Der Kläger hat daraufhin mitgeteilt, er versuche vergeblich, Bestätigungen von Lehrgangsteilnehmern zu erhalten. Auch Ämter hätten keine Unterlagen mehr. Er bitte daher noch zu warten (Schreiben vom 8.12.2020). Auch bitte er um Mitteilung, auf welche Aufklärungsverfügung er nicht reagiert habe. Ohne ihn solle nicht schon wieder eine Hauptverhandlung stattfinden (Schreiben vom 18.12.2020). Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen und ausgeführt, weitere Pflichtbeitragszeiten seien nicht glaubhaft gemacht. Im Versicherungskonto seien für drei benannte Zeiträume Berufsausbildungsmaßnahmen gespeichert. Diese seien aufgrund des Leistungsbezugs von der Bundesanstalt für Arbeit bereits als Pflichtbeitragszeiten berücksichtigt (Beschluss vom 21.1.2021).

Der Kläger hat eine mit Datum vom 21.2.2021 unterschriebene Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe an das LSG übersandt und diese mit dem Aktenzeichen L 1 R 221/20 überschrieben. Das LSG hat das Formular ohne ein Begleitschreiben an das BSG per Telefax weitergeleitet (Eingang am 21.2.2021).

II

1. Nach Schließung des 13. Senats zum 1.7.2021 durch Erlass des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 24.6.2021 (vgl § 202 Satz 1 SGG iVm § 130 Abs 1 Satz 2 GVG ) ist die Zuständigkeit für die Streitsache gemäß Geschäftsverteilungsplan (Stand 1.7.2021) auf den 5. Senat übergegangen.

2. Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) ist abzulehnen. Zwar ist die Voraussetzung für die Bewilligung von PKH nach der Rechtsprechung des BSG und der anderen obersten Gerichtshöfe des Bundes erfüllt, wonach sowohl der (grundsätzlich formlose) Antrag auf PKH als auch die Erklärung in der für diese gesetzlich vorgeschriebenen Form 73a Abs 1 SGG , § 117 Abs 2 und 4 ZPO ) bis zum Ablauf der Beschwerdefrist eingereicht werden müssen (vgl BSG Beschluss vom 11.1.2018 - B 9 SB 87/17 B - juris RdNr 3; BSG Beschluss vom 13.1.2021 - B 5 R 16/20 BH - juris RdNr 3).

Es fehlt aber für die Bewilligung von PKH an weiteren Voraussetzungen. Dabei kann offenbleiben, ob PKH bereits wegen vorhandenen Vermögens, das zumutbar eingesetzt werden kann, zu versagen ist (vgl § 115 Abs 3 ZPO ). Jedenfalls kann einem Beteiligten für das Verfahren vor dem BSG nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Abs 1 Satz 1 ZPO nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Nach Prüfung des Streitstoffs anhand der beigezogenen Gerichtsakten und unter Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers ist nicht zu erkennen, dass dies hier der Fall ist.

Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG sind weder zur Glaubhaftmachung von Beschäftigungszeiten als Beitragszeit 203 SGB VI ) noch hinsichtlich der Berechnung des Beitragszuschusses 106 Abs 2 und 3 SGB VI ) erkennbar. Auch ist höchstrichterlich geklärt, dass eine während der Verbüßung von Freiheitsstrafe verrichtete Arbeit, die aufgrund der Arbeitspflicht nach § 41 Abs 1 Strafvollzugsgesetz in der Haftanstalt ausgeübt wird, kein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis begründet (vgl BSG Urteil vom 24.10.2013 - B 13 R 83/11 R - SozR 4-2600 § 43 Nr 20 RdNr 19). Schließlich ist auch nicht ersichtlich, dass das LSG einen abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem solchen des BSG , des GmSOGB oder des BVerfG aufgestellt hat (Zulassungsgrund der Divergenz, § 160 Abs 2 Nr 2 SGG ). Ebenso fehlt es an Anhaltspunkten dafür, dass ein Verfahrensmangel vorliegen könnte, der gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG zur Zulassung der Revision führen kann. Nach Halbsatz 2 dieser Bestimmung kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Dass ein solcher entscheidungserheblicher Verfahrensmangel aufgezeigt werden und vorliegen könnte, ist nicht ersichtlich.

Einen Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht könnte der Kläger in einem Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren schon deshalb nicht erfolgreich geltend machen, weil er im Berufungsverfahren keinen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag zur Aufklärung der geltend gemachten rentenrechtlichen Zeiten, insbesondere zum Nachweis der Ausbildungen zum Werbekaufmann und zum Marketingfachkaufmann, gestellt hat (zu den Anforderungen an eine hinreichende Bezeichnung eines solchen Verfahrensfehlers vgl ua BSG Beschluss vom 20.1.2021 - B 5 R 248/20 B - juris RdNr 7). Bei einem im Berufungsverfahren nicht rechtskundig vertretenen Beteiligten wie dem Kläger sind zwar geringere Anforderungen zu stellen (vgl BSG Beschluss vom 31.7.2013 - B 5 R 53/13 B - juris RdNr 9). Seinem Vorbringen mit Schreiben vom 8.12.2020 ("Ich bitte daher noch zu warten") ist auch zu entnehmen, dass er eine weitere Sachaufklärung für erforderlich hielt. Der Kläger hat jedoch keinerlei Angaben gemacht, denen das LSG hätte nachgehen können. Auf die konkret formulierten Fragen des Berichterstatters vom 1.9.2020, die dem Kläger ausweislich der in den Akten befindlichen Postzustellungsurkunde auch zugegangen sind, hat er nicht geantwortet. In seinem Schreiben vom 18.12.2020 verwies er auf einen Herrn S, I, von dem ebenfalls "nur negative Ansichten" vorhanden seien. Auch daraus ergibt sich nicht, auf welche Beweismittel das Gericht noch hätte zurückgreifen sollen, um den Sachverhalt weiter aufzuklären (vgl BSG Beschluss vom 28.5.2013 - B 5 R 38/13 B - juris RdNr 8).

Das LSG hat im Beschlussverfahren nach § 153 Abs 4 SGG entschieden. Dass eine solche Verfahrensweise angesichts der geschilderten Umstände hier ermessensfehlerhaft gewesen sein könnte, ist nicht ersichtlich. Dies gilt auch im Hinblick darauf, dass der Kläger mit Schreiben vom 8.12.2020 mitgeteilt hat: "Ich bitte daher noch zu warten". Auf die vom Berichterstatter zur weiteren Sachaufklärung gestellten Fragen hat er nicht geantwortet, obwohl sie ihm bereits am 3.9.2020 förmlich zugestellt wurden. Auch ergaben sich aus seinen Schreiben vom Dezember 2020 keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass er selbst noch mit konkreten Ermittlungen befasst war, die abgewartet werden sollten (zu einem solchen Fall vgl BSG Beschluss vom 5.2.2009 - B 13 RS 85/08 B - juris RdNr 18). Der Kläger wurde zu der beabsichtigten Entscheidung durch Beschluss der Berufsrichter mit Schreiben des LSG vom 24.11.2020 nach § 153 Abs 4 Satz 2 SGG ordnungsgemäß angehört. Soweit der Kläger mit Schreiben vom 18.12.2020 erklärt hat, es solle ohne ihn keine mündliche Verhandlung stattfinden, vermag dies keinen Verfahrensfehler zu begründen, weil eine Zustimmung der Beteiligten zum Beschlussverfahren nach § 153 Abs 4 SGG nicht erforderlich ist.

Vorinstanz: LSG Niedersachsen-Bremen, vom 21.01.2021 - Vorinstanzaktenzeichen 1 R 221/20
Vorinstanz: SG Hildesheim, vom 29.07.2020 - Vorinstanzaktenzeichen 28 R 177/19