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BSG - Entscheidung vom 10.03.2021

B 12 KR 77/20 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1

BSG, Beschluss vom 10.03.2021 - Aktenzeichen B 12 KR 77/20 B

DRsp Nr. 2021/6609

Beiträge zur Krankenversicherung der Landwirte Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 18. August 2020 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ;

Gründe

I

In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten um Beiträge zur Krankenversicherung der Landwirte.

Der Kläger ist bei der Beklagten als Bezieher einer Rente aus der landwirtschaftlichen Alterskasse ab 1.9.2010 kranken- und pflegeversichert. Auf Mitteilung des Finanzamts erhob die Beklagte ab 1.1.2015 bis 31.12.2019 rückständige und laufende Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung auf das außerlandwirtschaftliche Arbeitseinkommen des Klägers aus Gewerbebetrieb, das sie dem Einkommensteuerbescheid 2015 entnommen hatte. Klage und Berufung dagegen sind erfolglos geblieben. Die Beklagte sei berechtigt gewesen, der Beitragserhebung das sich aus dem Einkommensteuerbescheid ergebende Arbeitseinkommen zugrunde zu legen. Zu einer ausnahmsweise abweichenden Beurteilung wegen einer falschen Einordnung im Einkommensteuerbescheid bestünde kein Anlass, weil der Kläger keine Einwände gegen die steuerrechtliche Wertung erhoben und seine Mieteinnahmen selbst als "gewerbliche Vermietung" erklärt habe. Soweit es dem Kläger darum gehe, dass die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zum ruhenden Gewerbebetrieb keine Konsequenzen für das Sozialversicherungsrecht haben dürfe, stelle er die Richtigkeit der steuerrechtlichen Bewertung als solche nicht in Frage. Die Einordnung sei im Übrigen auch zutreffend. Zwar führe der Wegfall der früheren Betriebsaufspaltung grundsätzlich zu einer Betriebsaufgabe. Dies sei aber nach der Rechtsprechung des BFH nicht der Fall, wenn der Gewerbetreibende zwar seine werbende Tätigkeit einstelle, aber den Betrieb als Ganzen verpachte und gegenüber den Finanzbehörden nicht klar und eindeutig die Aufgabe des Betriebs erkläre. Erst bei Übernahme des Grundstücks in das Privatvermögen durch entsprechende Erklärung gegenüber dem Finanzamt sei nur noch der sich daraus ergebende Aufgabegewinn als Arbeitseinkommen zu versteuern (Urteil des LSG vom 18.8.2020). Mit seiner Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des LSG.

II

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG ). Der Kläger hat entgegen § 160a Abs 2 Satz 3 SGG die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) und des Verfahrensmangels 160 Abs 2 Nr 3 SGG ) nicht hinreichend dargelegt oder bezeichnet.

1. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine abstrakt-generelle Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - allgemeine Bedeutung hat und aus Gründen der Rechtseinheit oder der Rechtsfortbildung einer Klärung durch das Revisionsgericht bedarf (Klärungsbedürftigkeit) und fähig (Klärungsfähigkeit) ist. Mit der Beschwerdebegründung ist daher aufzuzeigen, welche rechtliche Frage sich zu einer bestimmten Norm des Bundesrechts iS des § 162 SGG stellt. Hierzu ist anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des Schrifttums auszuführen, weshalb eine Klärung erforderlich und im angestrebten Revisionsverfahren zu erwarten ist. Schließlich ist darzulegen, dass der angestrebten Entscheidung eine über den Einzelfall hinausgehende Breitenwirkung zukommt (vgl BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN).

Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.

Der Kläger sieht folgende Frage als grundsätzlich bedeutsam an:

"Ist es bei Vorliegen eines aufgrund des Wegfalls der Betriebsaufspaltung ruhenden Gewerbebetriebs, ohne Vorliegen einer entsprechenden Aufgabeerklärung, gerechtfertigt, die ertragssteuerliche Bewertung (Einkünfte aus Gewerbebetrieb) der sozialversicherungsrechtlichen Bewertung zugrunde legen oder handelt es sich bei dieser Rechtsfigur nicht um den nach allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelnden Gewinn im Sinne des § 15 SGB IV bzw. bedarf es zumindest einer Einzelfallbetrachtung der Gesamtumstände, ob die Annahme von Arbeitseinkommen bei Einkünften aus einem ruhenden Gewerbebetrieb, insbesondere bei Wegfall der werbenden Tätigkeit, gerechtfertigt ist."

Es kann dahinstehen, ob es sich dabei um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung handelt. Der Kläger hat die Klärungsbedürftigkeit jedenfalls nicht hinreichend dargelegt. Eine Rechtsfrage ist dann als höchstrichterlich geklärt und damit als nicht (mehr) klärungsbedürftig anzusehen, wenn diese bereits beantwortet ist. Ist sie noch nicht ausdrücklich entschieden, genügt es, dass schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beantwortung der vom Beschwerdeführer als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (stRspr; vgl zB BSG Beschluss vom 28.11.2018 - B 12 R 34/18 B - juris RdNr 6). Mit solcher Rechtsprechung muss sich eine Beschwerde befassen. Die Beschwerdebegründung lässt aber eine substantiierte Auseinandersetzung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung vermissen; insbesondere setzt sie sich nicht mit dem Urteil des BSG vom 23.1.2008 ( B 10 KR 1/07 R - BSGE 99, 284 = SozR 4-2400 § 15 Nr 6 mwN) auseinander, in dem das BSG der gefestigten Rechtsprechung des BFH zur Abgrenzung von Einkünften aus Gewerbebetrieb gegenüber Einkünften aus Vermietung und Verpachtung grundsätzlich folgt, wonach Pachtzinsen aus der Verpachtung eines Gewerbebetriebs Einkünfte aus Gewerbebetrieb (mithin auch Arbeitseinkommen aus selbstständiger Tätigkeit iS des § 15 Abs 1 Satz 1 SGB IV ) sind, solange der Verpächter nicht die Betriebsaufgabe erklärt hat. Dass dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung für die vorliegende Sachverhaltskonstellation keine ausreichenden Anhaltspunkte zu entnehmen sind und insofern noch Klärungsbedarf besteht, hat der Kläger nicht hinreichend dargelegt. Hierfür reicht es nicht aus, dass der Kläger seine eigene Rechtsauffassung darstellt und auf die Grenzen zulässiger Rechtsauslegung durch die Gerichte hinweist.

2. Soweit der Kläger außerdem geltend macht, das LSG habe keine ausreichenden Feststellungen zu den tatsächlichen Verhältnissen und insbesondere dazu getroffen, dass er seit 1994 keinerlei werbende Tätigkeit mehr ausgeübt habe und die Wiederaufnahme des Gewerbebetriebs nicht mehr möglich sei, erfüllt er die Darlegungsanforderungen an eine Sachaufklärungsrüge (vgl hierzu allgemein BSG Beschluss vom 12.12.2003 - B 13 RJ 179/03 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 5 mwN) nicht. Er zeigt schon nicht auf, dass er einen entsprechenden Beweisantrag vor dem LSG gestellt habe. Ein im Berufungsverfahren anwaltlich vertretener Beteiligter - wie der Kläger - kann aber nur dann mit der Rüge der Verletzung der Sachaufklärungspflicht gehört werden, wenn er einen Beweisantrag bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung durch entsprechenden Hinweis zu Protokoll aufrechterhalten hat oder das Gericht den Beweisantrag in seinem Urteil wiedergibt. Denn nur dann hätte nach Sinn und Zweck des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG ein Beweisantrag die Warnfunktion dahingehend erfüllt, dass ein Beteiligter die Sachaufklärungspflicht des Gerichts 103 SGG ) noch nicht als erfüllt ansieht (stRspr; vgl zB BSG Beschluss vom 5.2.2015 - B 13 R 372/14 B - juris RdNr 10 mwN). Dass dies geschehen sei, legt der Kläger aber nicht dar.

Dass der Kläger das Urteil des LSG für falsch hält, stellt keinen Zulassungsgrund dar.

3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Baden-Württemberg, vom 18.08.2020 - Vorinstanzaktenzeichen L 11 KR 4229/19
Vorinstanz: SG Ulm, vom 21.11.2019 - Vorinstanzaktenzeichen S 13 KR 813/19