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BSG - Entscheidung vom 10.03.2021

B 13 R 309/20 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 2

BSG, Beschluss vom 10.03.2021 - Aktenzeichen B 13 R 309/20 B

DRsp Nr. 2021/5540

Anspruch auf große Witwenrente Voraussetzungen einer Versorgungsehe Divergenzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 19. November 2020 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander auch für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 2 ;

Gründe

I

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin einen Anspruch auf eine große Witwenrente hat. Der Rentenversicherungsträger (RV-Träger) lehnte einen diesbezüglichen Antrag der Klägerin mit der Begründung ab, die Ehe zwischen ihr und dem verstorbenen Versicherten habe nicht mindestens ein Jahr bestanden. Zum Zeitpunkt der Eheschließung sei der nahe Tod des Versicherten absehbar gewesen. Eine Pflegeehe scheide daher aus. Es liege eine Eheschließung zum Zwecke der finanziellen Versorgung der Klägerin nach dem Tod des Versicherten nahe. Hiergegen hat sich die Klägerin an das SG gewandt. Sie ist auch dort mit ihrem Begehren erfolglos geblieben (Urteil vom 27.9.2017). Ebenso wenig ist sie mit der Berufung an das LSG durchgedrungen. Das LSG hat die Ehe zwischen der Klägerin und dem Versicherten - nach Beweiserhebung durch Zeugenvernehmungen - als eine den Witwenrentenanspruch ausschließende Versorgungsehe bewertet. Es hat die Revision nicht zugelassen (Urteil vom 19.11.2020).

Gegen Letzteres wendet sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde an das BSG . Sie macht eine Abweichung zwischen der Entscheidung des BSG vom 5.5.2009 (B 13 R 55/08 R - BSGE 103, 99 - SozR 4-2600 § 46 Nr ) und dem Urteil des LSG geltend 160 Abs 2 Nr 2 SGG ) und rügt Verfahrensmängel 160 Abs 2 Nr 3 SGG ) in der Gestalt der Verletzung der §§ 109 , 128 und 103 SGG .

II

Die Beschwerde der Klägerin ist als unzulässig zu verwerfen. Die Klägerin hat in der Begründung des Rechtsmittels vom 1.3.2021 entgegen § 160a Abs 2 Satz 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt bzw bezeichnet.

Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn

die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder

das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder

bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).

Die Klägerin hat weder die Abweichung des LSG von einer höchstrichterlichen Entscheidung (Nr 2) noch Verfahrensmängel (Nr 3), die eine Zulassung der Revision begründen könnten, formgerecht dargebracht.

Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG bedeutet Widerspruch im Rechtssatz - das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die zwei Urteilen zugrunde gelegt sind. Zur ordnungsgemäßen Darlegung einer Divergenz sind ein oder mehrere entscheidungstragende Rechtssätze aus dem Berufungsurteil und zu demselben Gegenstand gemachte und fortbestehende aktuelle abstrakte Aussagen aus einer Entscheidung des BSG , des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG einander gegenüberzustellen; zudem ist näher zu begründen, weshalb diese nicht miteinander vereinbar sind und inwiefern die Entscheidung des LSG auf der Abweichung beruht (stRspr; vgl BSG Beschluss vom 29.3.2007 - B 9a VJ 5/06 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 17; BSG Beschluss vom 19.7.2012 - B 1 KR 65/11 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 32 RdNr 21). Nicht ausreichend ist es hingegen, wenn die fehlerhafte Anwendung eines als solchen nicht in Frage gestellten höchstrichterlichen Rechtssatzes durch das Berufungsgericht geltend gemacht wird (bloße Subsumtionsrüge), denn nicht die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall, sondern nur eine Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen ermöglicht die Zulassung der Revision wegen Divergenz (vgl BSG Beschluss vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 72 f; BSG Beschluss vom 24.4.2015 - B 13 R 37/15 B - juris RdNr 6). Allein die aus Sicht der Klägerin unrichtige Entscheidung des LSG im Einzelfall bringt sie hier zur Begründung der Divergenz jedoch vor. Eine Abweichung im Abstrakten rügt sie nicht.

So räumt sie ausdrücklich ein, das LSG gebe die höchstrichterliche Rechtsprechung, wie sie sich aus der Entscheidung des BSG vom 5.5.2009 (B 13 R 55/08 R - BSGE 103, 99 - SozR 4-2600 § 46 Nr ) zum Ausnahmetatbestand des § 46 Abs 2a Halbsatz 2 SGB VI folge, korrekt wieder. Sie benennt hingegen keinen abstrakten Rechtssatz aus der Entscheidung des LSG, mit dem es sich von dieser Rechtsprechung absetze - ihr widerspreche. Stattdessen legt sie ausführlich dar, dass das Berufungsgericht die vom BSG insbesondere zur Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs der "besonderen Umstände" gefundene Auslegung seiner Entscheidung zugrunde gelegt, diese allerdings nicht logisch konsequent umgesetzt und deren Voraussetzungen nicht abwägungsfehlerfrei geprüft habe. Sie kritisierte insbesondere die Wertung des LSG, dass es ihr, der Klägerin, nicht gelungen sei die Vermutung der "Versorgungsehe" zu widerlegen und führt zahlreiche Gesichtspunkte an, die gegen eine derartige Versorgungsehe sprächen. Schlussendlich subsumiert sie unter Berücksichtigung der vom BSG aufgestellten Kriterien, dass der Anspruch auf die Witwenrente nicht nach § 46 Abs 2a SGB VI ausgeschlossen sei, weil besondere Umstände für die Eheschließung vorgelegen hätten.

Ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist der Verstoß des Gerichts im Rahmen des prozessualen Vorgehens im unmittelbar vorangehenden Rechtszug (vgl zB BSG Urteil vom 29.11.1955 - 1 RA 15/54 - BSGE 2, 81 - juris RdNr 4; BSG Beschluss vom 30.10.2018 - B 13 R 59/18 B - juris RdNr 7). Neben der Geltendmachung des Vorliegens eines Verstoßes gegen das Verfahrensrecht ist mit der Beschwerdebegründung darzulegen, dass die angefochtene Entscheidung auf diesem Verstoß beruhen kann. Zugrunde zu legen ist die materiell-rechtliche Rechtsauffassung des LSG ( BSG Urteil vom 28.5.1957 - 3 RJ 219/56 - SozR Nr 79 zu § 162 SGG ; BSG Beschluss vom 31.1.1979 - 11 BA 166/78 - SozR 1500 § 160 Nr 33; BSG Beschluss vom 16.11.2000 - B 4 RA 122/99 B - SozR 3-1500 § 160 Nr - juris RdNr ). Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Ein entscheidungserheblicher Mangel des Berufungsverfahrens wird nur dann substantiiert bezeichnet, wenn der Beschwerdeführer diesen hinsichtlich aller ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen darlegt, sodass das Beschwerdegericht allein anhand dieser Begründung darüber befinden kann, ob die angegriffene Entscheidung des LSG möglicherweise auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel beruht (vgl zB BSG Beschluss vom 16.11.2000 - B 4 RA 122/99 B - SozR 3-1500 § 160 Nr 33 - juris RdNr 16 mwN; BSG Beschluss vom 31.7.2017 - B 1 KR 47/16 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 30 RdNr 16 mwN). Dem genügt die Beschwerdebegründung vom 1.3.2021 nicht.

Abgesehen davon, dass die Klägerin nicht darlegt, worin der Verstoß des LSG gegen § 109 SGG bestehen solle, beachtet sie, ebenso wie bei der Rüge des Verstoßes gegen § 128 SGG - siehe oben zu der aus ihrer Sicht fehlerhaften Beweiswürdigung -, nicht, dass eine Zulassung der Revision nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG hierauf nicht gestützt werden kann.

Auch die Rüge der unzureichenden Sachaufklärung - Verstoß gegen § 103 SGG - durch das LSG legt sie nicht formgerecht dar. Eine derartige Rüge muss folgende Punkte enthalten: (1) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrags, dem das LSG nicht gefolgt ist, (2) Wiedergabe der Rechtsauffassung des LSG, aufgrund derer bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen und zu weiterer Sachaufklärung drängen müssen, (3) Angabe des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme und (4) Schilderung, dass und warum die Entscheidung des LSG auf der angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das LSG mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der Beweisaufnahme von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigen Ergebnis hätte gelangen können (stRspr; vgl BSG Beschluss vom 19.11.2007 - B 5a/5 R 382/06 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 21 RdNr 5; BSG Beschluss vom 28.2.2018 - B 13 R 73/16 B - juris RdNr 9 mwN). Nach ständiger Rechtsprechung des BSG ist ferner die Darlegung erforderlich, dass ein anwaltlich vertretener Beteiligter einen Beweisantrag bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt und noch zumindest hilfsweise aufrechterhalten hat (vgl BSG Beschluss vom 29.3.2007 - B 9a VJ 5/06 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11 mwN; BSG Beschluss vom 21.2.2018 - B 13 R 28/17 R -, B 13 R 285/17 B - juris RdNr 14 mwN).

Die Klägerin bringt in ihrer Beschwerdebegründung weder dar, einen Beweisantrag beim LSG gestellt und bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung aufrechterhalten zu haben, noch dass ein solcher vom Berufungsgericht übergangen worden sei. Sie beschreibt vielmehr ausführlich, was die Vernehmung der Zeugen durch das Berufungsgericht ergeben habe. Hier zieht sie dann allerdings nur den Schluss, "man muss davon ausgehen, dass der Senat diese falsche Rechtsauffassung und Wertung der Zeugenaussagen und des Parteivortrags … für seine Entscheidung zugrunde gelegt hat." Auch im Hinblick auf die Ermittlungen zum Gesundheitszustand des Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung bemängelt sie nur, dass das LSG die ärztlichen Aussagen als vage bewertet habe und angesichts dieser Einschätzung hätte weiter ermitteln müssen. Die Krebserkrankung an sich stehe der Widerlegung der Vermutung der Versorgungsehe nicht entgegen. Damit greift sie die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts an, was - wie zuvor schon dargelegt - keine Zulassung nach sich ziehen kann und setzt ihre eigene Wertung der des LSG entgegen.

Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen (stRspr; vgl zB BSG Beschluss vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 4; BVerfG Beschluss vom 6.5.2010 - 1 BvR 96/10 - SozR 4-1500 § 178a Nr 11 RdNr 28 mwN).

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ).

Die Verwerfung der unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Berlin-Brandenburg, vom 19.11.2020 - Vorinstanzaktenzeichen 17 R 843/17
Vorinstanz: SG Berlin, vom 27.09.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 9 R 1958/13