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BGH - Entscheidung vom 27.01.2021

6 StR 238/20

Normen:
StPO § 25 Abs. 2 S. 2
StPO § 26a Abs. 1 Nr. 1

BGH, Beschluss vom 27.01.2021 - Aktenzeichen 6 StR 238/20

DRsp Nr. 2021/3203

Verwerfung der Ablehnung der Richter wegen der Besorgnis der Befangenheit als unzulässig

Entscheidet der Senat über eine Revision außerhalb der Hauptverhandlung im Beschlusswege, so ist ein Ablehnungsgesuch in entsprechender Anwendung des § 25 Abs. 2 S. 2 StPO nur solange statthaft, bis die Entscheidung ergangen ist.

Tenor

1.

Die Ablehnung des Vorsitzenden Richters am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Sander, der Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Schneider, des Richters am Bundesgerichtshof Dr. Feilcke, des Richters am Bundesgerichtshof Dr. Tiemann und der Richterin am Bundesgerichtshof von Schmettau wegen Besorgnis der Befangenheit wird als unzulässig verworfen.

2.

Die Anhörungsrüge des Nebenklägers gegen den Beschluss des Senates vom 3. November 2020 und sein Antrag auf Wiedereinsetzung in den Stand vor Ablauf der Frist zur Einlegung einer Anhörungsrüge werden auf seine Kosten verworfen.

Normenkette:

StPO § 25 Abs. 2 S. 2; StPO § 26a Abs. 1 Nr. 1 ;

Gründe

I.

Mit Beschluss vom 3. November 2020 hat der Senat die Revision des Nebenklägers gegen das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 26. März 2020 gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen. Mit Schreiben vom 25. und 26. Dezember 2020, eingegangen am 28. Dezember 2020, hat der Nebenkläger die am Senatsbeschluss vom 3. November 2020 mitwirkenden Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt, eine Verletzung rechtlichen Gehörs im Revisionsverfahren gerügt, hilfsweise Wiedereinsetzung in die Frist zur Einlegung der Anhörungsrüge beantragt und schließlich - ebenfalls hilfsweise - eine Gegenvorstellung erhoben. Er trägt vor, weder der Generalbundesanwalt noch der Senat hätten sich mit seinem Revisionsvorbringen auseinandergesetzt. Über den Rechtsbehelf der Anhörungsrüge sei er erst durch ein ihm am 24. Dezember 2020 zugegangenes Schreiben des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Dezember 2020 belehrt worden.

II.

1. Das verspätete Ablehnungsgesuch ist unzulässig (§ 26a Abs. 1 Nr. 1 StPO ). Entscheidet der Senat über eine Revision außerhalb der Hauptverhandlung im Beschlusswege, so kann ein Ablehnungsgesuch in entsprechender Anwendung des § 25 Abs. 2 Satz 2 StPO nur solange statthaft vorgebracht werden, bis die Entscheidung ergangen ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 2. Mai 2012 - 1 StR 152/11, NStZ-RR 2012, 314 ; vom 7. August 2007 - 4 StR 142/07, NStZ 2008, 55 ).

Dies gilt auch dann, wenn die Ablehnung mit einer Anhörungsrüge nach § 356a StPO verbunden wird, die - wie hier - nicht durchgreift (vgl. unter 2.). Die Vorschrift des § 356a StPO bezweckt lediglich, dem in der Sache entscheidenden Revisionsgericht die Gelegenheit zu geben, einem Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör durch erneute Sachprüfung selbst abzuhelfen, um ein Verfassungsbeschwerdeverfahren zu vermeiden. Der Rechtsbehelf dient jedoch nicht dazu, einem unzulässigen Ablehnungsgesuch doch noch Geltung zu verschaffen (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Februar 2007 - 3 StR 425/06, BGHR StPO § 26a Unzulässigkeit 17).

2. a) Die Anhörungsrüge ist nicht fristgerecht erhoben und daher unzulässig. Sie muss gemäß § 356a Satz 2 StPO binnen einer Woche nach Kenntnis von der vermeintlichen Verletzung des rechtlichen Gehörs erhoben werden. Maßgeblich ist allein die Kenntnis der tatsächlichen Umstände, aus denen sich der behauptete Verstoß ergibt; dies ist hier der Senatsbeschluss vom 3. November 2020, der dem Nebenklägervertreter am 7. November 2020 zugegangen ist. Auf das erst später erlangte Wissen um die Bedeutung der Einlegung einer Anhörungsrüge als Zulässigkeitsvoraussetzung einer Verfassungsbeschwerde kommt es nicht an (vgl. BGH, Beschluss vom 9. August 2016 - 1 StR 52/16, NStZ-RR 2016, 318 , 319 mwN).

b) Auch das Wiedereinsetzungsgesuch bleibt ohne Erfolg. Soweit die Fristversäumnis darauf gestützt wird, dass mit dem Senatsbeschluss keine Rechtsbehelfsbelehrung erteilt worden sei, eröffnet dies die Wiedereinsetzung nicht. Eine Belehrung über den außerordentlichen Rechtsbehelf des § 356a StPO ist - außer im Fall des § 356a Satz 4 StPO - weder gesetzlich vorgesehen noch geboten, weshalb der Anwendungsbereich des § 44 Satz 2 StPO nicht eröffnet ist.

Auch im Übrigen schließt der Vortrag des Nebenklägervertreters ein eigenes Verschulden an der Fristversäumnis nicht aus. An die Voraussetzungen fehlenden Verschuldens sind im Interesse der Rechtssicherheit bei § 356a StPO hohe Anforderungen zu stellen; ein Anwaltsverschulden ist dem Antragsteller in entsprechender Anwendung des § 93 Abs. 2 Satz 6 BVerfGG zuzurechnen (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Mai 2013 - 1 StR 633/12, NStZ-RR 2014, 89 mwN). Als regelmäßig auch in der Bundesrepublik Deutschland tätiger europäischer Rechtsanwalt bestand für den Nebenklägervertreter die Pflicht, sich über eröffnete Rechtsbehelfe zu informieren; dies gilt umso mehr, als die Anhörungsrüge bereits seit dem Jahr 2005 im Wesentlichen unverändert in § 356a StPO normiert ist.

c) Die Anhörungsrüge wäre aber auch unbegründet. Der Senat hat bei seiner Entscheidung weder Tatsachen oder Beweisergebnisse verwertet, zu denen der Beschwerdeführer nicht hätte Stellung nehmen können, noch hat er entscheidungserhebliches Vorbringen des Revidenten im Rahmen seiner Revisionsrechtfertigungen und seiner Gegenerklärungen zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts übergangen oder in sonstiger Weise den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt.

Der Senat hat über die Revision des Nebenklägers eingehend beraten. Ein Verstoß gegen das rechtliche Gehör lässt sich weder daraus ableiten, dass er der vom Nebenkläger dargelegten Rechtsauffassung nicht gefolgt ist, noch daraus, dass der Beschluss hierzu nicht ausdrücklich Stellung nimmt. Weder Art. 103 Abs. 1 GG noch die Bestimmungen der EMRK verlangen bei letztinstanzlichen, mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht mehr anfechtbaren Entscheidungen eine ausdrückliche Bescheidung jedes Vorbringens (vgl. EGMR EuGRZ 2008, 274 , 276; BVerfGE 50, 287 , 289; BVerfG StraFo 2007, 370 ; BGH, Beschlüsse vom 4. April 2016 - 1 StR 406/15, NStZ-RR 2016, 251 ; vom 8. April 2009 - 5 StR 40/09, BGHR StPO § 356a Gehörverstoß 3).

3. Die hilfsweise erhobene Gegenvorstellung ist nicht statthaft. Soweit auch sie sich gegen die behauptete Verletzung rechtlichen Gehörs wendet, kann der Fristüberschreitung für die insoweit abschließende Anhörungsrüge nicht durch die Erhebung einer unbefristeten Gegenvorstellung begegnet werden (vgl. BGH, Beschluss vom 2. Dezember 2009 - 1 StR 478/09, NStZ-RR 2010, 116 , 117). Soweit sie sich auch auf weiteres Vorbringen erstrecken soll, scheitert ihre Statthaftigkeit daran, dass ein Beschluss nach § 349 Abs. 2 StPO grundsätzlich weder aufgehoben noch abgeändert werden kann (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 17. Februar 2014 - 1 StR 405/13 mwN).

Vorinstanz: LG Magdeburg, vom 26.03.2020 - Vorinstanzaktenzeichen 164 Js 12700/18 22 KLs 28/18