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BGH - Entscheidung vom 20.05.2021

IX ZB 25/21

Normen:
ZPO § 114 Abs. 1 S. 1
ZPO § 117 Abs. 2
ZPO § 119 Abs. 1 S. 1
ZPO § 574 Abs. 1 S. 1

BGH, Beschluss vom 20.05.2021 - Aktenzeichen IX ZB 25/21

DRsp Nr. 2021/9006

Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof (BGH); Formgerechte Einlegung der Berufung

1. Bei der Zurückweisung einer Gegenvorstellung - hier gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe - handelt es sich um eine unanfechtbare Entscheidung, gegen die weder die Rechtsbeschwerde noch ein anderes Rechtsmittel statthaft ist.2. Für die Entscheidung über Prozesskostenhilfe kommt es nach § 114 Abs. 1 Satz 1, § 119 Abs. 1 Satz 1 ZPO allein auf die Erfolgsaussicht in der Sache selbst an, die bereits im Prozesskostenhilfeverfahren beurteilt werden kann. Ein davon losgelöster möglicher Erfolg des konkret eingelegten Rechtsmittels - hier der Rechtsbeschwerde - ist demgegenüber unerheblich.

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren der Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 20. Zivilkammer des Landgerichts Hamburg vom 26. Februar 2021 wird abgelehnt.

Normenkette:

ZPO § 114 Abs. 1 S. 1; ZPO § 117 Abs. 2 ; ZPO § 119 Abs. 1 S. 1; ZPO § 574 Abs. 1 S. 1;

Gründe

Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist abzulehnen. Unabhängig von der ausstehenden Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (§ 117 Abs. 2 ZPO ) bietet die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 Abs. 1 Satz 1, § 119 Abs. 1 Satz 1 ZPO ).

1. Soweit der Kläger die durch den - im Tenor genannten - Beschluss des Landgerichts erfolgte Zurückweisung seiner Gegenvorstellung gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe angreifen will, ist weder die Rechtsbeschwerde noch ein anderes Rechtsmittel statthaft. Nach § 574 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof nur gegeben, wenn dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder das Berufungsgericht sie in dem angefochtenen Beschluss zugelassen hat. Bei der Zurückweisung der Gegenvorstellung handelt es sich um eine unanfechtbare Entscheidung, woran selbst eine - nicht erfolgte - Zulassung der Rechtsbeschwerde nichts hätte ändern können (vgl. Musielak/Voit/Ball, ZPO , 18. Aufl., § 567 Rn. 28). Soweit der Kläger die Prozesskostenhilfe versagende Entscheidung des Berufungsgerichts selbst angreifen will, wäre die Rechtsbeschwerde ebenfalls nicht statthaft, denn das Berufungsgericht hat die Rechtsbeschwerde, die gegen einen Prozesskostenhilfe ablehnenden Beschluss mangels gesetzlicher Bestimmung (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO ) nicht allgemein eröffnet ist, nicht zugelassen (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO ). Die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde ist - im Gegensatz zur Nichtzulassung der Revision (§ 544 ZPO ) - auch nicht anfechtbar (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Januar 2008 - IX ZB 109/07, WuM 2008, 113 ).

2. Auch Rechtsmittel gegen die Entscheidung über die Berufung in dem Beschluss vom 26. Februar 2021 haben keine Aussicht auf Erfolg (§ 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO ).

a) Der Zulässigkeit einer Nichtzulassungsbeschwerde gegen den Beschluss, mit dem das Landgericht die Berufung des Klägers nach § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückgewiesen hat, steht bereits entgegen, dass der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20.000 € nicht übersteigt (§ 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ). Der Kläger macht eine Forderung in Höhe von 4.999 € geltend.

b) Im Fall einer Rechtsbeschwerde fehlt es jedenfalls an der Erfolgsaussicht in der Sache selbst.

aa) Die Rechtsbeschwerde wäre zwar gemäß § 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft, obwohl das Berufungsgericht die Berufung des Klägers gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen hat. Das Berufungsgericht hätte durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO entscheiden müssen, weil es die Berufung bereits für unzulässig erachtet hat. In seinem Hinweisbeschluss vom 10. Februar 2021, auf den das Berufungsgericht auch zur Begründung der Zurückweisung nebst ergänzenden Ausführungen zur Begründetheit des Rechtsmittels Bezug genommen hat, hatte das Berufungsgericht die Verwerfung der Berufung angekündigt, weil diese mangels Einlegung durch einen Rechtsanwalt unzulässig sei. An der fehlenden anwaltlichen Vertretung des Klägers hatte sich in der Folge nichts geändert, insbesondere hatte der Kläger nach Ablehnung seines Prozesskostenhilfegesuchs die Berufung nicht unter Beantragung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand auf eigene Kosten durch einen Rechtsanwalt einlegen lassen. Eine Entscheidung nach § 522 Abs. 2 ZPO war damit nicht zulässig, weil die Zurückweisung der Berufung nach dieser Vorschrift die Zulässigkeit der Berufung voraussetzt und das Berufungsgericht die Berufung offensichtlich weiterhin mangels formgerechter Einlegung (§ 519 , § 78 Abs. 1 Satz 1 ZPO ) bereits für unzulässig erachtet hat (vgl. BGH, Beschluss vom 16. August 2016 - VI ZB 17/16, NJW 2016, 3380 Rn. 6 mwN; Beschluss vom 8. Mai 2018 - XI ZR 538/17, NJW 2018, 2269 Rn. 13). Durch den Fehler des Berufungsgerichts dürfen dem Kläger keine Nachteile entstehen. Er darf daher das Rechtsmittel einlegen, das bei richtiger Entscheidung durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO statthaft wäre (Grundsatz der Meistbegünstigung, vgl. BGH, Urteil vom 17. Oktober 1986 - V ZR 169/85, BGHZ 98, 362 , 364 f; Beschluss vom 8. Mai 2018, aaO); vorliegend mithin die Rechtsbeschwerde gemäß § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO .

bb) Dahinstehen kann, ob die Rechtsbeschwerde im Fall der Nachholung der Einlegung durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt (§ 575 Abs. 1 , § 78 Abs. 1 Satz 3 ZPO ) und zu gewährender Wiedereinsetzung in den vorigen Stand - der Beschluss des Landgerichts ist nicht mit der erforderlichen Rechtsbehelfsbelehrung bezüglich der Entscheidung über die Berufung versehen (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Januar 2016 - V ZB 131/15, NJW 2016, 1827 Rn. 7) - zur Aufhebung und Zurückverweisung führen müsste, weil es dem Beschluss an den für eine Überprüfung der Verwerfung notwendigen Feststellungen fehlt (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Januar 2016 - XII ZB 605/14, juris Rn. 6). Auch wenn dies der Fall wäre, hat die Rechtsverfolgung des Klägers keine Aussicht auf Erfolg im Sinne des § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO . Denn für die Entscheidung über Prozesskostenhilfe kommt es nach § 114 Abs. 1 Satz 1, § 119 Abs. 1 Satz 1 ZPO allein auf die Erfolgsaussicht in der Sache selbst an, die bereits im Prozesskostenhilfeverfahren beurteilt werden kann. Ein davon losgelöster möglicher Erfolg des konkret eingelegten Rechtsmittels - hier der Rechtsbeschwerde - ist demgegenüber unerheblich (BGH, Beschluss vom 21. Juni 2017 - XII ZB 231/17, MDR 2017, 1441 Rn. 10; vom 2. März 2017 - IX ZA 28/16, juris Rn. 2; vom 18. September 2014 - IX ZA 16/14, ZInsO 2014, 2222 Rn. 6 mwN).

Im Endergebnis hat die Rechtsverfolgung des Klägers danach keine Aussicht auf Erfolg, weil das Berufungsgericht auch im Fall der Aufhebung und Zurückverweisung des Beschlusses wiederum die Zulässigkeit der Berufung als Prozessfortsetzungsvoraussetzung von Amts wegen zu prüfen hätte und dabei nur feststellen könnte, dass die Berufung innerhalb der am 19. Januar 2021 abgelaufenen Berufungsfrist (§ 517 ZPO ) nicht formgerecht durch einen Rechtsanwalt eingelegt worden ist (§ 519 , § 78 Abs. 1 Satz 1 ZPO ). Zwar hatte der Kläger nach der Zustellung des mit einer zutreffenden Rechtsmittelbelehrung versehenen Urteils des Amtsgerichts, mit dem seine Klage abgewiesen worden ist, innerhalb der Berufungsfrist Prozesskostenhilfe beantragt. Nach deren Ablehnung ist die versäumte Prozesshandlung indes nicht nachgeholt worden.

Vorinstanz: AG Hamburg-St. Georg, vom 16.12.2020 - Vorinstanzaktenzeichen 916 C 2/20
Vorinstanz: LG Hamburg, vom 26.02.2021 - Vorinstanzaktenzeichen 320 S 2/21