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BGH - Entscheidung vom 25.03.2021

X ZR 42/19

Normen:
PatG § 3
PatG § 4

BGH, Urteil vom 25.03.2021 - Aktenzeichen X ZR 42/19

DRsp Nr. 2021/8678

Patentfähigkeit des Streitpatents mit der Bezeichnung "nanopartikuläre Zusammensetzung eines Tachykininrezeptorantagonisten" als Neuheit und Erfindung (hier: Aprepitant)

War der Gegenstand eines Patentanspruchs dem Fachmann durch den Stand der Technik nahegelegt, beruht er nicht auf erfinderischer Tätigkeit. So verhält es sich auch, wenn - wie hier - eine Auswahl aus mehreren auf dem betroffenen Fachgebiet zur Erreichung des angestrebten Ziels der Verbesserung der Löslichkeit eines Wirkstoffs anerkannten und geläufigen Verfahren zu treffen war, wobei ein Verfahren als besonders wirksam und klar vorzugswürdig herausragte.

Tenor

Die Berufung gegen das Urteil des 3. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 4. Dezember 2018 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Normenkette:

PatG § 3 ; PatG § 4 ;

Tatbestand

Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 1 455 756 (Streitpatents), das am 9. Dezember 2002 unter Inanspruchnahme einer US-amerikanischen Priorität vom 10. Dezember 2001 angemeldet wurde und eine pharmazeutische nanopartikuläre Zusammensetzung eines Tachykininrezeptorantagonisten betrifft.

Die nebengeordneten Patentansprüche 1, 6, 7 und 9 haben nach Durchführung eines Einspruchsverfahrens vor dem Europäischen Patentamt in der Verfahrenssprache folgende Fassung erhalten (Änderungen gegenüber der erteilten Fassung sind hervorgehoben):

1. A nanoparticulate composition comprising the compound 2-(R)-(1-(R)-(3,5-bis(trifluoromethyl)phenyl)ethoxy)-3-(S)-(4-fluoro)phenyl-4-(3-(5-oxo-1H,4H-1,2,4-triazolo)methylmorpholine, or a pharmaceutically acceptable salt thereof, the compound having adsorbed on the surface thereof at least one surface stabilizer in an amount sufficient to maintain an effective average particle size of less than about 1000 nm; where "effective average particle size of less than about 1000 nm" means that at least 95% of the particles, by weight, have a particle size of less than about 1000 nm.

6. A pharmaceutical composition comprising the nanoparticulate composition of any one of claims 1 to 5 and a pharmaceutically acceptable carrier.

7. A pharmaceutical composition comprising the nanoparticulate composition of any one of claims 1 to 5 which has been spray dried or spray coated on a solid support.

9. The use of a composition as claimed in any one of claims 1 to 8 14 for the manufacture of a medicament for treating or preventing anxiety or emesis.

Die Klägerin hat geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig. Die Beklagte hat das Streitpatent in der geltenden Fassung verteidigt und Abweisung der Klage beantragt.

Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt. Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die ihren erstinstanzlichen Antrag auf Abweisung der Klage weiterverfolgt. Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

I. Das Streitpatent betrifft nanopartikuläre und pharmazeutische Zusammensetzungen auf der Basis eines Tachykininrezeptorantagonisten, die die Verbindung 2-(R)-(1-(R)-(3,5-Bis(trifluormethyl)phenyl)ethoxy)-3-(S)-(4-fluor)phenyl-4-(3-(5-oxo-1H,4H-1,2,4-triazol)methylmorpholin (internationaler Freiname und im Folgenden: Aprepitant) umfassen.

1. Nach den Ausführungen in der Streitpatentschrift gehören Tachykinine zur Gruppe der Neuropeptide und zeichnen sich durch eine konservierte Aminosäuresequenz am C-Terminus aus. Sie verdankten ihre Bezeichnung der Fähigkeit, eine schnelle Kontraktion der glatten Muskulatur hervorzurufen. Zu den bekannten Tachykininen von Säugetieren zählten die Substanz P, ein natürlich vorkommendes Undekapeptid, sowie Neurokinin A und Neurokinin B. Die Rezeptoren dieser Tachykinine seien Neurokinin-1 (NK-1), Neurokinin-2 (NK-2) und Neurokinin-3 (NK-3) (Beschr. Abs. 1).

Es gebe Anzeichen dafür, dass Tachykininrezeptorantagonisten bei der Behandlung unter anderem von Schmerzzuständen, Angstzuständen, Depressionen, Atemwegserkrankungen, Fibrosen, Kollagenosen, Suchterkrankungen, stressbedingten somatischen Störungen, Neuropathie, Neuralgie oder Hauterkrankungen von Nutzen seien (Beschr. Abs. 2 und 3). Um die genannten Beschwerden und Erkrankungen wirksamer behandeln zu können, seien Versuche unternommen worden, Antagonisten zu den Rezeptoren der Substanz P und anderen Tachykininpeptiden bereitzustellen. Die internationalen Patentanmeldungen WO 94/00440 und WO 95/16679, die europäische Patentschrift 577 394 sowie die US-Patentschriften 5 719 147 und 6 096 723 offenbarten bestimmte Morpholin- und Thiomorpholinverbindungen als Antagonisten der Substanz P, darunter in der US-Patentschrift 5 719 147 auch Aprepitant (Beschr. Abs. 4).

Nanopartikuläre Zusammensetzungen, die aus Partikeln schlecht löslicher therapeutischer oder diagnostischer Mitteln bestünden, auf deren Oberfläche ein nicht vernetzter Oberflächenstabilisator adsorbiert sei, seien zuerst in der US-Patentschrift 5 145 684 beschrieben worden. Zusammensetzungen dieser Art, die Aprepitant umfassten, seien indessen weder in dieser Schrift noch in nachfolgenden Veröffentlichungen offenbart (Beschr. Abs. 5).

2. In der Beschreibung des Streitpatents ist eine Aufgabe nicht formuliert. Mit dem Patentgericht ist die Aufgabe darin zu sehen, eine Formulierung von Aprepitant mit verbesserter Bioverfügbarkeit bereitzustellen (Beschr. Abs. 6).

3. Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Streitpatent in der geltenden Fassung nanopartikuläre und pharmazeutische Zusammensetzungen mit Aprepitant sowie deren Verwendung bei bestimmten Krankheitsbildern vor.

Patentanspruch 1 schützt eine nanopartikuläre Zusammensetzung, deren Merkmale sich wie folgt gliedern lassen (abweichende Gliederung des Patentgerichts in eckigen Klammern):

1.

Die nanopartikuläre Zusammensetzung umfasst [1.1]

1.1

die Verbindung 2-(R)-(1-(R)-(3,5-Bis(trifluormethyl)phenyl)ethoxy)-3-(S)-(4-fluor)phenyl-4-(3-(5-oxo-1H,4H-1,2,4-triazol)methylmorpholin [1.2] oder

1.2

ein pharmazeutisch verträgliches Salz davon [1.2].

2.

An der Oberfläche der Verbindung ist wenigstens ein Oberflächenstabilisator adsorbiert,

2.1

in einer Menge, die ausreicht, um eine effektive mittlere Partikelgröße von weniger als etwa 1000 nm beizubehalten [1.3].

3.

"Effektive mittlere Partikelgröße von weniger als etwa 1000 nm" bedeutet, dass wenigstens 95 Gew.-% der Partikel eine Partikelgröße von weniger als etwa 1000 nm besitzen [1.4].

4. Nach der Beschreibung des Streitpatents liegt der Merkmalsgruppe 2 die unerwartete Erkenntnis zugrunde, dass eine Formulierung von Aprepitant, sei es als Suspension, Dispersion oder als feste Arzneimittelform, mit einer Partikelgröße von weniger als etwa 1000 nm und einem Oberflächenstabilisator die Bioverfügbarkeit des Wirkstoffs wesentlich verbessert (Beschr. Abs. 11). In Verbindung mit Merkmal 3 ergibt sich hieraus zugleich, dass unter einer nanopartikulären Zusammensetzung im Sinne von Merkmal 1 eine Zusammensetzung zu verstehen ist, bei der wenigstens 95 Gewichtsprozent der Partikel eine Größe von weniger als etwa 1000 nm besitzen.

II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

Es könne dahingestellt bleiben, ob der Gegenstand des Streitpatents neu sei. Er beruhe jedenfalls nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

Der Gegenstand von Patentanspruch 1 werde dem Fachmann, einem in der Forschungs- und Entwicklungsabteilung eines Arzneimittelunternehmens tätigen pharmazeutischen Technologen, der über eine mehrjährige Erfahrung in der Entwicklung und Herstellung von Arzneistoffzubereitungen verfüge und in einem Team mit einem Mediziner arbeite, durch die europäische Patentanmeldung 499 299 (NIK6) in Verbindung mit der Veröffentlichung "First U.S. approval for Elan’s NanoCrystal formulation" (Pharmaceutical Online, 30. August 2000, 1-2, Ausdruck von http://www.pharmaceuticalonline.com/doc/ vom 19. Dezember 2016, NIK15) und dem Übersichtsartikel von R.H. Müller et al. (Advanced Drug Delivery Reviews 2001, 3-19, NIK16) nahegelegt. Wie in den Veröffentlichungen von D.E. Newby et al. (Substance P-induced vasodilatation is mediated by the neurokinin type I receptor but does not contribute to basal vascular tone in man, J. Clin. Pharmacol. 1999, S. 336-344, NIK7) und J.J. Hale et al. (Phosphorylated Morpholine Acetal Human Neurokinin-1 Receptor Antagonists as Water-Soluble Prodrugs, J. Med. Chem. 2000, S. 1234-1241, NIK8) ausgeführt, sei dem Fachmann bekannt, dass Aprepitant ein schwerlöslicher Wirkstoff sei. Er werde sich daher für die Entwicklung einer Formulierung von Aprepitant mit verbesserter Bioverfügbarkeit mit allen für die Formulierung schwerlöslicher Arzneistoffe bekannten Techniken befassen und diese auf ihre Brauchbarkeit hin untersuchen. Entgegen der Auffassung der Beklagten überstiegen die hierfür notwendigen Versuche den bei der Arzneimittelformulierung auf dem vom Streitpatent erfassten Gebiet üblichen Rahmen nicht. Der Fachmann werde sich bei seinen Überlegungen auch Zerkleinerungstechniken zuwenden und dabei auf die NIK6 stoßen, die lehre, dass die Bioverfügbarkeit schwerlöslicher Arzneistoffe durch Zerkleinerung der Wirkstoffpartikel auf Nanometergröße verbessert werden könne. Die in NIK6 offenbarten Partikel hätten eine effektive mittlere Größe von weniger als 400 nm. Ein an der Oberfläche der Partikel adsorbiertes Oberflächenmodifizierungsmittel verhindere ihre Reagglomeration. Nach den Ausführungen in der NIK6 sei die dort offenbarte Art der Formulierung für schwerlösliche Wirkstoffe verschiedener Arzneistoffklassen geeignet.

Die Nanoisierung sei im Prioritätszeitpunkt eine im Vergleich zur Mikronisierung zwar noch junge, aber gleichwohl etablierte und ausgereifte Technik gewesen. So werde in NIK15 berichtet, dass im Jahr 2000 mit Rapamune eine nanopartikuläre Wirkstoffzusammensetzung zur Verhinderung der Abwehrreaktion nach einer Nierentransplantation als Arzneimittel zugelassen worden sei. Dabei werde hervorgehoben, dass die für die Formulierung dieses Medikaments eingesetzte "NanoCrystal"-Technologie universell anwendbar sei, eine erhöhte Bioverfügbarkeit bei schlecht wasserlöslichen Wirkstoffen bewirke und den sog. FoodEffekt eliminiere. Der im März 2001 veröffentlichte Übersichtsartikel NIK16 gebe einen historischen Abriss über die Entwicklung der Nanoisierung. Darin werde die Mikronisierung als traditionelle Methode zur Verbesserung der Bioverfügbarkeit schwerlöslicher Wirkstoffe geschildert. Da dieses Verfahren aber nicht immer zu einer ausreichend hohen Bioverfügbarkeit führe, sei man in der Folge dazu übergegangen, mikronisiertes Wirkstoffpulver weiter zu Nanopartikeln zu zerkleinern. Bei den Verfahren der ersten Generation, zu denen die "NanoCrystal"-Technologie gehöre, werde das Wirkstoffpulver in einer Tensid-Lösung dispergiert und in einem Perlmahlverfahren zerkleinert. Ein Verfahren der nächsten Generation sei die DissoCubes®-Technologie, bei der man Nanosuspensionen von Wirkstoffen durch Hochdruckhomogenisierung erhalte. Da die Nanoisierung zum Prioritätszeitpunkt eine von der Fachwelt anerkannte Formulierungsmethode zur Verbesserung der Bioverfügbarkeit von schwerlöslichen Wirkstoffen gewesen sei, begründe die Anwendung dieser Technik bei der Formulierung von Aprepitant keine erfinderische Tätigkeit.

Der Einwand der Beklagten, die Nanoisierung sei mit Risiken behaftet gewesen, die der Fachmann nicht habe beherrschen können, führe zu keiner anderen Beurteilung. Aus NIK6 sei dem Fachmann bekannt gewesen, dass eine Agglomeration der Wirkstoffpartikel verhindert werden könne, indem auf deren Oberfläche eine oberflächenaktive Substanz adsorbiert werde. Dieser Entgegenhaltung habe er außerdem entnehmen können, dass der Gefahr der Bildung von unerwünschten Polymorphen beim Mahlvorgang beispielsweise durch die Wahl eines thermostabilen Polymorphen von Aprepitant als Ausgangsstoff und mit einer Kühlung der Mahlkammer während der Zerkleinerung begegnet werden könne. Aus NIK6 ergebe sich ferner, dass die Mahldauer mit dem Einsatz einer "high shear media"-Mühle verkürzt werden könne. Nach den Angaben in NIK6 liege die Mahldauer bei Verwendung einer Mühle dieses Typs unter einem Tag im Unterschied zu einer Kugelmühle, die für den Mahlvorgang fünf Tage benötige. Damit entstünden weder zu hohe Kosten noch sei mit einer Kontamination des Wirkstoffs aufgrund einer ungewöhnlich langen Mahldauer zu rechnen. Die von der Beklagten als Vorteil der erfindungsgemäßen Lösung geltend gemachte Eliminierung des Food-Effekts sei eine zwangsläufige Folge der Nanoisierung, die allenfalls als Bonuseffekt anzusehen, nicht aber als auf erfinderischer Tätigkeit beruhend zu bewerten sei.

Ein Widerspruch zu der abweichenden Beurteilung des Streitpatents in den Entscheidungen des Europäischen Patentamts (Entscheidung vom 17. Juli 2014 – T 0210/11 – 3.3.07, NIK2) und des Tribunal de Grande Instance de Paris (Urteil vom 26. Januar 2018 – 16/01225, HLNK9) bestehe nicht, da in diesen Verfahren anders als im Streitfall die Entgegenhaltungen NIK15 und NIK16 bei der Prüfung der erfinderischen Tätigkeit außer Betracht geblieben seien.

Der Gegenstand der Patentansprüche 6 und 7 sei dem Fachmann ebenfalls durch NIK6 nahegelegt worden. Aus dieser Entgegenhaltung sei bekannt, zur Bereitstellung einer pharmazeutischen Zusammensetzung für die Wirkstoffpartikel einen pharmazeutisch verträglichen Träger zu verwenden. In NIK6 werde am Beispiel der Verwendung von Zuckerkugeln als Träger außerdem offenbart, dass der Träger mit einer Dispersion der Nanopartikel sprühbeschichtet werden könne.

Der Gegenstand von Patentanspruch 9 sei dem Fachmann durch die NIK7 und NIK8 nahegelegt worden. Aus diesen Veröffentlichungen sei bekannt, dass Aprepitant ein für die Behandlung von Erbrechen geeigneter Wirkstoff sei.

III. Diese Beurteilung hält der Überprüfung im Berufungsverfahren stand.

1. Das Patentgericht hat zu Recht entschieden, dass der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der geltenden Fassung dem Fachmann, dessen Definition durch das Patentgericht von den Parteien nicht in Frage gestellt wird und nicht zu beanstanden ist, durch den Stand der Technik nahegelegt war.

a) Entgegen der Auffassung der Berufung hatte der Fachmann, der sich vor die Aufgabe gestellt sah, eine Formulierung des NK1-Rezeptor-Antagonisten Aprepitant mit verbesserter Bioverfügbarkeit zu entwickeln, Veranlassung, Formulierungstechniken in den Blick zu nehmen, mit denen die Löslichkeit schwerlöslicher Arzneimittelsubstanzen verbessert werden kann.

Den Veröffentlichungen NIK7 und NIK8 konnte der Fachmann entnehmen, dass die Wasserlöslichkeit von Aprepitant äußerst gering ist (NIK7 S. 337 li. Sp. oben; NiK8 S. 1234 re. Sp. Abs. 2). Zudem war ihm, wie auch die Berufung nicht in Zweifel zieht, aufgrund seines Fachwissens bekannt, dass ein Grund für die schlechte Bioverfügbarkeit eines Wirkstoffs seine geringe Wasserlöslichkeit sein kann. Zwar mögen daneben, wie die Beklagte geltend macht und auch ihr Gutachter ausführt, generell weitere Faktoren wie der Grad der von der Berufung in diesem Zusammenhang besonders hervorgehobenen Permeabilität der Darmschleimhaut als mögliche Ursachen für eine schlechte Bioverfügbarkeit in Betracht gekommen sein (Gutachten Prof. A. Lamprecht vom 23. Juni 2017, HLNK1, S. 3 f.). Die Ausführungen in NIK8, wonach die Wasserlöslichkeit von Aprepitant so gering ist, dass sie eine Formulierung in einer für die intravenöse Verabreichung beim Menschen verträglichen Trägersubstanz ausschließt (NiK8 S. 1234 re. Sp. Abs. 2), gaben aber konkrete Veranlassung, sich zur Verbesserung der Bioverfügbarkeit von Aprepitant um eine Erhöhung der Wasserlöslichkeit des Wirkstoffs zu bemühen und sich dementsprechend den für die Formulierung schlecht wasserlöslicher Arzneistoffe bekannten Verfahren zuzuwenden. Dies deckt sich auch mit den Ausführungen des Gutachters der Beklagten, wonach sich der Fachmann bei einer gegebenen schlechten Löslichkeit eines Wirkstoffs in jedem Fall zunächst diesem Parameter zuwenden würde, selbst wenn zugleich eine geringe Permeabilität der Darmschleimhaut für den Wirkstoff im Raum stehen sollte, weil ihm mit dem Ansatz bei der Wasserlöslichkeit mehr Möglichkeiten zur Verbesserung der Bioverfügbarkeit zur Verfügung stünden (HLNK1, S. 4 Mitte).

b) Der Fachmann hatte auch Anlass, sich zur Verbesserung der Wasserlöslichkeit von Aprepitant mit der Nanoisierung als Formulierungstechnik zu befassen.

aa) Aufgrund seines Fachwissens war ihm bekannt, dass ein Wirkstoff, um resorbiert werden zu können, in gelöster Form vorliegen muss. Beim Lösungsvorgang einer festen Substanz bildet sich um diese eine dünne Schicht ihrer gesättigten Lösung, aus der eine Diffusion in die übrigen Teile der umgebenden Lösung erfolgt. Der Wirkstoff wird beim Passieren durch den Magen-Darm-Trakt nur in einer bestimmten Zone resorbiert und muss daher innerhalb eines bestimmten Zeitfensters aufgelöst werden. Die Auflösungsrate eines Wirkstoffs wird maßgeblich von der Löslichkeit des Wirkstoffs im Auflösungsmedium und der Austauschoberfläche zwischen den Wirkstoffpartikeln und dem Lösungsmittel beeinflusst, wie auch in der sog. Noyes-Whitney-Gleichung zum Ausdruck kommt, wonach die Lösungsgeschwindigkeit direkt proportional zur Oberfläche des Wirkstoffs, zu seinem Diffusionskoeffizienten und zum Konzentrationsgefälle zwischen Wirkstoff und Lösungsmittel in einem bestimmten Zeitpunkt und umgekehrt proportional zur Dicke der Diffusionsschicht ist (vgl. Voigt, Pharmazeutische Technologie, 9. Aufl. 2000, HLNK1-Anlage 2, S. 42-43 unter 2.2.2, S. 43-44 unter 2.2.3.1 und S. 141 unter 7.6.2.1).

Entsprechend kann die Auflösung eines schlecht wasserlöslichen Wirkstoffs durch pharmazeutisch-technologische Maßnahmen vor allem über zwei Parameter beeinflusst werden, nämlich die Sättigungskonzentration und die Oberfläche des ungelösten Wirkstoffs. Eine Erhöhung der Sättigungskonzentration bedeutet, dass die Löslichkeit des Wirkstoffs im Lösungsmedium erhöht wird. Eine Vergrößerung der Oberfläche der Wirkstoffpartikel vergrößert die Austauschfläche zwischen dem ungelösten Wirkstoff und dem Lösungsmittel. Dadurch wird die Auflösungsgeschwindigkeit erhöht. Für beide Ansätze bestehen jeweils mehrere Alternativen.

(1) Die Erhöhung der Sättigungskonzentration kann insbesondere durch chemische Maßnahmen am Wirkstoffmolekül, wie beispielsweise die Bildung wasserlöslicher Salze oder die Einführung hydrophiler Gruppen, durch die Wahl geeigneter polymorpher oder pseudopolymorpher Modifikationen als Ausgangsstoff oder durch die Zugabe von lösungsverbessernden Hilfsstoffen wie Tenside oder von Komplexbildnern wie Cyclodextrin erreicht werden (vgl. HLNK1-Anlage 2, S. 43-51 unter 2.2.3).

(2) Die Vergrößerung der Oberfläche der Wirkstoffpartikel wird durch Maßnahmen bewirkt, die vor allem den Effekt haben, dass die Teilchengröße des zu lösenden Stoffs verringert wird. Nach den Ausführungen in der Fachliteratur kann dies einmal - wie bei der Herstellung fester Dispersionen durch Sprühtrocknung oder Sprüh- und Schmelzeinbettung - durch den Einsatz entsprechender Hilfsstoffe erreicht werden. Eine andere in der Fachliteratur beschriebene Methode zur Vergrößerung der Oberfläche des Wirkstoffs ist die mechanische Zerkleinerung der Wirkstoffpartikel, die als Mikronisierung bezeichnet wird, wenn die Partikel auf Mikrometergröße gebracht werden (vgl. HLNK1-Anlage 2, S. 43 li. Sp., S. 43-51 unter 2.2.3 und S. 44 unter 2.2.3.2.).

bb) Ein Anreiz, vor diesem Hintergrund die Nanoisierung als vielversprechende Formulierungstechnik zur Verbesserung der Wasserlöslichkeit von Aprepitant näher in Betracht zu ziehen, ergab sich aus NIK16.

NIK16 befasst sich mit partikulären Arzneistoffformulierungen in Gestalt von Nanosuspensionen. Die Autoren schildern die Gründe für deren Entwicklung und geben einen Ausblick auf mögliche Erwartungen an nanopartikuläre Arzneistoffformulierungen. Sie verweisen darauf, dass ein Großteil der neu entwickelten Arzneistoffe sowohl in wässrigen als auch in organischen Medien schlecht löslich sei, was dazu führe, dass die traditionellen Vorgehensweisen zur Verbesserung der Lösungsverhältnisse unbrauchbar seien. Die Mikronisierung mittels Kolloid- oder Strahlmühlen sei zwar eine seit vielen Jahren bei schwerlöslichen Arzneistoffen praktizierte Methode. Bei einer sehr niedrigen Sättigungslöslichkeit reiche indessen die durch die Mikronisierung erzielte Auflösungsgeschwindigkeit regelmäßig nicht aus, um eine ausreichend hohe Bioverfügbarkeit zu erreichen. Man sei daher in der weiteren Entwicklung dazu übergegangen, mikronisiertes Arzneistoffpulver in Nanopartikel zu transformieren und Nanosuspensionen herzustellen (NIK16 S. 4 li. Sp.). Bei den Produkten der ersten Generation seien Zerkleinerungsverfahren eingesetzt und die Wirkstoffpartikel einem Perlmahlverfahren unterworfen worden. Die Produkte der zweiten Generation würden durch Hochdruckhomogenisierung hergestellt, wodurch man Nanosuspensionen erhalte (NIK16 S. 4 re. Sp.). Nanosuspensionen zeichneten sich insbesondere durch einen Anstieg der Sättigungslöslichkeit aus, der zugleich zu einer Erhöhung der Auflösungsgeschwindigkeit der Verbindung führe. Diese trete zusätzlich zu der durch die Oberflächenvergrößerung bewirkten Geschwindigkeitserhöhung ein, wie man sie sich beispielsweise bei der Mikronisierung zu Nutze gemacht habe (NIK16 S. 8 unter 3.2).

cc) Danach kann die Berufung nicht mit Erfolg geltend machen, die Entscheidung, Aprepitant als nanopartikuläre Zusammensetzung zu formulieren, beruhe auf erfinderischer Tätigkeit, weil der Fachmann angesichts der zahlreichen Möglichkeiten zur Verbesserung der Wasserlöslichkeit eines Wirkstoffs vor einer komplexen Auswahlentscheidung gestanden habe und keine der Alternativen als besonders wirksam und damit als klar vorzugswürdig herausgeragt sei.

Dem Fachmann war bekannt, dass der Konzentrationsgradient bei schwerlöslichen Stoffen einen so geringen Zahlenwert annimmt, dass praktisch die Oberfläche der Partikel zur maßgeblichen Einflussgröße wird (vgl. Voigt, Pharmazeutische Technologie, 9. Aufl. 2000, HLNK1-Anlage 2, S. 42-43 unter 2.2.2). Er wusste ferner, dass die durch eine Mikronisierung erzielte Erhöhung der Auflösungsgeschwindigkeit bei Wirkstoffen mit einer sehr niedrigen Sättigungslöslichkeit nicht zu einer ausreichend hohen Bioverfügbarkeit führt (NIK16 S. 4 li. Sp. unten). Der NIK16 entnahm er, dass die Nanoisierung im Unterschied zur Mikronisierung nicht nur die Möglichkeit eröffnet, die Auflösungsgeschwindigkeit über die Vergrößerung der Oberfläche zu erhöhen, sondern zugleich auch einen Weg wies, die Sättigungslöslichkeit heraufzusetzen, und dergestalt mit ein und derselben Maßnahme gleichermaßen beide für die Auflösungsrate eines Wirkstoffs maßgeblichen Parameter zu beeinflussen und die Löslichkeit weiter zu verbessern (NIK16 S. 8 unter 3.2). Aufgrund dieses Potentials ragte die Nanoisierung zum Prioritätszeitpunkt aus den Formulierungstechniken zur Verbesserung der Löslichkeit heraus und gab dem Fachmann Anlass, sich dieser zuzuwenden, zumal in NIK16 hervorgehoben wird, dass die Nanoisierung eine vielversprechende Methode zur Lösung des Problems der geringen Wasserlöslichkeit und Bioverfügbarkeit ist, auch wenn die üblichen Methoden zur Überwindung des Problems nicht angewandt werden können. Die Nanoisierung sei generell für die meisten Arzneimittelstoffe einsetzbar und in der Durchführung einfach (NIK16 Abstract).

dd) Für die Überlegung, Aprepitant als nanopartikulären Zusammensetzung vorzusehen, sprach auch die NIK6.

Die Entgegenhaltung offenbart Partikel, die im Wesentlichen aus einer kristallinen Arzneimittelsubstanz bestehen und eine effektive mittlere Größe von weniger als etwa 400 nm aufweisen. In der Beschreibung ist ausgeführt, die Erfindung beruhe auf der Entdeckung, dass mit Arzneimittelpartikeln, die eine extrem kleine effektive mittlere Größe aufwiesen, pharmazeutische Zusammensetzungen mit einer unerwartet hohen Bioverfügbarkeit bereitgestellt werden könnten. Derartige Partikel könnten in der Weise hergestellt werden, dass die betreffende Arzneimittelsubstanz im Nassverfahren in einer Mahlkörpermühle vermahlen und vor oder nach dem Mahlvorgang mit einem oberflächenmodifizierenden Stoff verbunden werde, der ein Ausflocken oder eine Agglomeration der Teilchen verhindere (NIK6, S. 3, Z. 11-23). Wie schon in NIK16 wird auch in NIK6 betont, dass die beschriebene Art der Wirkstoffformulierung mit einer Vielzahl von Arzneimittelsubstanzen realisiert werden könne (NIK6 S. 3 Z. 30).

ee) Schließlich wurde der Fachmann in dem Ansatz, eine Nanoisierung in Erwägung zu ziehen, durch NIK15 bestärkt. Darin wird berichtet, dass mit dem Medikament Rapamune (Wirkstoff: Sirolimus) der Elan Corp. erstmals eine Formulierung eines Arzneimittels auf der Grundlage der NanoCrystal-Technologie in den USA zugelassen worden sei, und insbesondere hervorgehoben, dass durch die Nanoisierung die Bioverfügbarkeit des Wirkstoffs verbessert werde und Formulierungsprobleme, wie sie in der Regel durch die Veränderungen der physikalischen Struktur von Arzneimitteln bei der Mikronisierung aufträten, nicht zu beobachten seien.

ff) Entgegen der Auffassung der Berufung wurde der Fachmann nicht durch die Veröffentlichung von Liversidge/Cundy (Particle size reduction for improvement of oral bioavailability of hydrophobic drugs: I. Absolute oral bioavailability of nanocrystalline danazol in beagle dogs, International Journal of Pharmaceutics 1995, S. 91, HLNK1-Anlage 6) davon abgehalten, die Nanoisierung von Aprepitant in Betracht zu ziehen.

In HLNK1-Anlage 6 wird über eine Untersuchung berichtet, mit der die Bioverfügbarkeit einer nanopartikulären Danazol-Formulierung, eines DanazolHydroxypropyl-ß-Cyclodextrin-Komplexes und einer wässrigen Suspension herkömmlicher Danazol-Partikel ermittelt wurde. Danazol, ein Wirkstoff zur Behandlung von Endometriose, ist wie Aprepitant ein Stoff mit geringer Wasserlöslichkeit und Bioverfügbarkeit. In HLNK1-Anlage 6 ist zu den Ergebnissen der Untersuchung ausgeführt, dass sich die Nanopartikel-Dispersion und der Cyclodextrin-Komplex hinsichtlich der Bioverfügbarkeit zwar deutlich von der herkömmlichen Danazol-Suspension unterschieden, im Vergleich zueinander aber keine großen Unterschiede aufwiesen (HLNK1-Anlage 6, S. 96 re. Sp. und S. 97 li. Sp.; Abstract, letzter Satz). Daraus kann entgegen der Ansicht der Berufung nicht abgeleitet werden, dass der Fachmann hierdurch von der Nanoisierung wegführt geworden wäre. In der Untersuchung ging es nicht darum festzustellen, welche der untersuchten Formulierungen die höchste Bioverfügbarkeit aufweist als vielmehr darum zu ermitteln, ob mit einer nanopartikulären Formulierung von Danazol hinsichtlich der Bioverfügbarkeit vergleichbare Ergebnisse erzielt werden können wie mit anderen die Löslichkeit verbessernden Techniken. Dabei diente der Danazol-Hydroxypropyl-ß-Cyclodextrin-Komplex als Vergleichsmaßstab, weil er als eine molekulare Dispersion von Danazol, bei der kein Lösungsschritt die Bioverfügbarkeit limitiert, einen für Vergleiche mit anderen oralen Formulierungen geeigneten Standard darstellt (HLNK1-Anlage 6, S. 97 li. Sp.). Eine Anregung, eine Formulierung von Aprepitant als Cyclodextrin-Komplex weiterzuentwickeln, ergab sich damit aus HLNK1-Anlage 6 nicht, zumal Formulierungen mit einem Cyclodextrin-Komplex auf dem Arzneimittelmarkt nur begrenzten Erfolg hatten (NIK16 S. 4 li. Sp.).

gg) Ohne Erfolg macht die Berufung geltend, der Fachmann habe Vorbehalte gegen eine Nanoisierung gehabt, weil ihm spezifische Probleme und Nachteile der Nanoisierung bekannt gewesen seien, denen er mit eigenen Überlegungen, Auswahlentscheidungen und Erprobungen hätte begegnen müssen, die weit über einfache Routineversuche hinausgegangen wären und einen zusätzlichen zeitlichen und finanziellen Aufwand bedeutet hätten.

(1) Das Risiko, dass es unter dem Einfluss der durch den Mahlvorgang zugeführten Energie zu einer Reagglomeration der Wirkstoffpartikel kommt, ist ein für die Nanoisierung typisches Problem. Aus NIK6 und NIK16 war dem Fachmann bekannt, dass er diesem Problem mit dem Einsatz von oberflächenstabilisierenden Stoffen begegnen kann. NIK6 enthält eine ausführliche Darstellung zur Wahl und Dosierung von oberflächenmodifizierenden Stoffen, die im Stand der Technik als Mittel zur Verhinderung einer unerwünschten Agglomeration bekannt sind. Patentanspruch 1 des Streitpatents definiert weder Art noch Dosierung des Oberflächenstabilisators näher, sondern enthält insoweit lediglich die Angabe, dass der Oberflächenstabilisator in einer Menge vorhanden sein soll, die ausreicht, um eine bestimmte effektive mittlere Partikelgröße von etwa 1000 nm beizubehalten. Diese Formulierung stimmt bis auf die Größenangabe mit Patentanspruch 1 der NIK6 ein, der eine effektive mittlere Partikelgröße von etwa 400 nm offenbart. Mit den in Patentanspruch 5 aufgeführten und den weiteren in der Beschreibung beispielhaft als geeignet genannte Stabilisatoren verweist das Streitpatent lediglich auf bereits bekannte und teilweise auch schon in NIK6 offenbarte Stabilisatoren. Dass die Auswahl und die Dosierung des Oberflächenstabilisators für eine nanopartikuläre Formulierung von Aprepitant eine aufwändige Analyse erfordert hätte, ist vor diesem Hintergrund nicht ersichtlich.

(2) Bei den weiteren von der Berufung genannten möglichen Schwierigkeiten beim Mahlvorgang, wie die Zersetzung des Wirkstoffs und der Verlust an Stabilität, handelt es sich ebenfalls um Probleme, die bei der Nanoisierung typischerweise auftreten können und den Fachmann nicht davon abgehalten hätten, die Nanoisierung auch für eine Formulierung von Aprepitant auszuprobieren. Das Streitpatent schlägt für den Mahlvorgang keine anderen Techniken oder Mühlen vor als sie dem Fachmann bereits aus NIK6 und NIK16 bekannt sind, so dass auch insoweit nicht ersichtlich ist, dass die Formulierung von Aprepitant als nanopartikuläre Zusammensetzung auf besondere Schwierigkeiten gestoßen wäre.

(3) Darüber hinaus zeigt die Berufung keine Anhaltspunkte auf, denen sich entnehmen ließe, dass eine Nanoisierung von Aprepitant den Fachmann vor besondere Herausforderungen gestellt hätte, die spezifisch mit Aprepitant zusammenhängen und die Ergreifung von über den Stand der Technik hinausgehenden Maßnahmen erforderlich gemacht hätten.

hh) Dass für den Fachmann andere Formulierungsalternativen gegenüber der Nanoisierung vorrangig in Betracht gekommen wären, ist nicht ersichtlich. Dies gilt insbesondere auch für die von der Berufung in diesem Zusammenhang genannte Möglichkeit, in einer lipophilen Phase gelöstes Aprepitant in einer Weichgelatinekapsel zu formulieren.

Zwar hat die Beklagte bereits Weichgelatinekapseln mit in einer lipophilen Phase gelöstem Aprepitant an Hunden erprobt und konnte mit dieser Formulierung die Bioverfügbarkeit verbessern (Yunhui Wu et al.: The role of biopharmaceutics in the development of a clinical nanoparticle formulation of MK-0869 a Beagle dog model predicts improved bioavailability and diminished food effect on absorption in human, International Journal of Pharmaceutics 2004, S. 135, NIK13). Wie auch die Berufung einräumt, ist die Übernahme dieser Art der Formulierung für die Herstellung von Aprepitant als Humanarzneimittel indessen nicht weiterverfolgt worden, da die für einen Menschen erforderliche Dosis von mindestens 80 mg Wirkstoff nur durch die Einnahme von mindestens zehn Weichgelatinekapseln erreicht worden wäre. Aus fachlicher Sicht gab es daher keinen Grund, diesen Ansatz weiterhin als erfolgversprechend anzusehen und sich damit bevorzugt zu befassen, zumal die Nanoisierung mit der Möglichkeit, sowohl über die Sättigungslöslichkeit als auch über die Wirkstoffoberfläche Einfluss auf die Löslichkeit von Aprepitant nehmen zu können, in NIK16 und NIK6 als vielversprechend und auf unterschiedliche Arzneistoffklassen anwendbare Formulierungstechnik beschrieben wurde, die auch schon zum Erfolg geführt hatte (vgl. NIK15).

ii) Dass der Bundesgerichtshof in einem Fall die Auswahl aus einer Vielzahl geeigneter Materialien angesichts der zahlreichen bei der Auswahlentscheidung zu berücksichtigenden Parameter als erfinderisch bewertet hat (BGH, Urteil vom 16. August 2016 - X ZR 94/14, GRUR 2016, 1260 Rn. 53-55 – Yttrium-Aluminium-Granat), führt entgegen der Ansicht der Berufung nicht zu einer anderen Beurteilung. Dies beruhte darauf, dass die erfindungsgemäße Lösung seinerzeit darin bestand, ein Material aus einem anderen Anwendungsgebiet heranzuziehen, dessen Eignung für den angestrebten Zweck nicht durch einfache Versuche herausgefunden werden konnte. Im Streitfall geht es demgegenüber darum, eine Auswahl aus mehreren auf dem betroffenen Fachgebiet zur Erreichung des angestrebten Ziels der Verbesserung der Löslichkeit eines Wirkstoffs anerkannten und geläufigen Verfahren zu treffen, wobei ein Verfahren als besonders wirksam und klar vorzugswürdig herausragte.

c) Die Vorgaben in Merkmalsgruppe 2 und Merkmal 3 hinsichtlich der effektiven mittleren Größe der Partikel, des Mindestanteils von Partikeln der vorgegebenen Größe und der Menge des Oberflächenstabilisators in der nanopartikulären Zusammensetzung waren durch NIK6 nahegelegt.

Patentanspruch 1 der NIK6 offenbart eine effektive mittlere Partikelgröße von etwa 400 nm und sieht vor, dass der Oberflächenstabilisator in einer Menge vorhanden ist, die ausreicht um diese Partikelgröße aufrechtzuerhalten. In der Beschreibung der NIK6 ist ausgeführt, mit der Größenangabe werde eine Partikelgrößenverteilung bezeichnet, bei der mindestens 90 Gewichtsprozent der Partikel eine Größe von 400 nm aufwiesen. In bevorzugten Ausführungen wiesen mindestens 95 Gewichtsprozent der Partikel eine Größe von weniger als der effektiven mittleren Partikelgröße auf (NIK6 S. 4 Z. 48-55). Damit sind die Merkmale 2 und 2.1 hinsichtlich des Oberflächenstabilisators und dessen Menge sowie Merkmal 3 hinsichtlich der Partikelgrößenverteilung offenbart. Die in den Merkmalen 2.1 und 3 angegebene Partikelgröße mit 1000 nm ist in NIK6 zwar nicht offenbart. Das Erreichen dieses Werts vermag aber, nachdem die in Patentanspruch 1 der NIK6 offenbarte Partikelgröße geringer ist, keine erfinderische Tätigkeit zu begründen.

Auch wenn NIK6 nicht den Wirkstoff Aprepitant betrifft, lag es für den Fachmann nahe, sich an den in NIK6 angegebenen Werten auszurichten, zumal es in NIK6 heißt, die Erfindung könne mit einer Vielzahl von Arzneimittelsubstanzen realisiert werden, und Aprepitant wie die Arzneimittelsubstanzen, die NIK6 im Blick hat, kristallin und schwer wasserlöslich ist.

d) Aus den genannten Gründen kann der Senat auch nicht dem von der Berufung angeführten Urteil des Tribunal de Grande Instance de Paris vom 26. Januar 2018 (HLNK9), das die Patentfähigkeit des Streitpatents bejaht hat, beitreten, wohl aber dem Beschluss der Cour d’Appel de Paris vom 29. Oktober 2019, mit dem diese die Entscheidung der Vorinstanz aufgehoben und das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit vor allem mit Blick auf NIK6 verneint hat (NIK18).

2. Für die nebengeordneten Patentansprüche 6 und 7, die pharmazeutische Zusammensetzungen betreffen, die nanopartikuläre Zusammensetzungen mit den Merkmalen der Ansprüche 1 bis 5 umfassen, gilt nichts Anderes. Die Verwendung eines pharmazeutisch verträglichen Trägers wird in NIK6 als eine dem Fachmann bekannte Maßnahme beschrieben, ebenso die Möglichkeit, den Träger mit einer Sprühschicht zu versehen (NIK6 S. 6 Z. 23-25).

3. Ebenso war der Gegenstand von Patentanspruch 9 dem Fachmann nahegelegt. Die dort angeführten Einsatzmöglichkeiten von Aprepitant waren ihm bereits aus NIK7 und NIK8 bekannt (NIK7 S. 336 unter "Introduction"; NIK8 S. 1234 unter "Introduction").

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG und § 97 Abs. 1 ZPO .

Von Rechts wegen

Verkündet am: 25. März 2021

Vorinstanz: BPatG, vom 04.12.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 3 Ni 3/17 (EP)