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BVerwG - Entscheidung vom 28.01.2020

1 B 87.19, 1 PKH 51.19

Normen:
GG Art. 103 Abs. 1
VwGO § 133 Abs. 3 S. 3
AsylG § 3

BVerwG, Beschluss vom 28.01.2020 - Aktenzeichen 1 B 87.19, 1 PKH 51.19

DRsp Nr. 2020/5639

Anforderungen an die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache im asylgerichtlichen Verfahren; Keine Zulassung der Revision durch (grundsätzliche) Tatsachenfragen; Unterschiedliche Beurteilungen der Verfolgungsgefahr für syrische Bürgerkriegsflüchtlingen bei einer Rückkehr nach Syrien; Voraussetzungen einer Verletzung des rechtlichen Gehörs

Der bloße Hinweis darauf, dass mehrere Oberverwaltungsgerichte zu unterschiedlichen Ergebnissen gekommen seien, weißt gerade nicht auf eine Rechtsfrage des Bundesrechts, wenn es an Darlegungen zur Frage fehlt, auf welchem Unterschied in dem der Tatsachenbewertung zu Grunde liegenden Rechtsausfassungen die im Ergebnis abweichenden Beurteilungen beruhen.

Tenor

Der Antrag der Klägerin, auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten wird abgelehnt.

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 13. August 2019 wird verworfen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Normenkette:

GG Art. 103 Abs. 1 ; VwGO § 133 Abs. 3 S. 3; AsylG § 3 ;

Gründe

1. Der Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht wird abgelehnt, weil die Rechtsverfolgung - wie es sich aus den nachstehenden Gründen ergibt - keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 und § 121 Abs. 1 ZPO ).

2. Die auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung (2.1) und eines Verfahrensmangels (2.2) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg, weil sie nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügt.

2.1 Die Revision ist nicht wegen grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.

a) Eine Rechtssache hat grundsätzlich Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO , wenn sie eine abstrakte, in dem zu entscheidenden Falle erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder im Interesse der Rechtsfortbildung in einem Revisionsverfahren geklärt werden muss. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, wenn sich die aufgeworfene Frage im Revisionsverfahren nicht stellen würde, wenn sie bereits geklärt ist bzw. aufgrund des Gesetzeswortlauts mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Auslegung und auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantwortet werden kann oder wenn sie einer abstrakten Klärung nicht zugänglich ist (BVerwG, Beschlüsse vom 1. April 2014 - 1 B 1.14 - Buchholz 402.242 § 7 AufenthG Nr. 8 und vom 10. März 2015 - 1 B 7.15 - juris).

Für die Zulassung der Revision reicht, anders als für die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO / § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG (BVerwG, Urteil vom 31. Juli 1984 - 9 C 46.84 - BVerwGE 70, 24 <26>), eine Tatsachenfrage grundsätzlicher Bedeutung nicht aus. Die Klärungsbedürftigkeit muss vielmehr in Bezug auf den anzuwendenden rechtlichen Maßstab, nicht die richterliche Tatsachenwürdigung und -bewertung bestehen; auch der Umstand, dass das Ergebnis der zur Feststellung und Würdigung des Tatsachenstoffes berufenen Instanzengerichte für eine Vielzahl von Verfahren von Bedeutung ist, lässt für sich allein nach geltendem Revisionszulassungsrecht eine Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht zu. Der Gesetzgeber hat insoweit auch für das gerichtliche Asylverfahren an den allgemeinen Grundsätzen des Revisionsrechts festgehalten und für das Bundesverwaltungsgericht keine Befugnisse eröffnet, Tatsachen(würdigungs)fragen grundsätzlicher Bedeutung in "Länderleitentscheidungen", wie sie etwa das britische Prozessrecht kennt, zu treffen.

Anderes folgt auch nicht aus dem Kammerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 14. November 2016 - 2 BvR 31/14 - (InfAuslR 2017, 75 ). Das Bundesverfassungsgericht hat in diesem Beschluss nicht entschieden, dass in Fällen, in denen Oberverwaltungsgerichte/Verwaltungsgerichtshöfe auf der Grundlage (weitestgehend) identischer Tatsachenfeststellungen zu einer im Ergebnis abweichenden rechtlichen Beurteilung kommen, stets und notwendig eine (klärungsbedürftige) Rechtsfrage des Bundesrechts vorliegt, welche eine Rechtsmittelzulassung gebietet, um den Zugang zur Rechtsmittelinstanz nicht in einer durch Sachgründe nicht mehr zu rechtfertigenden Weise zu erschweren. Das Bundesverfassungsgericht hat vielmehr als Grund der bei als identisch angenommener Tatsachengrundlage im Ergebnis unterschiedlichen Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen einerseits und des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg andererseits eine unterschiedliche Rechtsauffassung zur Rechtsfrage bezeichnet, ob der Asylbewerber tatsächlich politisch aktiv war oder ob es ausreicht, dass die Behörden des Heimatstaates von einer solchen Betätigung ausgingen. Für Tatsachenfragen - und damit auch für Unterschiede bei der tatsächlichen Bewertung identischer Tatsachengrundlagen - hat es vorab ausdrücklich bestätigt, dass wegen der Bindung des Revisionsgerichts an die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO ) eine weitergehende Vereinheitlichung der Rechtsprechung durch das Bundesverwaltungsgericht ausscheidet. Auch in Fällen (weitgehend) identischer Tatsachengrundlagen ist für die Revisionszulassung mithin eine Darlegung erforderlich, dass die im Ergebnis abweichende Bewertung der Tatsachengrundlage eine klärungsbedürftige Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, und diese Frage hinreichend klar zu bezeichnen.

Im Ergebnis unterschiedliche Bewertungen von Tatsachen bei (weitgehend) identischer Tatsachengrundlage weisen auch nicht auf rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftige Fragen zur Auslegung und Anwendung des § 108 VwGO hin; im Übrigen sind (mögliche) Fehler in der Sachverhalts- und Beweiswürdigung nach ständiger Rechtsprechung revisionsrechtlich regelmäßig nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem sachlichen Recht zuzuordnen.

b) Nach diesen Grundsätzen ist eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache schon nicht dargelegt.

Die Beschwerde hält folgende Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig:

"ob syrischen Bürgerkriegsflüchtlingen - und damit auch der Klägerin - bei einer (hypothetisch zu unterstellenden) Rückkehr nach Syrien dort mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgungen im Sinn von § 3 AsylG aufgrund der illegalen Ausreise i.V.m. und oder bereits allein aufgrund der Asylantragstellung in Deutschland i.V.m. oder bereits allein aufgrund des längeren Auslandsaufenthalts droht".

Sie macht geltend, dass diese Rechtsfrage bisher von den Oberverwaltungsgerichten unterschiedlich beantwortet wurden sei, und benennt im Einzelnen Entscheidungen verschiedener Oberverwaltungsgerichte/Verwaltungsgerichtshöfe.

Mit diesem und dem weiteren Vorbringen wird eine grundsätzliche Bedeutung nicht dargelegt, weil keine klärungsbedürftige Rechtsfrage im Hinblick auf den für die materiell-rechtliche Subsumtion sowie für die Tatsachenfeststellung und - Würdigung heranzuziehenden rechtlichen Maßstab dargelegt ist. Der bloße Hinweis darauf, dass mehrere Oberverwaltungsgerichte - bei als identisch angenommener Tatsachengrundlage - zu unterschiedlichen Ergebnissen gekommen seien, weißt gerade nicht auf eine (klärungsfähige) Rechtsfrage des Bundesrechts, wenn und weil es - wie hier - an Darlegungen zur Frage fehlt, auf welchem (klärungsbedürftigen) Unterschied in dem der Tatsachenbewertung zu Grunde liegenden Rechtsausfassungen die im Ergebnis abweichenden Beurteilungen beruhen.

2.2. Die Revision ist auch nicht wegen eines Verfahrensfehlers im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen.

Ohne Erfolg rügt die Beschwerde eine Verletzung des rechtlichen Gehörs, weil das Berufungsgericht angesichts der neueren Beweismittel, die das Berufungsgericht selbst benannt haben, nicht zu dem Schluss gekommen sei, dass es für Frauen ohne effektiven Schutz durch männliche Mitglieder der Kernfamilie eine gemäß § 3 AsylG beachtliche landesweite Gefahr gebe, gezielt Opfer sexueller Gewalt zu werden.

Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Gericht das Vorbringen der Beteiligten, wie es Art. 103 Abs. 1 GG vorschreibt, zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Eine Verletzung des Anspruches auf rechtliches Gehör ist nur dann anzunehmen, wenn besondere Umstände deutlich ergeben, dass das Gericht bestimmtes Vorbringen nicht berücksichtig hat (stRspr, vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 19. Mai 1992 - 1 BvR 986/91 - BVerfGE 86, 133 <145 f.>). Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht nicht, dem Tatsachenvorbringen oder der Rechtseinsicht eines Verfahrensbeteiligten inhaltlich zu folgen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 24. Juli 2014 - 1 B 10.14 - juris Rn. 9 m.w.N.). Es ist daher verfehlt, aus der Nichterwähnung einzelner Begründungsteile des Vorbringens in den gerichtlichen Entscheidungsgründen zu schließen, da das Gericht habe sich nicht mit den darin enthaltenen Argumenten befasst. Art. 103 Abs. 1 GG vermittelt insbesondere keinen Schutz davor, dass ein Gericht aus Gründen des materiellen Rechts Parteivorbringen nicht weiter aufnimmt (BVerfG, Beschluss vom 21. April 1982 - 2 BvR 810/81 - BVerfGE 60, 305 <310> m.w.N.) und die vorhandenen Erkenntnismittel anders beurteilt als der Kläger (BVerwG, Beschluss vom 24. Juli 2014 - 1 B 10.14 - juris Rn. 9).

Nach diesen Grundsätzen ist bereits die Möglichkeit einer Verletzung des rechtlichen Gehörs nicht dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO ). Der Sache nach greift die Klägerin allein die tatsächliche Würdigung der Lage für weibliche Asylbewerber ohne männlichen Schutz in Syrien durch das Berufungsgericht an, ohne zu kennzeichnen, welches tatsächliche Vorbringen von diesem nicht zur Kenntnis genommen oder nicht erwogen seien sollte. Die von der Klägerin genannten Erkenntnismittel sind ausweislich des Berufungsurteils (UA Rn. 35 f.) zur Kenntnis genommen und auf der Grundlage der in vorangehender Rechtsprechung entwickelter Maßstäbe erwogen worden.

3. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO ).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO . Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG ; Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG liegen nicht vor.

Vorinstanz: VGH Bayern, vom 13.08.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 21 B 19.32581