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BVerfG - Entscheidung vom 27.10.2020

2 BvR 558/19

Normen:
GG Art. 25 S. 1
GG Art. 101 Abs. 1 S. 2

BVerfG, Beschluss vom 27.10.2020 - Aktenzeichen 2 BvR 558/19

DRsp Nr. 2020/17703

Annahme der Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung hinsichtlich Abweisung einer Klage auf Schadensersatz infolge der Umschuldung griechischer Staatsanleihen; Anwendung der allgemeinen Regel des Völkerrechts als Bestandteil des Bundesrechts

Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Normenkette:

GG Art. 25 S. 1; GG Art. 101 Abs. 1 S. 2;

[Gründe]

I.

Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen einen Beschluss des Bundesgerichtshofs in einem Rechtsstreit, in dem eine Klage auf Erfüllung beziehungsweise Schadensersatz infolge der Umschuldung griechischer Staatsanleihen abgewiesen wurde.

Der Beschwerdeführer zu 1. erwarb am 29. März 2010 und 25. Oktober 2011 über die C. Bank AG Staatsanleihen der Hellenischen Republik (ISIN GR..., GR..., GR... und GR...) im Wert von insgesamt 302.000 Euro.

Die Beschwerdeführerin zu 2. erwarb am 21. April 2010, 14. Februar 2011 und 3. November 2011 über die D. Bank AG Staatsanleihen der Hellenischen Republik (ISIN GR... und GR...) im Wert von insgesamt 90.000 Euro.

Die Beschwerdeführerin zu 3. erwarb am 26. April 2010 und 6. Mai 2011 über die D. Bank AG Staatsanleihen der Hellenischen Republik (ISIN GR...) im Wert von insgesamt 50.000 Euro.

Am 23. Februar 2012 trat das Gesetz 4050/2012 in Kraft, mit dem zum Zwecke der Restrukturierung des griechischen Staatshaushalts eine Umschuldungsregelung (sogenannte Collective Action Clause - CAC) eingeführt wurde. Diese sah die Möglichkeit vor, den Anleiheberechtigten einen Änderungsvorschlag betreffend die Anleihebedingungen und den Austausch von Anleihen zu unterbreiten (Art. 1 Nr. 1 Satz 2 und Satz 3 des Gesetzes 4050/2012). Nach der gesetzlichen Regelung konnten die Berechtigten über den Vorschlag abstimmen, wobei dieser bei Erreichen einer Zustimmung von zwei Dritteln von mindestens der Hälfte der Berechtigten als angenommen galt (Art. 1 Nr. 3 des Gesetzes 4050/2012). Das Stimmgewicht wurde aufgrund des Anteils des jeweiligen Abstimmungsberechtigten an den insgesamt ausgegebenen Staatsanleihen (i.S.v. Art. 1 Nr. 1 Buchstabe a des Gesetzes 4050/2012) und der Anzahl der Anleihetitel ermittelt, die ein Abstimmungsberechtigter hielt. Das Ergebnis der Gläubigerabstimmung war im Regierungsblatt zu veröffentlichen und vom Ministerrat zu bestätigen (Art. 1 Nr. 7 des Gesetzes 4050/2012). Mit dieser Bestätigung galt die Entscheidung als allgemeinverbindliche Regelung im Rang von Gesetzesrecht (Art. 1 Nr. 8 Satz 1 des Gesetzes 4050/2012). Im Falle eines Anleiheaustauschs galten die ausgetauschten Titel und Rechte als automatisch erloschen (Art. 1 Nr. 8 Satz 2 des Gesetzes 4050/2012). Es wurde festgeschrieben, dass der gesamte Inhalt der maßgeblichen Regelung des Art. 1 des Gesetzes 4050/2012 von höchstem öffentlichen Interesse sei, sofort umgesetzt werden müsse und als Spezialregelung Vorrang vor jeglicher (einfachrechtlichen) Regelung habe (Art. 1 Abs. 10 des Gesetzes 4050/2012).

Am 24. Februar 2012 unterbreitete die Hellenische Republik den Anleiheberechtigten ein Umtauschangebot: Danach sollten die ausgegebenen Anleihen gegen neue Anleihen zu einem um 53,5 % niedrigeren Nennwert getauscht werden (sogenannter Hair-Cut). Die Beschwerdeführer stimmten dem nicht zu.

In der Folge wurde das Umtauschangebot von der Mehrheit der Anleiheberechtigten angenommen. Durch einen Ministerratsbeschluss vom 9. März 2012 wurde diese Mehrheitsentscheidung allgemeinverbindlich. Daraufhin wurden auf den bei der Griechischen Zentralbank geführten Konten die bisherigen Anleihen aus- und die neuen Anleihen eingebucht. Die depotführenden Banken vollzogen dies gegenüber den Beschwerdeführern durch entsprechende Umbuchungen in ihren Depots nach.

II.

Die Beschwerdeführer erhoben mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 23. Dezember 2015 bei dem Landgericht München I Klage gegen die Hellenische Republik mit dem Ziel der Rückzahlung aus den ursprünglich erworbenen Staatsanleihen gegen Gestattung der Rückbuchung der Anleihen, hilfsweise auf Schadensersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung.

Das Landgericht München I wies die Klage mit Urteil vom 11. Oktober 2017 - 25 O 23822/15 - ab. Die Klage sei unzulässig, da die deutschen Gerichte nach den allgemeinen Regeln des Völkerrechts gegenüber der Beklagten als souveränem Staat nicht zur Entscheidung berufen seien. Im Übrigen fehle auch die internationale Zuständigkeit.

Die Berufung der Beschwerdeführer wies das Oberlandesgericht München mit Beschluss vom 22. Mai 2018 - 8 U 197/18 - zurück. Eine Vorlagepflicht gemäß Art. 100 Abs. 2 GG bestehe nicht. Der Senat verwies auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 17. März 2014 - 2 BvR 736/13 -) und des Bundesgerichtshofs (vgl. BGHZ 217, 153 ).

Die Nichtzulassungsbeschwerde der Beschwerdeführer wies der Bundesgerichtshof mit dem angegriffenen Beschluss vom 5. Februar 2019 - XI ZR 376/18 - zurück, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung habe und die Fortbildung des Rechts sowie die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordere.

III.

Die Beschwerdeführer rügen eine Verletzung ihres Rechts auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 100 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 25 Satz 1 GG .

Der Bundesgerichtshof habe "über die hochstreitige Frage nach dem völkergewohnheitsrechtlichen Umfang des Bestehens der Immunität" im vorliegenden Fall bezüglich des beklagten griechischen Staates entschieden. Entscheidungserheblich sei insbesondere gewesen, ob ein völkergewohnheitsrechtlich bestehendes Recht eines Staates auf Immunität dann zu verneinen ist, wenn der Staat sich rechtsgeschäftlich auf die Ebene des Privatrechts begeben hat, ob also der Grundsatz "once a trader always a trader" ein allgemeiner Grundsatz des Völkerrechts ist. Nach Ansicht der Beschwerdeführer hätte der Bundesgerichtshof deshalb gemäß Art. 100 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 25 Satz 1 GG die Pflicht gehabt, diese Frage dem Bundesverfassungsgericht im Rahmen des sogenannten Normverifikationsverfahrens vorzulegen.

IV.

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Sie hat keine grundsätzliche Bedeutung, weil die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden sind. Ihre Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der in § 90 Abs.1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt (§ 93a Abs. 2 BVerfGG ), denn die Verfassungsbeschwerde ist unbegründet.

1. Der angegriffene Beschluss des Bundesgerichtshofs verletzt die Beschwerdeführer nicht in ihrem Recht auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ). Zwar kann Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG durch eine unterbliebene Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 2 GG verletzt werden (vgl. BVerfGE 23, 288 <320>; 64, 1 <12 f.>; 109, 13 <22 f.>); einer solchen Vorlage bedurfte es jedoch nicht. Der Bundesgerichtshof konnte über die Nichtzulassungsbeschwerde der Beschwerdeführer entscheiden, ohne im Rahmen eines Normverifikationsverfahrens klären zu lassen, ob eine allgemeine Regel des Völkerrechts (Art. 25 GG ) Bestandteil des Bundesrechts ist und ob sie unmittelbar Rechte und Pflichten für den Einzelnen erzeugt.

a) Einer Vorlage nach Art. 100 Abs. 2 GG bedarf es, wenn zweifelhaft ist, ob eine allgemeine Regel des Völkerrechts im Sinne des Art. 25 GG existiert, die Bestandteil des Bundesrechts ist, und zwar hinsichtlich ihres Inhalts, Umfangs, ihrer Tragweite, Allgemeinheit sowie ihres zwingenden Charakters (vgl. BVerfGE 15, 25 <31 f.>; 16, 27 <32>; 23, 288 <318>; 64, 1 <13>; 92, 277 <316>; 94, 315 <328>; Stern, in: Bonner Kommentar, Bd. 18, Art. 100, Rn. 220 <Juli 1967>).

b) Daran fehlte es vorliegend, weil der Bundesgerichtshof nur eine anerkannte und in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hinreichend geklärte Regel des Völkerrechts angewandt hat.

Es ist eine allgemein anerkannte Regel des Völkerrechts, dass ein Staat grundsätzlich keiner fremden Gerichtsbarkeit unterworfen ist (vgl. Internationaler Gerichtshof, Urteil vom 3. Februar 2012, Jurisdictional Immunities of the State <Germany v. Italy: Greece intervening>, Judgment, I.C.J. Reports 2012, p. 99 Rn. 58, 107). Allerdings folgen die Staaten heute mehrheitlich einem restriktiven Immunitätsverständnis (vgl. tabellarische Übersicht bei Bankas, The State Immunity Controversy in International Law, 2005, S. 329 ff.; Internationaler Gerichtshof, Urteil vom 3. Februar 2012, Jurisdictional Immunities of the State <Germany v. Italy: Greece intervening>, Judgment, I.C.J. Reports 2012, p. 99 Rn. 60 f.; anders China oder Brasilien, die von einem unbegrenzten Immunitätsverständnis ausgehen, vgl. Shaw, International Law, 8. Aufl. 2017, S. 531 Fn. 60), nach dem die staatliche Immunität nur für Hoheitsakte (acta iure imperii), nicht aber für privatwirtschaftliches Handeln (acta iure gestionis) gilt (vgl. Stoll, in: Wolfrum, The Max Planck Encyclopedia of Public International Law, 2012, s.v. "State Immunity", Rn. 25).

Dies entspricht auch der Rechtsprechung des Senats, nach der Staatenimmunität weitgehend uneingeschränkt für solche Akte besteht, die hoheitliches Handeln darstellen, nicht (mehr) jedoch für die sogenannten acta iure gestionis (vgl. BVerfGE 16, 27 <33 ff.>; 117, 141 <153>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 17. März 2014 - 2 BvR 736/13 -, Rn. 19).

Der Bundesgerichtshof hat diese allgemeine Regel des Völkerrechts, deren Inkorporation in das Bundesrecht in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wiederholt festgestellt worden ist, lediglich zur Anwendung gebracht. Er geht in gefestigter Rechtsprechung davon aus, dass die Emission von Staatsanleihen als Akt iure gestionis zum Kreis des nicht-hoheitlichen Handelns gehöre (vgl. BGHZ 217, 153 <160 Rn. 21>; BGH, Urteile vom 19. Dezember 2017 - XI ZR 217/16 und XI ZR 247/16 -, Rn. 23). Unter Berufung auf sein Urteil vom 8. März 2016 (vgl. BGHZ 209, 191 <197 Rn. 17>) führt er jedoch aus, dass es in den entschiedenen Fällen darauf nicht ankomme, sondern auf die Rechtsnatur der hoheitlichen Maßnahme, die zur Aus- und Umbuchung der Staatsanleihen geführt hat. Diese Umschuldungsmaßnahmen seien durch den griechischen Gesetzgeber vorgenommen worden und daher als acta iure imperii zu qualifizieren. Dabei bezieht er sich auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, das die Einführung einer ausländischen Quellensteuer und ihre Einziehung von einem bei dem ausländischen Staat beschäftigten Arbeitnehmer dem hoheitlichen Bereich zugerechnet hat (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 17. März 2014 - 2 BvR 736/13 -, Rn. 22). Dies ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

2. Im Übrigen ist der Beschluss des Bundesgerichtshofs auch in der Sache nicht zu beanstanden. Während die Emission von Staatsanleihen nach ganz überwiegender Ansicht zum Kreis nicht-hoheitlichen Handelns gerechnet wird (vgl. auch BVerfGE 117, 141 <153>), gehört die Gesetzgebung zu dem allgemein anerkannten Bereich hoheitlicher Tätigkeit (vgl. BVerfGE 16, 27 <63>; 46, 342 <394>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 17. März 2014 - 2 BvR 736/13 -, Rn. 21). Ein Akt iure imperii liegt auch vor, wenn ein Staat den seiner Hoheitsgewalt Unterworfenen zum Zwecke der Einnahmenerzielung einseitig und gegenleistungsfrei Steuern und sonstige Abgaben auferlegt (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 17. März 2014 - 2 BvR 736/13 -, Rn. 22).

a) Unter Zugrundelegung dieser Wertungen der für die Abgrenzung ausschlaggebenden deutschen Rechtsordnung (vgl. BVerfGE 16, 27 <62>; 46, 342 <393 f.>; 64, 1 <42>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 17. März 2014 - 2 BvR 736/13 -, Rn. 21) steht auch im vorliegenden Rechtsstreit ein Akt iure imperii in Rede. Gegenstand des Rechtsstreits ist die Kürzung der Ansprüche der Beschwerdeführer aufgrund des durch griechisches Gesetz veranlassten Zwangsumtauschs und die damit verbundene unterbliebene vollständige Auszahlung des ursprünglich geschuldeten vollen Nennwerts der emittierten und sodann zwangsumgetauschten Staatsanleihen. Eine solche Kürzung des Nennwerts durch Gesetz steht einem privaten Marktteilnehmer als Handlungsoption nicht zur Verfügung und gehört jedenfalls für nach dem Recht des emittierenden Staates begebene Anleihen zum Kernbereich hoheitlichen Handelns (vgl. Mankowski, EWiR 2016, S. 285 <286>). Als solche hoheitliche Maßnahme eines ausländischen Staates unterliegt sie nicht der deutschen Gerichtsbarkeit (vgl. den Rechtsgedanken des § 20 Abs. 2 GVG und weiter Freitag, in: Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht, 8. Aufl. 2015, Rn. 6.657; Grüneberg, WM 2016, S. 1621 <1621 f.>; Nodoushani, WuB 2016, S. 481 <483>).

b) Diese Beurteilung wird von Entscheidungen anderer Gerichte gestützt.

aa) So hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Bezug auf den griechischen Zwangsumtausch der Staatsanleihen bestätigt, dass keine Zweifel daran bestünden, dass die fragliche Maßnahme "gesetzlich vorgesehen" gewesen sei und im öffentlichen Interesse gelegen habe (vgl. EGMR , Mamatas et autres c. Grèce, Urteil vom 21. Juli 2016, Nr. 63066/14, 64297/14 und 66106/14, §§ 99, 105).

bb) Der Gerichtshof der Europäischen Union hat in der einschlägigen Rechtssache Kuhn festgestellt, dass es sich bei einer Klage wie der hier zugrundeliegenden um keine Zivilsache handele, für die der Anwendungsbereich der Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ( EuGVVO ) eröffnet wäre. Diese Verordnung gelte nicht für die Haftung des Staates für Handlungen oder Unterlassungen im Rahmen der Ausübung hoheitlicher Rechte und insbesondere nicht für Streitigkeiten, die einer Wahrnehmung von Hoheitsrechten durch eine der Parteien des Rechtsstreits entspringen. Diese würde Befugnisse ausüben, die über die im Verhältnis zwischen Privatpersonen geltenden allgemeinen Regeln hinausgingen (vgl. EuGH, Urteil vom 15. November 2018, Kuhn, C-308/17, EU:C:2018:911, Rn. 27 ff., 35, 42 f.).

Die - auch im Rahmen der Verfassungsbeschwerde in Rede stehende -Maßnahme der Hellenischen Republik sei eine solche hoheitliche Maßnahme. Sie gehe insbesondere auf die im Rahmen eines zwischenstaatlichen Unterstützungsmechanismus bestehende Notwendigkeit zurück, die griechischen Staatsschulden umzustrukturieren und die Gefahr des Scheiterns des entsprechenden Umstrukturierungsplans auszuschließen, um einen Zahlungsausfall Griechenlands zu verhindern und die Finanzstabilität des Euro-Währungsgebiets sicherzustellen. Die rückwirkende Einführung einer CAC habe es der Hellenischen Republik somit ermöglicht, allen Anleiheinhabern eine wesentliche Änderung der finanziellen Bedingungen dieser Anleihen aufzuerlegen, und zwar auch jenen, die mit dieser Änderung nicht einverstanden gewesen seien (vgl. EuGH, Urteil vom 15. November 2018, Kuhn, C-308/17, EU:C:2018:911, Rn. 39 f.).

cc) Zwar hat der österreichische Oberste Gerichtshof (OGH) zunächst entschieden, dass der Klage eines Anlegers, der über eine österreichische Depotbank griechische Staatsanleihen erworben und der Erfüllungsansprüche geltend gemacht hatte, der Einwand der Staatenimmunität nicht entgegengehalten werden könne (vgl. OGH, Beschlüsse vom 20. Mai 2014 - 4 Ob 227/13f -; vom 30. Juli 2015 - 8 Ob 67/15h -; vom 31. August 2015 - 6 Ob 122/15g - und vom 25. November 2015 - 8 Ob 125/14p -). Er hat diese Rechtsprechung Ende 2018 jedoch aufgegeben und die österreichische Gerichtsbarkeit im Anschluss an das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union in der Rechtssache Kuhn verneint (vgl. OGH, Beschluss vom 22. Januar 2019 - 10 Ob 103/18x -, Ziff. 1.1).

In diesem Sinne hat sich auch Lord Wilberforce in einer abweichenden Meinung zu einer Entscheidung des House of Lords (vgl. I Congreso del Partido [1983] AC 244 <HL>) geäußert und bejaht, dass ein ausländischer Staat auch im Zusammenhang mit einem zunächst durch eine Handlung iure gestionis begründeten Rechtsverhältnis Immunität beanspruchen könne, wenn er sich später als Hoheitsträger geriere (zustimmend Shaw, International Law, 8. Aufl. 2017, S. 535). Wenn ein Staat in der Lage sei, auf eine Maßnahme zu verweisen, die eindeutig ein Akt iure imperii sei, dann könne er sein Handeln der Sphäre iure gestionis entziehen. Ein solcher Akt iure imperii zeichne sich dadurch aus, dass er hoheitlicher Natur sei, im Gegensatz zu einem Akt, den auch ein privater Bürger vornehmen könnte (vgl. I Congreso del Partido [1983] AC 244 <HL>, S. 269).

Die Corte Suprema di Cassazione hat eine Immunität sogar bei Erklärung eines Staatsnotstands angenommen, der argentinische Staatsanleihen betraf, die in New York begeben und in Luxemburg auf dem Sekundärmarkt gehandelt wurden (vgl. Sez. Unite, ordin. 27. Mai 2005, n. 6532). Bei den Rechtsakten, mit denen Argentinien den Staatsnotstand erklärt und die Einstellung des Schuldendienstes angeordnet hatte, habe es sich um Äußerungen souveräner Staatsgewalt gehandelt, sodass die Immunität des Staates eingreife (vgl. Sez. Unite, ordin. 27. Mai 2005, n. 6532, insbesondere Ziff. 4).

c) Diese Beurteilung wird nicht dadurch erschüttert, dass Stimmen in der Rechtsprechung anderer Staaten (vgl. US Supreme Court, Republic of Argentina v. Weltover, Inc., 504 U.S. 607) und dem Schrifttum (vgl. Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, 1985, S. 106, 178; Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren, 1998, S. 420 f.; Szodruch, Staateninsolvenz und private Gläubiger, 2008, S. 379 f.; Fox/Webb, Law of State Immunity, 2013, S. 409 f.; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 8. Aufl. 2020, Rn. 584; Müller, Staatsbankrott und private Gläubiger, 2015, S. 191; Lorz, Ausländische Staaten vor deutschen Zivilgerichten, 2017, S. 82 ff.; Geimer, in: Zöller, 33. Aufl. 2020, IZPR Rn. 30; Mankowski, ZIP 2019, S. 193 <198 f.>) dem Gesetzgeber des emittierenden Staates den Zugriff auf zivilrechtliche Forderungen verwehren wollen. Davon abgesehen, dass sie häufig auf der Grundlage unklarer Voraussetzungen argumentieren, stützen sie sich jedenfalls nicht auf eine allgemeine Überzeugung einer Mehrheit der Staaten und können daher keine allgemeine Regel des Völkerrechts begründen (vgl. BVerfGE 95, 96 <129>; 96, 68 <86 f.>; 109, 13 <27 f.>; 109, 38 <53>).

d) Schließlich vermag auch die Berufung auf Art. 10 Ziffer 1 des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Immunität der Staaten und ihres Vermögens von der Gerichtsbarkeit vom 2. Dezember 2004 (vgl. ILM 44 <2005>, S. 801 <807>), der einem Staat die Immunität für privatwirtschaftliche Rechtsgeschäfte abspricht, kein anderes Ergebnis zu rechtfertigen. Zum einen ist das Übereinkommen bisher weder in Kraft getreten noch von Deutschland oder Griechenland gezeichnet worden. Zum anderen verhält sich die Regelung auch nicht zu dem Problem eines nachträglichen hoheitlichen Eingriffs in ein privatrechtlich begründetes Schuldverhältnis.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Vorinstanz: BGH, vom 05.02.2019 - Vorinstanzaktenzeichen XI ZR 376/18