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BSG - Entscheidung vom 05.08.2020

B 5 R 78/20 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3
SGG § 103

BSG, Beschluss vom 05.08.2020 - Aktenzeichen B 5 R 78/20 B

DRsp Nr. 2020/13688

Weitergewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit Verfahrensrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 10. März 2020 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3 ; SGG § 103 ;

Gründe

I

Zwischen den Beteiligten ist nach einem von dem Kläger angenommenen Teilanerkenntnis der Beklagten noch streitig die Weitergewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit für die Zeit vom 1.6.2016 bis zum 28.2.2019. Mit Urteil vom 10.3.2020 hat das Sächsische LSG einen solchen Anspruch verneint und die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG Chemnitz vom 23.4.2019 zurückgewiesen. Gegen die Nichtzulassung der Revision hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Er macht als Verfahrensfehler eine Verletzung von §§ 103 , 106 SGG geltend.

II

Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist. Es werden keine der in § 160 Abs 2 Nr 1 bis 3 SGG genannten Gründe für eine Zulassung der Revision nach Maßgabe der Erfordernisse des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.

Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG ), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels 160a Abs 2 Satz 3 SGG ) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Dar- über hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

Wird ein Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht 103 SGG ) gerügt, muss die Beschwerdebegründung hierzu jeweils folgende Punkte enthalten: (1) Bezeichnung eines für das Beschwerdegericht ohne Weiteres auffindbaren und bis zum Schluss aufrechterhaltenen Beweisantrags, dem das LSG nicht gefolgt ist, (2) Wiedergabe der Rechtsauffassung des LSG, auf Grund derer bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen, (3) Darlegung der von dem betreffenden Beweisantrag berührten Tatumstände, die zu weiterer Sachaufklärung Anlass gegeben hätten, (4) Angabe des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme und (5) Schilderung, dass und warum die Entscheidung des LSG auf der angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das LSG mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der unterlassenen Beweisaufnahme von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis hätte gelangen können (stRspr; aus jüngster Zeit vgl BSG Beschluss vom 14.4.2020 - B 5 R 206/19 B - juris RdNr 8 mwN). Ein solcher Verfahrensmangel wird in der Beschwerdebegründung nicht hinreichend bezeichnet.

Der Kläger trägt dazu vor, er habe in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG am 10.3.2020 beantragt, zum Beweis der Tatsache, dass vom 1.6.2016 bis 28.2.2019 gesundheitliche Beeinträchtigungen vorlagen, insbesondere wegen der erlittenen Schlaganfälle in den Jahren 2012 und 2013 und der dadurch hervorgerufenen Aphasie, Apraxie, der mangelnden Konzentrations- sowie Merkfähigkeit etc, die es ihm nicht ermöglichten, einer Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von mehr als drei Stunden täglich nachzugehen, ein Gutachten nach § 106 SGG auf neurologischem/neuropsychologischem Fachgebiet einzuholen. Der Kläger hat damit zwar einen ordnungsgemäß gestellten Beweisantrag bezeichnet, den er in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG am 10.3.2020 auch zu Protokoll gegeben hat (zu den Voraussetzungen vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG , 13. Aufl 2020, § 160 RdNr 18a mwN). Aus seinen weiteren Ausführungen geht jedoch nicht hervor, dass aus Sicht des Berufungsgerichts die Gesundheitsstörungen des Klägers auf neurologischem/neuro-psychologischem Fachgebiet mit den daraus folgenden Leistungseinschränkungen weiter aufklärungsbedürftig erscheinen mussten. Liegen bereits Gutachten vor, ist das Tatsachengericht nur dann zu weiteren Beweiserhebungen verpflichtet, wenn die vorhandenen Gutachten iS von § 118 Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 412 Abs 1 ZPO ungenügend sind, weil sie grobe Mängel oder unlösbare Widersprüche enthalten oder von unzutreffenden sachlichen Voraussetzungen ausgehen oder Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde des Gutachters geben (vgl BSG Beschluss vom 20.5.2020 - B 13 R 49/19 B - juris RdNr 11 mwN). Dies legt die Beschwerdebegründung nicht dar.

Wie der Kläger selbst in seiner Nichtzulassungsbeschwerde darlegt, hat das LSG eine weitere Begutachtung unter Hinweis auf das bereits im Verwaltungsverfahren eingeholte neurologischpsychiatrische Gutachten von Dr. Sch. vom 24.3.2016 abgelehnt. Zudem stützte sich das LSG auf das vom SG in Auftrag gegebene Gutachten des Sachverständigen B. vom 26.3.2018, der - wie bereits Dr. Sch. - keine Notwendigkeit zur Einholung eines weiteren fachärztlichen Gutachtens gesehen hat. Schon die Behauptung des Klägers, der Gutachter B. könne als Facharzt für Innere Medizin und für Pneumologie nicht beurteilen, inwieweit gesundheitliche Beeinträchtigungen auf psychiatrischem und neuropsychologischem Fachgebiet vorlägen, ist nicht geeignet, einen Verfahrensmangel hinreichend zu bezeichnen. Dies war nicht Gegenstand der Begutachtung. Aus welchen Gründen der Sachverständige nicht zu der Feststellung berechtigt gewesen sein soll, dass weitere fachärztliche Untersuchungen "nicht nötig" seien, trägt der Kläger nicht vor. Soweit er zum Gutachten von Dr. Sch. geltend macht, dieser habe "gar nicht die Frage der Erwerbsfähigkeit für den zukünftigen Zeitraum vom 01.06.2016 bis 27.02.2019" beurteilen können, fehlt es ebenfalls an einer hinreichenden Begründung. Das Gutachten wurde nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 24.3.2016 erstellt und gibt die Einschätzung des Gutachters von diesem Tag wieder. Für den streitigen Anspruch auf Weitergewährung der Erwerbsminderungsrente über den 31.5.2016 hinaus könnte das Gutachten nur dann keine Aussagekraft entfalten, wenn es noch innerhalb des streitbefangenen Zeitraums zu einer Verschlechterung des Gesundheitsbildes und daraus folgenden Leistungseinschränkungen gekommen wäre. Dazu enthält die Beschwerdebegründung jedoch keinerlei Ausführungen. Schließlich begründet der Kläger auch nicht, weshalb sich das LSG nach seiner Auffassung nicht auf dieses von der Beklagten in Auftrag gegebene Sachverständigengutachten hätte stützen dürfen. Ein Gutachten, das bereits im Verwaltungsverfahren eingeholt wurde, wird im Wege des Urkundenbeweises verwertet . Unabhängig von seinem Inhalt und den hiergegen erhobenen Einwänden kommt einem solchen Gutachten kein geringerer Beweiswert zu als einem gerichtlichen Gutachten (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, aaO, § 128 RdNr 7f mwN). Der Sachverständige Dr. Sch. stellte in seinem Gutachten vom 24.3.2016 nur "leichte kognitive Einschränkungen" fest und berücksichtigte entsprechende Leistungseinschränkungen des Klägers (ua keine Tätigkeiten unter erhöhtem Zeitdruck, mit besonderen Anforderungen an kognitive Leistungsfähigkeit oder Notwendigkeit erhöhter geistiger Flexibilität). Woraus der Kläger vor diesem Hintergrund die Notwendigkeit einer Begutachtung der hirnorganischen Funktionen ableitet, legt die Beschwerdebegründung nicht dar.

Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ).

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 Abs 1 und 4 SGG .

Vorinstanz: LSG Sachsen, vom 10.03.2020 - Vorinstanzaktenzeichen 5 R 345/19
Vorinstanz: SG Chemnitz, vom 23.04.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 9 R 1024/16