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BSG - Entscheidung vom 20.07.2020

B 13 R 267/19 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3

BSG, Beschluss vom 20.07.2020 - Aktenzeichen B 13 R 267/19 B

DRsp Nr. 2020/12293

Rente wegen Erwerbsminderung Verfahrensrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Landesozialgerichts Baden-Württemberg vom 1. Oktober 2019 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander auch für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3 ;

Gründe

I

Im Streit steht die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Mit diesem Begehren ist der Kläger im Verwaltungsverfahren beim beklagten Rentenversicherungsträger ebenso erfolglos geblieben wie im Gerichtsverfahren. Das SG hat die Klage durch Urteil vom 8.5.2019 abgewiesen und das LSG die Berufung des Klägers durch Beschluss vom 1.10.2019 zurückgewiesen. Es hat die Revision nicht zugelassen.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde an das BSG und macht einen Verfahrensfehler des LSG geltend 160 Abs 2 Nr 3 SGG ).

II

Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig. Der Kläger hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 Satz 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.

Der Kläger macht ausschließlich geltend, die angegriffene Entscheidung des LSG beruhe auf einem Verfahrensmangel (Revisionszulassungsgrund des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ).

Ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist der Verstoß des Gerichts im Rahmen des prozessualen Vorgehens im unmittelbar vorangehenden Rechtszug (vgl zB BSG Urteil vom 29.11.1955 - 1 RA 15/54 - BSGE 2, 81 , juris RdNr 4; BSG Urteil vom 24.10.1961 - 6 RKa 19/60 - BSGE 15, 169 = SozR Nr 3 zu § 52 SGG , juris RdNr 29). Neben der Geltendmachung des Vorliegens eines Verstoßes gegen das Verfahrensrecht ist mit der Beschwerdebegründung darzulegen, dass die angefochtene Entscheidung auf diesem Verstoß beruhen kann. Prüfungsmaßstab ist die materiell-rechtliche Rechtsauffassung des LSG ( BSG Urteil vom 28.5.1957 - 3 RJ 219/56 - SozR Nr 79 zu § 162 SGG ; BSG Beschluss vom 31.1.1979 - 11 BA 166/78 - SozR 1500 § 160 Nr 33; BSG Beschluss vom 16.11.2000 - B 4 RA 122/99 B - SozR 3-1500 § 160 Nr - juris RdNr ). Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Ein entscheidungserheblicher Mangel des Berufungsverfahrens wird nur dann substantiiert bezeichnet, wenn der Beschwerdeführer diesen hinsichtlich aller ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen darlegt, sodass das Beschwerdegericht allein anhand dieser Begründung darüber befinden kann, ob die angegriffene Entscheidung des LSG möglicherweise auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel beruht (vgl zB BSG Beschluss vom 16.11.2000 - B 4 RA 122/99 B - SozR 3-1500 § 160 Nr 33 - juris RdNr 16 mwN; BSG Beschluss vom 31.7.2017 - B 1 KR 47/16 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 30 RdNr 16 mwN).

Als Verfahrensmangel rügt der Kläger mit seiner Beschwerdebegründung vom 9.1.2020 eine Verletzung des Amtsermittlungsanspruchs 103 SGG ), weil das LSG entgegen der klägerischen Ausführungen im erstinstanzlichen Verfahren und in der Berufungsbegründung vom 9.8.2019 kein weiteres Sachverständigengutachten eingeholt habe. Insbesondere das Zusammenspiel des GdB und die Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung verdeutlichten, dass eine Tätigkeit von sechs Stunden täglich nicht mehr möglich sei. Damit genügt die Beschwerdebegründung nicht den Anforderungen an die Bezeichnung des geltend gemachten Verfahrensmangels.

Der Senat war bereits deswegen nicht in der Lage zu prüfen, ob die Entscheidung des LSG auf dem vom Kläger geltend gemachten Verfahrensfehler beruht, weil es an Ausführungen zum Sachverhalt und zu den Entscheidungsgründen des LSG mangelt. Es ist nicht Aufgabe des Beschwerdegerichts, sich den maßgeblichen Sachverhalt aus den Akten oder der angegriffenen Entscheidung herauszusuchen ( BSG Beschluss vom 31.5.2017 - B 5 R 358/16 B - juris RdNr 8 mwN; BSG Beschluss vom 26.1.2018 - B 13 R 309/14 B - juris RdNr 3 f; BSG Beschluss vom 8.4.2020 - B 13 R 3/20 B - juris RdNr 7).

Im Übrigen gilt, die Geltendmachung eines Verfahrensmangels wegen Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsprinzip) kann gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG nur darauf gestützt werden, dass das LSG einem Beweisantrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Zudem kann ein - wie hier - in der Berufungsinstanz rechtsanwaltlich vertretener Beteiligter nur dann mit der Rüge des Übergehens eines Beweisantrags gehört werden, wenn er diesen bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung durch entsprechenden Hinweis zu Protokoll aufrechterhalten hat oder das Gericht den Beweisantrag in seiner Entscheidung wiedergibt (stRspr; vgl BSG Beschluss vom 29.3.2007 - B 9a VJ 5/06 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11 mwN; ferner Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG , 12. Aufl 2017, § 160 RdNr 18c mwN). Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn das LSG - wie hier - von der ihm durch § 153 Abs 4 SGG eingeräumten Möglichkeit Gebrauch macht, die Berufung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen, weil es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Einer in einem solchen Fall den Beteiligten zugestellten Anhörungsmitteilung nach § 153 Abs 4 SGG muss jedenfalls ein rechtskundig vertretener Beteiligter auch entnehmen, dass das Berufungsgericht keine weitere Sachaufklärung mehr beabsichtigt und dass es etwaige schriftsätzlich gestellte Beweisanträge lediglich als Beweisanregungen, nicht aber als förmliche Beweisanträge iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ansieht. Nach Zugang der Anhörungsmitteilung muss daher der Beteiligte, der schriftsätzlich gestellte Beweisanträge aufrechterhalten oder neue Beweisanträge stellen will, dem LSG ausdrücklich die Aufrechterhaltung dieser Anträge mitteilen oder neue förmliche Beweisanträge stellen (vgl BSG Beschluss vom 9.3.2016 - B 1 KR 6/16 B - juris RdNr 4 f mwN; BSG Beschluss vom 7.2.2017 - B 13 R 389/16 B - juris RdNr 9).

Daran fehlt es. Der Kläger benennt in der Beschwerdebegründung keinen förmlichen Beweisantrag, den er im Rahmen seiner Stellungnahme auf das Anhörungsschreiben des LSG aufrechterhalten oder neu gestellt hätte. Insbesondere genügt der bloße Hinweis auf das Erfordernis einer dritten Begutachtung nicht den nach § 118 Abs 1 Satz 1 SGG , § 414 iVm § 373 ZPO geltenden Anforderungen. Ein solcher Antrag muss grundsätzlich in prozessordnungsgerechter Weise formuliert sein, sich regelmäßig auf ein Beweismittel der ZPO beziehen, das Beweisthema möglichst konkret angeben und insoweit wenigstens umreißen, was die Beweisaufnahme ergeben soll ( BSG Beschluss vom 15.8.2018 - B 13 R 387/16 B - juris RdNr 6; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG , 12. Aufl 2017, § 160 RdNr 18a mwN). Dies wird mit der Beschwerdebegründung nicht dargelegt.

Auch mangelt es an Ausführungen dazu, dass der Kläger einen Beweisantrag schriftsätzlich nach Zugang der Anhörungsmitteilung angebracht oder aufrechterhalten hat. Soweit das LSG die Anregung des Klägers ein weiteres Sachverständigengutachten einzuholen im Tatbestand seines Beschlusses wiedergibt, ändert dies nichts an dem benannten Erfordernis. Denn es hat sich - zumindest so wie der Kläger ihn in der Beschwerdebegründung beschreibt - vorliegend nicht um einen ordnungsgemäßen Beweisantrag, sondern lediglich um eine Beweisanregung gehandelt. Diese löst von vornherein nicht die Warnfunktion eines Beweisantrags für das Berufungsgericht aus, die es rechtfertigt, einen Revisionszulassungsgrund anzunehmen, wenn das LSG dem Antrag zu Unrecht nicht gefolgt ist (vgl BSG Beschluss vom 11.12.2019 - B 13 R 164/18 B - juris RdNr 11). Erforderlich ist, dass klar und unmissverständlich darauf hingewiesen wird, der Beteiligte rüge die Verletzung bestimmter Verfahrensvorschriften und dem LSG werde Gelegenheit gegeben, die entsprechenden Mängel zu überprüfen und ggf zu beheben (vgl BSG Beschluss vom 26.1.2006 - B 2 U 204/05 B - SozR 4-1750 § 295 Nr 1 RdNr 4; BSG Beschluss vom 13.8.2018 - B 13 R 397/16 B - juris RdNr 14).

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ).

Die Verwerfung der unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Baden-Württemberg, vom 01.10.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 2 R 1976/19
Vorinstanz: SG Heilbronn, vom 08.05.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 4 R 711/17