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BSG - Entscheidung vom 02.07.2020

B 12 R 2/20 BH

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 2

BSG, Beschluss vom 02.07.2020 - Aktenzeichen B 12 R 2/20 BH

DRsp Nr. 2020/12285

Parallelentscheidung zu BSG B 12 R 1/20 BH v. 02.07.2020

Tenor

Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 10. April 2019 (L 8 R 788/17) Prozesskostenhilfe zu gewähren, wird abgelehnt.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 2 ;

Gründe

I

In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit geht es dem Kläger um die Feststellung, dass die Beklagte seinen Widerspruch vom 23.9.2015 gegen das Ergebnis einer von der Beklagten für den Prüfzeitraum 1.1.2010 bis 31.12.2013 durchgeführten Betriebsprüfung bei der Freien und Hansestadt Hamburg (FHH) ohne zureichenden Grund nicht in angemessener Frist sachlich beschieden habe.

Der Kläger war bei der FHH ab 2.4.2012 als Rechtsreferendar tätig. Das Referendariat endete nach Feststellung des LSG zum 30.6.2016 durch Entlassung. Anfang 2014 regte er bei der beklagten Deutschen Rentenversicherung Bund die Durchführung einer Betriebsprüfung bei der FHH an. Ende August erkundigte er sich nach dem Ergebnis. Hierauf erhielt er eine E-Mail vom 23.9.2015. Gegen den "Bescheid, welcher die Abrechnung bei mir für korrekt erklärt", legte er "(Dritt-)Widerspruch" ein. Im Widerspruchsverfahren übersandte der Kläger Unterlagen "zur weiteren Bearbeitung" und kündigte ggf weitere relevante Unterlagen an. Die am 15.2.2016 beim SG erhobene Untätigkeitsklage hat der Kläger nach Erlass des Widerspruchsbescheids am 18.5.2016 als Fortsetzungsfeststellungsklage fortgeführt. Gegen den die Klage abweisenden Gerichtsbescheid vom 31.8.2017 hat er Berufung eingelegt. Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen, weil die Fortsetzungsfeststellungsklage mangels Feststellungsinteresse unzulässig sei (Urteil vom 10.4.2019).

Der Kläger beantragt mit von ihm selbst verfassten, beim BSG am 17.9.2019 und 4.6.2020 eingegangenen Schreiben Prozesskostenhilfe (PKH) für eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem genannten Urteil des LSG. Er macht geltend, der Amtsermittlungsgrundsatz und sein Anspruch auf rechtliches Gehör seien verletzt. Das LSG habe das Urteil des BSG vom 8.12.1993 (14a RKa 1/93) missachtet. Es liege außerdem eine Divergenz zur Entscheidung des BVerfG vom 24.8.2010 ( 1 BvR 331/10, RdNr 18) vor. Des Weiteren treffe nicht zu, dass er zu der Verzögerung beigetragen habe.

II

Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von PKH ist abzulehnen.

Nach § 73a SGG iVm § 114 ZPO kann einem Beteiligten für das Beschwerdeverfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt und ein Rechtsanwalt als Prozessbevollmächtigter beigeordnet werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt.

Das BSG darf nach § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), die angefochtene Entscheidung von einer Entscheidung des BSG , des Gemeinsamens Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3).

Das Vorbringen des Klägers und die Durchsicht der Akten haben bei der gebotenen summarischen Prüfung keinen Hinweis auf das Vorliegen eines der vorgenannten Gründe ergeben. Es ist nicht ersichtlich, dass ein beizuordnender Prozessbevollmächtigter einen der genannten Zulassungsgründe im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde mit Erfolg geltend machen könnte.

1. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine abstrakt-generelle Rechtsfrage aufwirft, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (stRspr; vgl nur BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN). Eine solche Rechtsfrage ist vorliegend nicht ersichtlich.

2. Eine Divergenz kann nur dann zur Revisionszulassung führen, wenn die mit der Beschwerde angegriffene Entscheidung auf einem abstrakten Rechtssatz beruht, der von einem abstrakten Rechtssatz in einer (anderen) Entscheidung des BSG , des GmSOGB oder des BVerfG abweicht (vgl BSG Beschluss vom 12.5.2005 - B 3 P 13/04 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 6 RdNr 5 und BSG Beschluss vom 16.7.2004 - B 2 U 41/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 4 RdNr 6, jeweils mwN). Eine solche Abweichung ist hier nicht ersichtlich.

Die vom Kläger benannte Entscheidung des BSG vom 8.12.1993 (14a RKa 1/93 - BSGE 73, 244 = SozR 3-1500 § 88 Nr 1) beschäftigt sich ua mit den Voraussetzungen für den Übergang von einer Untätigkeitsklage zu einer Feststellungsklage. Eine konkrete Wiederholungsgefahr ist aufgrund der dortigen Verfahrensabläufe angenommen worden. In der vom Kläger zitierten Entscheidung des BVerfG vom 24.8.2010 ( 1 BvR 331/10 - BVerfGK 17, 512) wird ausgeführt, dass ein Rechtsschutzbedürfnis im verfassungsgerichtlichen Verfahren fortbesteht, wenn sich im Verlauf des Verfahrens zwar das eigentliche Rechtsschutzanliegen in der Hauptsache erledigt, aber eine Gefahr der Wiederholung des Grundrechtseingriffs (dort: in Art 19 Abs 4 GG wegen überlanger Verfahrensdauer des sozialgerichtlichen Klageverfahrens) besteht. Dies hat das BVerfG angenommen, weil der dortige Kläger weitere sozialgerichtliche Verfahren bereits anhängig hatte bzw absehbar anhängig machen würde.

Das LSG hat diesen Entscheidungen nicht im Grundsätzlichen widersprochen. Denn es hat keinen entgegenstehenden Rechtssatz zugrunde gelegt. Vielmehr hat es den Aspekt der Wiederholungsgefahr geprüft, aber im konkreten Fall abgelehnt, weil erneute Verfahren konkret nicht zu erwarten seien. Soweit dies der Kläger für falsch hält, weil es vorhersehbar gewesen sei, dass er auch weitere Betriebsprüfungen ab 2014 zu seiner bis 2016 und auch darüber hinaus bestehenden Referendarzeit verfahrensrechtlich angreifen würde, wendet er sich gegen das Ergebnis der Subsumtion. Damit kann jedoch eine Divergenzrüge schon deshalb nicht begründet werden, weil nicht die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall, sondern nur eine Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen die Zulassung der Revision wegen Divergenz ermöglicht (stRspr, ua BSG Beschluss vom 24.4.2015 - B 13 R 37/15 B - juris RdNr 6).

3. Es ist auch nicht erkennbar, dass gegen die Entscheidung des LSG durchgreifende Verfahrensrügen erhoben werden könnten. Wenn der Kläger darauf abzielt, dass das LSG nicht den umfassenden Sachverhalt zugrunde gelegt habe, rügt er die mangelnde Amtsaufklärung 103 SGG ). Ein zur Zulassung der Revision führender Verstoß dagegen würde jedoch voraussetzen, dass der Kläger einen entsprechenden Beweisantrag zumindest sinngemäß gestellt und bis zuletzt aufrecht erhalten hätte 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG ). Dies ist nicht ersichtlich.

Auch ein Verstoß gegen seinen Anspruch auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG , §§ 62 , 128 Abs 2 SGG ) ist weiter nicht zu erkennen. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass sich der Kläger während der mündlichen Verhandlung am 10.4.2019 in der Zeit von 12.23 Uhr bis 12.55 Uhr nicht umfassend zu den entscheidungserheblichen Umständen hätte äußern können.

4. Wenn der Kläger die Ausführungen des LSG (zum Rehabilitationsinteresse) auch deshalb für falsch hält, weil er nach dem konkreten Verfahrensablauf nicht für die Verzögerung verantwortlich sei, behauptet er erneut die inhaltliche Unrichtigkeit des Berufungsurteils. Auf diesen Vorwurf kann eine Nichtzulassungsbeschwerde jedoch nicht gestützt werden (stRspr; vgl bereits BSG Beschluss vom 26.6.1975 - 12 BJ 12/75 - SozR 1500 § Nr 7 ).

Vorinstanz: LSG Nordrhein-Westfalen, vom 10.04.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 8 R 788/17
Vorinstanz: SG Münster, vom 31.08.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 4 R 25/17