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BSG - Entscheidung vom 26.03.2020

B 5 R 262/19 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3

BSG, Beschluss vom 26.03.2020 - Aktenzeichen B 5 R 262/19 B

DRsp Nr. 2020/6181

Nachzahlung einer Altersrente für schwerbehinderte Menschen in Höhe von 93 Cent pro Monat und insgesamt von knapp 4 Euro Verfahrensrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren

Tenor

Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 3. September 2019 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem vorbezeichneten Urteil wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3 ;

Gründe

I

Der 1942 geborene Kläger begehrt noch eine Nachzahlung seiner Altersrente für schwerbehinderte Menschen für die Monate September bis Dezember 2002. Der streitige Nachzahlungsbetrag beläuft sich auf ca 93 Cent pro Monat und damit auf insgesamt knapp 4 Euro. Sein Antrag auf Überprüfung der Rentenhöhe im Hinblick auf bislang bei der Rentenberechnung nicht berücksichtigte Zeiten der Arbeitslosigkeit (14.5.1993 bis 10.4.1994) hatte im Berufungsverfahren vor dem LSG insoweit Erfolg, als der beklagte Rentenversicherungsträger die geringfügig höhere Rente rückwirkend nicht erst ab 1.1.2011, sondern auf der Grundlage eines nunmehr im November 2007 angenommenen Überprüfungsbegehrens bereits ab 1.1.2003 leistete (Bescheid vom 5.2.2019). Das ergab für die Zeit vom 1.1.2003 bis zum 28.2.2019 einen Nachzahlungsbetrag von 149,84 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 52,13 Euro. Das LSG hat die für den Zeitraum ab Beginn der Altersrente im September 2002 aufrechterhaltene Klage unter Berufung auf die Regelung in § 44 Abs 4 SGB X abgewiesen, jedoch die Beklagte zur Tragung von 96 % der Kosten des Klägers verpflichtet (Urteil vom 3.9.2019).

Der Kläger hat mit Schreiben vom 30.10.2019 Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des LSG eingelegt und zugleich "Kostenbefreiung und die Zuweisung eines Anwalts" beantragt. Er beanstandet, das LSG habe den Vortrag in seinem Schreiben vom 6.5.2018 nicht berücksichtigt, dass nach § 45 Abs 2 SGB I die Vorschriften des BGB ua zur Hemmung der Verjährung Anwendung fänden; zudem seien die §§ 852 , 853 BGB nicht beachtet wor den.

II

1. Das als Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) und Beiordnung eines Rechtsanwalts zu verstehende Begehren des Klägers hat keinen Erfolg. Einem Beteiligten kann für das Verfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Abs 1 Satz 1 ZPO ). Das ist hier nicht der Fall.

Der Senat braucht nicht abschließend zu entscheiden, ob die Gewährung von PKH bereits deshalb ausscheidet, weil die Rechtsverfolgung mutwillig erscheint. Mutwilligkeit 114 Abs 2 ZPO ) ist anzunehmen, wenn ein Beteiligter, der nach seinen wirtschaftlichen Verhältnissen keine PKH beanspruchen kann, von der weiteren Verfolgung eines Anspruchs bei verständiger Würdigung aller Umstände absehen würde. Bei einem Anspruch in Höhe von knapp 4 Euro und einem Kostenrisiko für Anwaltskosten vor einem obersten Bundesgericht im Umfang von mindestens 100 Euro dürfte dies nicht fernliegend sein. Jedenfalls bietet die vom Kläger beabsichtigte Rechtsverfolgung - die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision - keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Nach Prüfung des Streitstoffs anhand der beigezogenen Gerichts- und Verwaltungsakten ist nicht zu erkennen, dass ein nach § 73 Abs 4 SGG zugelassener Prozessbevollmächtigter in der Lage wäre, eine Nichtzulassungsbeschwerde erfolgreich zu begründen.

Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat 160 Abs 2 Nr 1 SGG ),

das Urteil von einer Entscheidung des BSG , des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht 160 Abs 2 Nr 2 SGG ) oder

ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann 160 Abs 2 Nr 3 SGG ).

Es ist nicht ersichtlich, dass ein Begehren auf Zulassung der Revision gegen das Urteil des LSG auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützt werden könnte. Grundsätzliche Bedeutung iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung hat. Die Rechtsfrage muss außerdem klärungsbedürftig und klärungsfähig, dh entscheidungserheblich sein (vgl dazu BSG Beschluss vom 31.7.2017 - B 1 KR 47/16 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 30 RdNr 4 mwN). Dass sich eine solche Rechtsfrage hier stellt, ist nicht erkennbar. Vielmehr ist das LSG zutreffend davon ausgegangen, dass sich das Begehren des Klägers auf eine rückwirkende Korrektur des Altersrentenbescheids vom 21.6.2002, der nachfolgend bindend wurde (vgl § 77 SGG ), nur auf die Vorschrift zur Rücknahme eines rechtswidrigen, nicht begünstigenden Verwaltungsakts in § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X stützen lässt (vgl BSG Urteil vom 7.2.2012 - B 13 R 40/11 R - BSGE 110, 97 = SozR 4-5075 § 3 Nr 2, RdNr 19). Für einen solchen Fall schreibt die spezielle Vorschrift in § 44 Abs 4 Satz 1 SGB X ausdrücklich vor, dass Sozialleistungen wie zB Rentenleistungen nach dem SGB VI "längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme" erbracht werden; im Falle einer Rücknahme auf Antrag tritt bei der Berechnung des Zeitraums anstelle der Rücknahme der Antrag 44 Abs 4 Satz 3 SGB X ). Diese Regelung zur Begrenzung rückwirkender Zahlungen zunächst rechtswidrig versagter Sozialleistungen ist abschließend und als solche auch verfassungsgemäß ( BSG Urteil vom 8.2.2012 - B 5 R 38/11 R - SozR 4-5075 § 3 Nr 1 RdNr 17 f). Die allgemeine Regelung zur Verjährung von Sozialleistungsansprüchen in § 45 SGB I , die die Beklagte in ihrem Bescheid vom 10.9.2015 (fälschlich) herangezogen hatte, ist somit in dem hier vorliegenden Fall der Rücknahme einer Verwaltungsentscheidung nach § 44 SGB X nicht anwendbar (vgl Schütze in von Wulffen/Schütze, SGB X , 8. Aufl 2014, § RdNr 31 mwN). Dementsprechend sind auch die vom Kläger auf der Grundlage der Verweisung in § 45 Abs 2 SGB I in Bezug genommenen Vorschriften des BGB hier ohne Bedeutung.

Der Revisionszulassungsgrund der Rechtsprechungsabweichung 160 Abs 2 Nr 2 SGG ) könnte ebenfalls nicht mit Erfolg geltend gemacht werden. Er kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG in seiner Entscheidung tragend einen Rechtssatz zugrunde gelegt hat, der von einem Rechtssatz in einer Entscheidung des BSG , des GmSOGB oder des BVerfG abweicht. Dafür liegen keine Anhaltspunkte vor.

Schließlich lässt sich auch kein Verfahrensmangel erkennen, der bei genügender Bezeichnung gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG zur Revisionszulassung führen könnte. Insbesondere durfte das LSG ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, nachdem sowohl der Kläger als auch die Beklagte ihr ausdrückliches Einverständnis mit dieser Verfahrensweise erklärt hatten.

Da dem Kläger nach alledem PKH nicht bewilligt werden kann, entfällt zugleich die Beiordnung eines Rechtsanwalts durch das Gericht 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO ).

2. Die vom Kläger selbst eingelegte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht formgerecht eingelegt worden ist 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG ). Vor dem BSG kann eine Beschwerde nur durch zugelassene Prozessbevollmächtigte wirksam eingelegt werden 73 Abs 4 SGG ).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Schleswig-Holstein, vom 03.09.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 7 R 1/17
Vorinstanz: SG Schleswig, vom 04.01.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 19 R 165/15