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BSG - Entscheidung vom 08.07.2020

B 5 R 8/20 BH

Normen:
SGG § 73a Abs. 1 S. 1
SGG § 103
SGG § 124 Abs. 2
SGG § 153 Abs. 4 S. 1-2
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3
ZPO § 114 Abs. 1 S. 1

BSG, Beschluss vom 08.07.2020 - Aktenzeichen B 5 R 8/20 BH

DRsp Nr. 2020/12647

Kein Anspruch auf Prozesskostenhilfe im sozialgerichtlichen Verfahren bei fehlender hinreichender Erfolgsaussicht in einem Rechtsstreit über die Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde Anforderungen an die Bezeichnung des Verfahrensmangels eines Verstoßes gegen das Recht auf den gesetzlichen Richter durch eine Entscheidung durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 SGG

Tenor

Der Antrag der Klägerin, ihr für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 2. März 2020 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwältin K. M., W., A. beizuordnen, wird abgelehnt.

Normenkette:

SGG § 73a Abs. 1 S. 1; SGG § 103 ; SGG § 124 Abs. 2 ; SGG § 153 Abs. 4 S. 1-2; SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3 ; ZPO § 114 Abs. 1 S. 1;

Gründe

Mit Beschluss vom 2.3.2020 hat das LSG Sachsen-Anhalt einen Anspruch der Klägerin auf Weitergewährung einer Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung verneint und ihre Berufung gegen das Urteil des SG Magdeburg vom 18.6.2018 zurückgewiesen. Für die Durchführung des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 1.4.2020 die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung ihrer Prozessbevollmächtigten beantragt und eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse übermittelt (eingegangen am 8.4.2020).

Der Antrag der Klägerin auf Bewilligung von PKH ist abzulehnen. Einem Beteiligten kann für das Verfahren vor dem BSG nach § 73a SGG iVm § 114 Abs 1 Satz 1 ZPO nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Dies ist hier nicht der Fall. Nach Prüfung des Streitstoffs anhand der beigezogenen Gerichts- und Verwaltungsakten ist nicht zu erkennen, dass ein nach § 73 Abs 4 SGG zugelassener Prozessbevollmächtigter in der Lage wäre, eine Nichtzulassungsbeschwerde erfolgreich zu begründen.

Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat 160 Abs 2 Nr 1 SGG ),

das Urteil von einer Entscheidung des BSG , des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) abweicht und auf dieser Abweichung beruht (aaO Nr 2) oder

ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (aaO Nr 3).

Es fehlen jegliche Anhaltspunkte dafür, dass eine Zulassung der Revision gegen den angegriffenen Beschluss auf § 160 Abs 2 Nr 1 SGG gestützt werden könnte. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieser Vorschrift hat eine Rechtssache ua nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung hat. Die Frage muss außerdem klärungsbedürftig und klärungsfähig, dh entscheidungserheblich sein (vgl zum Ganzen BSG Beschluss vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B -SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Dass sich eine solche Frage hier stellen könnte, ist nicht erkennbar. Der Zulassungsgrund der Divergenz 160 Abs 2 Nr 2 SGG ) könnte ebenfalls nicht mit Erfolg geltend gemacht werden. Ein solcher kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz des BSG , des GmSOGB oder des BVerfG aufgestellt hat ( BSG Beschluss vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 72 mwN). Auch dafür liegen keinerlei Anhaltspunkte vor.

Schließlich sind keine Verfahrensmängel nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG erkennbar, auf denen der Beschluss beruhen könnte. Auf eine Verletzung des § 103 SGG könnte eine Nichtzulassungsbeschwerde schon deshalb nicht gestützt werden, weil das LSG das von der Klägerin mit Schriftsatz vom 22.1.2019 beantragte Sachverständigengutachten auf internistischem Fachgebiet eingeholt hat. Auch ein Verstoß gegen das Recht auf den gesetzlichen Richter nach Art 101 Abs 1 Satz 2 GG könnte nicht erfolgreich als Verfahrensmangel bezeichnet werden. Nach § 153 Abs 4 Satz 1 SGG kann das LSG die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung für nicht erforderlich hält, falls die mit dem Rechtsmittel angefochtene Entscheidung des SG kein Gerichtsbescheid ist. Die Entscheidung nach § 153 Abs 4 SGG steht im pflichtgemäßen Ermessen des Berufungsgerichts und kann vom Revisionsgericht nur auf fehlerhaften Gebrauch, dh sachfremde Erwägungen und grobe Fehleinschätzungen überprüft werden. Eine solche Fehleinschätzung ist nicht ersichtlich. Zwar ist von der Verfahrensweise nach § 153 Abs 4 SGG in Fällen abzusehen, in denen ein Verfahrensbeteiligter noch nicht die Möglichkeit hatte, sein Anliegen persönlich vorzutragen. Dieser Grundsatz beansprucht jedoch keine Geltung, wenn das SG nach § 124 Abs 2 SGG mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (vgl BSG Beschluss vom 6.8.2019 - B 13 R 233/18 B - juris RdNr 11). Die Klägerin hat ein wirksames Einverständnis vor dem SG erteilt (zu den Voraussetzungen vgl BSG Beschluss vom 30.10.2019 - B 14 AS 258/18 B - BeckRS 2019, 30188 RdNr 6 f mwN). Schließlich wurde die im Berufungsverfahren anwaltlich vertretene Klägerin zu einer Entscheidung nach § 153 Abs 4 Satz 2 SGG nach Einholung des Gutachtens von Dr. H. vom 3.7.2019 und der ergänzenden Stellungnahme der Sachverständigen vom 10.9.2019 mit Schreiben vom 16.10.2019 ordnungsgemäß angehört. Die im Schriftsatz vom 15.1.2020 vorgebrachte erneute Kritik an den Ausführungen von Dr. H. sowie der Befundbericht von Dr. T. vom 16.11.2019 begründeten keine entscheidungserhebliche Änderung der Prozesssituation, die eine erneute Anhörung erforderlich gemacht hätte (vgl dazu zuletzt BSG Beschluss vom 26.5.2020 - B 2 U 25/20 B - juris RdNr mwN). Eine Zustimmung der Beteiligten zu einer Entscheidung nach § 153 Abs 4 SGG ist nicht erforderlich (vgl Keller in Meyer- Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG , 13. Aufl 2020, § 153 RdNr 14).

Soweit die Klägerin die Beweiswürdigung zur Beurteilung ihres Leistungsvermögens durch das Berufungsgericht angreifen möchte, kann eine Nichtzulassungsbeschwerde nach dem eindeutigen Wortlaut des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 Alt 1 SGG ausdrücklich nicht auf eine Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG gestützt werden.

Vorinstanz: LSG Sachsen-Anhalt, vom 02.03.2020 - Vorinstanzaktenzeichen 3 R 218/18
Vorinstanz: SG Magdeburg, vom 18.06.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 11 R 875/16