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BSG - Entscheidung vom 14.05.2020

B 9 V 44/19 B

Normen:
SGG § 109
SGG § 103

BSG, Beschluss vom 14.05.2020 - Aktenzeichen B 9 V 44/19 B

DRsp Nr. 2020/9303

Höherbewertung eines Grades der Schädigungsfolgen In der DDR erlittene rechtsstaatswidrige Haft Rechtskundig vertretener Beteiligter

Wird ein Beteiligter rechtskundig vertreten, ersetzt dessen Antrag gem. § 109 SGG keinen Beweisantrag gem. § 103 SGG .

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 4. Juli 2019 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 109 ; SGG § 103 ;

Gründe

I

Die Klägerin begehrt die Höherbewertung des Grades der Schädigungsfolgen (GdS) ihrer in der DDR erlittenen rechtsstaatswidrigen Haft wegen besonderer beruflicher Betroffenheit.

Mit dem angefochtenen Urteil hat das LSG wie vor ihm das SG und der Beklagte einen Anspruch auf Höherbewertung des GdS der Klägerin abgelehnt. Es sei nicht erkennbar, dass die als Schädigungsfolge anerkannte somatoforme Schmerzstörung ihre Berentung verursacht oder sie sonst in ihrem beruflichen Werdegang beeinträchtigt habe (Urteil vom 4.7.2019).

Gegen die Nichtzulassung der Revision hat die Klägerin Beschwerde zum BSG eingelegt. Das LSG habe Verfahrensfehler begangen und sei von der Rechtsprechung des Senats abgewichen.

II

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. Die Begründung verfehlt die gesetzlichen Anforderungen, weil die Klägerin weder die behaupteten Verfahrensmängel (1.), noch eine Divergenz (2.) ordnungsgemäß dargetan hat (vgl § 160a Abs 2 Satz 3 SGG ).

1. Die Klägerin bezeichnet keinen Verfahrensmangel 160 Abs 2 Nr 3 SGG ), auf den sie ihre Nichtzulassungsbeschwerde mit Erfolg stützen könnte. Sie rügt, das LSG habe zu Unrecht ihren Antrag auf ein Gutachten nach § 109 SGG abgelehnt. Auf eine Verletzung dieser Vorschrift kann indes der geltend gemachte Verfahrensmangel gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG nicht gestützt werden. Dieser Ausschluss gilt ausnahmslos und uneingeschränkt für jede fehlerhafte Anwendung des § 109 SGG (Senatsbeschluss vom 8.6.2015 - B 9 SB 25/15 B - juris RdNr 4 mwN). Die Klägerin kann ihn daher auch nicht mit der Behauptung umgehen, die Ablehnung des Antrags nach § 109 SGG verletze ihr rechtliches Gehör. Denn in ihrem Fall würde diese Rüge allein dazu dienen, den Rügeausschluss des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG zu umgehen (vgl BSG Beschluss vom 30.5.2006 - B 2 U 86/06 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 9).

Die Klägerin sieht in der Ablehnung ihres Antrags nach § 109 SGG zugleich eine Verletzung von § 103 SGG ; damit bezeichnet sie indes keinen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag, den eine solche Rüge zwingend voraussetzt (Senatsbeschluss vom 29.1.2018 - B 9 V 39/17 - juris, RdNr 9 mwN). Jedenfalls bei einem rechtskundig vertretenen Beteiligten ersetzt der Antrag nach § 109 SGG keinen Beweisantrag nach § 103 SGG (Senatsbeschluss vom 24.2.2015 - B 9 V 37/14 B - juris, RdNr 7 mwN ).

Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang eine Verletzung von § 128 Abs 1 Satz 1 SGG rügt, schließt § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG diese Rüge von vornherein aus.

2. Ebensowenig dargetan hat die Klägerin die Voraussetzungen für eine Divergenz 160 Abs 2 Nr 2 SGG ). Wer eine Rechtsprechungsdivergenz entsprechend den gesetzlichen Anforderungen darlegen will, muss entscheidungstragende abstrakte Rechtssätze in der Entscheidung des Berufungsgerichts einerseits und in der herangezogenen höchstrichterlichen Entscheidung des BSG , des GmSOGB oder des BVerfG andererseits gegenüberstellen und dazu ausführen, weshalb beide miteinander unvereinbar sein sollen. Erforderlich ist, dass das LSG bewusst einen abweichenden Rechtssatz aufgestellt hat, der über den konkreten Einzelfall hinaus Geltung für vergleichbare Sachverhalte beansprucht (Senatsbeschluss vom 12.1.2017 - B 9 V 58/16 B - juris, RdNr 21 mwN). Lediglich ungenaue oder unzutreffende Rechtsausführungen, ein Rechtsirrtum oder eine unrichtige Subsumtion im Einzelfall rechtfertigen dagegen keine Revisionszulassung ( BSG Beschluss vom 14.1.2020 - B 14 AS 62/19 B - BeckRS 2020, 1269).

Diese Voraussetzungen hat die Beschwerde nicht dargelegt. Sie behauptet eine Divergenz zum Senatsurteil vom 16.12.2014 ( B 9 V 6/13 R - juris). Im Widerspruch zu dessen Grundsätzen habe das Berufungsgericht verlangt, die schädigungsbedingte somatoforme Schmerzstörung hätte überwiegend kausal gewesen sein müssen für die Frühverrentung der Klägerin. Dagegen reiche nach der zitierten Senatsrechtsprechung schon eine annähernde Gleichwertigkeit einer schädigungsbedingten Ursache aus. Mit diesen Ausführungen legt die Klägerin indes keinen abstrakt-generellen Rechtssatz des LSG dar, der über ihren Einzelfall hinaus Geltung beanspruchen würde. Das LSG konnte in Anwendung des § 30 Abs 2 Satz 2 Nr 2 BVG nicht erkennen, dass die bei der Klägerin als Schädigungsfolge anerkannte somatoforme Schmerzstörung "wesentliche Ursache im Sinne des Versorgungsrechts" für ihre Berentung gewesen sei. Die Klägerin legt nicht dar, welchen fallübergreifenden Rechtssatz das LSG mit diesem Obersatz aufgestellt haben sollte, der ausdrücklich und bewusst den vom Senat formulierten Kausalitätsgrundsätzen widerspräche. Die von der Beschwerde wiedergegebene Beweiswürdigung des LSG schließt sich im Subsumtionsteil des Berufungsurteils an dessen Obersatz zur Verursachung an. Sie ordnet das Gutachten des nach § 109 SGG gehörten Sachverständigen in die Prüfung des Kausalzusammenhangs zwischen anerkannter Schädigungsfolge und Berentung der Klägerin ein. Selbst wenn die dabei genutzte Formulierung in dem von der Beschwerde angenommenen Sinne zu verstehen sein sollte und das LSG an dieser Stelle einen gleichwertigen Verursachungsanteil für eine Kausalität im Rechtssinne nicht ausreichen lassen wollte: Es fehlt jedenfalls an der Darlegung, dass das LSG einen über die Beweiswürdigung im Einzelfall hinausreichenden abstrakt-generellen Rechtssatz und damit rechtliche Maßstäbe aufstellen wollte, die von der Senatsrechtsprechung abweichen. Möglicherweise ungenaue, missverständliche oder selbst falsche Rechtsausführungen im Einzelfall begründen keine grundsätzliche Divergenz, die in einem Revisionsverfahren zu klären wäre.

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ).

2. Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2, § 169 SGG ).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Thüringen, vom 04.07.2019 - Vorinstanzaktenzeichen L 5 VE 379/14
Vorinstanz: SG Gotha, vom 28.01.2014 - Vorinstanzaktenzeichen S 3 VE 4580/10