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BSG - Entscheidung vom 29.04.2020

B 9 V 50/19 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3

BSG, Beschluss vom 29.04.2020 - Aktenzeichen B 9 V 50/19 B

DRsp Nr. 2020/8319

Entschädigungsleistungen für eine Messerstichverletzung nach dem OEG Verfahrensrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 10. Oktober 2019 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3 ;

Gründe

I

Der Kläger begehrt Entschädigungsleistungen für eine Messerstichverletzung nach dem Opferentschädigungsgesetz in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz .

Mit Urteil vom 10.10.2019 hat das LSG den geltend gemachten Entschädigungsanspruch wie vor ihm der Beklagte und das SG verneint. Die Angaben des Klägers zum schädigenden Tatbestand seien nach wie vor unglaubhaft.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat der Kläger Beschwerde zum BSG eingelegt. Das LSG habe seine Amtsermittlungspflicht verletzt; es hätte ein Glaubhaftigkeitsgutachten über den Kläger einholen müssen.

II

Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil sie den allein behaupteten Verfahrensmangel nicht ordnungsgemäß bezeichnet hat 160a Abs 2 Satz 3 SGG ).

1. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG ), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels 160a Abs 2 Satz 3 SGG ) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel dabei auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Will die Beschwerde demnach einen Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht rügen 103 SGG ), so muss sie einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrag bezeichnen, dem das LSG nicht gefolgt ist. Dafür muss nicht nur die Stellung des Antrags, sondern auch aufgezeigt werden, über welche im Einzelnen bezeichneten Punkte Beweis erhoben werden sollte. Denn Merkmal eines substantiierten Beweisantrags ist eine bestimmte Tatsachenbehauptung und die Angabe des Beweismittels für diese Tatsache. Diese ist möglichst präzise und bestimmt zu behaupten, und es ist zumindest hypothetisch zu umreißen, was die Beweisaufnahme ergeben hätte. Nur dies versetzt die Vorinstanz in die Lage, die Entscheidungserheblichkeit des Antrags zu prüfen und gegebenenfalls seine Ablehnung iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ausreichend zu begründen. Unbestimmte bzw unsubstantiierte Beweisanträge brauchen dem Gericht keine Beweisaufnahme nahe zu legen (Senatsbeschluss vom 2.6.2017 - B 9 V 16/17 B - juris RdNr 6 mwN).

Einen solchen Beweisantrag hat der Kläger nicht bezeichnet. Er wirft dem LSG vor, dieses hätte seine Angaben zum Tatgeschehen nicht als unglaubhaft beurteilen dürfen, ohne zuvor ein Glaubhaftigkeitsgutachten über ihn einzuholen. Indes zeigt der Kläger nicht auf, dass er einen dahingehenden Beweisantrag gestellt und bis zuletzt in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG aufrechterhalten hätte. Die allgemein gehaltene Angabe, das LSG habe pauschal "entsprechende Anträge" zur Sachaufklärung zurückgewiesen, bezeichnet keinen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren, prozessordnungsgemäßen Beweisantrag.

Ohnehin kommt die Einholung eines Glaubhaftigkeitsgutachtens nur ausnahmsweise in Betracht. Denn die Einschätzung, ob die Angaben einer Aussageperson zutreffen und ihr tatsächliches Erleben wiedergeben, gehört zu den ureigenen Aufgaben des Tatrichters (Senatsurteil vom 15.12.2016 - B 9 V 3/15 R - BSGE 122, 218 = SozR 4-3800 § 1 Nr 23, RdNr 41 mwN). Vor diesem Hintergrund legt die Beschwerde nicht dar, welche besonderen Umstände im Fall des Klägers es dem LSG trotzdem ausnahmsweise geboten hätten, ein Glaubhaftigkeitsgutachten einzuholen.

Der Senat sieht sich schließlich nicht verpflichtet, der Bitte des Prozessbevollmächtigten nachzukommen, ihn auf möglicherweise erforderlichen weiteren Vortrag hinzuweisen. Von einem Rechtsanwalt muss erwartet werden, dass er die Zulässigkeitsvoraussetzungen für eine Nichtzulassungsbeschwerde kennt und ohne Hilfestellung des Gerichts erfüllen kann.

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ).

2. Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2, § 169 SGG ).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Niedersachsen-Bremen, vom 10.10.2019 - Vorinstanzaktenzeichen L 10 VE 11/19
Vorinstanz: SG Hannover, vom 11.01.2019 - Vorinstanzaktenzeichen S 66 VE 11/18