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BSG - Entscheidung vom 17.09.2020

B 4 AS 240/20 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 2

BSG, Beschluss vom 17.09.2020 - Aktenzeichen B 4 AS 240/20 B

DRsp Nr. 2020/15312

Divergenzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren Begriff der Abweichung

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 24. April 2020 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 2 ;

Gründe

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil weder der geltend gemachte Zulassungsgrund der Divergenz 160 Abs 2 Nr 2 SGG ) noch ein Verfahrensmangel 160 Abs 2 Nr 3 SGG ) in der erforderlichen Weise bezeichnet worden ist 160a Abs 2 Satz 3 SGG ). Die Beschwerde ist daher ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter zu verwerfen 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGG , § 169 SGG ).

1. Eine Abweichung (Divergenz) iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG ist nur dann hinreichend dargelegt, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage die angegriffene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des BSG , des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht. Eine Abweichung liegt nicht schon vor, wenn die angefochtene Entscheidung nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG , der GmSOGB oder das BVerfG aufgestellt haben, weil die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall nicht die Zulassung einer Revision wegen Abweichung rechtfertigt. Erforderlich ist vielmehr, dass das LSG diesen Kriterien widersprochen und über den Einzelfall hinausgehende andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Nicht die - behauptete - Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die fehlende Übereinstimmung im Grundsätzlichen kann die Zulassung wegen Abweichung begründen (stRspr; vgl etwa BSG vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34; Voelzke in Schlegel/Voelzke, jurisPK- SGG , 2017 , § 160 RdNr 119).

Diese Anforderungen sind nicht erfüllt. Der Kläger benennt weder ausdrücklich einen Rechtssatz des BSG noch einen solchen des LSG. Allenfalls der Sache nach macht der Kläger geltend, das BSG habe im Urteil vom 13.2.2014 (B 4 AS 22/13 R - BSGE 115, 126 = SozR 4-1300 § 44 Nr 28) den Rechtssatz aufgestellt, dass die Verwaltung auch bei einem Antrag nach § 44 SGB X den Untersuchungsgrundsatz des § 20 SGB X beachten müsse. Er stellt dem aber jedenfalls keinen Rechtssatz des LSG gegenüber, sondern bringt lediglich vor, dass das LSG in unzureichender Weise berücksichtigt habe, dass der Untersuchungsgrundsatz auch im Verfahren nach § 44 SGB X Anwendung finde. Damit wird aber nur die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall gerügt. Die schlüssige Behauptung einer Divergenz kann im Übrigen auch deswegen nicht gelingen, weil der Kläger selbst vorbringt, dass der vorliegende Sachverhalt ein völlig anderer gewesen sei als im Verfahren B 4 AS 22/13 R und die Abweichung durch das LSG darauf beruhe, die nicht vergleichbaren Fallkonstellationen identisch behandelt zu haben.

2. Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 (Anhörung eines bestimmten Arztes) und 128 Abs 1 Satz 1 SGG (freie richterliche Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Wer eine Nichtzulassungsbeschwerde auf diesen Zulassungsgrund stützt, muss zu seiner Bezeichnung 160a Abs 2 Satz 3 SGG ) die diesen Verfahrensmangel des LSG (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dartun, also die Umstände schlüssig darlegen, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (stRspr; siehe bereits BSG vom 29.9.1975 - 8 BU 64/75 - SozR 1500 § 160a Nr 14; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG , 13. Aufl 2020, § 160a RdNr 16 mwN).

Der Kläger macht geltend, dass fraglich sei, ob der zuständige Berichterstatter entschieden habe. Der Beschluss über das Ruhen des Verfahrens vom 17.7.2019 sei vom Richter am LSG Rehbein gefasst worden, während das hier streitige Urteil nach Wiederanrufung des Verfahrens vom Richter am LSG H. erlassen worden sei. Wäre der Richter am LSG H. zum Berichterstatter bestellt gewesen, hätte er auch den Ruhensbeschluss fassen müssen, zumal er bereits zum Zeitpunkt des Ruhensbeschlusses Mitglied des Senats gewesen sei, bei dem das Verfahren anhängig gewesen sei.

Ein Verfahrensmangel ist damit nicht hinreichend bezeichnet. Die Zuständigkeiten des Berichterstatters nach § 155 Abs 4 SGG sind funktionsbezogen, nicht personenbezogen. Dies gilt auch für eine Zuständigkeit als konsentierter Einzelrichter nach § 155 Abs 3 SGG ( BSG vom 26.10.2016 - B 11 AL 45/16 B - juris RdNr 6 f). Ist der zum Berichterstatter bestellte Berufsrichter etwa wegen Erkrankung oder Urlaub außer Dienst, tritt an seine Stelle der nach dem jeweiligen Geschäftsverteilungsplan berufene Vertreter. Der sinngemäß geltend gemachte Verfahrensmangel der Verletzung des Anspruchs auf den gesetzlichen Richter kann deshalb regelmäßig nicht allein durch den Vortrag schlüssig behauptet werden, dass während eines Rechtsstreites unterschiedliche Personen die Aufgaben des Berichterstatters tatsächlich wahrgenommen haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 Satz 1, Abs 4 SGG .

Vorinstanz: LSG Rheinland-Pfalz, vom 24.04.2020 - Vorinstanzaktenzeichen 3 AS 71/19
Vorinstanz: SG Speyer, vom 13.02.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 14 AS 523/17