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BGH - Entscheidung vom 01.12.2020

XI ZB 27/19

Normen:
KapMuG § 20 Abs. 3 S. 2

BGH, Beschluss vom 01.12.2020 - Aktenzeichen XI ZB 27/19

DRsp Nr. 2021/1326

Wahrung der Fristen zur Erklärung und Begründung des Beitritts i.R.d. Beteiligung am Musterverfahren

§ 20 Abs. 3 KapMuG unterscheidet bei der Frage, ob der Beitritt fristgemäß einzulegen und zu begründen ist, nicht zwischen Beitretenden auf Seiten des Musterrechtsbeschwerdeführers und Beitretenden auf Seiten des Musterrechtsbeschwerdegegners. Deshalb muss, anders als im Revisions- und Rechtsbeschwerdeverfahren, auch der auf Seiten des Musterrechtsbeschwerdegegners beitretende Beteiligte des Musterverfahrens seinen Beitritt innerhalb der gesetzlichen Frist einlegen und begründen.

Tenor

Die Musterbeklagte zu 1, die M. GmbH, wird zur Musterrechtsbeschwerdeführerin bestimmt.

Die Beitritte der Beigeladenen zu 1 bis 22 und 37 bis 93 werden als unzulässig zurückgewiesen.

Die Beigeladenen zu 1 bis 22 und 37 bis 93 haben die Kosten des Zwischenstreits über die Zulässigkeit der Beitritte sowie die durch die Beitritte verursachten Kosten zu tragen.

Normenkette:

KapMuG § 20 Abs. 3 S. 2;

Gründe

I.

Nach Anhörung des Musterklägers und der Musterbeklagten wird die Musterbeklagte zu 1, die M. GmbH, nach billigem Ermessen in entsprechender Anwendung der § 21 Abs. 3 und 4 , § 13 Abs. 1 , § 9 Abs. 2 KapMuG zur Musterrechtsbeschwerdeführerin bestellt. Beide Musterbeklagte haben zeitgleich Rechtsbeschwerde eingelegt. Sie sind wie auch der Musterkläger mit der Bestimmung der Musterbeklagten zu 1, die zugleich Prospektverantwortliche ist, zur Musterrechtsbeschwerdeführerin einverstanden. Die Musterbeklagte zu 2 bleibt als Rechtsbeschwerdeführerin am Rechtsbeschwerdeverfahren beteiligt (vgl. Senatsbeschlüsse vom 22. November 2016 - XI ZB 9/13, BGHZ 213, 65 Rn. 39 und 54 sowie vom 19. September 2017 - XI ZB 17/15, BGHZ 216, 37 Rn. 25 und 41).

II.

Die Beitritte der Beigeladenen zu 1 bis 22 und 37 bis 93 sind, worauf sie vorab hingewiesen worden sind, unzulässig.

Durch Verfügung vom 19. Februar 2019 ist gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 KapMuG die öffentliche Bekanntmachung der Einlegung der Rechtsbeschwerde im Bundesanzeiger veranlasst worden. Diese Verfügung ist am 21. Februar 2019 im Bundesanzeiger bekannt gemacht worden. Die Fristen zur Erklärung und Begründung des Beitritts sind damit gemäß § 20 Abs. 3 KapMuG im März 2019 abgelaufen. Die am 22. Mai 2020 erklärten und am 27. Juli 2020 begründeten Beitritte wahren diese Fristen nicht.

Entgegen der Rechtsmeinung der Beigeladenen, die verspätet ihren Beitritt erklärt haben, unterscheidet § 20 Abs. 3 KapMuG bei der Frage, ob der Beitritt fristgemäß einzulegen und zu begründen ist, nicht zwischen Beitretenden auf Seiten des Musterrechtsbeschwerdeführers und Beitretenden auf Seiten des Musterrechtsbeschwerdegegners. Deshalb muss, obwohl im Revisions- und Rechtsbeschwerdeverfahren der Rechtsmittelgegner sonst nicht gehalten ist, innerhalb bestimmter Fristen die angegriffene Entscheidung zu verteidigen, auch der auf Seiten des Musterrechtsbeschwerdegegners beitretende Beteiligte des Musterverfahrens seinen Beitritt innerhalb der gesetzlichen Frist einlegen und begründen (st. Rspr., vgl. zuletzt nur Senatsbeschlüsse vom 29. Mai 2018 - XI ZB 3/18, juris Rn. 2, vom 13. November 2018 - XI ZB 19/18, juris Rn. 2 und vom 26. Mai 2020 - XI ZB 22/19, juris Rn. 2). Weder aus dem Gesetzeswortlaut noch aus der Systematik lassen sich insoweit Unterschiede danach herleiten, auf wessen Seite der Beitritt erklärt werden soll. Die Gesetzesbegründung gibt für eine Differenzierung keinen Anhaltspunkt (vgl. zu § 15 Abs. 2 KapMuG in der bis zum 31. Oktober 2012 geltenden Fassung BT-Drucks. 15/5091, S. 30 und zu § 20 KapMuG BT-Drucks. 17/8799, S. 25).

Damit wird der Filterfunktion des § 20 Abs. 3 Satz 2 KapMuG genügt, mit dem sichergestellt werden soll, dass Beteiligte des Musterverfahrens nur dann am Verfahren in der Rechtsbeschwerdeinstanz auf Seiten des Musterrechtsbeschwerdegegners beteiligt werden, wenn sie ein aktives Interesse an der Verteidigung des Musterentscheids dokumentieren.

Im Übrigen trifft das Argument der Beigeladenen zu 1 bis 22 und 37 bis 93 nicht zu, eine Auslegung des § 20 Abs. 3 KapMuG dahin, Beitritte seien auch auf Seiten des Musterrechtsbeschwerdegegners innerhalb der dort genannten Fristen zu erklären, führe dazu, dass die Einlegung einer Anschlussrechtsbeschwerde nach § 21 Abs. 3 Satz 3 KapMuG erschwert werde. § 21 Abs. 3 Satz 3 KapMuG verweist für die Begründung der Anschlussrechtsbeschwerde ausdrücklich auf die Frist des § 574 Abs. 4 Satz 1 ZPO , die erst mit der Zustellung der Rechtsbeschwerdebegründung an den Musterkläger als den von Gesetzes wegen, § 21 Abs. 3 Satz 2 KapMuG , bestimmten Musterrechtsbeschwerdegegner beginnt. Von Beigeladenen, die sich (nur) die Möglichkeit der Anschlussrechtsbeschwerde offenhalten wollen, wird lediglich verlangt, innerhalb der Frist des § 20 Abs. 3 KapMuG den Beitritt zu erklären. Einer fristgerechten Begründung des Beitritts bedarf es nicht (vgl. zu § 15 Abs. 5 Satz 2 KapMuG in der bis zum 31. Oktober 2012 geltenden Fassung Senatsbeschluss vom 19. August 2014 - XI ZB 12/12, WM 2014, 1764 Rn. 6 ff.). Abgesehen davon, dass die Beigeladenen zu 1 bis 22 und 37 bis 93 auch die Frist des § 574 Abs. 4 Satz 1 ZPO nicht gewahrt haben, beschränken sie ihr Begehren ausdrücklich auf eine Verteidigung des Musterentscheids.

Vorinstanz: LG Hamburg, vom 03.07.2015 - Vorinstanzaktenzeichen 311 OH 4/15
Vorinstanz: OLG Hamburg, vom 21.12.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 13 Kap 3/15