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BVerwG - Entscheidung vom 06.11.2019

4 A 2.19

Normen:
VwGO § 44a

BVerwG, Gerichtsbescheid vom 06.11.2019 - Aktenzeichen 4 A 2.19

DRsp Nr. 2020/619

Verpflichtung der Bundesnetzagentur zur Berücksichtigung des eingebrachten Alternativtrassenvorschlags im Verfahren der Bundesfachplanung des sog. SuedLinks

Eine Klage, die auf eine Verpflichtung der Bundesnetzagentur gerichtet ist, den vom Kläger eingebrachten Alternativtrassenvorschlag im Verfahren der Bundesfachplanung zu berücksichtigen und sachlich zu prüfen, betrifft eine nicht selbstständig anfechtbare Verfahrenshandlung und ist deshalb unzulässig.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Normenkette:

VwGO § 44a;

Gründe

I

Der Kläger, der Freistaat Thüringen, begehrt Rechtsschutz im Rahmen des Verfahrens der Bundesfachplanung der Gleichstrom-Erdkabelprojekte Nr. 3 und 4 des Bundesbedarfsplangesetzes (sogenannter SuedLink) in den Abschnitten C (Bad Gandersheim - Gerstungen und Seesen - Gerstungen) und D (Gerstungen - Arnstein und Gerstungen - Grafenrheinfeld).

Die beigeladenen Vorhabenträger beantragten am 17. und am 24. März 2017 die Bundesfachplanung für die Abschnitte C und D des SuedLinks. In der von der Bundesnetzagentur durchgeführten Antragskonferenz brachte der Kläger einen eigenen Trassenkorridorvorschlag förmlich in das Verfahren ein. Die Bundesnetzagentur führte daraufhin eine erste Evidenzkontrolle dieses Vorschlags durch, forderte die Vorhabenträger auf, die Alternativtrassenvarianten einer Grobprüfung zu unterziehen und holte ein externes Gutachten der Bietergemeinschaft NABEG zur technischen Machbarkeit des Vorschlags ein. Auf der Grundlage der daraufhin erstatteten Gutachten und abgegebenen Stellungnahmen kam die Bundesnetzagentur in ihrem Prüfvermerk vom 18. Januar 2018 zu dem Ergebnis, dass der Vorschlag des Klägers keine ernsthaft in Betracht kommende Alternative darstelle und daher für das weitere Verfahren der Bundesfachplanung abzuschichten sei. Mit Schreiben vom 26. Januar 2018 setzte sie den Kläger hiervon in Kenntnis und führte das Bundesfachplanungsverfahren fort. Danach haben die Beigeladenen die Unterlagen nach § 8 NABEG vorgelegt und hat die Bundesnetzagentur deren Vollständigkeit festgestellt. Mit dem Abschluss des Verfahrens der Bundesfachplanung für die Abschnitte C und D des SuedLinks wird frühestens für Ende 2019/Anfang 2020 gerechnet.

Am 15. Januar 2019 hat der Kläger Klage erhoben mit dem Ziel, den von ihm im Rahmen seines Beteiligungsrechts in das Verfahren der Bundesfachplanung eingebrachten Alternativtrassenvorschlag, der von der Bundesnetzagentur aus dem Verfahren ausgeschieden worden ist, in das Verfahren zurückzuführen. Für die Klage sei das Bundesverwaltungsgericht zuständig, denn es handle sich um einen Bund-Länder-Streit nach § 50 Abs. 1 Nr. 1 VwGO , hilfsweise ergebe sich die Zuständigkeit aus § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO . Da es sich um einen Bund-Länder-Streit handle, liege auch die nach § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche Klagebefugnis vor. § 44a VwGO stehe der Klage nicht entgegen, denn die Norm sei im Bund-Länder-Streit nicht anwendbar. Die Klage sei auch begründet. Die von der Bundesnetzagentur getroffene Abschichtungsentscheidung genüge den zwingenden verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht. Sie sei sowohl formell als auch materiell-rechtlich zu beanstanden und verletzte in rechtswidriger Weise die Kompetenzen des Klägers.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, den abgeschichteten Alternativvorschlag des Klägers für einen Trassenkorridor zu Vorhaben Nummer 3 und Vorhaben Nummer 4 des Bundesbedarfsplans, in das Verfahren eingebracht durch Schreiben vom 16. Mai 2017 und 31. Mai 2017, im laufenden Bundesfachplanungsverfahren weiterzuverfolgen,

hilfsweise festzustellen, dass der Alternativvorschlag des Klägers für einen Trassenkorridor zu Vorhaben Nummer 3 und Vorhaben Nummer 4 des Bundesbedarfsplans, in das Verfahren eingebracht durch Schreiben vom 16. Mai 2017 und 31. Mai 2017, zu Unrecht abgeschichtet worden ist und im laufenden Bundesfachplanungsverfahren weiterverfolgt werden muss.

Die Beklagte und die Beigeladenen beantragen,

die Klage abzuweisen.

Sie halten die Klage für unzulässig und treten ihr auch in der Sache entgegen. Sie verteidigen die Abschichtung des Alternativtrassenvorschlags des Klägers als rechtmäßig.

Den gleichzeitig mit der Klage gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO dahingehend, dass die Bundesnetzagentur verpflichtet wird, den vom Kläger eingebrachten Alternativtrassenvorschlag im Bundesfachplanungsverfahren sofort weiterzuverfolgen, d.h. diesen - entgegen der Mitteilung vom 26. Januar 2018 - sofort weiter zu berücksichtigen und sachlich zu prüfen, hat der Senat mit Beschluss vom 9. Mai 2019 - 4 VR 1.19 - (NVwZ 2019, 1357 ) abgelehnt.

II

Der Senat kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil die erstinstanzliche Streitsache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 Satz 1 VwGO ). Die Beteiligten wurden vorher gehört (§ 84 Abs. 1 Satz 2 VwGO ).

1. Das Bundesverwaltungsgericht ist gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO in erster und letzter Instanz zuständig; ein sogenannter Bund-Länder-Streit nach § 50 Abs. 1 Nr. 1 VwGO liegt nicht vor (BVerwG, Beschluss vom 9. Mai 2019 - 4 VR 1.19 - NVwZ 2019, 1357 Rn. 6 ff.).

2. Die Klage ist insgesamt unzulässig. Sie ist sowohl im Haupt- als auch im Hilfsantrag auf eine Verpflichtung der Bundesnetzagentur gerichtet, den vom Kläger eingebrachten Alternativtrassenvorschlag im Verfahren der Bundesfachplanung zu berücksichtigen und sachlich zu prüfen, und betrifft damit eine nicht selbstständig anfechtbare Verfahrenshandlung (§ 44a VwGO ).

Im Beschluss vom 9. Mai 2019 - 4 VR 1.19 - (NVwZ 2019, 1357 Rn. 16 ff.) hat der Senat Folgendes ausgeführt:

"Nach § 44a VwGO können Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden (Satz 1), es sei denn die behördlichen Verfahrenshandlungen können vollstreckt werden oder ergehen gegen einen Nichtbeteiligten (Satz 2); die Regelung gilt auch für Anträge nach § 123 VwGO (BVerwG, Beschluss vom 6. April 2006 - 2 VR 2.05 - Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 33 Rn. 10).

Unter den Begriff der Verfahrenshandlung im Sinne von § 44a Satz 1 VwGO fallen behördliche Handlungen, die im Zusammenhang mit einem schon begonnenen und noch nicht abgeschlossenen Verwaltungsverfahren (vgl. § 9 VwVfG ) stehen und der Vorbereitung einer regelnden Sachentscheidung dienen (BVerwG, Urteile vom 1. September 2009 - 6 C 4.09 - BVerwGE 134, 368 Rn. 21, vom 22. September 2016 - 2 C 16.15 - NVwZ 2017, 489 Rn. 19 m.w.N. und vom 20. Oktober 2016 - 2 A 2.14 - BVerwGE 156, 193 Rn. 14; Beschluss vom 14. Juli 2004 - 6 B 30.04 - juris Rn. 7; Stelkens/Schenk, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO , Stand September 2018, § 44a Rn. 8; Ziekow, in: Sodan/Ziekow, VwGO , 5. Aufl. 2018, § 44a Rn. 40; Hoppe, in: Eyermann, VwGO , 15. Aufl. 2019, § 44a Rn. 6; Kopp/Schenke, VwGO , 24. Aufl. 2018, § 44a Rn. 3, 5 f.). Aus dem Gegensatz des Begriffs der Verfahrenshandlung zu dem in § 44a Satz 1 VwGO gleichfalls verwendeten Begriff der Sachentscheidung folgt, dass sich der Ausschluss selbstständiger Rechtsbehelfe grundsätzlich auf solche behördlichen Maßnahmen beschränkt, die Teil eines konkreten Verwaltungsverfahrens sind, ohne selbst Sachentscheidung zu sein, ohne also ihrerseits in materielle Rechtspositionen einzugreifen (BVerwG, Urteil vom 1. September 2009 - 6 C 4.09 - BVerwGE 134, 368 Rn. 21). Unerheblich für die Einordnung als Verfahrenshandlung ist dabei, welche Rechtsform der vorbereitende Akt hat. Neben Realakten können auch Verwaltungsakte Verfahrenshandlungen im Sinne des § 44a Satz 1 VwGO sein (BVerwG, Urteil vom 22. September 2016 - 2 C 16.15 - NVwZ 2017, 489 Rn. 19; Hoppe, in: Eyermann, VwGO , 15. Aufl. 2019, § 44a Rn. 6 f.). Ebenso ist davon auszugehen, dass eine Verfahrenshandlung nicht nur eine anfechtbare Handlung ist, die in Rechte des Beteiligten eingreift, sondern auch sogenannte Negativakte, also die behördliche Verweigerung der erstrebten Verfahrenshandlung, von der Norm erfasst werden (BVerwG, Urteile vom 30. Januar 2002 - 9 A 20.01 - BVerwGE 115, 373 <377> und vom 22. September 2016 - 2 C 16.15 - NVwZ 2017, 489 Rn. 19; Beschluss vom 6. April 2006 - 2 VR 2.05 - Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 33 Rn. 10).

Der Antragsteller will vorliegend erreichen, dass die Bundesnetzagentur verpflichtet wird, den von ihm eingebrachten Alternativtrassenvorschlag im Bundesfachplanungsverfahren sofort weiterzuverfolgen, d.h. diesen - entgegen der Mitteilung vom 26. Januar 2018 - sofort weiter zu berücksichtigen und sachlich zu prüfen. Sein Begehren ist auf die Vornahme einer Verfahrenshandlung im Rahmen des derzeit laufenden Bundesfachplanungsverfahrens gerichtet und unterfällt damit § 44a Satz 1 VwGO (vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. September 2005 - 9 VR 21.05 - juris für eine Verfahrenshandlung im Rahmen eines Planfeststellungsverfahrens). Die Voraussetzungen für die gesetzlichen Ausnahmetatbestände in § 44a Satz 2 VwGO sind nicht erfüllt. Weder handelt es sich bei der Entscheidung, den Alternativtrassenvorschlag des Antragstellers (derzeit) nicht weiter zu prüfen, um eine vollstreckbare Entscheidung, noch ist der Antragsteller Nichtbeteiligter im Sinne dieser Norm.

Steht aber bereits § 44a VwGO der Zulässigkeit des Antrages entgegen, kann offen bleiben, ob dasselbe Ergebnis auch aus einem Erst-recht-Schluss zu § 15 Abs. 3 Satz 2 NABEG folgt und ob diese Norm den vom Antragsteller angeführten unions- oder verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet."

An diesen Ausführungen hält der Senat auch für das Klageverfahren fest. Gründe, diese Auffassung zu hinterfragen, zeigen die Beteiligten nicht auf; sie haben sich seit dem Beschluss vom 9. Mai 2019 - 4 VR 1.19 - (NVwZ 2019, 1357 ) zur Sache nicht mehr geäußert.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 , § 162 Abs. 3 VwGO . Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit §§ 708 ff. ZPO .

Beschluss:

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 60 000 € festgesetzt.