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BSG - Entscheidung vom 23.09.2019

B 5 R 156/19 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3
SGG § 118 Abs. 1 S. 1
ZPO § 403

BSG, Beschluss vom 23.09.2019 - Aktenzeichen B 5 R 156/19 B

DRsp Nr. 2019/16362

Verfahrensrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren Merkmale eines prozessordnungsgemäßen Beweisantrages Beweisantrag in einem Rentenstreitverfahren

1. Ein prozessordnungsgemäßer Beweisantrag auf Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens setzt gemäß § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 403 ZPO voraus, dass die zu begutachtenden Punkte im Einzelnen benannt werden; erforderlich ist eine bestimmte Tatsachenbehauptung und die Angabe des Beweismittels für diese Tatsache. 2. In Rentenverfahren muss sich ein Beweisantrag genau auf den Einfluss dauerhafter Gesundheitsbeeinträchtigungen auf das verbliebene Leistungsvermögen beziehen.3. Eine Formulierung "zum Beweis der Tatsache, dass der Kläger erwerbsgemindert ist, ein Gutachten bzgl. seiner Schmerzwahrnehmung einzuholen" genügt dem in keiner Weise.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 8. Mai 2019 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3 ; SGG § 118 Abs. 1 S. 1; ZPO § 403 ;

Gründe:

Zwischen den Beteiligten ist streitig die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Mit Urteil vom 8.5.2019 hat das LSG Berlin-Brandenburg einen solchen Anspruch des Klägers verneint, weil er noch in der Lage sei, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes zumindest sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Das LSG hat deshalb die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG Berlin vom 15.9.2017 zurückgewiesen.

Gegen die Nichtzulassung der Revision hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Er beruft sich auf einen Verfahrensmangel (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG ).

Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist.

Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ),

- das Urteil von einer Entscheidung des BSG , des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (aaO Nr 2) oder

- ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (aaO Nr 3).

Derartige Gründe werden in der Beschwerdebegründung nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.

Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG ), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG ) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

Es kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger in seiner Beschwerdebegründung ausreichend aufzeigt, im Berufungsverfahren einen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag auf Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens gestellt zu haben. Ein solcher Beweisantrag setzt gemäß § 118 Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 403 ZPO voraus, dass die zu begutachtenden Punkte im Einzelnen benannt werden. Merkmal eines Beweisantrags ist eine bestimmte Tatsachenbehauptung und die Angabe des Beweismittels für diese Tatsache. Im Rahmen eines Rentenverfahrens muss sich ein Beweisantrag möglichst präzise mit dem Einfluss dauerhafter Gesundheitsbeeinträchtigungen auf das verbliebene Leistungsvermögen befassen (vgl BSG Beschluss vom 13.3.2019 - B 5 R 22/19 B - RdNr 9 mwN). Die vom Kläger verwendete Formulierung "zum Beweis der Tatsache, dass der Kläger erwerbsgemindert ist, ein Gutachten bzgl. seiner Schmerzwahrnehmung einzuholen" dürfte den Anforderungen nicht genügen.

Jedenfalls hat der Kläger nicht ausreichend dargelegt, weshalb das LSG sich von seinem sachlich-rechtlichen Standpunkt aus hätte gedrängt fühlen müssen, den abgelehnten Beweis zu erheben (vgl dazu BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 9). Der Kläger trägt vor, er habe vor dem LSG darauf hingewiesen, dass der exzessive Alkoholkonsum geeignet sein könne, dem dauerhaften Schmerzzustand kompensierend entgegenzuwirken und das vorliegende Krankheitsbild die Annahme einer Chronifizierung des Schmerzzustandes zulasse. Der Kläger selbst nimmt Bezug auf das vom ärztlichen Sachverständigen Dr. med. D. S. erstellte Gutachten vom 8.3.2017. Darin hat dieser festgehalten, er könne keine chronischen Schmerzen feststellen, die den Kläger in seinem quantitativen Leistungsvermögen "auch nur im Ansatz relevant einschränken würden". Zugleich hat der medizinische Sachverständige den Alkoholmissbrauch des Klägers ausführlich beschrieben und die Notwendigkeit weiterer medizinischer Gutachten ausdrücklich verneint. Aus welchen Gründen für das LSG Anlass zur weiteren Sachverhaltsaufklärung bestanden haben soll, erschließt sich dem Senat aus der Beschwerdebegründung nicht. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass das LSG "ein schmerztherapeutisches Begutachtungsbedürfnis" nicht nur gestützt auf das Sachverständigengutachten, sondern auch unter Auswertung der Befundberichte der behandelnden Ärzte ausdrücklich verneint hat.

Mit seinem Vorbringen, im Gutachten vom 8.3.2017 sei keine leidensgerechte Beurteilung unter Berücksichtigung der durch die Leiden verursachten Schmerzen erfolgt und die darin vorgenommene Erkundung der Schmerzen sei nicht geeignet gewesen, eine "fehlerhafte Schmerzwahrnehmung bzw. eine chronische Schmerzstörung" auszuschließen, rügt der Kläger letztlich eine fehlerhafte Beweiswürdigung durch das LSG. Auf eine Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG kann eine Nichtzulassungsbeschwerde nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 Alt 1 SGG jedoch nicht gestützt werden.

Soweit der Kläger schließlich geltend macht, das LSG hätte dem Beweisantrag schon deshalb nachgehen müssen, weil er erst wenige Tage vor der mündlichen Verhandlung am Rücken operiert worden war, trägt er nicht substantiiert vor, welche konkreten Hinweise auf ein verschlechtertes Leistungsvermögen dem LSG vorlagen. Der Beschwerdebegründung lässt sich nicht entnehmen, ob sich bereits bestehende Gesundheitsstörungen des Klägers verschlechtert haben oder neue hinzugetreten sind und insbesondere nicht, ob sich diese dauerhaft auf das verbliebene Leistungsvermögen negativ auswirken und damit für das Rentenverfahren von Bedeutung sind.

Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ).

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 und 4 SGG .

Vorinstanz: LSG Berlin-Brandenburg, vom 08.05.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 3 R 842/17
Vorinstanz: SG Berlin, vom 15.09.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 5 R 609/16