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BSG - Entscheidung vom 29.07.2019

B 13 R 249/17 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3
SGG § 128 Abs. 1 S. 1

BSG, Beschluss vom 29.07.2019 - Aktenzeichen B 13 R 249/17 B

DRsp Nr. 2019/13114

Verfahrensrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren Bewertung der Fachkunde eines Sachverständigen Keine Rüge mangelhafter Beweiswürdigung

Die Bewertung der Fachkunde eines Sachverständigen gehört zur Beweiswürdigung und darauf kann eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision von vornherein nicht mit Erfolg gestützt werden.

Der Antrag des Klägers, ihm für die Durchführung des Verfahrens der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 21. Juni 2017 Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wird abgelehnt.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem benannten Urteil wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten für das Beschwerdeverfahren zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3 ; SGG § 128 Abs. 1 S. 1;

Gründe:

I

Mit Urteil vom 21.6.2017 hat das LSG Niedersachsen-Bremen einen Anspruch des Klägers auf Rente wegen Erwerbsminderung, auch wegen Berufsunfähigkeit, verneint. Dabei hat es sich auf die von der Beklagten bzw im gerichtlichen Verfahren eingeholten Gutachten gestützt. Es könne vorliegend dahinstehen, ob bei dem Kläger die Diagnose einer Borreliose vorliege, da jedenfalls wesentliche funktionelle Einschränkungen nicht gegeben seien.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger mit einem selbst unterzeichneten Schreiben vom 26.7.2017 Beschwerde beim BSG eingelegt und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt. Er wolle Licht in das dunkle Thema Borreliose bringen, das von grundsätzlicher Bedeutung für den Bürger sei. Die Aussagen zu seinem Gesundheitszustand seien wegen mangelnder Forschung und Weiterbildung fachlich nicht haltbar. Dazu hat er zum Teil handschriftlich kommentierte Fachliteratur und im Internet veröffentlichte Unterlagen zum Thema Borreliose vorgelegt.

II

1. Der PKH-Antrag des Klägers ist abzulehnen. Nach § 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 114 Abs 1 S 1 ZPO kann einem Beteiligten, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten für die Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, für das Verfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Die Rechtsverfolgung des Klägers bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Es ist nicht zu erkennen, dass ein zugelassener Prozessbevollmächtigter (§ 73 Abs 4 SGG ) in der Lage wäre, eine Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers erfolgreich zu begründen.

Im Verfahren der als Rechtsmittel gegen die LSG-Entscheidung allein statthaften Nichtzulassungsbeschwerde (§§ 160 , 160a SGG ) geht es nicht darum, ob die Entscheidung des LSG richtig oder falsch ist. Vielmehr darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), die Entscheidung des LSG von einer Entscheidung des BSG , des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder wenn ein Verfahrensmangel vorliegt, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3).

Ein solcher Zulassungsgrund ist nach Prüfung des Streitstoffs unter Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers sowie des Inhalts der Gerichts- und Verwaltungsakten nicht gegeben.

Der Rechtssache kommt nach Aktenlage keine grundsätzliche Bedeutung zu (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ), denn sie wirft keine entscheidungserheblichen Rechtsfragen auf, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig sind. Bei der Einschätzung der konkreten Leistungsfähigkeit des Klägers am Maßstab des § 43 Abs 1 S 2, Abs 2 S 2 und Abs 3 sowie des § 240 Abs 2 SGB VI handelt sich um eine Wertung im Einzelfall. Auch wenn die Erkrankung an Borreliose eine Vielzahl von Personen betrifft und es nach dem Stand der Wissenschaft ungeklärte medizinische Fragen geben mag, liegt deshalb hier keine grundsätzliche Bedeutung im Rechtssinne vor.

Anhaltspunkte dafür, dass eine Divergenzrüge (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG ) Aussicht auf Erfolg versprechen könnte, bestehen nicht. Eine Divergenz kann nur dann zur Revisionszulassung führen, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem abstrakten Rechtssatz in einer Entscheidung des BSG , des GmSOGB oder des BVerfG aufgestellt hat (vgl BSG vom 29.11.1989 - 7 BAr 130/88 - SozR 1500 § 160a Nr 67 S 89). Derartige Rechtssätze sind nicht auszumachen.

Die summarische Prüfung des Senats hat ebenso wenig einen Anhalt für das Vorliegen eines Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG ) ergeben, auf dem die Entscheidung des LSG beruhen kann.

Soweit der Kläger den Sachverständigen mangelnde Qualifikation und damit inzident dem LSG eine Verletzung der Aufklärungspflicht (§ 103 SGG ) vorwirft, könnte er im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nur dann erfolgreich sein, wenn er im Berufungsverfahren einen Beweisantrag gestellt und bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung durch entsprechenden Hinweis zu Protokoll aufrechterhalten hätte (stRspr, vgl Senatsbeschluss vom 5.2.2015 - B 13 R 372/14 B - Juris RdNr 10 mwN), dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG ). Der anwaltlich vertretene Kläger hat jedoch ausweislich der Sitzungsniederschrift in der mündlichen Verhandlung keine Beweisanträge gestellt. Das LSG hat auch in seinem Urteil keinen Beweisantrag wiedergegeben. Im Übrigen hat das LSG zutreffend nicht die Art der Erkrankung für entscheidungserheblich gehalten, sondern auf die funktionellen Einschränkungen abgestellt. Denn im Rahmen eines Rentenverfahrens kommt es letztlich nicht auf die Diagnosestellung, sondern auf das verbliebene Leistungsvermögen an (vgl Senatsbeschluss vom 12.12.2003 - B 13 RJ 179/03 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 3 - Juris RdNr 6).

Auf Mängel bei der Würdigung erhobener Beweise nach § 128 Abs 1 S 1 SGG , zu der grundsätzlich auch die Bewertung der Fachkunde des Sachverständigen gehört (vgl BSG Urteil vom 15.3.1979 - 9 RVs 16/78 - SozR 3870 § 3 Nr 5 - Juris RdNr 14), kann eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision von vorneherein nicht mit Erfolg gestützt werden (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG ).

Ein Verfahrensfehler ist auch nicht wegen der vom Kläger sinngemäß gerügten Dauer der mündlichen Verhandlung ersichtlich. Eine Mindest- oder Regeldauer der mündlichen Verhandlung (§ 124 SGG ) ist nicht vorgeschrieben; diese hat sich vielmehr an den Umständen des Einzelfalls zu orientieren. Ein Verstoß gegen Verfahrensgrundätze ist angesichts des sich aus der Niederschrift vom 21.6.2017 ergebenden Dauer des Termins (12.50 bis 13.25 Uhr) und des Streitgegenstandes nicht erkennbar.

Da kein Anspruch auf Bewilligung von PKH besteht, ist auch der Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts abzulehnen (§ 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO ).

2. Die von dem Kläger selbst eingelegte Beschwerde ist unzulässig. Sie leidet an einem Formmangel, denn sie ist - anders als § 73 Abs 4 SGG es vorschreibt - nicht durch einen vor dem BSG zugelassenen Prozessbevollmächtigten eingelegt worden. Die Verwerfung der Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Niedersachsen-Bremen, vom 21.06.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 2 R 195/16
Vorinstanz: SG Braunschweig, vom 04.03.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 36 R 700/13