Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0
Wir durchsuchen unsere Datenbank

BSG - Entscheidung vom 27.06.2019

B 5 R 128/19 B

Normen:
SGB VI § 56 Abs. 4 Nr. 3 Hs. 2

BSG, Beschluss vom 27.06.2019 - Aktenzeichen B 5 R 128/19 B

DRsp Nr. 2019/10120

Rentenrechtliche Anrechnung von Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten Vor 1992 geborene Zwillinge Annähernd gleichwertige Berücksichtigung der Kindererziehung in der Beamtenversorgung

1. Eine Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften schließt auch bei einer Zwillingsgeburt die Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten für vor 1992 geborene Kinder in der gesetzlichen Rentenversicherung aus; dabei kommt es auf die annähernd gleichwertige Berücksichtigung der Kindererziehung in der Beamtenversorgung im Einzelfall nicht an. 2. Diese Regelung begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 13. März 2019 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.

Normenkette:

SGB VI § 56 Abs. 4 Nr. 3 Hs. 2;

Gründe:

Mit Urteil vom 13.3.2019 hat das LSG Rheinland-Pfalz einen Anspruch der Klägerin auf Vormerkung der Zeit vom 1.5.1988 bis 30.4.1990 als Kindererziehungszeit und der Zeit vom 2.4.1988 bis 1.4.1998 als Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung ihrer am 2.4.1988 geborenen Zwillinge C. und L. verneint. Die Klägerin sei von der Anrechnung von Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten nach § 56 Abs 4 Nr 3 SGB VI in der seit dem 1.7.2014 geltenden Fassung ausgeschlossen, weil sie eine Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften erworben habe, die gemäß Halbs 2 der Vorschrift als annähernd gleichwertig mit der Versorgung nach dem SGB VI gelte. Unerheblich sei, dass die Kindererziehung bei der Berechnung des Ruhegehalts der Klägerin zeitlich und finanziell nicht annähernd in dem selben Umfang wie in der gesetzlichen Rentenversicherung Berücksichtigung finde.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat die Klägerin Beschwerde beim BSG eingelegt. Sie beruft sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) und eine Verletzung ihrer Rechte durch die angefochtene Entscheidung.

Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ),

- das Urteil von einer Entscheidung des BSG , des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (aaO Nr 2) oder

- ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (aaO Nr 3).

Derartige Gründe werden in der Beschwerdebegründung nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des § 160a Abs 2 S 3 SGG dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.

Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (so genannte Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN).

Die Klägerin wird bereits dem ersten Erfordernis nicht gerecht. Sie hat keine abstrakt-generelle Rechtsfrage zum Inhalt oder Anwendungsbereich einer revisiblen Norm (vgl § 162 SGG ) gestellt (vgl Senatsbeschluss vom 6.4.2010 - B 5 R 8/10 B - BeckRS 2010, 68786 RdNr 10; BSG Beschluss vom 5.11.2008 - B 6 KA 24/07 B - BeckRS 2009, 50073 RdNr 7). Die Formulierung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (Becker, SGb 2007, 261 , 265; Krasney/Udsching/Groth, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, Kap IX RdNr 181).

Doch selbst wenn man die Beschwerdebegründung dahin verstehen würde, dass die Klägerin die Fragen aufwirft, ob § 56 Abs 4 Nr 3 Halbs 2 SGB VI auch auf Mehrlingsgeburten anwendbar ist, weil das zweite Kind im Beamtenrecht versorgungsrechtlich unberücksichtigt bleibt, und ob § 56 Abs 4 Nr 3 Halbs 2 SGB VI bei Bejahung dieser Frage gegen Art 3 Abs 1 GG verstößt, wäre die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht dargetan.

Die Klägerin hat jedenfalls die Klärungsbedürftigkeit der angesprochenen Fragenbereiche nicht schlüssig aufgezeigt.

Eine Rechtsfrage ist dann nicht klärungsbedürftig, wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht, sich zB unmittelbar aus dem Gesetz ergibt oder bereits höchstrichterlich geklärt ist. Als höchstrichterlich geklärt ist eine Rechtsfrage auch dann anzusehen, wenn das Revisionsgericht bzw das BVerfG diese zwar noch nicht ausdrücklich entschieden hat, jedoch schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17). Im Hinblick hierauf muss in der Beschwerdebegründung unter Auswertung der Rechtsprechung des BSG und ggf des BVerfG zu dem Problemkreis substantiiert vorgetragen werden, dass zu diesem Fragenbereich noch keine höchstrichterliche Entscheidung gefällt oder durch die schon vorliegenden Urteile und Beschlüsse die hier maßgebende Frage von grundsätzlicher Bedeutung noch nicht beantwortet worden ist (Krasney/Udsching/Groth, aaO, Kap IX RdNr 183 mwN).

Hieran fehlt es. Die Klägerin setzt sich insbesondere nicht ausreichend mit dem Urteil des 13. Senats des BSG vom 10.10.2018 (B 13 R 20/16 R - Juris, auch zur Veröffentlichung vorgesehen in BSGE und SozR 4-2600 § 56 Nr 9) auseinander. Nach dieser Entscheidung schließt eine Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften - auch im Fall einer Zwillingsgeburt - die Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten für vor 1992 geborene Kinder in der gesetzlichen Rentenversicherung aus, ohne dass es auf die annähernd gleichwertige Berücksichtigung der Kindererziehung in der Beamtenversorgung im Einzelfall ankommt. Eine Verletzung von Art 3 Abs 1 GG durch die Regelung des § 56 Abs 4 Nr 3 Halbs 2 SGB VI hat der 13. Senat des BSG unter Heranziehung der Rechtsprechung des BVerfG zu dieser Grundrechtsnorm verneint (aaO, Juris RdNr 28 ff).

Soweit die Klägerin darauf hinweist, dem Urteil vom 10.10.2018 (aaO) liege ein mit ihrem Fall nicht vergleichbarer Sachverhalt zugrunde, weil die dortige Klägerin "nur" die versorgungsrechtliche Mindestversorgung beziehe, während sie die tatsächlich erdiente Versorgung erhalte und überdies vertrauensschutzbegründende rentenrechtliche Vorleistungen in Gestalt von freiwilligen Beiträgen erbracht habe, legt sie nicht dar, dass diese Gesichtspunkte für die Auslegung des § 56 Abs 4 Nr 3 Halbs 2 SGB VI nach dem vorgenannten Urteil entscheidungsrelevant sind.

Ebenso wenig vermögen die weiteren Ausführungen der Klägerin, die Entscheidung sei in der Sache inkonsequent und damit letztlich nicht richtig, die erneute Klärungsbedürftigkeit des angesprochenen Fragenbereichs zu rechtfertigen. Zwar kann trotz vorhandener höchstrichterlicher Rechtsprechung noch oder wieder Klärungsbedarf bestehen. Dies ist der Fall, wenn der Rechtsprechung in nicht geringfügigem Umfang widersprochen wird und gegen sie nicht von vornherein abwegige Einwendungen vorgebracht werden (vgl zB BSG SozR 1500 § 160a Nr 13 S 19), was im Rahmen der Beschwerdebegründung darzulegen ist ( BSG Beschluss vom 17.9.2013 - B 1 KR 63/13 B - Juris RdNr 6 mwN). Hierzu trägt die Klägerin nichts vor. Dass sie das Urteil des 13. Senats vom 10.10.2018 (aaO) für nicht zutreffend hält, reicht allein zur Begründung der erneuten Klärungsbedürftigkeit nicht aus.

Wird mit der Nichtzulassungsbeschwerde die Frage eines Verfassungsverstoßes aufgeworfen, muss der Beschwerdeführer unter Auswertung der einschlägigen Rechtsprechung des BVerfG und des BSG zu der gerügten Verfassungsnorm und den ihr zugrunde liegenden Prinzipien und Grundsätzen in substantieller Argumentation darlegen, woraus sich in konkretem Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll. Entsprechende substantielle Ausführungen enthält die Beschwerdebegründung nicht.

Mit ihrem übrigen Vorbringen rügt die Klägerin die Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung in der Sache. Hierauf kann jedoch nach den in § 160 Abs 2 Nr 1 bis 3 SGG abschließend aufgeführten Revisionszulassungsgründen eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht gestützt werden.

Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG ).

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 Abs 1 und 4 SGG .

Vorinstanz: LSG Rheinland-Pfalz, vom 13.03.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 6 R 233/18
Vorinstanz: SG Koblenz, vom 22.06.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 10 R 185/17