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BSG - Entscheidung vom 24.01.2019

B 13 R 370/17 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 2

BSG, Beschluss vom 24.01.2019 - Aktenzeichen B 13 R 370/17 B

DRsp Nr. 2019/2387

Rente wegen Erwerbsminderung Divergenzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren Begriff der Divergenz Bloße Subsumtionsrüge

1. Divergenz ist ein Widerspruch im Rechtssatz, nämlich das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die zwei Urteilen zugrunde gelegt sind.2. Allein die fehlerhafte Anwendung eines als solchen nicht in Frage gestellten höchstrichterlichen Rechtssatzes durch das Berufungsgericht (bloße Subsumtionsrüge) begründet keine Divergenz, denn nicht die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall, sondern nur eine Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen führt zur Zulassung der Revision wegen Divergenz.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 29. August 2017 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 2 ;

Gründe:

I

In dem mit der Beschwerde angegriffenen Urteil vom 29.8.2017 hat das LSG Niedersachsen-Bremen das stattgebende Urteil des SG Hildesheim vom 29.10.2014 auf die Berufung der Beklagten aufgehoben und einen Anspruch des Klägers auf Rente wegen Erwerbsminderung bzw Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit verneint.

Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Er beruft sich auf alle drei in § 160 Abs 2 Nr 1 bis Nr 3 SGG genannten Zulassungsgründe.

II

Die Beschwerde des Klägers ist als unzulässig zu verwerfen. Der Kläger hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.

Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn

- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder

- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder

- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).

Dass der Kläger das Berufungsurteil inhaltlich für unrichtig hält, kann dagegen nicht zur Zulassung der Revision führen (stRspr, vgl zB BSG Beschluss vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 4; BVerfG Beschluss vom 6.5.2010 - 1 BvR 96/10 - SozR 4-1500 § 178a Nr 11 RdNr 28 mwN).

1. Mit der von seinem Prozessbevollmächtigten gefertigten Beschwerdebegründung vom 28.12.2017 macht der Kläger zunächst Verfahrensmängel (Zulassungsgrund nach § 160a Abs 2 Nr 3 SGG ) geltend: Die Feststellungen des LSG zur Leistungseinschätzung durch den Gutachter Dr. S. gäben nicht den tatsächlichen Sachverhalt wieder. Zudem habe das LSG im Hinblick auf die Wegefähigkeit der Amtsermittlungspflicht nicht genügt.

Mit diesen Rügen genügt der Kläger schon deshalb nicht den Anforderungen an die Bezeichnung eines Verfahrensmangels, weil ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung von § 128 Abs 1 S 1 SGG gestützt werden kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 Teils 2 SGG ), was er im Kern rügt. Zugleich ist die Rüge einer Verletzung der Sachaufklärungspflicht nach § 103 SGG nur statthaft, wenn sie sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (§ 160 Abs 2 Nr 3 Teils 3 SGG ). Einen solchen Beweisantrag hat der Kläger mit der Beschwerdebegründung nicht benannt.

2. Die Beschwerdebegründung genügt ebenfalls nicht den Anforderungen an die Darlegung des Zulassungsgrundes der Divergenz. Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG bedeutet Widerspruch im Rechtssatz, nämlich das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die zwei Urteilen zugrunde gelegt sind. Zur ordnungsgemäßen Darlegung einer Divergenz sind ein oder mehrere entscheidungstragende Rechtssätze aus dem Berufungsurteil und zu demselben Gegenstand gemachte und fortbestehende aktuelle abstrakte Aussagen aus einer Entscheidung des BSG , des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG einander gegenüberzustellen; zudem ist näher zu begründen, weshalb diese nicht miteinander vereinbar sind und inwiefern die Entscheidung des LSG auf der Abweichung beruht (stRspr, vgl BSG Beschluss vom 29.3.2007 - B 9a VJ 5/06 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 17; BSG Beschluss vom 19.7.2012 - B 1 KR 65/11 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 32 RdNr 21). Nicht ausreichend ist es hingegen, wenn die fehlerhafte Anwendung eines als solchen nicht in Frage gestellten höchstrichterlichen Rechtssatzes durch das Berufungsgericht geltend gemacht wird (bloße Subsumtionsrüge), denn nicht die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall, sondern nur eine Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen ermöglicht die Zulassung der Revision wegen Divergenz (vgl BSG Beschluss vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 72 f; BSG Beschluss vom 24.4.2015 - B 13 R 37/15 B - Juris RdNr 6).

Entgegen diesen Anforderungen rügt der Kläger ausschließlich die vermeintlich fehlerhafte Rechtsanwendung durch das LSG, wenn er eine Abweichung von der - nicht näher bezeichneten - Rechtsprechung des BSG darin sieht, dass das angefochtene Urteil Ausführungen enthalte, "die nicht mit dem Gutachter S. übereinstimmen". Desgleichen tritt die ausschließliche Rüge einer fehlerhaften Rechtsanwendung schon der gewählten Formulierung nach deutlich zu Tage, wenn der Kläger geltend macht, betreffs einer schweren spezifischen Leistungseinschränkung "verstößt das Landessozialgericht gegen die Entscheidung BSG SozR 2200 § 1246 RVO Nr. 136". Dass das LSG bezüglich des Erfordernisses zusätzlicher Pausen im angegriffenen Urteil einen von der genannten Entscheidung des BSG abweichenden Rechtssatz aufgestellt hätte, hat der Kläger - anders als erforderlich - nicht dargelegt.

Soweit der Kläger im Zusammenhang mit der Frage zusätzlicher Pausen auch einen Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht rügen möchte, fehlt es erneut an der erforderlichen Bezeichnung eines hierauf bezogenen Beweisantrags, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

3. Schließlich genügt die Beschwerdebegründung auch nicht den Anforderungen an die Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG (vgl hierzu exemplarisch BSG Beschluss vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 Juris RdNr 6 mwN). Der Kläger hat schon keine abstraktgenerelle Rechtsfrage - zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (vgl § 162 SGG ) mit höherrangigem Recht - formuliert (vgl allgemein BSG Beschluss vom 24.10.2018 - B 13 R 239/17 B - Juris RdNr 8 mwN). Die Bezeichnung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (Becker, SGb 2007, 261 , 265; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, Kap IX RdNr 181).

Stattdessen hält der Kläger den Rechtsstreit für grundsätzlich bedeutend, weil das LSG die Voraussetzungen einer erheblichen Leistungseinschränkung nicht hinreichend überprüft und begutachtet habe. Grundsätzliche Bedeutung bestehe dahingehend,

· zu klären, welche Voraussetzungen "hier" an einen Leistungsfall August 2010 zu stellen sind,

· dass der Leistungsfall entgegen der Entscheidung des LSG eingetreten sei, "weil die gutachterliche Tätigkeit hier von einer Erwerbsminderung ausgeht",

· inwieweit das Gericht zu weiterer Sachaufklärung veranlasst gewesen sei, und

· dass es nicht ausreichend sei, mit einem Satz zu erwähnen, dass atypische Leistungseinschränkungen in Gestalt der Summierung einer Vielzahl von erheblichen Leistungseinschränkungen nicht vorliege.

Die Formulierungen des Klägers lassen nicht erkennen, welche Norm konkret zur Überprüfung durch das Revisionsgericht gestellt werden soll. Stattdessen sind sie unter verschiedenen Blickwinkeln allgemein auf die rechtliche Bewertung des konkreten Sachverhalts im vorliegenden Einzelfall und somit gegen die vermeintliche inhaltliche Unrichtigkeit des angegriffenen Urteils gerichtet. Hierauf kann jedoch - wie oben bereits dargelegt - die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision nicht zulässig gestützt werden.

4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG ).

Die Verwerfung der unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Niedersachsen-Bremen, vom 29.08.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 9 R 590/14
Vorinstanz: SG Hildesheim, vom 29.10.2014 - Vorinstanzaktenzeichen 4 R 610/11