Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0
Wir durchsuchen unsere Datenbank

BGH - Entscheidung vom 31.07.2019

2 StR 132/19

Normen:
StPO § 301
StGB § 66 Abs. 1 S. 1 Nr. 4

BGH, Urteil vom 31.07.2019 - Aktenzeichen 2 StR 132/19

DRsp Nr. 2019/16197

Revisionsrechtliche Überprüfung einer Verurteilung wegen u.a. schwerer Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung, wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung in zwei Fällen; Prüfung des Vorliegens eines Hangs im Sinne des § 66 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 StGB ; Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung

1. Für die Annahme eines Hanges ist ein dauerhafter Entschluss, Straftaten zu begehen, nicht erforderlich, sondern eine entsprechende, in der Persönlichkeit liegende Neigung kann auch bei Gelegenheitstaten zu bejahen sein. Das Tatgericht hat das Vorliegen eines Hanges nach sachverständiger Beratung unter sorgfältiger Gesamtwürdigung aller für die Beurteilung der Persönlichkeit des Täters und seiner Taten in eigener Verantwortung wertend festzustellen und in den Urteilsgründen darzulegen. 2. Weist der Angeklagte eine Paraphilie in Form eines sexuellen Sadismus und einer heterosexuellen Neigung vom nicht ausschließbaren Typ auf, die die Intensitätsstufe einer stabilen devianten Entwicklung erreicht hat, so muss in den Urteilsgründen dargelegt werden, welchen Einfluss dies auf die Annahme eines eingeschliffenen inneren Zustands im Sinne eines Hangs zur Begehung etwa von Sexualdelikten hat.

Tenor

1.

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Kassel vom 27. September 2018 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,

a)

soweit von der Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung oder deren Vorbehalt abgesehen worden ist, sowie

b)

zu Gunsten des Angeklagten im Strafausspruch.

Die weiter gehende Revision der Staatsanwaltschaft wird verworfen.

2.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendschutzkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Normenkette:

StPO § 301 ; StGB § 66 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 ;

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung, wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung in zwei Fällen, wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes „mittels Eindringens in den Körper“ in zehn Fällen, wegen gefährlicher Körperverletzung und wegen Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt und eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Hiergegen richtet sich die zuungunsten des Angeklagten eingelegte und auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft, mit der sie den Strafausspruch und die Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung bzw. des Vorbehalts einer solchen rügt.

I.

Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:

1. In der Zeit zwischen dem 1. Januar und dem 31. Dezember 2015 kam es zu zehn sexuellen Übergriffen des Angeklagten auf seine im Januar 2008 geborene Nichte. Während er bei ihrer Familie zu Besuch war, begab er sich – von weiteren Familienangehörigen unbemerkt – in deren Kinderzimmer, legte sich unbekleidet zu ihr ins Bett, zog ihr die Hose aus, führte an einem Tag den Finger in die Vagina des Kindes und vollzog an jeweils mindestens drei anderen Tagen mit ihr den vaginalen Geschlechtsverkehr oder den Analverkehr. An mindestens drei weiteren Tagen musste die Geschädigte auf Aufforderung des Angeklagten dessen Penis in den Mund nehmen, wobei sie vor ihm kniete und er ihren Kopf festhielt und zu sich heranzog. Nach den genannten sexuellen Handlungen verbot der Angeklagte seiner Nichte, mit ihrer Mutter darüber zu reden, da er ihr ansonsten „böse weh tue“.

2. Die 18-jährige G. -V. T. und ihre 16-jährige Schwester R. lebten zusammen mit ihrer Mutter und ihrer Schwester in einer Wohnung in dem auch vom Angeklagten bewohnten Mehrfamilienhaus. Sie besuchten den Angeklagten regelmäßig in dessen Wohnung. Der Angeklagte hatte versucht, sich den Zeuginnen – wie auch deren 17-jähriger Schwester – körperlich zu nähern, was diese aber abgelehnt und dabei deutlich gemacht hatten, dass sie keinen Kontakt körperlicher oder sexueller Art mit ihm wünschten. Um diese ablehnende Haltung auszuschalten verabreichte der Angeklagte den Geschädigten im Zeitraum vom 7. September 2015 bis 6. Juni 2016 zum Bewusstseinsverlust führende Substanzen ( KO -Tropfen), die er unbemerkt in Getränke gemischt hatte. Die hierdurch erreichte Sedierung nutzte er sodann an zwei Tagen aus, um Fotos von der nackten Brust und dem Genitalbereich der Geschädigten Gi. -V. T. zu fertigen und anschließend den Vaginalverkehr an dieser durchzuführen. Bei fünf weiteren Gelegenheiten fertigte der Angeklagte Fotos der schlafenden oder durch KO -Tropfen sedierten Geschädigten R. T. , die diese teils in bekleidetem Zustand, teils mit entblößter Brust zeigen.

3. In den frühen Morgenstunden des 5. August 2017 näherte sich der Angeklagte mit einem bis zur Nase hochgezogenen Halstuch, das ein weißes Totenkopfgebiss zeigte, der in der Nähe seiner Wohnung auf dem Heimweg befindlichen E. N. , umklammerte sie überraschend von hinten und hielt ihr eine Softairpistole an den Kopf. Auf ihre Frage, was er wolle, sagte er ihr, dass sie das schon wisse. Er stieß sie sodann um, so dass sie auf dem Rücken zu liegen kam, forderte sie auf, sich vor ihm hinzuknien und schlug ihr mit der Hand ins Gesicht, um zu verhindern, dass sie aufstand. Er packte den Kopf der Geschädigten, die durch den Schlag ins Gesicht unter anderem eine blutende Wunde im Mundbereich erlitten hatte, und schob ihr sein erigiertes Glied in den Mund, bis sie würgen musste. Als die Zeugin zu schreien begann, versetzte der Angeklagte ihr mit der Faust einen Schlag in den Bauch und drohte, ihr den Mund mit Klebeband zuzukleben. Im Folgenden kniete sich der Angeklagte auf die Beine der Geschädigten, entkleidete sie und legte ihr Handschellen an. Er packte sie an den Beinen, drehte sie auf den Rücken und drang mit seinem erigierten Glied vaginal und anal in sie ein.

Er äußerte daraufhin, dass er normalerweise die von ihm vergewaltigten Frauen filme, dies bei der Geschädigten aber nicht tue, da ihr Verhalten erbärmlich sei und es ihm keinen Spaß mache. Ihr Verhalten sei leichtsinnig gewesen, da sie nicht weggelaufen sei. Außerdem sei sie selber schuld, wenn sie „in einem solchen Outfit“ nachts alleine herumlaufe. Auch sei die Zeugin „nicht feucht genug“. Der Angeklagte leckte sodann ihre Brüste und drang mit seinen mit schwarzen Lederhandschuhen bekleideten Fingern vaginal in die Zeugin ein. Nachdem er sich beschwert hatte, dass er „noch immer nicht gekommen“ sei und die Zeugin ihn bat, sie in Ruhe zu lassen, drang der Angeklagte erneut mit seinem erigierten Glied vaginal und anal in die unter der Einwirkung der Schläge bereits widerstandslose Zeugin ein. Mit den Worten, sie würde ja morgen noch dort liegen, ließ der Angeklagte von der Zeugin ab, sammelte seine Gegenstände und verließ den Tatort.

4. Die sachverständig beratene Strafkammer ist von voller Schuldfähigkeit des Angeklagten bei der Tatbegehung ausgegangen. Der bei ihm vorliegende periculäre sexuelle Sadismus und die Störung der Sexualpräferenz in Form einer heterosexuellen Pädophilie nicht ausschließlichen Typs erreichte nicht die Schwere, dass ihnen Krankheitswert zukäme.

II.

Die Revision der Staatsanwaltschaft ist wirksam auf den Strafausspruch und die Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung bzw. des Vorbehalts einer solchen beschränkt (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 24. Mai 2018 – 4 StR 643/17, NStZ-RR 2018, 305 , 306); sie hat zur Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung Erfolg. Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat aber auch zu Gunsten des Angeklagten – was der Senat gemäß § 301 StPO zu prüfen hat – einen Teilerfolg und führt insoweit zur Aufhebung des Strafausspruchs.

1. Der Strafausspruch weist keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten auf. Soweit in allen Fällen bei der Strafbemessung zu Gunsten des Angeklagten dessen „straffreies Vorleben“ berücksichtigt wurde, besorgt der Senat nicht, die Strafkammer könnte aus dem Blick verloren haben, dass der Angeklagte bei der zeitlich letzten Tat – worauf der Generalbundesanwalt hinweist – bereits 12 Verbrechen und fünf Vergehen begangen hatte. Erläuternd führt die Strafkammer nämlich aus, der Angeklagte sei bis zur Begehung der festgestellten Taten, mithin in den ersten 28 Lebensjahren, strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten. Die weiteren Angriffe der Staatsanwaltschaft gegen die Strafzumessung verfangen aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend dargelegten Gründen nicht.

2. Demgegenüber kann die Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung keinen Bestand haben.

a) Die Strafkammer hat die formellen Voraussetzungen zur Anordnung der Sicherungsverwahrung gemäß § 66 Abs. 2 StGB bejaht. Auch bestehe, so das Landgericht, derzeit ein erhebliches Rückfallrisiko. Es lasse sich jedoch nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen bzw. als im Sinne des § 66a Abs. 1 Nr. 3 StGB wahrscheinlich gegeben annehmen, dass der in § 66 Abs. 1 Nr. 4 StGB vorausgesetzte Hang zu erheblichen Straftaten beim Angeklagten vorliege. In weitgehender Übereinstimmung mit dem Sachverständigen seien zahlreiche der „von Habermeyer und Saß entwickelten Kriterien des Hangtäters“ nicht positiv festzustellen. Auch dem Umstand, dass der Angeklagte über längere Zeit strafrechtlich unauffällig geblieben sei, komme hohe Bedeutung zu.

b) Diese Erwägungen halten revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.

aa) Ein Hang im Sinne des § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB liegt nach der ständigen Rechtsprechung bei einem eingeschliffenen inneren Zustand des Täters vor, der ihn immer wieder neue Straftaten begehen lässt. Hangtäter ist derjenige, der dauerhaft zu Straftaten entschlossen ist oder aufgrund einer fest eingewurzelten Neigung straffällig wird, wenn sich die Gelegenheit bietet, ebenso wie derjenige, der willensschwach ist und aus innerer Haltlosigkeit Tatanreizen nicht zu widerstehen vermag. Der Hang als „eingeschliffenes Verhaltensmuster“ bezeichnet einen aufgrund umfassender Vergangenheitsbetrachtung festgestellten gegenwärtigen Zustand (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Januar 2019 – 5 StR 476/18 Rn. 5; Urteil vom 8. Juli 2005 – 2 StR 120/05, BGHSt 50, 188 , 195 f.; Beschlüsse vom 27. September 1994 – 4 StR 528/94, BGHR StGB § 66 Abs. 1 Hang 8; vom 6. Mai 2014 – 3 StR 382/13, NStZ-RR 2014, 271 f.; vom 24. Mai 2017 – 1 StR 598/16, BGHR StGB § 66 Abs. 1 Hang 15 mwN). Für die Annahme eines Hanges ist ein dauerhafter Entschluss, Straftaten zu begehen, nicht erforderlich, sondern eine entsprechende, in der Persönlichkeit liegende Neigung kann auch bei Gelegenheitstaten zu bejahen sein (vgl. Senat, Urteile vom 4. November 2009 – 2 StR 347/09 Rn. 8 mwN; vom 17. November 2010 – 2 StR 356/10 Rn. 5).

Der Hang ist als Rechtsbegriff einem Sachverständigenbeweis nicht zugänglich (BGH, Beschluss vom 25. Mai 2011 – 4 StR 87/11, NStZ-RR 2011, 272 , 273). Das Tatgericht hat das Vorliegen oder die Wahrscheinlichkeit eines Hanges – nach sachverständiger Beratung – unter sorgfältiger Gesamtwürdigung aller für die Beurteilung der Persönlichkeit des Täters und seiner Taten in eigener Verantwortung wertend festzustellen und in den Urteilsgründen darzulegen (BGH, Urteil vom 9. Mai 2019 – 4 StR 511/18 Rn. 31); diese Würdigung bedarf in den Fällen von § 66 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 StGB , bei denen Vortaten und Vorverbüßungen fehlen, besonderer Sorgfalt (BGH, Beschluss vom 6. Mai 2014 – 3 StR 382/13, NStZ-RR 2014, 271 , 272 mwN). Das Tatgericht hat sich eine eigene Überzeugung über den Zustand des Angeklagten zu bilden und sich insofern mit den Befunden des Sachverständigen auseinanderzusetzen (vgl. BGH, Beschluss vom 6. September 1991 – 4 StR 408/91, BGHR StPO § 261 Überzeugungsbildung 17 mwN). Die für die Gesamtwürdigung maßgeblichen Umstände sind in den Urteilsgründen anzugeben, damit eine revisionsgerichtliche Nachprüfung möglich ist (Schönke/Schröder/Kinzig, StGB , 30. Aufl., § 66 Rn. 71).

bb) Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht.

(1) Soweit die Urteilsgründe im Anschluss an den gehörten Sachverständigen mitteilen, auf der Grundlage der Kriteriensammlung von Habermeyer/Saß (Nervenarzt 2004, 1061, 1066 f.) sei die überwiegende Anzahl der für die Annahme eines Hangtäters sprechenden Kriterien nicht erfüllt und die vorliegenden Kriterien nicht von hoher Bedeutung, werden die erfüllten und die nicht erfüllten Kriterien lediglich schlagwortartig aufgezählt. So wird schon nicht ersichtlich, welchen Sinngehalt und welche Relevanz für das Verhalten des Angeklagten im vorliegenden konkreten Einzelfall die Strafkammer den aufgelisteten abstrakten Kriterien beimisst. Auch werden die Anknüpfungstatsachen, auf die sich der Sachverständige stützt, nicht mitgeteilt, so dass dem Senat die Nachprüfung verwehrt ist, ob die Strafkammer mit Recht vom Vorliegen oder Nichtvorliegen der genannten Kriterien ausgegangen ist. Dies erhellt sich auch nicht aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe. Nach den Feststellungen zu den Tatgeschehen, namentlich zu den bei der Tat zum Nachteil der Zeugin N. getätigten Äußerungen des Angeklagten, die auf Herabwürdigung und Demütigung des Tatopfers gerichtet sind, hätte es jedenfalls näherer Erörterung bedurft, weshalb sich dessen ungeachtet „antisoziale Denkstille“ oder „ein sogenannter Reizhunger“ nicht feststellen lassen und inwieweit allein das unauffällige Berufsleben des Angeklagten mit der Annahme unvereinbar sein kann, diese Kriterien lägen vor.

(2) Die Urteilsgründe lassen darüber hinaus besorgen, die Strafkammer könnte bei der Gesamtwürdigung maßgebliche Umstände für die Beurteilung der Persönlichkeit des Täters und seiner Taten nicht bedacht und anderen Gesichtspunkten ein zu großes Gewicht beigemessen haben.

(a) Unerörtert bleiben die von der Strafkammer bei der Frage der Schuldfähigkeit – dem Sachverständigen folgend – festgestellten Umstände zur Persönlichkeit des Angeklagten. Danach weist der Angeklagte eine Paraphilie in Form eines sexuellen Sadismus und einer heterosexuellen Neigung vom nicht ausschließbaren Typ auf, die die Intensitätsstufe einer stabilen devianten Entwicklung erreicht hat und deren gemeinsamer und verbindender Aspekt die Erlangung und Ausübung von Kontrolle, Macht und Dominanz über eine weibliche Person ist. Dazu, welchen Einfluss dies auf die Annahme eines eingeschliffenen inneren Zustands im Sinne eines Hangs zur Begehung etwa von Sexualdelikten hat, verhalten sich die Urteilsgründe nicht. Eine Erörterung musste sich der Strafkammer aber umso mehr aufdrängen, als dem Angeklagten ausnahmslos Sexualstraftaten zu Last liegen, die Sexualstruktur des Angeklagten nach den Feststellungen inzwischen weitgehend durch die paraphile Neigung bestimmt ist und in den Fällen des § 66 Abs. 2 StGB , in denen Vortaten und Vorverbüßungen fehlen, der Persönlichkeit des Täters bei der Prüfung eines Hanges im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 4 StGB besondere Bedeutung zukommen kann.

(b) Ebenso wenig wird erkennbar, ob die Strafkammer bei der Gesamtwürdigung die wesentlichen Umstände der jeweiligen Taten und des gesamten Tatgeschehens bedacht hat, deren ausdrückliche Erörterung im Rahmen der in § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB vorausgesetzten Gesamtwürdigung jedoch geboten gewesen wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 27. September 1994 – 4 StR 528/94, NStZ 1995, 178 ). Der Angeklagte beging innerhalb eines Zeitraums von etwa zweieinhalb Jahren 18 mitunter gravierende Sexualstraftaten, deren Intensität sich nicht nur hinsichtlich der sexuellen Handlungen, sondern auch hinsichtlich der bei der Tatbegehung zum Einsatz gekommenen Mittel, entgegenstehenden Willen der Opfer zu überwinden, deutlich gesteigert hat. Gerade auch relativ zeitnah aufeinanderfolgende Taten können in ihrer Häufung Ausdruck eines eingeschliffenen inneren Zustands des Täters sein, der ihn immer wieder neue Straftaten begehen lässt (vgl. Senat, Urteil vom 25. Juli 2007 – 2 StR 209/07, NStZ 2008, 27 , 28). Dies hat die Strafkammer nicht erkennbar in den Blick genommen.

(c) Zu besorgen ist ferner, bei der Gesamtwürdigung könnte dem Fehlen von Vorstrafen ein zu großes Gewicht beigemessen worden sein. Zwar kann berücksichtigt werden, dass ein Angeklagter in der Lage war, sich über einen längeren Zeitraum straffrei zu führen (vgl. Senat, Urteil vom 17. November 2010 – 2 StR 356/10, NStZ-RR 2011, 77 ). Liegen aber – wie die Strafkammer rechtsfehlerfrei feststellt – die formellen Voraussetzungen von § 66 Abs. 2 StGB vor, so kann nach gesetzlicher Wertung schon allein aus den abgeurteilten Taten ein Hang ableitbar sein. Es versteht sich daher nicht von selbst, dass es maßgeblich gegen einen Hang sprechen kann, wenn der Täter nicht früher, nicht öfter oder nicht intensiver straffällig wurde (BGH, Urteil vom 14. August 2007 – 1 StR 201/07 Rn. 30). Ein Fall, in dem längere straffreie Zeiträume zwischen den Anlasstaten festzustellen sind, was grundsätzlich gegen einen Hang sprechen könnte (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Mai 2017 – 1 StR 598/16 Rn. 22), liegt ersichtlich nicht vor.

c) Die Frage der Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung. Die neue Jugendschutzkammer wird zweckmäßigerweise einen anderen Sachverständigen hinzuziehen.

3. Die Aufhebung des angefochtenen Urteils im unterbliebenen Maßregelausspruch führt zu Gunsten des Angeklagten (§ 301 StPO ) zur Aufhebung des gesamten Strafausspruchs. Der Senat kann jedenfalls nicht ausschließen, dass sich die unzureichende Befassung mit der Persönlichkeit des Angeklagten auch auf den Strafausspruch ausgewirkt hat. Dem neuen Tatrichter soll überdies Gelegenheit gegeben werden, umfassende eigene, widerspruchsfreie Feststellungen zu treffen.

4. Ergänzend bemerkt der Senat, dass ein Absehen von der Anordnung der Sicherungsverwahrung trotz bestehender hangbedingter Gefährlichkeit in Ausübung des in § 66 StGB eingeräumten Ermessens nur dann in Betracht kommt, wenn bereits zum Zeitpunkt des Urteilserlasses die Erwartung begründet ist, der Täter werde hierdurch eine Haltungsänderung erfahren, so dass für das Ende des Strafvollzugs eine günstige Prognose gestellt werden kann. Zum Zeitpunkt des Urteilserlasses noch ungewisse positive Veränderungen und lediglich mögliche Wirkungen künftiger Maßnahmen im Strafvollzug können indes nicht genügen. Vielmehr bedarf es zumindest konkreter Anhaltspunkte für einen Behandlungserfolg (Senat, Urteil vom 28. März 2012 – 2 StR 592/11 Rn. 12).

Von Rechts wegen

Vorinstanz: LG Kassel, vom 27.09.2018