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BGH - Entscheidung vom 12.03.2019

X ZR 34/17

Normen:
IntPatÜbkG Art. II § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
IntPatÜbkG Art. II § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
IntPatÜbkG Art. II § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 2

Fundstellen:
GRUR 2019, 718
MDR 2019, 882

BGH, Urteil vom 12.03.2019 - Aktenzeichen X ZR 34/17

DRsp Nr. 2019/7712

Offenbarung der Erfindung als ausführbar durch das Zurverfügungstehen einer Messmethode für den Fachmann zur Ermittlung zuverlässig des relevanten Werts; Richten des Patentschutzes auf einen Stoff (hier: Zusammensetzung auf Basis eines Cer-Zirkonium-Mischoxids)

a) Ist der Patentschutz auf einen Stoff gerichtet, der hinsichtlich eines bestimmten Parameters einen im Patentanspruch festgelegten Mindestwert erreicht oder übersteigt, so ist die Erfindung ausführbar offenbart, wenn dem Fachmann eine Messmethode zur Verfügung steht, mit der er den relevanten Wert zuverlässig ermitteln kann.b) Wenn diese Voraussetzung erfüllt ist, steht es der Ausführbarkeit nicht entgegen, wenn der Fachmann zur Vorbereitung oder Durchführung der Messung auf allgemeines Fachwissen zurückgreifen muss.

Tenor

Die Berufungen gegen das Urteil des 3. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 11. Oktober 2016 werden zurückgewiesen.

Von den Kosten der Berufungsinstanz tragen die Klägerin drei Viertel und die Beklagte ein Viertel.

Normenkette:

IntPatÜbkG Art. II § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 2;

Tatbestand

Die Beklagte ist Inhaberin des europäischen Patents 735 984 (Streitpatents), das am 20. Dezember 1994 unter Inanspruchnahme der Priorität einer französischen Anmeldung vom 24. Dezember 1993 angemeldet worden ist und unter anderem eine Zusammensetzung auf Basis eines Cer-Zirkonium-Mischoxids betrifft. Patentanspruch 14, auf den vierzehn weitere Ansprüche zurückbezogen sind, lautet in der Verfahrenssprache:

Composition à base dun oxyde mixte de cérium et de zirconium, caractérisée en ce quelle présente un volume poreux total dau moins 0,6 cm3/g et en ce quau moins 40%, plus particulièrement au moins 50%, du volume poreux total est apporté par des pores de diamètre dau plus 1 µm.

Die Klägerin, die von der Beklagten wegen Verletzung des Streitpatents gerichtlich in Anspruch genommen wird, hat das Schutzrecht im Umfang der Patentansprüche 14 bis 16 und 18 bis 25 mit der Begründung angegriffen, insoweit sei die Erfindung nicht so offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen könne, und der Gegenstand des Patents gehe über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Unterlagen hinaus und sei nicht patentfähig. Die Beklagte hat das Streitpatent in der erteilten Fassung und hilfsweise in fünf geänderten Fassungen verteidigt.

Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt, soweit sein Umfang über die mit dem erstinstanzlichen Hilfsantrag 1 verteidigte Fassung hinausgeht, und die Klage im Übrigen abgewiesen.

Dagegen wenden sich beide Parteien mit der Berufung. Die Klägerin strebt im oben genannten Umfang weiterhin eine vollständige Nichtigerklärung an. Die Beklagte beantragt die vollständige Abweisung der Klage und stellt ergänzend fünf Hilfsanträge, die sich weitgehend mit den erstinstanzlichen Anträgen decken, aber in anderer Reihenfolge geltend gemacht werden.

Entscheidungsgründe

Beide Berufungen sind zulässig, aber unbegründet.

A. Das Streitpatent betrifft, soweit im Streitfall von Interesse, eine Zusammensetzung auf Basis eines Cer-Zirkonium-Mischoxids.

I. Nach den Ausführungen in der Streitpatentschrift waren Cer- und Zirkoniumoxid im Stand der Technik als geeignete Bestandteile von Katalysatoren bekannt, insbesondere auch von Drei-Wege-Katalysatoren zum Abbau von Kohlenmonoxid, Kohlenwasserstoffen und Stickoxiden im Abgas von Verbrennungsmotoren. Vieles habe darauf hingedeutet, dass der kombinierte Einsatz beider Stoffe besonders vorteilhaft sei. Verschiedentlich sei versucht worden, Mischoxide einzusetzen. Dafür sei ein Material mit einer möglichst großen Oberfläche und einer hohen Temperaturbeständigkeit erforderlich. Um solche Mischoxide zu erhalten, müsse eine Kalzinierung oder ein Tempern bei mehr als 1000°C erfolgen. Aufgrund dieser hohen Temperatur liege die spezifische Oberfläche nicht über 10 m2/g, im Allgemeinen sogar unterhalb von 5 m2/g.

Das Streitpatent betrifft vor diesem Hintergrund das technische Problem, ein Mischoxid aus Cer und Zirkonium mit hoher Temperaturbeständigkeit und großer Oberfläche zur Verfügung zu stellen.

II. Zur Lösung dieses Problems schlägt das Streitpatent in Patentanspruch 14 eine Zusammensetzung vor, deren Merkmale sich wie folgt gliedern lassen:

1.

Die Zusammensetzung basiert auf einem Cer-Zirkonium-Mischoxid.

2.

Das Gesamtporenvolumen beträgt mindestens 0,6 cm3/g.

3.

Mindestens 40 % des Gesamtporenvolumens werden durch Poren mit einem Durchmesser von höchstens 1 µm gebildet.

III. Das Patentgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

Nach der erteilten Fassung sei die mit Patentanspruch 14 geschützte Erfindung nicht so offenbart, dass ein Fachmann, ein promovierter Chemiker mit Erfahrung in der Entwicklung von Abgaskatalysatoren, sie ausführen könne. Mit der Mindestangabe für das Gesamtporenvolumen werde ein theoretisch ins Unendliche gehender Bereich beansprucht. Dieser Bereich weise Teilbereiche auf, für die die Ausführbarkeit weder nachvollziehbar dargelegt sei noch wenigstens plausibel erscheine.

Der mit dem erstinstanzlichen Hilfsantrag 1 verteidigte Gegenstand, der für das Gesamtporenvolumen eine Obergrenze von 1,5 cm3/g vorsieht, sei hingegen ausführbar offenbart.

Als Gesamtporenvolumen im Sinne des Streitpatents sei die Summe des Volumens aller an der Oberfläche vorhandenen Poren anzusehen. Hierbei seien auch alle Hohlräume zwischen einzelnen Partikeln zu berücksichtigen, weil das Streitpatent nicht zwischen einzelnen Porenarten unterscheide. Das abweichende Verständnis, das die Klägerin aus den Messergebnissen eines von den Parteien gemeinsam in Auftrag gegebenen Gutachtens (K21) und zwei von ihr eingeholten Privatgutachten (K22a, K22b) ableite, finde in der Streitpatentschrift keine Grundlage. Aus den im Streitpatent wiedergegebenen Porogrammen könne nicht exakt abgeleitet werden, in welchen Bereichen verschiedene Porenvolumina lägen. Der von der Klägerin angestellte Vergleich mit Porogrammen für andere Proben führe nicht zu einer abweichenden Beurteilung.

Die Streitpatentschrift zeige dem Fachmann auf, wie er die maßgeblichen Porositätseigenschaften bestimmen könne. Die Klägerin habe keinen Beweis dafür erbracht, dass die im Streitpatent angeführte Quecksilberintrusionsporometrie für diese Zwecke ungeeignet sei. Ihr Argument, das im Streitpatent genannte Messgerät sei im Handel nicht mehr erhältlich, führe nicht zu einer anderen Beurteilung, denn es gehöre zur täglichen Praxis des Fachmanns, mit unterschiedlichen Messgeräten durchgeführte Messungen durch Abgleich der verwendeten Parameter vergleichbar zu machen. Die genaue Angabe aller bei der Messung verwendeten Parameter sei entbehrlich, weil der Fachmann wisse, auf welche Parameter es ankomme und wie diese einzustellen seien. Dass hierzu eventuell Vorversuche erforderlich seien, führe nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Entbehrlich sei ferner die Angabe, ob die Messung kontinuierlich oder schrittweise durchzuführen sei.

Entgegen der Auffassung der Klägerin seien die Messungen auch dann reproduzierbar, wenn das Volumen der Hohlräume zwischen einzelnen Partikeln einbezogen werde. Dem Fachmann sei bekannt, dass das Kompaktionsvolumen von der Probenvorbereitung abhängen könne. Er könne das Ausmaß der daraus resultierenden Schwankungen aber ermitteln und bei den jeweiligen Endergebnissen berücksichtigen.

Die mit den Patentansprüchen 20 bis 22 geschützte Erfindung sei ebenfalls ausführbar offenbart. Die darin vorgesehene Bereichsangabe, wonach das Material eine spezifische Oberfläche von mindestens 20 bzw. 40 m2/g aufweisen müsse, werde durch die Vorgaben zum Gesamtporenvolumen in dem in Bezug genommenen Patentanspruch 14 hinreichend begrenzt. Entgegen der Auffassung der Klägerin sei die spezifische Oberfläche mit der im Streitpatent angegebenen BET-Methode bestimmbar. Der Fachmann habe keine Zweifel daran, dass diese Methode für alle Katalysatoren anwendbar sei, unabhängig von der Zuordnung zu einem der insgesamt sechs möglichen Isothermentypen. Der Einwand, dass die Methode nur theoretische Werte liefern könne, sei unerheblich, weil auch auf dieser Basis ein Vergleich unterschiedlicher Oberflächen möglich sei.

Der mit dem erstinstanzlichen Hilfsantrag 1 verteidigte Gegenstand sei neu. Die europäische Patentanmeldung 605 274 (K6) enthalte keine Angaben zum Gesamtporenvolumen und zur Porenverteilung. Den von der Klägerin vorgelegten Berichten über eine Nacharbeitung (K7 und K8) lasse sich nicht zweifelsfrei entnehmen, ob es sich bei den erhaltenen Produkten um die in K6 offenbarten Mischoxide handle. Entsprechendes gelte für die Veröffentlichung von Einarsdóttir (Production of Zirconia (12 mol% CeO2) Powder by Supercritical Drying and its Properties, British Ceramic Proceedings 1991, 55-60, K9) und die internationale Anmeldung WO 89/08611 (K11). Die hierzu vorgelegten Berichte über Nacharbeitungen (K10 und K24; K12) wiesen abweichende Verfahrensschritte aus. Entgegen der Auffassung der Klägerin können diese Abweichungen nicht als unwesentlich angesehen werden.

Der mit dem erstinstanzlichen Hilfsantrag 1 verteidigte Gegenstand beruhe auch auf erfinderischer Tätigkeit. Im US-Patent 4 713 233 (K13) sei zwar unter anderem ein Mischoxid aus Aluminium und Zirkonium offenbart. Anhaltspunkte dafür, Aluminium gegen Cer auszutauschen, ergäben sich daraus aber nicht. Ferner legten die in K13 für die mit Yttrium oder Aluminium dotierten Zirkonium-Mischoxide angegebenen Messwerte kein Gesamtvolumen in dem in Patentanspruch 14 vorgesehenen Bereich nahe. Weitergehende Anregungen ergäben sich auch nicht aus K9 oder K11.

B. Diese Beurteilung hält der Überprüfung im Berufungsverfahren stand.

I. Zutreffend ist das Patentgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass die mit der erteilten Fassung der angegriffenen Patentansprüche beanspruchte Erfindung nicht so offenbart ist, dass ein Fachmann sie ausführen kann.

1. Nach der Rechtsprechung des Senats ist es bei einem Merkmal, das in verallgemeinerter Form beansprucht ist, nicht generell erforderlich, dass die Patentschrift dem Fachmann für jede denkbare Ausführungsform einen gangbaren Weg zu deren Verwirklichung aufzeigt.

Wenn etwa ein "generisch" beanspruchter Verfahrensschritt bei wertender Betrachtung in seiner allgemeinen Bedeutung zur erfindungsgemäßen Problemlösung gehört, genügt es grundsätzlich, wenn eine bestimmte Ausführungsform ausführbar offenbart ist. Anders kann es sich hingegen verhalten, wenn ein offener Bereich durch zwei einander entgegenwirkende Parameter definiert wird, ohne dass die sich aus dem Zusammenwirken der Parameter ergebenden Schranken offenbart sind. Dann beansprucht der Satz Geltung, dass der mögliche Patentschutz durch den Beitrag zum Stand der Technik begrenzt wird. Die ausführbare Offenbarung erfasst in solchen Fällen nur die Bereiche, in denen sich die Ausführbarkeit aus den offenbarten oder dem nacharbeitenden Fachmann geläufigen Maßnahmen ergibt oder in denen sie, insbesondere bei punktuellen Offenbarungen, jedenfalls plausibel ist (BGH, Urteil vom 25. Februar 2010 - Xa ZR 100/05, BGHZ 184, 300 = GRUR 2010, 414 Rn. 23 - Thermoplastische Zusammensetzung).

Die Beurteilung dieser Frage bedarf stets einer wertenden Betrachtung. Welches Maß an Verallgemeinerung in diesem Zusammenhang zulässig ist, richtet sich im Einzelfall danach, ob der mit der jeweiligen Anspruchsfassung erschlossene Schutz sich im Rahmen dessen hält, was dem Patent aus Sicht des Fachmanns unter Berücksichtigung der Beschreibung und der darin enthaltenen Ausführungsbeispiele als allgemeinste Form der technischen Lehre zu entnehmen ist, durch die das der Erfindung zu Grunde liegende Problem gelöst wird (BGH, Beschluss vom 11. September 2013 - X ZB 8/12, BGHZ 198, 205 = GRUR 2013, 1210 Rn. 21 - Dipeptidyl-Peptidase-Inhibitoren; Urteil vom 17. Januar 2017 - X ZR 11/15, GRUR 2017, 493 Rn. 36 - Borrelioseassay).

2. Im Streitfall fehlt es danach für den mit Merkmal 2 beanspruchten Wertebereich des Gesamtporenvolumens an einer ausführbaren Offenbarung.

a) Entgegen den in einzelnen Beziehungen möglicherweise missverständlichen Ausführungen des Patentgerichts ergibt sich dies allerdings nicht schon daraus, dass der beanspruchte Bereich einseitig offen ist und sich deshalb theoretisch ins Unendliche erstreckt.

Ein nur in einer Richtung begrenzter Wertebereich kann nach den oben aufgezeigten Grundsätzen ausführbar offenbart sein, wenn sich die Erfindung nicht in der Eröffnung eines bestimmten Bereichs erschöpft, sondern eine darüber hinausgehende, verallgemeinerbare Lehre aufzeigt, die es dem Fachmann erstmals ermöglicht, nach weiteren Verbesserungsmöglichkeiten zu suchen und den im Patent konkret aufgezeigten Höchstwert zu übertreffen.

b) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist ein einseitig offener Bereich aber nicht schon dann ausführbar offenbart, wenn der beanspruchte Bereich durch zwei oder mehr Parameter bestimmt wird, die in ihren Wirkungen gegenläufig sind und schon deshalb einer weiteren Verbesserung im Hinblick auf alle angestrebten Vorteile Grenzen setzen.

Die aufgezeigten Grundsätze kommen vielmehr generell zur Anwendung, wenn der Anspruch auf einen nicht begrenzten Bereich gerichtet ist, das Patent aber nur für einen begrenzten Bereich einen ausführbaren Weg zur Verwirklichung des angestrebten Ziels aufzeigt. In allen diesen Konstellationen ist maßgeblich, welchen Beitrag die beanspruchte Lehre zum Stand der Technik leistet.

c) Das Streitpatent zeigt keine verallgemeinerbare Lehre im oben genannten Sinne auf. Entgegen der Auffassung der Beklagten hat es nicht eine neue Klasse von Mischoxiden mit besonders günstigen Eigenschaften in Bezug auf Gesamtvolumen und Größenverteilung der Poren zur Verfügung gestellt, sondern lediglich ein neues Verfahren, mit dem Mischoxide mit verbesserten Eigenschaften hergestellt werden können.

Wie auch in der Beschreibung des Streitpatents ausgeführt wird, waren Cer-Zirkonium-Mischoxide im Stand der Technik als besonders geeignetes Ausgangsmaterial für Katalysatoren bekannt und mit hierfür grundsätzlich geeigneten, wenn auch verbesserungsfähigen Porengrößen verfügbar. Die geschützte Erfindung hat dem Fachmann insoweit keinen vollständig neuen Weg eröffnet, sondern lediglich einen Verfahrensweg aufgezeigt, auf dem die Gesamtporengröße und damit die Eignung des Materials für den Einsatz in Katalysatoren erhöht werden kann. Eine spätere Erfindung, die unabhängig von diesem Herstellungsverfahren eine weitere Verbesserung ermöglicht, beruht damit nicht auf dem Beitrag, den das Streitpatent zum Stand der Technik geleistet hat. Deshalb ist bei der gebotenen wertenden Betrachtung nur derjenige Bereich als ausführbar offenbart anzusehen, der mit dem offenbarten Verfahren erreicht werden kann.

3. Hinsichtlich der zweitinstanzlichen Hilfsanträge 1 bis 3, die im Wesentlichen mit den erstinstanzlichen Hilfsanträgen 3, 4 und 2 übereinstimmen, gilt nichts Anderes.

a) Nach dem zweitinstanzlichen Hilfsantrag 1 soll die erteilte Fassung von Patentanspruch 14 dahin ergänzt werden, dass die Zusammensetzung erhältlich ist durch Kalzinierung bei einer Temperatur zwischen 200°C und 1000°C.

Auch damit ist kein ausführbarer Weg aufgezeigt, um die mit Merkmal 2 beanspruchte Vorgabe zu erfüllen.

Die Kalzinierung ist nach den Ausführungen in der Patentschrift nicht das Mittel, mit dem das angestrebte große Porenvolumen erreicht wird, sondern ein Verfahrensschritt, der tendenziell eher zur Reduzierung des Porenvolumens führt. Das zusätzlich beanspruchte Merkmal betrifft folglich einen Parameter, der in Bezug auf das angestrebte Ziel eher gegenläufig wirkt. Ein solches Merkmal gibt dem Fachmann keine zusätzliche Hilfestellung hinsichtlich der Frage, wie er das Gesamtporenvolumen über die aus dem Streitpatent ersichtlichen Grenzen hinaus weiter vergrößern kann.

b) Nach dem zweitinstanzlichen Hilfsantrag 2 soll die erteilte Fassung von Patentanspruch 14 dahin ergänzt werden, dass die Zusammensetzung in Form einer festen Lösung vorliegt.

Auch damit ist kein Weg aufgezeigt, auf dem das Gesamtporenvolumen über den ausführbar offenbarten Bereich hinaus weiter vergrößert werden kann.

c) Nach dem zweitinstanzlichen Hilfsantrag 3 soll die erteilte Fassung von Patentanspruch 14 dahin ergänzt werden, dass die Zusammensetzung nach sechsstündiger Kalzinierung bei 800°C eine spezifische Oberfläche von mindestens 20 m2/g aufweist.

Damit wird der in Merkmal 2 vorgegebene und nicht ausführbar offenbarte offene Bereich durch einen weiteren offenen Bereich ergänzt, ohne dass dem Fachmann zusätzliche Mittel an die Hand gegeben werden, um das Gesamtporenvolumen zu vergrößern.

II. Ebenfalls zutreffend hat das Patentgericht die Klage als unbegründet angesehen, soweit sie sich gegen die in erster Instanz mit Hilfsantrag 1 und in zweiter Instanz mit Hilfsantrag 4 verteidigte Fassung richtet, nach der das Gesamtporenvolumen im Bereich von 0,6 cm3/g bis 1,5 cm3/g liegt.

1. Zu Recht hat das Patentgericht entschieden, dass bei der Bestimmung des Gesamtporenvolumens im Sinne von Merkmal 2 nicht nur die als Intrapartikelvolumen bezeichneten Hohlräume innerhalb einzelner Feststoffpartikel zu berücksichtigen sind, sondern gegebenenfalls auch die als Interpartikel- und Kompaktionsvolumen bezeichneten Räume zwischen einzelnen Partikeln.

a) Zutreffend hat das Patentgericht dem von der Klägerin unter Bezugnahme auf die vorgelegten Privatgutachten (K22a, K22b) geltend gemachten allgemeinen wissenschaftlichen Sprachgebrauch keine allein ausschlaggebende Bedeutung beigemessen.

Nach dem Vorbringen der Klägerin werden als Poren in der einschlägigen Literatur mit der Oberfläche in Verbindung stehende Hohlräume oder Kanäle in einem Festkörper angesehen, deren Tiefe größer ist als ihre Breite. Für pulverförmige Materialien, die aus einer Vielzahl von kleinen Feststoffpartikeln mit mehr oder minder großen Zwischenräumen bestehen, will die Klägerin hieraus die Schlussfolgerung ziehen, dass nur Hohlräume innerhalb der einzelnen Partikel als Poren, die Leerräume zwischen den Partikeln hingegen als "Zwischenkornhohlräume" anzusehen seien.

Ob diese Schlussfolgerung mit dem allgemeinen wissenschaftlichen Sprachgebrauch in Einklang steht, kann dahingestellt bleiben. Selbst wenn die Frage zu bejahen wäre, ergäbe sich weder daraus noch aus sonstigen Umständen, dass dieses Verständnis auch dem Streitpatent zugrunde liegt.

b) Ebenfalls zutreffend hat das Patentgericht dem für die Auslegung heranzuziehenden Inhalt der Patentschrift entnommen, dass Leerräume zwischen einzelnen Partikeln in die Betrachtung einzubeziehen sind.

aa) Die Beschreibung des Streitpatents unterscheidet zwischen einer ersten Ausführungsform mit einem Gesamtporenvolumen von mindestens 0,6 cm3/g, insbesondere mindestens 0,7 cm3/g (S. 5 Z. 12-15), die durch Trocknen unter Zerstäubung erreicht werden kann (S. 5 Z. 40, séchage par atomisation), und einer zweiten Ausführungsform mit einem Gesamtporenvolumen von mindestens 0,3 cm3/g (S. 3 Z. 18-21), die im Allgemeinen bei Trocknung in einem Ofen ohne Zerkleinerung oder Desagglomeration entsteht (S. 5 Z. 34 f., séchage en étuve sans broyage ou désagglomération). Bei der ersten Ausführungsform sind aufgrund der Zerkleinerung Hohlräume zwischen den einzelnen Partikeln zu erwarten.

bb) Die in der Beschreibung des Streitpatents als Messmethode angegebene Quecksilberporosimetrie (S. 5 Z. 25-32) erfasst grundsätzlich auch solche Hohlräume.

Bei dieser Methode wird die Gesamtmenge an Quecksilber gemessen, die durch Druckbeaufschlagung in die zu untersuchende Probe eingebracht werden kann. Anhand des zur Darstellung des Messergebnisses dienenden Porogramms kann das Verhältnis zwischen der Menge des aufgenommenen Quecksilbers und der Größe der aufnehmenden Poren ermittelt werden, weil die Messung bei steigendem Druck erfolgt und das Quecksilber mit zunehmendem Druck in immer kleinere Hohlräume eindringt. Dies ermöglicht eine Unterscheidung zwischen bestimmten Arten von Hohlräumen, sofern sich deren Größe hinreichend deutlich unterscheidet.

Bei der Interpretation ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass lose angeordnetes Material in einer ersten Phase der Messung durch das von außen zugeführte Quecksilber zunächst so weit zusammengepresst wird, bis sich die einzelnen Partikel berühren. Welcher Anteil des insgesamt zugeführten Quecksilbers auf dieses so genannte Kompaktionsvolumen entfällt, kann nur dann zuverlässig ermittelt werden, wenn die Größe der nach der Kompaktion verbleibenden Zwischenräume hinreichend genau bestimmt werden kann. Alternativ kann versucht werden, das Material vor der Messung so zu verdichten, dass möglichst kein Kompaktionsvolumen verbleibt.

cc) Die Beschreibung des Streitpatents befasst sich mit diesen Aspekten nicht.

Die in den Figuren 1 und 2 wiedergegebenen Porogramme für die Ausführungsbeispiele 2 und 3, bei denen das gewonnene Material nach dem Trocknen und vor dem Kalzinieren in einem Mörser desagglomeriert wurde (S. 7 Z. 28-31), und für die nach dem Stand der Technik hergestellten Vergleichsbeispiele 4 und 5 (S. 7 Z. 55-57) lassen keine Differenzierung zwischen verschiedenen Arten von Hohlräumen erkennen.

In der Beschreibung des Streitpatents finden sich keine Hinweise darauf, dass von den ermittelten Messwerten das Kompaktionsvolumen oder das nach der ersten Verdichtungsphase verbleibende Interpartikelvolumen abgezogen wurde. Der in der Beschreibung angegebene Mindestwert von 0,6 cm3/g liegt zwar unter dem aus den Abbildungen ersichtlichen Gesamtvolumen von rund 0,8 cm3/g. Weder die Figuren noch die Beschreibung lassen aber erkennen, dass diese Differenz auf einem solchen Abzug beruht und welche Kriterien gegebenenfalls herangezogen wurden, um die einzelnen Arten von Hohlräumen voneinander zu unterscheiden.

dd) Sofern der Verlauf der dargestellten Kurven überhaupt eine Interpretation ermöglicht, spricht die Beschreibung zudem eher dafür, dass der angegebene Mindestwert von 0,6 cm3/g das Interpartikelvolumen umfasst.

Nach Auffassung der Klägerin können das Intrapartikel- und das Interpartikelvolumen in den Figuren 1 und 2 anhand der beiden Bereiche unterschieden werden, in denen die Kurve signifikant ansteigt. Sofern dies zuträfe, entfiele von dem Gesamtwert von rund 0,8 cm3/g nur etwa die Hälfte auf das Intrapartikelvolumen. Der angegebene Mindestwert könnte mithin nur unter Einbeziehung des Interpartikelvolumens erreicht werden.

Anhaltspunkte dafür, dass das Streitpatent zwischen Interpartikel- und Kompaktionsvolumen unterscheiden will, finden sich in der Beschreibung nicht. Insbesondere wird dort nicht erwähnt, dass das Material nach der Zerkleinerung und vor der Messung wieder verdichtet wurde.

ee) Aus funktionalen Gesichtspunkten ergibt sich keine abweichende Beurteilung.

Dem Kompaktionsvolumen kommt für die Eignung des Materials als Katalysator allerdings nicht ohne weiteres Aussagekraft zu, wenn das Material im Zuge der weiteren Bearbeitung zu Kügelchen geformt wird, wie dies in der Beschreibung geschildert wird (S. 6 Z. 31 f.), und es im Zuge dieser Bearbeitung zu einer Verdichtung kommt.

Dieser Bearbeitungsschritt wird jedoch nur als Beispiel angeführt. Demgegenüber wird eine Zerkleinerung des Materials vor dem Kalzinieren als Möglichkeit zur Steigerung des Gesamtporenvolumens besonders hervorgehoben.

Vor diesem Hintergrund ist jedenfalls nicht auszuschließen, dass ein durch Auflockerung des Materials erzieltes zusätzliches Volumen die grundsätzliche Attraktivität des Materials für einen Einsatz in Katalysatoren erhöht. Auch unter diesem Aspekt erschiene es mithin inkonsequent, von dem ermittelten Porenvolumen Abzüge vorzunehmen.

2. Ebenfalls zutreffend hat das Patentgericht entschieden, dass die Erfindung so offenbart ist, dass ein Fachmann sie ausführen kann.

a) Der Ausführbarkeit steht nicht entgegen, dass das in den Messwert einfließende Kompaktionsvolumen von der Art und Weise abhängen kann, in der die Probe vorbereitet wird.

Nach den Feststellungen des Patentgerichts ist dem Fachmann der Einfluss bekannt, den die Vorbereitung der Probe auf das Kompaktionsvolumen haben kann. Er kann das Ausmaß solcher Schwankungen durch Messreihen ermitteln und durch Festlegung standardisierter Methoden reproduzierbare Ergebnisse erzielen. Hieraus hat das Patentgericht zu Recht abgeleitet, dass der Fachmann das Gesamtporenvolumen im Sinne von Merkmal 2 aufgrund seiner Fachkenntnisse bestimmen kann.

Entgegen der Auffassung der Klägerin führt die vom Patentgericht aufgezeigte Vorgehensweise nicht zu willkürlichen oder zufälligen Ergebnissen. Die nach den Feststellungen des Patentgerichts erforderliche und mögliche Standardisierung der Probenvorbereitung zielt nicht darauf ab, innerhalb der möglichen Schwankungsbreite einen bestimmten Messwert nach Gutdünken als verbindlich festzulegen, sondern darauf, störende Einflüsse, die von der Probenvorbereitung ausgehen, auf ein Minimum zu reduzieren, also sowohl eine Verdichtung als auch eine zusätzliche Auflockerung des zu untersuchenden Materials nach Möglichkeit zu vermeiden. Dies setzt entgegen der Auffassung der Klägerin nicht voraus, dass es ein allgemein gültiges Verfahren für die Vorbereitung von Proben gibt. Ausreichend ist vielmehr, wenn der Fachmann eine den genannten Anforderungen genügende Methode bezogen auf ein bestimmtes Material im Einzelfall bestimmen kann. Letzteres ist nach den Feststellungen des Patentgerichts möglich.

b) Der Ausführbarkeit steht ferner nicht entgegen, dass im Streitpatent nicht alle Parameter für die Messung im Detail angegeben sind.

Nach den Feststellungen des Patentgerichts ist dem Fachmann bekannt, welchen Parametern bei der Messung Bedeutung zukommt und wie diese einzustellen sind. Dies hat das Patentgericht zu Recht als ausreichend angesehen.

Entgegen der Auffassung der Klägerin führt das Fehlen weiterer Festlegungen, etwa zu der Frage, ob der Druck während der Messung schrittweise oder kontinuierlich erhöht wird, auch in diesem Zusammenhang nicht zu zufälligen oder willkürlichen Messergebnissen. Aus den Feststellungen des Patentgerichts ergibt sich vielmehr, dass der Fachmann beurteilen kann, welche Messergebnisse als zuverlässig anzusehen sind. So dient ein Großteil der vorhandenen Einstellmöglichkeiten dem Zweck, sicherzustellen, dass möglichst alle vorhandenen Hohlräume mit Quecksilber ausgefüllt werden. Dem entsprechend liegt es im Bestreben des Fachmanns, diese Parameter so einzustellen, dass sich ein möglichst hoher Messwert ergibt. Bestimmte Einstellungen können hingegen dazu führen, dass das zu untersuchende Material beschädigt wird und dadurch zusätzliche Hohlräume entstehen. Bezüglich dieser Parameter liegt das Bestreben folglich bei möglichst niedrigen Messwerten.

c) Zu Recht hat das Patentgericht die mit den Patentansprüchen 20 bis 22 geschützte Erfindung, die zusätzlich durch konkrete Anforderungen an die spezifische Oberfläche des Materials charakterisiert ist, ebenfalls als ausführbar offenbart angesehen.

aa) Die in der Beschreibung des Streitpatents (S. 3 Z. 41-43) angeführte Messmethode nach dem Standard ASTM D 3663-78, die auf der erstmals von Brunauer, Emmet und Teller (BET) im Jahr 1938 vorgeschlagenen Vorgehensweise beruht, ist nach den Feststellungen des Patentgerichts grundsätzlich für alle Isothermentypen geeignet und wird in der Fachwelt unabhängig von der Kenntnis des Isothermentyps angewendet.

Mit ihrem Berufungsvorbringen zeigt die Klägerin keine konkreten Anhaltspunkte auf, die Zweifel an der Vollständigkeit oder Richtigkeit dieser Feststellungen begründen.

Die Klägerin wiederholt im Wesentlichen ihren erstinstanzlichen Vortrag, wonach in den einleitenden Bemerkungen des genannten Standards (K3 S. 1140 unter 1.1) ausgeführt wird, dass mit der Methode die spezifische Oberfläche von Katalysatoren mit einer Adsorptionsisotherme vom Typ II oder IV bestimmt wird, die die im Streitfall in Rede stehenden Substanzen laut einer privatgutachterlichen Stellungnahme (K5) nicht aufweisen. Diesen Einwand hat das Patentgericht in tatrichterlicher Würdigung als unbegründet angesehen, weil der Fachmann das Messverfahren ungeachtet des zitierten Hinweises für alle Isothermentypen anwendet, was unter anderem durch die internationale Anmeldung WO 89/08611 (K11 S. 17 Z. 10 f.) belegt wird. Diese Feststellungen werden nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Klägerin auf ihrem abweichenden Standpunkt beharrt.

bb) Der von der Klägerin hervorgehobene Umstand, dass die BET-Methode bei bestimmten Isothermentypen zu geringe Messwerte liefert, weil die zur Bestimmung der Oberfläche eingesetzten Stickstoffatome nicht in jede Pore eindringen, steht der Tauglichkeit dieser Methode für den im Streitpatent vorgesehenen Einsatzzweck nicht entgegen.

Dem Streitpatent geht es darum, eine möglichst große spezifische Oberfläche zu erzielen. Um die Erreichung dieses Ziels überprüfen zu können, bedarf es einer Messmethode, die hinreichende Gewissheit gibt, dass die tatsächlich vorhandene Oberfläche nicht kleiner ist, als dies der ermittelte Messwert ausweist. Dieser Anforderung wird die BET-Methode auch in den hier in Rede stehenden Konstellationen gerecht. Die nicht auszuschließende Möglichkeit, dass die tatsächlich vorhandene Oberfläche den gemessenen Wert sogar übertrifft, stellt für den vom Streitpatent vorausgesetzten Einsatzzweck keinen praktisch relevanten Nachteil dar.

cc) Entgegen der Auffassung der Klägerin steht der Ausführbarkeit auch nicht entgegen, dass die BET-Methode oder der Standard ASTM D 3663-78 in den Patentansprüchen 20 bis 22 nicht ausdrücklich benannt werden.

Aus dem Umstand, dass die Patentansprüche nicht auf eine bestimmte Messmethode Bezug nehmen, mag sich ergeben, dass nicht zwingend die in der Beschreibung angeführte Methode heranzuziehen ist. Gerade wenn mehrere Methoden in Betracht kommen, die zu grundlegend unterschiedlichen Ergebnissen führen, kommt den Angaben in der Beschreibung aber ausschlaggebende Bedeutung zu, um die für sich gesehen nicht ausreichenden Vorgaben in den Patentansprüchen zu konkretisieren. Dies muss im vorliegenden Zusammenhang nicht zwingend zur Folge haben, dass nur eine Messung nach dem Standard ASTM D 3663-78 in Frage kommt. Eine andere Methode darf aber nur dann eingesetzt werden, wenn sie im Wesentlichen die gleichen Ergebnisse erwarten lässt.

3. Zu Recht hat das Patentgericht den geschützten Gegenstand als neu angesehen.

Nach den Feststellungen des Patentgerichts stimmen die in den Versuchsberichten vom 16. April 2013 (K10) und 13. Juli 2016 (K24) beschriebenen Verfahrensweisen nicht in allen Punkten mit dem in K9 offenbarten Verfahren überein. Dies hält der Überprüfung im Berufungsverfahren stand.

a) Die Frage, welche Zusammensetzungen der Fachmann vor dem Prioritätstag durch identische oder naheliegende Nacharbeitungen des in K9 offenbarten Beispiels erhalten hätte, kann im Streitfall nur anhand von Indizien beurteilt werden.

Eine unmittelbare Beweisführung käme nur in Betracht, wenn Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass es vor dem Prioritätstag bereits gelungen war, durch solche Nacharbeitungen eine patentgemäße Zusammensetzung zu erhalten. Solche Anhaltspunkte sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Die von der Klägerin vorgetragenen Versuchsergebnisse sind für eine unmittelbare Beweisführung schon deshalb ungeeignet, weil die dokumentierten Versuche nach dem Prioritätstag stattgefunden haben. Die Ergebnisse dieser Versuche können insbesondere angesichts des erheblichen Zeitabstands zum Prioritätstag im Jahre 1993 nur ein Indiz dafür bilden, dass sich vor dem Prioritätstag im Wesentlichen die gleichen Ergebnisse eingestellt hätten.

b) Nach den allgemeinen Grundsätzen des Zivilprozessrechts kann ein Indizienbeweis nur dann als geführt angesehen werden, wenn das Gericht zu der Überzeugung gelangt, dass die vorgetragenen Indiztatsachen zutreffen und dass diese mit der nach § 286 ZPO erforderlichen Gewissheit darauf schließen lassen, dass die unter Beweis gestellte Haupttatsache zutrifft. Der Tatrichter darf und muss deshalb vor der Beweiserhebung prüfen, ob der Indizienbeweis schlüssig ist, ob also die Gesamtheit aller vorgetragenen Indizien - ihre Richtigkeit unterstellt - ihn von der Wahrheit der Haupttatsache überzeugen würde (BGH, Urteil vom 25. Oktober 2012 - I ZR 167/11, NJW-RR 2013, 743 Rn. 26; Urteil vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 45).

Diese Grundsätze sind auch für das Patentnichtigkeitsverfahren maßgeblich.

Anders als im Zivilprozess gilt im Patentnichtigkeitsverfahren zwar der Grundsatz der Amtsermittlung. Dieser kann im vorliegenden Zusammenhang jedoch nur dazu führen, dass das Gericht bei seiner Würdigung gegebenenfalls auch Indiztatsachen zu berücksichtigen hat, die von keiner Partei vorgetragen wurden, sofern sich aus sonstigen Umständen entsprechende Anhaltspunkte ergeben. Die Würdigung, ob die vorgetragenen und sonstigen Indiztatsachen in ihrer Gesamtheit zu der Schlussfolgerung führen, dass die Haupttatsache zutrifft, hat demgegenüber in gleicher Weise zu erfolgen.

c) Das Patentgericht hat sich deshalb zutreffend mit der Frage befasst, ob die von der Klägerin aufgezeigten Indizien ausreichen, um die von ihr postulierte Schlussfolgerung zu stützen. Mit ihren gegen die Beurteilung des Patentgerichts erhobenen Rügen zeigt die Klägerin keine konkreten Anhaltspunkte auf, die Zweifel an der Vollständigkeit oder Richtigkeit der getroffenen Feststellungen begründen. Solche Anhaltspunkte sind auch nicht anderweit ersichtlich.

Dabei kann dahingestellt bleiben, welche Folgen es hat, dass bei den in K10 und K24 beschriebenen Versuchen anstelle der in K9 genannten Filterpresse ein Büchnerfilter zum Einsatz gekommen ist. Die tatrichterliche Würdigung des Patentgerichts, wonach die Aussagekraft der dokumentierten Versuche nicht ausreicht, um die von der Klägerin postulierte Schlussfolgerung als zweifelsfrei erwiesen anzusehen, wird schon durch die Erwägungen zu den gewonnenen Produkten und zum Temperatur-/Druckprofil getragen. Deshalb ist es nicht zu beanstanden, dass das Patentgericht von einer Beweisaufnahme über die von der Klägerin vorgetragenen Indiztatsachen abgesehen hat.

aa) Nach den Feststellungen des Patentgerichts begründen die aus den Versuchsberichten ersichtlichen Abweichungen hinsichtlich der spezifischen Oberfläche nach Kalzinieren bei verschiedenen Temperaturen Zweifel daran, dass die dokumentierten Versuche so vorgenommen wurden, wie es für den Fachmann vor dem Prioritätstag nahegelegen hätte.

Die von der Klägerin erhobenen Einwände, es sei möglich, dass die in K9 offenbarten Werte auf Messfehlern beruhten, und die Messung der spezifischen Oberfläche sei stets mit Ungenauigkeiten verbunden, vermögen diese Beurteilung nicht in Frage zu stellen. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass das Patentgericht diese Möglichkeit übersehen hat, sind nicht ersichtlich. Dass es sie als nicht ausreichend erachtet hat, um den Indizienbeweis als geführt anzusehen, begründet keine Zweifel an der Richtigkeit der getroffenen Feststellung.

bb) Nach den Feststellungen des Patentgerichts begründen die aus den Versuchsberichten ersichtlichen Unterschiede im Temperatur-/Druckprofil ebenfalls Zweifel an der Aussagekraft der dokumentierten Versuche.

Diese Beurteilung wird durch den von der Klägerin angeführten Umstand, dass das Temperaturprofil von der Wärmetransfercharakteristik des eingesetzten Reaktors oder Autoklaven abhänge, nicht in Frage gestellt.

Das Patentgericht hat aus dem Umstand, dass K9 konkrete Angaben dazu enthält, bei welcher Temperatur welcher Druck erreicht wird, die Schlussfolgerung gezogen, dass diesem Profil ausschlaggebende Bedeutung für das erhaltene Produkt zukommen kann. Ausgehend davon hat es einen entscheidenden Unterschied darin gesehen, dass bei dem in K9 beschriebenen Verfahren ein Druck von 130 bar erst bei einer Temperatur von 272°C erreicht wird, während dieser Druck bei den in K24 beschriebenen Versuchen schon bei 243°C bzw. 235°C aufgetreten ist. Die Klägerin zeigt keine Anhaltspunkte auf, die nahelegen könnten, dass diesen Unterschieden entgegen der Einschätzung des Patentgerichts keine Bedeutung zukommen kann.

4. Ebenfalls zutreffend hat das Patentgericht entschieden, dass der geschützte Gegenstand auf erfinderischer Tätigkeit beruht.

a) Der geschützte Gegenstand ist durch K9 nicht nahegelegt.

aa) K9 offenbart ein Verfahren zur Herstellung eines für die Weiterverarbeitung zu keramischem Material geeigneten Pulvers aus Zirkoniumoxid, das mit 12 Molprozent Cerdioxid dotiert ist.

In der Einleitung von K9 wird dargelegt, bei bekannten Verfahren komme es während des Kalzinierens zur Bildung harter Agglomerate, die zu Problemen bei dem zur Herstellung von Keramik erforderlichen Sintern führten. Um die Bildung von Agglomeraten möglichst zu verhindern, wird vorgeschlagen, eine Lösung aus Zirkonium- und Cerhydroxid einer überkritischen Trocknung zu unterwerfen. Ein auf diese Weise hergestelltes Pulver weise nach Kalzinierung bei 1000°C eine verhältnismäßig große spezifische Oberfläche von 34 m2/g auf und erreiche durch Sintern bei einer Temperatur von 1300°C eine Dichte von mehr als 98% des theoretischen Maximalwerts.

bb) Hieraus ergab sich für den Fachmann keine Anregung, das in K9 offenbarte Verfahren heranzuziehen, um ein Cer-Zirkonium-Mischoxid mit hohem Gesamtporenvolumen zu erhalten.

Die in K9 beschriebene relativ große spezifische Oberfläche kann zwar theoretisch auf einem großen Porenvolumen beruhen. Mit diesem Aspekt befassen sich die Ausführungen in K9 aber nicht. Dort steht vielmehr die Vermeidung von Agglomeraten im Mittelpunkt. In diesem Zusammenhang stellt eine große spezifische Oberfläche einen Indikator für einen geringen Grad an Agglomeratbildung dar. Der Ausbildung von Poren für den in K9 im Mittelpunkt stehenden Einsatz als Ausgangsstoff für einen Sinterungsprozess kommt nach dem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen der Beklagten demgegenüber allenfalls untergeordnete Bedeutung zu.

Angesichts dessen ergab sich für den Fachmann keine hinreichende Veranlassung, das in K9 offenbarte Verfahren als möglichen Ansatzpunkt zur Erreichung eines größeren Gesamtporenvolumens in Betracht zu ziehen.

cc) Entgegen der Auffassung der Klägerin ist der geschützte Gegenstand auch nicht deshalb nahegelegt, weil die in K24 dokumentierten Versuche ein Mischoxid mit den beanspruchten Merkmalen geliefert haben.

Nach der Rechtsprechung des Senats ist allerdings ein Gegenstand als nahegelegt anzusehen, den der Fachmann zwangsläufig erhält, wenn er ein durch den Stand der Technik nahegelegtes Verfahren anwendet (BGH, Urteil vom 24. Juli 2012 - X ZR 126/09, GRUR 2012, 1130 Rn. 29 - Leflunomid). Weder K24 noch den sonstigen Versuchsberichten im Zusammenhang mit K9 kann jedoch entnommen werden, dass eine Nacharbeitung des dort offenbarten Verfahrens zwangsläufig zu einem Mischoxid mit den vom Streitpatent beanspruchten Eigenschaften führt.

Dabei kann dahingestellt bleiben, ob und inwieweit die Unterschiede zwischen dem in K9 offenbarten und dem in K24 dokumentierten Verfahren durch den Fachmann beeinflussbar sind oder auf zufälligen Eigenschaften der eingesetzten Apparate beruhen. Soweit der Fachmann auf diese Unterschiede Einfluss nehmen kann, ergeben sich aus K9 keine Hinweise darauf, in welcher Weise dies zu geschehen hat, um das in Merkmal 2 vorgesehene Gesamtporenvolumen und die in Merkmal 3 vorgesehene Verteilung zu erreichen. Soweit die Unterschiede auf Zufällen beruhen, besteht nicht die Gewähr dafür, dass sich die vom Streitpatent beanspruchten Eigenschaften zwangsläufig ergeben.

b) Der geschützte Gegenstand ist durch die US-Patentschrift 4 713 233 (K13) ebenfalls nicht nahegelegt.

aa) K13 befasst sich mit der Herstellung von anorganischen hydratisierten Oxiden.

In der Einleitung wird dargelegt, das Porenvolumen und die spezifische Oberfläche solcher Oxide könnten bei Einsatz konventioneller Apparate zur Sprühtrocknung vergrößert werden, indem organische Lösungsmittel zur Herstellung der Gele oder Lösungen verwendet würden (Sp. 2 Z. 36-40). Als Ausführungsbeispiel 6 wird die Herstellung von Zirkoniumoxid geschildert (Sp. 9 Z. 52 ff.), als Beispiel 9 die Herstellung eines Yttrium-Zirkonium-Mischoxids (Sp. 10 Z. 34 ff.) und als Beispiel 15 die Herstellung eines Aluminium-Zirkonium-Mischoxids (Sp. 12 Z. 30 ff.).

In Tabelle 1 sind die spezifische Oberfläche und das Porenvolumen, jeweils nach dem Sprühtrocknen und nach einer Kalzinierung (800°C bei den Beispielen 6 und 9, 700°C bei Beispiel 10, 900°C bei Beispiel 15), wie folgt angegeben:

bb) Daraus ergaben sich für den Fachmann keine ausreichenden Hinweise darauf, dass auf einem der in K13 offenbarten Wege ein Cer-Zirkonium-Mischoxid mit den Merkmalen 2 und 3 erzielt werden könnte.

Die in Tabelle 1 aufgelisteten Ergebnisse belegen zwar, dass ein Porenvolumen von mehr als 0,6 cm3/g mit bestimmten Ausgangsstoffen und bestimmten Verfahrenswegen erreichbar ist. Die unterschiedlichen Werte, die sich für die einzelnen Beispiele von K13 ergeben haben, begründeten aber keine hinreichende Aussicht darauf, dass der Einsatz von Cer anstelle von Aluminium oder Yttrium zu dem angestrebten Mindestwert führen würde. Angesichts der unterschiedlichen Ergebnisse war auch nicht ohne weiteres erkennbar, durch welche konkrete Verfahrensgestaltung das Ergebnis in die gewünschte Richtung beeinflusst werden kann.

Entgegen der Auffassung der Klägerin ergeben sich aus einem Vergleich der Beispiele 6, 9 und 10 keine weitergehenden Anregungen. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob diese Beispiele darauf hindeuten, dass mit Zirkoniumoxid oder mit Zirkonium-Mischoxiden nicht zugleich eine große spezifische Oberfläche und ein großes Porenvolumen erreichbar sind. Unabhängig davon, wie diese Frage zu beantworten ist, ergibt sich daraus jedenfalls kein Hinweis darauf, dass eine Dotierung mit Cer insoweit bessere Ergebnisse zeitigt.

Dass Mischoxide auf der Basis von Cer und Zirkonium im Stand der Technik als grundsätzlich vorteilhaft bekannt waren, führt nicht zu einer anderen Beurteilung. Trotz dieser Vorteile gab es im Stand der Technik kein Mischoxid mit den Merkmalen 2 und 3.

C. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 121 Abs. 2 PatG sowie § 97 Abs. 1 und § 92 Abs. 1 ZPO .

Von Rechts wegen

Verkündet am: 12. März 2019

Vorinstanz: BPatG, vom 11.10.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 3 Ni 5/15 (EP)
Fundstellen
GRUR 2019, 718
MDR 2019, 882