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BGH - Entscheidung vom 27.03.2019

XII ZB 417/18

Normen:
FamFG § 7
FamFG § 303 Abs. 2 Nr. 1
FamFG § 7
FamFG § 303 Abs. 2 Nr. 1
FamFG § 7 Abs. 4
FamFG § 303 Abs. 2 Nr. 1

Fundstellen:
FGPrax 2019, 222
FamRZ 2019, 1091
FuR 2019, 469
MDR 2019, 1015
NJW-RR 2019, 835

BGH, Beschluss vom 27.03.2019 - Aktenzeichen XII ZB 417/18

DRsp Nr. 2019/7168

Ermöglichen der Einflussnahme eines Beteiligten auf das laufende Verfahren durch das Gericht hinsichtlich Erforderlichkeit für die auch konkludent mögliche Hinzuziehung zu einem Betreuungsverfahren; Anwesenheit eines Angehörigen bei der Anhörung des Betroffenen als Beteiligter

a) Für die auch konkludent mögliche Hinzuziehung zu einem Betreuungsverfahren ist erforderlich, dass das Gericht dem Beteiligten eine Einflussnahme auf das laufende Verfahren ermöglichen will und dies zum Ausdruck bringt (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 13. März 2019 - XII ZB 523/18 - zur Veröffentlichung bestimmt).b) Allein der Umstand, dass ein Angehöriger bei der Anhörung des Betroffenen anwesend ist, macht ihn nicht zum Beteiligten i.S.d. § 7 FamFG .

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der weiteren Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss der 29. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 10. August 2018 wird zurückgewiesen.

Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtskostenfrei.

Wert: 5.000 €

Normenkette:

FamFG § 7 Abs. 4 ; FamFG § 303 Abs. 2 Nr. 1 ;

Gründe

I.

Die Beteiligte zu 1 (im Folgenden: Mutter) wendet sich gegen die Bestellung einer Berufsbetreuerin für ihren Sohn. Der Betroffene leidet an einer Trisomie 21 (Down-Syndrom) mit verzögerter Entwicklung der geistigen Fähigkeiten.

Das Amtsgericht hat für den 1973 geborenen Betroffenen eine Berufsbetreuerin für den Aufgabenkreis Gesundheitssorge, Aufenthaltsbestimmung, Vermögenssorge, Wohnungs- bzw. Heimangelegenheiten, Vertretung gegenüber Behörden und Versicherungen sowie Anhalten, Entgegennehmen und Öffnen der Post bestellt. Das Landgericht hat die Beschwerde der Mutter "zurückgewiesen". Hiergegen wendet sie sich mit ihrer Rechtsbeschwerde.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, aber nicht begründet.

1. Die Beschwerdebefugnis der Mutter des Betroffenen für das Verfahren der Rechtsbeschwerde folgt daraus, dass ihre (Erst-)Beschwerde erfolglos geblieben ist (Senatsbeschluss vom 16. Januar 2019 - XII ZB 489/18 - juris Rn. 4 mwN).

2. Die Rechtsbeschwerde ist jedoch unbegründet, weil das Landgericht die Erstbeschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts zu Recht - der Sache nach - verworfen hat.

a) Das Recht der Beschwerde gegen eine von Amts wegen ergangene Entscheidung steht nach § 303 Abs. 2 Nr. 1 FamFG im Interesse des Betroffenen unter anderem dessen Eltern zu, wenn sie im ersten Rechtszug beteiligt worden sind.

Ist ein Angehöriger erstinstanzlich nicht beteiligt worden, steht ihm kein Beschwerderecht zu, unabhängig davon, aus welchen Gründen die Beteiligung unterblieben ist. Die Hinzuziehung eines Beteiligten kann allerdings auch konkludent erfolgen, etwa durch das Übersenden von Schriftstücken oder die Ladung zu Terminen. Andererseits genügt die bloße Bekanntgabe der die Instanz abschließenden Entscheidung für eine Beteiligung im Sinne von §§ 7 , 274 , 303 Abs. 2 FamFG nicht. Denn eine Beteiligung setzt notwendiger Weise die Möglichkeit voraus, dass die beteiligte Person - in welcher Art und Weise auch immer - auf das Verfahren in derselben Instanz Einfluss nehmen kann (Senatsbeschlüsse vom 16. Januar 2019 - XII ZB 489/18 - juris Rn. 11 mwN und vom 18. Oktober 2017 - XII ZB 213/16 - FamRZ 2018, 197 Rn. 11 mwN). Erforderlich ist zudem, dass das Gericht dem Beteiligten eine solche Einflussnahme ermöglichen will und dies zumindest konkludent zum Ausdruck bringt. Es bedarf daher immer eines vom Gericht gewollten Hinzuziehungsaktes, unabhängig davon, ob es sich um einen Muss-Beteiligten i.S.v. § 274 Abs. 1 FamFG oder - wie hier - um einen Kann-Beteiligten nach § 274 Abs. 4 FamFG handelt (Senatsbeschluss vom 13. März 2019 - XII ZB 523/18 - zur Veröffentlichung bestimmt). Dabei muss das Gericht dem Dritten zu erkennen geben, dass es ihn am Verfahren beteiligen will (vgl. Keidel/Zimmermann FamFG 19. Aufl. § 7 Rn. 29).

Der Senat hat eine konkludent erfolgte Beteiligung etwa für den Fall bejaht, dass ein Angehöriger des Betroffenen bei der erstinstanzlichen Anhörung nicht nur anwesend war, sondern vom Gericht in diese einbezogen wurde (Senatsbeschluss vom 3. Februar 2016 - XII ZB 493/15 - FamRZ 2016, 626 Rn. 6). Dabei steht die Nichterwähnung im Entscheidungsrubrum einer tatsächlichen Hinzuziehung nicht entgegen (Senatsbeschluss vom 18. Oktober 2017 - XII ZB 213/16 - FamRZ 2018, 197 Rn. 8 mwN). Die bloße Anregung zur Einleitung eines Verfahrens auf Betreuerwechsel (§ 1908 b BGB ) führt hingegen nach der Senatsrechtsprechung nicht zur Beteiligung des Anregenden an diesem Verfahren (Senatsbeschlüsse vom 16. Januar 2019 - XII ZB 489/18 - juris Rn. 9 mwN und vom 11. Juli 2018 - XII ZB 471/17 - FamRZ 2018, 1607 Rn. 12 mwN).

b) Gemessen hieran ist die Mutter des Betroffenen im ersten Rechtszug nicht beteiligt worden, so dass sie auch nicht nach § 303 Abs. 2 Nr. 1 FamFG zur Beschwerde befugt ist.

aa) Zwar hat das Amtsgericht der Mutter die Möglichkeit eingeräumt, zu der beabsichtigten Einrichtung einer Betreuung für ihren Sohn Stellung zu nehmen. Auch wenn das Gericht damit die Mutter dem Grunde nach in das Verfahren einbezogen hat (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 13. März 2019 - XII ZB 523/18 - zur Veröffentlichung bestimmt), kann hier nicht unberücksichtigt bleiben, dass das entsprechende Anschreiben des Gerichts zugleich einen ausdrücklichen Hinweis auf § 7 Abs. 4 FamFG enthält, wonach die Mutter beantragen kann, am Verfahren förmlich beteiligt zu werden. Damit hat das Amtsgericht zu erkennen gegeben, dass es die Mutter durch die ihr eingeräumte Möglichkeit, Stellung zu nehmen, noch nicht beteiligen wollte. Infolgedessen hat es sie, die keinen Antrag auf Beteiligung gestellt hat, im weiteren Verfahren nicht einbezogen. Es hat ihr keine (weiteren) Schriftstücke übersandt und sie nicht zum Anhörungstermin geladen. Ebenso wenig hat es ihr den Anhörungsvermerk, den Beweisbeschluss und das Sachverständigengutachten übersandt. Deshalb war es aus Sicht des Amtsgerichts nur konsequent, dass es sie nicht im Rubrum aufgeführt und ihr die angefochtene Entscheidung auch nicht bekanntgegeben hat.

bb) Der Einwand der Rechtsbeschwerde, die Mutter sei konkludent beteiligt worden, weil sie bei der - im häuslichen Umfeld stattgefundenen - Anhörung des Betroffenen zugegen gewesen sei, geht fehl.

(1) Gemäß § 278 Abs. 1 FamFG hat das Gericht den Betroffenen vor der Bestellung eines Betreuers oder der Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts persönlich anzuhören. Dabei hat es sich einen persönlichen Eindruck von dem Betroffenen zu verschaffen. Diesen persönlichen Eindruck soll sich das Gericht in dessen üblicher Umgebung verschaffen, wenn es der Betroffene verlangt oder wenn es der Sachaufklärung dient und der Betroffene nicht widerspricht.

(2) Dementsprechend hat das Amtsgericht den Betroffenen in seinem häuslichen Umfeld angehört. Dass die Mutter, die zu diesem Termin nicht geladen worden ist, bei der Anhörung zugegen war, ist ersichtlich dem Umstand geschuldet gewesen, dass der Betroffene im Hause seiner Mutter lebt. Aus dem Anhörungsvermerk ergibt sich, dass die Mutter lediglich bei der Anhörung anwesend war, nicht aber, dass sie - wie in dem vom Senat bereits entschiedenen Fall (Senatsbeschluss vom 3. Februar 2016 - XII ZB 493/15 - FamRZ 2016, 626 Rn. 6) - vom Gericht in diese einbezogen wurde.

Auch wenn die Rechtsbeschwerde zutreffend darauf hinweist, dass Anhörungen in Betreuungssachen gemäß § 170 Abs. 1 Satz 1 GVG nicht öffentlich sind, führt die Anwesenheit der Mutter ohne ihre Einbeziehung in die Anhörung nicht ohne weiteres zu einer konkludenten Beteiligung an dem Betreuungsverfahren. Vorstellbar ist etwa, dass das Amtsgericht der Mutter des Betroffenen als Person seines Vertrauens nach § 170 Abs. 1 Satz 3 GVG - insoweit konkludent - die Anwesenheit gestattet hat. Ebenso wenig kann ausgeschlossen werden, dass das Amtsgericht irrtümlich die Anwesenheit der Mutter zugelassen hat. Das führte hier infolge unterbliebener Beteiligung am Verfahren jedenfalls nicht zu einer Beschwerdebefugnis der Mutter.

cc) Ebenso wenig dringt die Rechtsbeschwerde mit ihrem Einwand durch, die Mutter sei durch ihre - gegenüber der Sachverständigen erklärte - Bereitschaft zur Übernahme der Betreuung Beteiligte i.S.d. § 7 FamFG geworden. Allein der Wunsch, sich auch inhaltlich am Verfahren zu beteiligen, führt nicht zu einer Beteiligung i.S.v. § 7 FamFG . Selbst eine (inhaltliche) Anregung, für einen Dritten eine Betreuung einzurichten, führt für sich gesehen nicht zur Beteiligtenstellung des Anregenden (vgl. Senatsbeschluss vom 16. Januar 2019 - XII ZB 489/18 - juris Rn. 9 mwN). Schließlich kommt es maßgeblich darauf an, dass vom Gericht die Initiative ausgeht, die betreffende Person zu beteiligen.

3. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 74 Abs. 7 FamFG ).

Vorinstanz: AG Königstein, vom 10.04.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 16 XVII 21/18 B
Vorinstanz: LG Frankfurt/Main, vom 10.08.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 29 T 181/18
Fundstellen
FGPrax 2019, 222
FamRZ 2019, 1091
FuR 2019, 469
MDR 2019, 1015
NJW-RR 2019, 835