Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0
Wir durchsuchen unsere Datenbank

BSG - Entscheidung vom 13.08.2018

B 13 R 90/18 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1
SGB X § 119

BSG, Beschluss vom 13.08.2018 - Aktenzeichen B 13 R 90/18 B

DRsp Nr. 2018/17622

Feststellung höherer Pflichtbeiträge für fiktive Arbeitsentgelte aus Schadensersatz Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren Sachverhaltsschilderung als Mindestanforderung für die Darlegung eines Revisionszulassungsgrundes

1. Zur formgerechten Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtsfrage im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren reicht es nicht aus, lediglich zu behaupten, es hätten beim Regress nach § 119 SGB X höhere Beiträge berücksichtigt werden müssen, weil dies andernfalls unzumutbar wäre. 2. Die Sachverhaltsschilderung gehört zu den Mindestvoraussetzungen der Darlegung des Revisionsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung, weil es ist nicht Aufgabe des Revisionsgerichts ist, sich im Rahmen des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens die maßgeblichen Tatsachen aus dem angegriffenen Urteil und den Akten selbst herauszusuchen.

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 27. Februar 2018 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ; SGB X § 119 ;

Gründe:

Mit Urteil vom 27.2.2018 hat das LSG Baden-Württemberg einen Anspruch der Klägerin auf Feststellung höherer Pflichtbeiträge für fiktive Arbeitsentgelte aus Schadensersatz und auf höhere Rente wegen voller Erwerbsminderung verneint.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat die Klägerin Beschwerde beim BSG eingelegt. Sie beruft sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG und rügt Verfahrensmängel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG .

Die Beschwerde der Klägerin ist unzulässig. Ihre Begründung vom 29.6.2018 genügt den gesetzlichen Anforderungen nicht, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht ordnungsgemäß dargetan worden sind (vgl § 160a Abs 2 S 3 SGG ).

1. Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache ist in der Beschwerdebegründung eine konkrete Rechtsfrage zu bezeichnen und schlüssig aufzuzeigen, dass diese klärungsbedürftig, in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 19, Nr 22 RdNr 5; BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 5 RdNr 2 ff, Nr 9 RdNr 4, jeweils mwN). Es muss aus der Beschwerdebegründung ersichtlich sein, dass sich die Antwort auf die Rechtsfrage nicht ohne Weiteres aus dem Gesetz oder der bisherigen Rechtsprechung ergibt; hierzu bedarf es der Auseinandersetzung mit den vorinstanzlichen Entscheidungen und sonstiger einschlägiger Rechtsprechung. Diese Anforderungen, die allerdings nicht überspannt werden dürfen, sind verfassungsrechtlich unbedenklich (BVerfG [Kammer] SozR 4-1500 § 160a Nr 12 RdNr 3 f, Nr 16 RdNr 4 f, Nr 24 RdNr 5 ff).

Unter Nr 2 der Beschwerdebegründung macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, dass das LSG höhere Beitragszeiten im Zusammenhang mit einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch hätte berücksichtigen müssen, weil die Klägerin andernfalls unzumutbare Nachteile hätte. Dies zeige, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung habe.

Damit werden die Anforderungen an eine Grundsatzrüge verfehlt. Es mangelt bereits an der Formulierung einer abstrakt-generellen Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm (vgl § 162 SGG ) mit höherrangigem Recht (stRspr, vgl BSG Beschluss vom 13.4.2015 - B 12 KR 109/13 B - Juris RdNr 23). Die Formulierung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Norm ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht die Voraussetzungen einer Grundsatzrüge prüfen kann. Zudem zielt die aufgeworfene "Frage" erkennbar auf die vermeintliche inhaltliche Unrichtigkeit der Entscheidung des LSG. Hierauf kann die Beschwerde jedoch nicht gestützt werden.

Sollte es der Klägerin um die grundsätzliche Klärung gehen, ob sie im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so gestellt werden könne, als seien höhere Beiträge nach § 119 Abs 3 S 1 SGB X eingegangen, so fehlt es hinsichtlich der Darlegung der Klärungsbedürftigkeit bereits an jeglicher Auseinandersetzung mit der bisherigen Rechtsprechung über die Rechtsfolgen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs (vgl ua BSG Senatsurteil vom 17.8.2000 - B 13 RJ 87/98 R - Juris RdNr 36; Senatsurteil vom 11.3.2004 - B 13 RJ 16/03 R - BSGE 92, 241 RdNr 13 f = SozR 4-2600 § 58 Nr 3 RdNr 19 f).

Abgesehen davon hat die Klägerin den der Entscheidung des LSG zugrunde liegenden Sachverhalt nicht mitgeteilt, sodass eine Prüfung der Klärungsfähigkeit nicht möglich ist. Insoweit reicht es nicht lediglich zu behaupten, es hätten beim Regress nach § 119 SGB X höhere Beiträge berücksichtigt werden müssen, weil dies andernfalls unzumutbar wäre. Eine Sachverhaltsschilderung gehört zu den Mindestvoraussetzungen der Darlegung des Revisionsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung. Es ist nicht Aufgabe des Revisionsgerichts, sich im Rahmen des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens die maßgeblichen Tatsachen aus dem angegriffenen Urteil und den Akten selbst herauszusuchen (stRspr, zB Senatsbeschluss vom 8.2.2017 - B 13 R 294/16 B - Juris RdNr 7).

2. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG ), müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 S 3 SGG ) die den Verfahrensfehler (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht.

a) Wenn die Klägerin rügt, dass das LSG ihre Klageänderung verfahrenswidrig als nicht sachdienlich und damit als unzulässig zurückgewiesen habe, kann das Revisionsgericht die - negative - Entscheidung der Vorinstanz nur daraufhin überprüfen, ob das Tatsachengericht den Rechtsbegriff der Sachdienlichkeit verkannt und damit die Grenzen seines Ermessens überschritten hat. Dazu hätte die Klägerin zumindest substantiiert darlegen müssen, dass die geänderte Klage zulässig gewesen wäre, denn nur dann hätte über sie eine einheitliche Sachentscheidung getroffen werden können (vgl BSG Beschluss vom 7.9.1999 - B 2 U 190/99 B - Juris RdNr 3 mwN).

Nachvollziehbare Ausführungen hierzu fehlen. Die Klägerin legt schon die den Verfahrensfehler (vermeintlich) begründenden Tatsachen nicht substantiiert dar. Sie teilt in der Beschwerdebegründung weder mit, welchen Streitgegenstand das LSG als zulässig angesehen hat, noch, worauf sich der weitere Klageantrag bezogen haben soll. Selbst wenn dem vorgelegten Berufungsurteil entnommen werden kann, dass die Klageänderung auf Gewährung höherer Rente gerichtet war, so zeigt die Klägerin jedenfalls nicht auf, dass hierüber - wie für die Zulässigkeit einer Klage regelmäßig nötig (vgl BSG Urteil vom 16.11.2005 - B 2 U 28/04 R - Juris RdNr 11) - vor Klageerhebung ein Verwaltungsverfahren geführt und dieses mit einem Verwaltungsakt abgeschlossen worden ist. Allein mit dem Hinweis der Klägerin auf ihre Schreiben und die Bezugnahme auf einen "Bescheid vom 13.7.2012, in dem Pflichtbeitragszeiten mitgeteilt" worden seien, wird nicht schlüssig behauptet, dass die Beklagte mit dem angegriffenen Bescheid auch eine Entscheidung - ggf nach § 44 SGB X - über die Rentenhöhe getroffen hat.

Es kann dahinstehen, ob das LSG - wie von der Klägerin zusätzlich geltend gemacht - auf die aus seiner Sicht vorliegende Unzulässigkeit der Klageänderung hätte hinweisen müssen. Denn die Klägerin hat mangels ausreichender Darlegungen zur Sachdienlichkeit der Klageänderung auch nicht hinreichend dargetan, dass die Entscheidung des LSG auf dem Unterlassen eines solchen Hinweises beruhen kann.

b) Die Rüge der Klägerin, das LSG habe ihren Antrag auf Vorlage von Protokollen und Unterlagen über Verhandlungen mit dem Haftpflichtversicherer ignoriert und damit ihren Anspruch auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG , Art 103 Abs 1 GG ) verletzt, ist ebenso unzulässig. Denn sie legt nicht ansatzweise dar, wieso dies entscheidungserheblich sein könnte.

3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG ).

Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Baden-Württemberg, vom 27.02.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 13 R 1623/15
Vorinstanz: SG Freiburg, vom 16.03.2015 - Vorinstanzaktenzeichen 4 R 4578/14